EDITORIAL GRUNDLAGEN ETHISCHER UNTERNEHMENS- VERANTWORTUNG
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- Frieda Schmitt
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1 EDITORIAL 01 EDITORIAL GRUNDLAGEN ETHISCHER UNTERNEHMENS- VERANTWORTUNG Liebe Leserinnen und Leser Die Ölpest im Golf von Mexiko, die Kernschmelze von Fukushima, die weltweite Finanzkrise sowie zahllose weniger bekannte Schädigungen von Mensch und Natur sind das Ergebnis unverantwortlichen Wirtschaftens. Häufi g werden Gewinne rücksichtslos maximiert. Die verantwortlichen Akteure sehen nur kurzfristige Vorteile und ignorieren soziale sowie ökologische Risiken. Die negativen Folgen spüren nicht nur die Opfer. In vielen Fällen fallen sie auf die Täter zurück, wenn sich betroffene Anspruchsgruppen bzw. Stakeholder gegen Übervorteilung mit Streiks, öffentlichen Protesten oder Boykottaufrufen wehren. Unternehmen setzen so ihre Reputation und Profi tabilität aufs Spiel. Kann ethisches Verhalten in den Chefetagen solche Auswüchse vermeiden? Wenn ja, wie muss ethische Unternehmensverantwortung beschaffen sein, damit sich Geschäftstätigkeiten nicht nur für die Eigentümer, sondern auch auf Gesellschaft und Natur langfristig positiv auswirken? Welche Hilfestellungen gibt es, um nachhaltig ethische Entscheidungen zu treffen? Zahlreiche Publikationen geben auf solche Fragen teils widersprüchliche Antworten. Die vorliegende Ausgabe der «SML essentials» dient als eine Art Wegweiser, der den Kontext und die Grundbegriffe von Ethik, Verantwortung und Nachhaltigkeit im Rahmen von unternehmerischen Aktivitäten klärt. Darüber hinaus gibt sie Gründe an, weshalb es für Unternehmen sinnvoll ist, sich ihrer vollständigen Verantwortung bewusst zu werden. Erst dann können sie frei entscheiden, ob sie sich selbst zum Vorbild ihrer Branche erheben, den Besten nacheifern oder erst mal abwarten möchten. Sie treffen dann ihre Entscheidung mit all ihren möglichen Konsequenzen bewusst und vermeiden so, zum Spielball zufälliger Reaktionen von Stakeholdern wie z.b. Medien, Investoren oder Kunden zu werden. Unternehmer und Manager sollen die komplexen Folgen ihrer Entscheidungen für Wirtschaftlichkeit, Sozial- und Naturverträglichkeit besser überblicken und verantworten. Viele Unternehmen haben aufgrund schlechter Erfahrungen ihre Aktivitäten bereits erfolgreich auf Nachhaltigkeit oder ethische Verantwortung ausgerichtet. Sie belegen so die Dringlichkeit einer Umorientierung. Herzlichen Dank für Ihr Interesse und viel Vergnügen bei der Lektüre. Prof. Dr. Mathias Schüz ZHAW School of Management and Law
2 02 EDITORIAL
3 EINFÜHRUNG 03 EINFÜHRUNG WIRTSCHAFTSKRISE ERFORDERT UMDENKEN Mehr Verantwortung wird besonders leidenschaftlich in Krisenzeiten eingeklagt. Die Öffentlichkeit fordert, dass Unternehmen und Führungskräfte Verantwortung für die sozialen und ökologischen Folgen ihres Handelns übernehmen. Nehmen wir als Beispiel die Nuklearkatastrophe von Fukushima: Tepco, Eigentümer und Betreiber des explodierten Kernkraftwerks und einer der grössten Energielieferanten der Welt, hat jahrzehntelang sehr profi tabel gewirtschaftet, gleichzeitig aber die soziale und ökologische Umwelt eklatant ignoriert. So wurden wichtige Sicherheitsmassnahmen sträfl ichst vernachlässigt. Die Firma bestach zudem Aufsichtsbehörden, damit sie Mängel grosszügig übersahen. Die ökonomischen, sozialen und ökologischen Folgen