Beitrag: Bedingt abwehrbereit Beschaffungsprobleme bei der Bundeswehr

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1 Manuskript Beitrag: Bedingt abwehrbereit Beschaffungsprobleme bei der Bundeswehr Sendung vom 6. August 2013 von Andreas Halbach, Uli Stoll und Lars Winkelsdorf Anmoderation: Ausgerechnet eine Hightech-Armee! Wenn sich die Bundeswehr neue Technik beschafft, läuft es fast immer schlecht: Zuletzt war es die Drohne Euro Hawk, die ohne Flugzulassung blieb: Millionen verschossen. Andere Rüstungsvorhaben sind jahrzehntealt und so verkorkst, dass der zivile Betrachter sich echt fragt, wie das möglich ist. Der Fehler liegt im System der Beschaffung: Offenbar zu anfällig für die Wünsche der Industrie. So wird es nie was zeigen Andreas Halbach, Ulrich Stoll und Lars Winkelsdorf. Text: März Thomas de Maizière wird Verteidigungsminister, will bei der Bundeswehr aufräumen. Sein Vorgänger zu Guttenberg hat ihm angeblich ein Chaos hinterlassen - bei Finanzplanung und Beschaffung. Verteidigung, am : Die Wunschzahlen, die ich vorgefunden habe, passten mit den Planungen zur mittelfristigen Finanzplanung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zusammen. Zwei Jahre später: Die Aufklärungsdrohne Euro Hawk erweist sich als Milliarden-Flop: Die Luftraumzulassung fehlt. Auch de Maizière scheint das Chaos nicht beseitigt zu haben. Für das übrige Fluggerät, das die Bundeswehr beschafft, gilt offenbar ebenfalls: zu teuer, zu spät, zu schlecht. Das neue Transportflugzeug A 400 M. Nur auf Flugshows darf die Bundeswehr-Maschine in die Luft, denn sie hat ähnlich wie der Euro Hawk keine Zulassung für den Luftraum. Die könnte nur eine militärische Genehmigungsbehörde erteilen. Doch die gibt es nicht, kritisiert der Verband der Militärpiloten.

2 O-Ton Hans-Joachim Ahnert, Justitiar Forum Militärische Luftfahrt: Der Hauptschuldige ist meiner Meinung nach das Verteidigungsministerium, das nicht dafür gesorgt hat, dass es zu einem militärischen Luftrecht kommt und dass es zu einer militärischen Zulassungsbehörde kommt. Hätten wir all das, hätten wir die Auswirkungen, wie wir sie jetzt beim Euro Hawk haben oder wie es sich jetzt beim A 400 M abzeichnet, nicht. Minister de Maizière will das jetzt korrigieren. Er ist heute auf Sommertour beim Ausrüstungs- und Beschaffungsamt in Koblenz. Der Minister verspricht Besserung. Verteidigung: Wir arbeiten an einer einheitlichen militärischen Luftfahrtbehörde. Das ist eine der Konsequenzen, die ich gezogen habe. Der Aufbaustab ist eingerichtet. Und Anfang nächsten Jahres wird es diese Behörde geben. Doch bis dahin macht der neue Transporter noch mehr Probleme. Eigentlich soll er schweres Gerät wie Schützenpanzer in die Einsatzgebiete der Bundeswehr schaffen. Doch in den A 400 M passen nur 32 Tonnen Nutzlast. Ein Puma- Panzer wiegt aber 43 Tonnen. Nur ohne Schutzausrüstung passt er in den A 400 M für die Schutztechnik ist ein zweites Flugzeug nötig. Ein Planungsfehler. Deutschland hatte sich verpflichtet, 60 Transportflugzeuge zu kaufen - zu einem Festpreis von 8,3 Milliarden Euro. Jetzt kauft die Bundeswehr nur 53 Flugzeuge, muss aber trotzdem rund 9,4 Milliarden Euro zahlen. Dass die Bundeswehr solche Preissteigerungen schluckt, liege auch an den Monopolstrukturen der Rüstungsindustrie und deren Preispolitik, kritisiert die Opposition. O-Ton Paul Schäfer, DIE LINKE, MdB, Man wird also immer einen möglichst niedrigen Preis veranschlagen, um den Auftrag zu bekommen. Und dann im Zuge der Entwicklung dieser Rüstungsprojekte stellt man dann fest, das ist gar nicht zu machen. Und dann haben wir also eine Kostenexplosion. Das ist ein Grundmuster bei nahezu allen Rüstungsgeschäften. Auch die neuen Transporthubschrauber NH 90 und die Kampfhubschrauber Tiger sind nicht so gut wie versprochen. Dafür aber teurer als geplant.

