Mein Eindruck ist allerdings eindeutig

Transkript

1 Ich bin aufgerufen die Überlegungen der Kandidatenvertretung zum Thema Ausbildung---Risiken und Chancen aus ärztlicher Sicht mitzuteilen. Es ging mir schon vor Besuch dieser Sitzungen hier viel durch den Kopf, umsomehr jetzt nach den heute gehörten Diskussionen. Ich selber bin Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und habe Dank der nunmehr ausgelaufenen Artenschutzregelung für ärztliche Psychotherapeuten 2008 noch eine KV- Zulassung in Berlin bekommen und meine analytische Ausbildung nähert sich dem Ende. Nachdem es bei den letzten DGPT-Tagungen überhaupt nur noch eine anwesende ärztliche Kandidatin gab, konnte ich irgendwann nicht mehr ablehnen, als Sprecher zur Verfügung zu stehen, auch wenn ich sehr bald keine Kandidatin mehr sein werde. Meines Erachtens ist dies exemplarisch dafür, daß der ärztliche Nachwuchs fast wortlos und unbemerkt aus der Psychoanalyse in Deutschland verschwindet. Ich bedauere dies sehr. Ich möchte zuerst kurz etwas zur aktuellen Situation der Ärzte in psychoanalytischer Ausbildung sagen, die ich insbesondere mit den speziellen Schwierigkeiten der Kombination mit der Facharztausbildung frisch erlebt habe. Auch die Perspektive auf die besonderen Schwierigkeiten der Identitätsbildung möchte ich erwähnen. Anschließen möchte ich einen kleinen phantasierenden Blick in die Zukunft der ärztlichen Psychoanalyse in Deutschland tun (ich werde dies in Frageform tun). Und anschließend möchte ich die Anliegen, die sich meiner Ansicht nach und in Gesprächen mit anderen ärztlichen Kollegen von Kandidatenseite an die DGPT ergeben, so konkret wie möglich formulieren. Ich habe keine Zahlen: 1.) wieviele Ärzte sich augenblicklich in psychoanalytischer Ausbildung befinden (und es wäre sicher interessant, dazu nachher hier kurz in die Runde der Institutsvertreter zu fragen und mal zu schätzen Wieviele Kandidaten es überhaupt an DGPT-Instituten gibt,) 2.) das Zahlenverhältnis ärztliche, psychologische und pädagogische Kandidaten. 3.)

2 wieviele der Ärzte in fachärztlicher Weiterbildung zum Psychiater oder Psychosomatiker den Schwerpunkt Verhaltenstherapie bzw.tiefenpsychologisch fundierte Therapie wählen und 4.), wieviele psychotherapeutisch interessierte Ärzte die fachgebundene Psychotherapie wählen und ausüben. Mein Eindruck ist allerdings eindeutig und es wäre schön, wenn die DGPT für Objektivierung sorgen könnte: er geht sehr stark in die Richtung, daß der Anteil der Ärzte in psychoanalytischer Ausbildung verschwindend ist, daß unter den Psychiatern sogut wie alle den Schwerpunkt VT wählen um dann keine Psychotherapie mehr auszuüben und daß der Facharzt für Psychosomatische Medizin inzwischen so überfrachtet ist, daß auch bei gutem Willen des Chefarztes und der Oberärztin kaum an eine analytische Ausbildung zu denken ist. Psychodynamisch Interessierte Psychosomatiker entscheiden sich hier für eine TP-Ausbildung, in der Regel außerhalb eines Institutes, wenn angeschlossen an ein Institut, dann eher nicht an DGPT Instituten, sondern an Instituten, die mit ausschließlicher TP Ausbildung und Blockseminaren den Bedürfnissen entgegenkommen. Wer etwas anderes anstrebt muß nicht nur sich selbst fragen, ob sein Realitätssinn funktioniert, sondern wird leider auch bisweilen in unangenehmer Weise oft von Vorgesetzten danach gefragt. D.h. im Klartext: auch potentiell Analyseinteressierte werden vorher abgefangen oder nicht ausreichend ermutigt. Die Nadelöre der Ausbildung für Ärzte liegen anders als bei den psychologischen Psychotherapeuten: Während Dank des allgemeinen Ärztemangels die Finanzierung der Ausbildung vor der Zwischenprüfung leichter ist, weil es mehr Möglichkeiten gibt Geld zu verdienen und auch das Psychiatriejahr in Bezahlung erfolgen kann, ist es dann vor allem die Anforderung, Facharzt und psychotherapeutische Ausbildung zeitlich zu kombinieren und koordinieren. Anders als früher muß man einen Facharzttitel erwerben um die Psychotherapie ausüben zu dürfen. Die Arbeit in der Klinik ist

