Remoterig - Rettung für den Amateurfunk!?

Transkript

1 Remoterig - Rettung für den Amateurfunk!? von Joachim Kraft, DL8HCZ / CT1HZE In Zeiten, in denen Störungen der limitierende Faktor für den Amateurfunkbetrieb in Deutschland werden, zumindest in den Ballungsräumen, verlieren immer mehr Funkamateure die Lust am Hobby. Störungen, das kann heutzutage ja viel bedeuten, einerseits der gestörte Empfang im eigenen Empfänger durch Powerline Communication (PLC), Rauschen, Prasseln und Pfeifstellen durch Consumer Elektronik, insbesondere Schaltnetzteile, aber auch Energiesparlampen, WLAN-Router und natürlich Plasmafernseher. Dass der Kabelkanal S6 auf MHz herumwabert, ist dabei meist noch das kleinste Problem, wenn auch ein Symptom für die hoffnungslose Lage insgesamt. Jüngst kommen aus England neue Berichte über die modernsten PLC-Modems, die den Bereich von 3 bis 30 MHz und 50 bis 300 MHz komplett unbrauchbar machen, wenn man sie in der Nachbarschaft hat. Und das waren legal vertriebene Geräte. Illegal importierte PLC-Modems aus China tauchten im vergangenen Monat in Süd- Deutschland auf und machten dem bekannten UKW-DXer DK5YA den Betrieb auf 2m zur Hölle. Nichts ging mehr. Sicher ein Vorgeschmack auf das, was zukünftig kommen wird. EG und Stromkonzernen sei Dank wird die PLC-Technologie ja massenweise in den sogenannten intelligenten Stromzählern flächendeckend zum Einsatz kommen. Im Prinzip wird dies das Ende des Amateurfunks einläuten, der auf Weak Signal spezialisiert ist, d.h. der übliche DX-Betrieb in CW/SSB, aber auch Digi-Modes sowohl auf KW, als auch auf UKW wird dann kaum noch sinnvoll möglich sein. In diesem Monat wurde übrigens gerade bekannt gegeben, dass die Normungskommission, die sich mit den Regeln für das eventuelle Herausfiltern (Notchen) der Amateurfunkbänder aus dem PLC-Spektruum nach 5-jährigen Verhandlungen ergebnislos aufgelöst hat. M.E. ist es deshalb auch nicht verwunderlich, dass unser Verein seit Jahren praktisch fast nichts mehr für die Schmalbandbetriebsarten tut, sondern sich heftigst für vergleichsweise unanfällige Betriebsarten engagiert (Stichworte FM, D-Star, Echolink). Vielleicht werden dies in einigen Jahren zumindest in den Ballungsräumen die einzigen Betriebsarten sein, die aufgrund der Störungslage noch machbar sind. Ein weiterer Aspekt ist andererseits die Möglichkeit selbst störende Beeinflussungen in den heutzutage massenhaft vorhandenen elektronischen Geräten in der näheren Nachbarschaft zu verursachen. Viele Funkamateure haben einfach gar keine Lust mehr, hier ein Risiko einzugehen und Ärger und Streit mit den Nachbarn zu verursachen, auch wenn die Rechtslage vielleicht eindeutig sein mag, und gehen oder bleiben QRT, oder machen maximal QRP-Betrieb. Verleidet wird einem das ganze dann auch noch durch die BEMFV (Thema Selbstanzeige). Wer hat unter solchen Vorgaben denn noch wirklich Lust auf Amateurfunk bzw. vor allem auf Experimente mit verschiedenen Antennen und / oder Leistungen etc, wenn jedes Mal alles neu erklärt werden muss. Die Frage ist, ob es einen Ausweg aus dieser recht hoffnungslos erscheinenden Situation gibt? Ja, es gibt ihn! Es ist der ferngesteuerte Betrieb einer Amateurfunkstation. Funkamateure, die davon was verstehen machen das seit Jahren erfolgreich. Das Problem bei der Sache war bisher, dass man nicht nur von HF- und Elektronik was verstehen musste, sondern sich auch mit Software, Computer und vor allem Netzwerktechnologie gut auskennen musste, um so was stabil zum laufen bringen zu können. Und das war gewiss nicht jedermanns Sache. Seit knapp einem Jahr aber gibt es nun eine sogenannte Plug-und-Play-Lösung, die der schwedische Funkamateur Mikael Styrefors, SM2O, entwickelt hat, und die man unter der Bezeichnung Remoterig inzwischen komplett bei Difona kaufen kann. Die Frage war nun, ob wirklich jemand, der keine Ahnung von Computernetzwerken hat, sowas zum Laufen bekommt? Dies wurde im August 2010 ausprobiert. FUNK-TELEGRAMM 12/