3 Die Bundeswehr bestellte 202 Transport- und Kampfhubschrauber zum Preis von 8,3 Milliarden Euro. Jetzt nimmt sie nur 157 Hubschrauber ab muss aber mit 8,1 Milliarden Euro fast genau so viel zahlen. O-Ton Hans Peter Bartels, SPD, MdB, Es ist ein absurdes Geschäft, was da abgeschlossen worden ist. Man zahlt fast das gleiche Geld, nimmt eine signifikant kleinere Zahl von Hubschraubern und versorgt damit noch die Marine mit einem Hubschraubertyp, der für das Heer vorgesehen war und den die Marine bestenfalls als dritte Wahl akzeptiert hätte. Zuständig für die Beschaffung ist diese Bundeswehrbehörde in Koblenz. Die Bürokratie des Beschaffungsamtes steht seit Jahren in der Kritik. Schon im Jahr 2000 moniert die Weizsäcker-Kommission, die Beschaffung müsse dringend verbessert werden: Ein wirtschaftlicher Erwerb von Wehrmaterial wird bislang von zahllosen Vorschriften behindert und durch bürokratische Hemmnisse erschwert. Die Kommission empfiehlt eine Rüstungsagentur. Zehn Jahre später, Die neue Bundeswehr- Strukturkommission fordert das Gleiche, nennt es jetzt "Beschaffungsagentur". Und beklagt die gleichen schwere Versäumnisse: Die Streitkräfte erhalten ihre geforderte Ausrüstung zumeist weder im erforderlichen Zeit- noch im geplanten Kostenrahmen." O-Ton Frank-Jürgen Weise, Bundeswehr- Strukturkommission, Oktober 2010: Diese Beschaffung muss so organisiert werden, dass sie wesentlich schneller zu den vereinbarten Kosten und Leistungen auch stattfindet. Diese Empfehlungen habe Minister de Maizière nicht ausreichend umgesetzt, kritisiert das frühere Kommissionsmitglied, General Lather. O-Ton Karl-Heinz Lather, General a.d., Bundeswehr- Strukturkommission: Man ist nicht so weit gegangen, wie wir vorgeschlagen hatten, das Organisationsbeispiel der Bundesagentur für Arbeit zu übernehmen. Dann wäre diese große Behörde

4 sicherlich schlagkräftiger geworden, als sie das heute sein kann. Und so dauern die Beschaffungsprobleme in allen Truppengattungen an. Die neuen Kampfjets haben Technikprobleme, können wegen Pannen oft nicht starten. Die neuen Korvetten haben Getriebeschäden und können nicht auslaufen. Und die neuen Schützenpanzer wurden ohne Nachweis der Serienreife angeschafft. Das Beschaffungsamt hat zwar jetzt einen neuen Namen schlanker und effizienter ist es aber kaum geworden. O-Ton Hans Peter Bartels, SPD, MdB, Aus dem BWB ist keine kleine schlanke Behörde geworden, sondern es ist eher größer geworden und dies zu Lasten der technischen Unterbehörden, der wehrtechnischen Dienststellen, die Posten abgegeben haben, so dass sie heute über weniger Expertenwissen verfügen als früher. Im Berliner Euro Hawk-Untersuchungsausschuss bestätigt der Chef der Luftwaffen-Prüfstelle den Mangel an Sachverständigen: Zitat aus dem Sitzungsprotokoll: "Wir haben tatsächlich zu wenig Leute gehabt... Zu der Zeit hatten wir die großen Probleme beim Tiger, wir hatten Probleme beim NH 90 Wir hatten auch versucht, Militärs oder Soldaten zu bekommen, die uns unterstützen, die schon Prüferfahrung hatten. Auch das hat wenig gefruchtet. Wir haben einen Mann dazubekommen." Heute Nachmittag in Koblenz. Wir konfrontieren den Minister mit den Vorwürfen. O-Ton Frontal21: Gekürzt wurde in den wehrtechnischen Dienststellen, da, wo neue Waffensysteme geprüft werden sollen. Werden Sie so der Pannenserie der Bundeswehr in der Beschaffung gerecht? Verteidigung: Wir haben Personalengpässe nicht insgesamt in den wehrtechnischen Dienststellen, sondern bei den Güteprüfern, daran arbeiten wir. Wir arbeiten auch an anderen Zulassungsprozessen, wie Sie wissen. Und deswegen bin ich zuversichtlich, dass die neuen Verfahren, die neue Behörde die Mängel, die es gab, abstellt und besser macht.

5 Damit räumt der Minister ein: Die wehrtechnische Prüfung klappt bis heute nicht. Seit Jahren fordern Reformkommissionen, Planung und Beschaffung im Ministerium zu straffen. Geschehen ist an der Spitze wenig. O-Ton Karl-Heinz Lather, General a.d., Bundeswehr- Strukturkommission: Hier gibt es Abteilungen, die nun eher nebeneinander als miteinander arbeiten, im Ministerium, so der Eindruck von draußen. Und die vollständige Koordination findet nicht in der optimierten Form statt, wie wir das vorgeschlagen haben. Thomas de Maizière wollte das Chaos bei der Bundeswehr beenden. An der Reform sind schon seine Vorgänger gescheitert. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.