3 meiner Ansicht nach nicht vereinbar mit der Durchführung von 3 oder 4 stündigen Psychoanalysen schon weil sich die Arbeitszeit-und Dienstmodelle in der Ärztelandschaft sehr verändert haben in den letzten Jahren. Wenn man nun also ambulant Assistentenzeit ableistet, hat man wiederum Probleme, den Lebensunterhalt zu verdienen: entweder man macht die Ausbildungstherapien über eine Institutsambulanz, dann ist sie relativ gut bezahlt, man sammelt aber keine Weiterbildungszeit für den Facharzt, oder man ist ambulant angestellt, dann kann man nicht davon leben. Das betrifft nun alle P-Fachärzte egal ob VT, TP oder Analyse. Ich wiederhole hier nochmal: der Prototyp des psychotherapeutisch interessierten Arztes wird eine P-Facharztausbildung wählen, und den psychotherapeutischen Teil an einem Nicht-DGPT Institut wahrnehmen. Das sind diejenigen, die im nächsten Jahrzehnt berufspolitisch die psychodynamisch orientierte ärztliche Psychotherapie in den Ärzteverbänden vertreten werden, gegen eine massive Überzahl von VT-lern in einem prinzipiell der Psychotherapie eher ablehnend, man könnte sogar im Moment sagen neidisch eingestellten Umfeld. Bei den fachgebundenen Therapietiteln sind die Modalitäten der Ausübungserlaubnis und Bezahlung sovielem Hin-und Her unterworfen, das der Anreiz gering geworden ist, sich als somatischer Facharzt der Psychotherapie zuzuwenden. Hier wäre es meiner Ansicht nach angezeigt sich in die ärztliche Berufspolitik soviel wie möglich einzumischen um die Zusatzbezeichnung Psychoanalyse für somatische Fachärzte wiederzubeleben und die Möglichkeiten der Niederlassung als hauptsächlich psychotherapeutisch tätige Ärzte wieder zu ermöglichen. Unsere Institute sind häufig nicht informiert über die sich ändernden Voraussetzungen der Weiterbildungsverordnungen und Niederlassungsmöglichkeiten mit allen Föderalismusproblemen. Sie sind einem hohen Konkurrenzdruck durch Institute ausgesetzt, die materialistischer

4 organisiert sind deshalb glattere Informationsvermittlung pflegen. Auch die an DGPT Instituten lehrenden Ärzte sind oft zu weit weg von der Ausbildung um wirklich detailliert informiert zu sein. Sie können deshalb schlecht beratend zur Seite stehen für Ärzte in der psychoanalytischen Ausbildung. Das Problem des Ärztemangels ist, so hat es den Anschein, noch nicht ins Bewußtsein gedrungen auf Institutsebene, weder bei Dozenten noch Kandidaten. Von Seiten der psychologischen Kandidaten besteht oft kaum Bewußtsein für das Problem. Es hält sich immer noch hartnäckig die Vorstellung, Ärzte hätten es irgendwie leichter in der Ausbildung zum Psychoanalytiker und hätten berufspolitisch eine Lobby. Die Diskussionen über die Reform des Psychologiestudiums nehmen großen Raum ein, ohne daß die ärztliche Ausbildung mitgedacht wird. Aber ärztliche Kandidaten sind also nicht nur auf Institutsebene verstärkten Identitätsproblemen ausgeliefert sondern auch innerhalb der Ärztlichen Vereinigungen. Man denke an die Grabenkämpfe zwischen Psychiatern und Psychosomatikern, zwischen hauptsächlich psychotherapeutisch Tätigen und den fachgebundenen Therapeuten, zwischen den tiefenpsychologischseparatistisch-veranlagten und den Analytikern. Die Zukunftsphantasie in Fragen: Wird es in Zukunft genügend Ärzte geben die die Arbeit Institutsambulanzen mittragen? Ist das nicht notwendig für Weiterbildungsberechtigungen der Institute? Wird es eine berufspolitische Vertretung der ärztlichen Psychoanalyse in den Ärzteverbänden weiterhin geben? Wie sieht es für die therapeutische Landschaft in Deutschland aus - insbesondere für die Analytische - wenn dies nicht mehr der Fall ist?