werden noch lange nicht bewältigt sein. Manche Schätzungen der Schadensersatzforderungen an Tepco für die nächsten 20 Jahre betragen bereits einen dreistelligen Milliardenbetrag in US-Dollar. Corporate Responsibility gesetzlich vorgeschrieben Tepco ist kein Einzelfall. Viele Unternehmen haben ein beschränktes Verständnis von Verantwortung. Die US-Unternehmen Enron und Worldcom stehen für eine Reihe weiterer Firmen, deren Topmanager sich über Bilanzbetrügereien verantwortungslos be- «Viele Unternehmen haben ein beschränktes Verständnis von Verantwortung.» Wissensziel Die Grundlagen ethischer Unternehmensverantwortung beziehen sich auf die vielfache Verantwortung nachhaltigen Wirtschaftens. Sie zeigen auf, wie man Auswirkungen unternehmerischer Aktivitäten auf die soziale und natürliche Umwelt berücksichtigen und trotzdem profi tabel bleiben kann. Im Detail lernen Sie weshalb nachhaltiges Wirtschaften ein neues Konzept für Unternehmensverantwortung erfordert; was unter Verantwortung zu verstehen ist und wie ihre Reichweite von Wertvorstellungen abhängt; was nachhaltige Unternehmensverantwortung (Sustainable Corporate Responsibility) beinhaltet und wie man sein eigenes Handeln daran messen kann; wie die Dimension der sozialen (ethischen) Verantwortung mit den Konzepten der traditionellen Ethik zusammenhängt; wie Unternehmen ihrer Verantwortung nachhaltig gerecht werden und welchen Nutzen sie dabei generieren können.
4 04 EINFÜHRUNG reichert haben. Nach Enthüllung ihrer Aktivitäten wurde 2002 in den USA ein neues Gesetz verabschiedet (Sarbanes-Oxley Act), das explizit die Implementierung von «Corporate Responsibility» (CR) von börsennotierten Unternehmen verlangt. Gründe für Corporate Responsibility Die Mehrheit der an US-amerikanischen Börsen notierten Firmen hat seitdem einen Code of Conduct. Vielfach wird dabei ein eigenes Verständnis von Corporate Responsibility (CR) bzw. Unternehmensverantwortung entwickelt. Gründe für CR-Aktivitäten gemäss KPMG-Umfrage Mit Spenden (Corporate Giving bzw. Sponsoring) oder freiwilligen Einsätzen in öffentlichen Einrichtungen (Corporate Volunteering) möchten Unternehmen vermehrt als Corporate Citizen wahrgenommen werden. Reputation bzw. Marke Ethische Überlegungen Mitarbeitermotivation 55% 52% 44% 58% 67% 69% Innovation und Lernen Risikomanagement oder -minderung Zugang zu Kapital oder gesteigerter Unternehmenswert 35% 35% 29% 32% 44% 55% Ökonomische Überlegungen Verbesserte Beziehungen zum Lieferanten Verbesserung der Marktposition bzw. -anteile Verbesserte Beziehung zu Behörden und Regierung Kostenersparnisse 32% 32% 22% 22% 22% 21% 18% 17% 10% 68% % 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Quelle: KPMG International Corporate Responsibility Reporting Survey, 2011
5 EINFÜHRUNG 05 Eine seit 1993 alle drei Jahre durchgeführte Umfrage der KPMG, die mehr als 3000 Firmen weltweit umfasst, zeigt, dass CR-Aktivitäten und Berichte darüber (CR-Reporting) heute geradezu zur Pfl icht geworden sind, während sie noch vor wenigen Jahren eher als «nice to have» galten. Interessanterweise erklären die meisten Befragten, dass sich CR auch fi nanziell lohne, zum einen dank Einsparung von Ressourcen, zum anderen durch Erhöhung der Reputation, die sich positiv auf die Kundengewinnung und -bindung auswirkt. Wachsende Ansprüche Heute reichen solche Aktionen nicht mehr aus. Denn längst stellen Kunden, Lieferanten