2 Das Remoterig wurde von SM2O ursprünglich speziell dafür entwickelt, Transceiver mit einem abnehmbaren Bedienteil (z.b. IC-706, TS-480, DX-SR8, aber auch TS-2000, Yaesu FT Serie, FT-1000 u.a.) über das Internet fernzusteuern. Dabei wird praktisch einfach das Kabel, welches Transceiver und abgenommenes Bedienteil verbindet durch das Internet verlängert. In der Praxis muss tatsächlich das Kabel durchgeschnitten werden und an ein normales Netzwerkkabel angelötet werden (siehe Abb. 2). Dies ist dann auch schon der schwierigste (aber schaffbare) mechanische Teil beim Aufbau des Systems. Die nun an einem Ende mit Netzwerkabelstecker endenden Kabel des Transceivers bzw. Bedienteils werden in jeweils ein spezielles Modem, das eigentliche Remoterig, gesteckt. Von denen befindet sich eines, das Radio-RRC, dann am entfernten, remoten Standort, dort wo sich Transceiver und Antenne befinden und eines, das Control-RRC zuhause, dort wo sich das Bedienteil befindet und von wo aus man dann Betrieb machen will. Siehe Abb. 1. Wo das jeweils auf der Welt ist, ist völlig unerheblich, Voraussetzung ist aber natürlich auf beiden Seiten ein funktionierender schneller Internetanschluß. Abb. 1 Prinzip der Fernsteuerung einer Amateurfunkstation mittels Remoterig SM2O hat in einer sehr ausführlichen (englischen) Anleitung, die im Internet kostenlos heruntergeladen werden kann (siehe schrittweise genauestens beschrieben, wie man beim Aufbau und Betrieb der fernbedienten Station vorzugehen hat. Wenn man sich daran hält, bekommt man das auch tatsächlich hin. Diese Erfahrung habe ich jedenfalls gemacht. Da ich zufällig sowieso einen IC-706 und eine Prosistel-Rotor an meiner Station in Portugal (CT1HZE) in Betrieb hatte, bot es sich also an, einmal zu versuchen, ob ich diese auch von DL aus ferngesteuert in Betrieb nehmen könnte. In Portugal läuft das Internet recht stabil, so dass es damit eigentlich auch keine Probleme geben sollte. Eines aber vorweg: Mal eben schnell ist nicht! Man muss sich schon viel Zeit nehmen und ganz in Ruhe durch die Anleitung durcharbeiten und alles mehrfach lesen und kontrollieren, um zum Erfolg zu kommen. D.h. 2 oder 3 Tage sollte man sich schon Zeit nehmen, um alles durchzuexerzieren und zu testen. Besonders, wenn die Entfernung zur abgesetzten Station 2500km beträgt, wie in meinem Fall (Hamburg Algarve), kann man sich nämlich keine Fehler leisten, dann mal eben wieder hinfahren und ein Fehlerchen beheben wäre ja doch mit relativ hohem finanziellem und zeitlichem Aufwand verbunden, hi. Abb. 2: Links das Separationskabel vom IC-706, rechts aufgeschnitten und mit den 8 Adern eines normalen Netzwerkkabels verlötet. SM2O beschreibt genau wie es geht. 16 FUNK-TELEGRAMM 12/2010

3 Abb. 4 Die beiden Controller : Das Remoterig RRC-1258, oben das Control-RRC für zuhause, bei dem das Bedienteil angeschlossen wird, unten das Remote-RRC für die abgesetzte Station, bei dem der Transceiver angeschlossen wird. Das Control-RRC hat einen CW-Keyer, dessen Geschwindigkeit man mit dem Regler rechts einstellen kann. Da ich sowieso mehrere Wochen im August in Portugal war, konnte ich mir natürlich die nötige Zeit beim Aufbau lassen und so Fehler vermeiden, die man sicher ganz schnell machen kann, wenn man zu hektisch an die Sache heran gehen würde. Es war also alles nach Anleitung verkabelt und das Setup war