5 Wodurch sollen sich eigenlich bei der abnehmenden Zahl der ärztlichen Psychoanalytiker Möglichkeiten auftun, im klinischen und akademischen Betrieb wieder mehr fußzufassen? Für mich die Frage die wahrscheinlich für die Diskussion am interessantesten sein wird: Wenn wir bezüglich der Bolognareform des Psychologiestudiums die Auswirkungen auf die ärztliche Ausbildung nicht mit-und durchdenken-wird dann eine gemeinsame psychoanalytische Ausbildung von Psychologen und Ärzten überhaupt noch möglich sein oder sind dann die Voraussetzungen der beiden Gattungen irgendwann zu unterschiedlich geworden oder die Hemmschwellen für die Ärzte zu hoch? (Bsp. Theorieverlagerung und Direktausbildung-da müßten ja dann die Ärzte wohl einen Master nachholen oder wie ist das denn?) Anliegen an die DGPT: Es wäre wichtig die Zahlen zu objektivieren. Es wäre wichtig, auf der Tagesordnung die ärztliche Ausbildung auch mal weiter nach vorn zu stellen. Es ist wichtig den Ärztemangel auf den verschiedenen Ebenen bewußt zu machen und den Instituten konkrete Hinweise zu geben, wo die Schwierigkeiten und Nadelöre sowie speziellen Bedürfnisse der ärztlichen Ausbildung liegen. darüberhinaus den Instituten konkrete Hinweise zu geben wie Ärzte zu werben und zu fördern sind. Es begegnet einem auf vielen Ebenen an Instituten und in den DGPT Tagungen von Seiten der Psychologen wohlwollendes aber uninformiertes Schweigen der ärztlichen Ausbildung gegenüber. Als ob es sie nichts anginge. Es wäre schön, wenn sich die Solidarität zu einer aktiven, konkreten und handlungsorientierten mobilisieren ließe.

6 In der Öffentlichkeitsarbeit wäre es schön, wenn die Vorteile einer Instituts- Ausbildung und auch die Vorteile einer Mitgliedschaft in einer psychoanalytischen Fachgesellschaft deutlicher an die Ärzte herangetragen würden. Es wäre schön wenn ein Bild der gemeinsamen Ausbildung von Psychologen, Ärzte und Kijus entwickelt und propagiert würde, wo sich doch Psychoanalytischen Haltung und Identität im Institutsrahmen besonders gut entwickeln. In einem Rahmen der einen ausreichend geschütztem Raum bildet, Einzelanalysen zu machen und die Wirksamkeit an Patienten und an sich selbst zu erleben bzw. zu erfahren. In einer wohlwollenden Atmosphäre, ausreichend sicherheitsspendend trianguliert und vielfältig von der Herkunft der Kandidaten. Nicht nur für die Niederlassung und Arbeit im KV-System ausbildend sondern Psychoanalyse vermittelnd. Es wäre schön wenn auch mal der Blick auf die internationale Landschaft geworfen würde, wo ja Deutschland eine Sonderstellung einimmt. Es gibt ja aus bekannten Gründen viele Psychoanalytiker in Deutschland. Es gibt eine Tradition der DGPT die Pluralität zu pflegen und die verschiedenen Traditionen der Psychoanalyse in Dialog zu bringen, auch wenn manchmal, wie auf der Tagung im Herbst ganze Gruppen-damals die Ossis- in der Eigendarstellung der DGPT vergessen werden. Es wäre doch sehr peinlich wenn die Probleme der ärztlichen psychoanalytischen Ausbildung übersehen oder vergessen werdenwenn die Tradition der ärztlichen Psychoanalyse ausgerechnet in Deutschland versickern würde.