etc. entlang der gesamten Wertschöpfungskette soziale und ökologische Ansprüche an Unternehmen. Diese Gruppen, die legitime Interessen geltend machen, werden Anspruchsgruppen oder Stakeholder genannt. So entscheiden viele Kunden letztlich gemäss ihren Wertvorstellungen, welche Produkte sie von wem kaufen. Hierbei gab es in den letzten 20 Jahren gewaltige Verschiebungen. Immer mehr Konsumenten kaufen vornehmlich Produkte, die ihrem «Lifestyle of Health and Sustainability» (LOHAS) entsprechen. Eine Glossar Code of Conduct: Wörtlich übersetzt: Verhaltenskodex. Der lateinische Kodex war ursprünglich eine Holztafel, auf der zum Beispiel Gesetze oder Verhaltensrichtlinien aufgezeichnet wurden. Immer mehr Unternehmen defi nieren einen Verhaltenskodex, der das gewünschte oder geforderte Verhalten der Mitarbeitenden im Umgang mit Stakeholdern beschreibt (Corporate Conduct). Corporate Citizen: Darunter versteht man ein Unternehmen, das sich als nützliches Mitglied für die Gesellschaft erweist, diese auf verschiedene Weise unterstützt sei es im engen Sinne als Sponsor für kulturelle Veranstaltungen oder im weiten Sinne als Organisation, die sämtliche Belange eines gesunden Lebens in der Gesellschaft durch nachhaltig verantwortungsvolles Handeln fördert. LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability): Von Soziologen identifi zierte gesellschaftliche Gruppierung, die mit ökologisch und sozial ruhigem Gewissen konsumieren will. Bevorzugt Produkte, die nachweislich von verantwortungsbewussten Herstellern stammen, die Gesundheit fördern und möglichst wenig Schäden an der natürlichen und sozialen Umwelt anrichten. Gemäss Schätzungen werden je nach Land 15 bis 30% der Konsumenten dazu gezählt ein wachsender Markt mit grosser Macht.
6 06 EINFÜHRUNG «Viele Kunden entscheiden gemäss ihren Wertvorstellungen, was sie kaufen.» umfangreiche Langzeitstudie identifi zierte bereits zur Jahrtausendwende 50 Millionen Ameri kaner, die dieses hybride Konsumverhalten aufweisen: Konsum ohne Einschränkungen, aber mit gutem Gewissen bezüglich der sozialen und natürlichen Umwelt. Corporate Responsibility als Chance Offensichtlich haben dies auch die meisten, zumindest grösseren Unternehmen erkannt. Neben CR wird Nachhaltigkeit (Sustainability) in allen Unternehmensaktivitäten gefordert. So gaben in einer Umfrage von Accenture und UN Global Compact 93% von 776 CEOs in 100 Ländern Sustainability als kritischen Erfolgsfaktor an. Nur so könnten bei Stakeholdern Markenqualität, Vertrauen und Reputation dauerhaft sichergestellt werden. Obwohl es noch immer divergierende Vorstellungen darüber gibt, was unter CR und Nachhaltigkeit zu verstehen ist, zeigt die erwähnte KPMG-Studie Tendenzen der Vereinheitlichung auf. 40% der befragten Unternehmen erklärten, die Verhaltensrichtlinien des UN Global Compact, 24% die Empfehlungen der «International Labour Organisation» (ILO) und 21% die Menschenrechte einzuhalten. Bevorzugte Richtlinien zur Implementierung von Corporate Responsibility UN Global Compact 35% 40% ILO Core Conventions 19% 24% Universal Declaration of Human Rights OECD Guidelines for Multinational Enterprises Sector specific framework/standards ICC Business Charter Sullivan Principles 4% 3% 3% 2% 11% 13% keine Angaben 12% 16% 21% % 10% 20% 30% 40% 50% 2008 Quelle: KPMG Global Sustainability Services, Oktober 2008
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