fertig. Ich konnte auch bereits die Station über mein LAN in Portugal fernbedienen. D.h. Transceiver und Bedienteil hingen via ihre beiden Modems (Control- und Remote-RRC) über Netzwerkkabel am selben Router und konnten erfolgreich gesteuert werden. Die spannende Frage war, ob das das dann auch von DL aus funktionieren würde... Gleichzeitig mitinstalliert wurde ein sogennanter Webswitch der ebenfalls von SM2O entwickelt wurde und angeboten wird. Es handelt sich dabei um einen über das Internet fernbedienbaren Schalter: Zuhause am PC hat man auf dem Bildschirm 5 Kästchen, die man anklicken kann, auf denen ON und OFF steht. Siehe Abb. 2. Am anderen Ende schalten dann entsprechend der Vorgabe 5 Relaisausgänge (max. 230V/16A) durch. Damit kann man wunderbar die Stromversorgung der Station oder auch Antennenrelais oder Endstufen an- und ausschalten. Das einzige, was an der entfernten Station also dauernd an sein muss, ist der Internet-Router/Modem mit seinem Steckernetzteil und der daranhängende Webswitch, der eine kleine externe 12-V-Stromversorung braucht. Von zuhause aus kann man dann z.b. mit dem 1. Relaisausgang ein weiteres, größeres 12-V-Netzteil einschalten, von dem das Remote-RRC, der IC-706, und ggf. Emfangsvorverstärker gespeist werden. Gleichzeitig wird bei mir auch das 230- V-Netzteil des Prosistel-Rotors und einer Beko-2m-600-Watt-Endstufe eingeschaltet. Diese Fernsteuer-Technik ist heutzutage nichts besonderes mehr. Auch Reichelt u.a. Firmen bieten solche Internetschalter an, mit denen man 230-V-Verbraucher (gedacht für Alarmanlagen, Waschmaschinen, Licht u.s.w.) ferngesteuert über das Internet an- und ausschalten kann. Auch die Konfiguration des RS-232-Kabels für den Anschluss des Rotors über die COM1- Buchse (siehe Abb. 4) wird von SM2O genau beschrieben und wurde entsprechend ausgeführt. Die eigentliche Steuerung des Rotors muss dann von zuhause aus auf einem PC mit üblicher Rotorsteuerungssoftware (z.b. HamRadiodeluxe, kostenlos) erfolgen. Nun war es also soweit: Zurück in DL wurde das Control-RRC an den dort befindlichen Internet- Router angeschlossen und genau nach Anleitung konfiguriert. Mit dem Webswitch wurde der Strom für die Station eingeschaltet. Und nun kam der große Moment: Das Einschalten des IC- 706 durch Drücken der ON/OFF-Taste auf dem Bedienteil, das ja nun alleine mit in DL war. Es klappte! Das Display erleuchtete und es rauschte aus dem Kopfhörer! Es war tatsächlich was zu hören, toll! Schon ein komisches Gefühl: Nachdem man viele Jahre die lokalen 2-m-Baken in Portugal ja nur im Urlaub dort gehört hatte, konnte ich sie nun an der heimischen Station in DL genauso hören. Verkehrte Welt! In den ersten Tagen musste ich mich daran wirklich erstmal gewöhnen, es war so unwirklich. FUNK-TELEGRAMM 12/

4 Abb. 2 Webswitch, links die Maske, rechts die Hardware: Schalten über das Internet Da mich persönlich vorwiegend Betrieb auf dem 6m- und 2m-Band interessiert, habe ich an die beiden Antennenbuchsen des IC-706 je eine 11-Element-Yagi für 2m und eine 5-Element-Yagi für 6m angeschlossen, so dass ich kein Antennenrelais oder einen Tuner fernbedient benutzen muss. Damit blieben diverse Relaisausgänge des Webswitches frei, die für die Steuerung einer 6-m-PA verwendet wurden. Sämtliche Funktionen, die über das Bedienteil des IC-706 gesteuert werden, wurden ausgiebig getestet, alles funktionierte einwandfrei. Durch die leichte Verzögerung der Internetübertragung kommt es beim Audiosignal ab und an zu kleinen Ausetzern und auch die Audioqualität ist nicht ganz so, als ob man direkt am Transceiver sitzt. Damit kann man aber leben und der Grund ist sicher der portugiesische Anteil an der Übertragungsstrecke. Auch wurde eine CW-Taste am Control-RRC angeschlossen und getestet. Auch das funktioniert tatsächlich gut, man muss aber besonders exakt geben, um eine korrekte Übertragung der Zeichen über die Internetleitung zu gewährleisten. Ein erstes Tropo-QSO wurde mit einer marokkanischen Station auf in SSB gemacht, von der keinerlei Klagen über irgendwelche Aussetzer oder schlechte Qualität meines Signals gekommen sind. Auf 6m wurde am folgenden Tag ein längeres Sporadic-E-QSO mit G0KSC in England geführt. Auch hier gab es keine Beanstandungen. Auch das Einschalten und der Betrieb der Endstufe(n) funktionierte problemlos. Auf 2m kann also mit 500 bis 600 Watt gearbeitet werden, auf 6m mit gut dem Doppelten. Dazu wurden die Anschlüsse der Taster ON, OFF und STANDBY (Reset) einer Röhrenendstufe von OM Power einzeln per Drähten herausgeführt und über 3 getrennte Relaiskontakte des Webswitches fernbedient schaltbar gemacht. Dadurch dass die PA nur auf 6m betrieben wird, ist ein fernbedienter Bandwechsel oder Abstimmen nicht nötig, was die Sache in diesem Fall sehr vereinfacht. Es können aber andere KW-Endstufen, z.b. die Expert 1K-FA komplett mit dem Remoterig gesteuert werden, so dass natürlich auch ferngesteuerter Betrieb auf allen KW- Bändern möglich. Fazit: Für mich war es wichtig, ein System zu haben, dass sich auch nach einem Strom- oder Internetausfall selbst wiederherstellt und betriebssicher ist. Das ist mit dem hier beschriebenen Remoterig zu 100% gegeben. Der große Vorteil ist, dass hierbei am abgesetzten Standort kein Computer durchlaufen muss, der immer mal abstürzen kann, selbst wenn die Stromversorgung durch eine USV gesichert sein sollte. Das ganze ist die perfekte Lösung, um auch von zuhause aus qrv zu bleiben, wenn Störungen, fehlende Antennengenehmigung, BEMFV o.ä. einem den Betrieb verleiden oder unmöglich machen. Natürlich braucht man dazu nicht unbedingt einen perfekten Standort im Ausland. Auch die eigene Ferienwohnung an der Küste oder im Gebirge in DL kann die Lösung sein, oder die eines Freundes oder Bekannten. Ggf. könnte der abgelegene Standort sogar ganz nah sein, eventuell im nächsten Industriegebiet im eigenen QRL oder dem eines Freundes, wo man Antennen aufbauen kann, oder bei einem Bauern ein paar Kilometer entfernt, wo kein QRM ist. Über eine angemessene Standortmiete wird man sich sicher immer einigen können. 18 FUNK-TELEGRAMM 12/2010

5 Abb. 5 (links): Die von DL aus ferngesteuerte Station bei CT1HZE in Portugal: Oben links das Radio-RRC von Remoterig, das den darunter befindlichen Transceiver IC-706 steuert. Darunter eine 600-Watt-2m-PA von Beko. Rechts daneben die über ein RS-232-Kabel angeschlossene Steuereinheit des Prosistel-Rotors und diverse über den Webswitch geschaltete Steckdosenleisten. Foto rechts: Das ganze befindet sich in einem 19-Zoll- Gestell, was im Falles eines Kurzschlusses oder Brandes sicherstellt, dass nicht gleich das ganze Haus abbrennen kann. Oben drauf stehen die 6m-PA, darauf 12V-Netzteil und der Router. Unten rechts eine Webcam, die das ganz optisch überwachen kann. Die genauen Anweisungen für den Aufbau der Hardware und Einrichtung der Software würden den Rahmen dieses Artikels sprengen und sind unter zu finden. Auch gibt es dort ein Forum, in welchem Anwender mit Rat und Tat helfen. Auch als ganz normaler PC- User ist man definitiv in der Lage das System erfolgreich zum Laufen zu bekommen. Über 700 Remoterig-Systeme sind weltweit bereits im Einsatz, davon an die 100 in DL, bzw von DL aus. Auch DARC-Vorstand Mitch Wolfson, DJ0QN, verwendet es bereits. Awdh aus DL via CT! 73, Joachim Anzeige FUNK-TELEGRAMM 12/