Wunden, Wundversorgung und Wundtherapie im Wundnetz Mittelthüringen e.v.
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1 Wundkompendium Wunden, Wundversorgung und Wundtherapie im Wundnetz Mittelthüringen e.v. Stand November 2012 Erstellt durch Danny Schuchardt
2 Inhalt 1. Wundreinigung und Wundspülung Autolytische Wundreinigung Biochirurgische Wundreinigung Enzymatische Wundreinigung Ultraschalldébridement Wundspülung Wundfüller und Wundauflagen Hydrokolloide Schaumverbände Hydrogele Kalziumalginat Hydrofasern Distanzgitter Saugkommpressen Kollagen Antimikrobielle(r) Hydroaktive(r) Wundauflage/ Wundfüller Silberprodukte Hautschutzlösung/Creme Lokalanästhetika Handlungsleitfaden Wundarten Dekubitus Ulcus cruris Diabetisches Fußsyndrom Exulzerierende Tumorwunden Thermische Wunden Unterdrucktherapie Kompressionstherapie Wundassessment Organisationsstruktur des Wundnetzes Mittelthüringen e.v Verfahrensregelung zur Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden Grundsätze zum Verbandwechsel... 35
3 1. Wundreinigung und Wundspülung 1.1 Autolytische Wundreinigung Erfolgt durch die Gruppe der Hydrogele oder Hydrogelkompressen, mit oder ohne Wirkstoff. Unter Hydrokolloiden, PU-Folien kommt es zu einer Quellung von avitalen Gewebe, welches anschließend leichter chirurgisch zu beseitigen ist. Die Verweildauer in und auf Wunden beträgt Anbieter abhängig ca. 1 4 Tage. Beispiel: Suprasorb G (Hydrogel) Suprasorb G (Hydrogelkompresse) 1.2 Biochirurgische Wundreinigung Erfolgt durch das Einbringen steriler Maden (Larven der Goldfliege), zur Reinigung unsauberer und infizierter Wunden. Diese werden lose oder im Kunststoffbeutel innerhalb 24 Stunden über die Apotheke angeliefert. Nach dem Eintreffen müssen sie kühl gelagert werden (siehe Beipackzettel) und zügig (innerhalb von max. 3 Tagen) zur Anwendung kommen. Kontraindikationen sind starke Blutungen im Wundbereich, die Nähe großer Blutgefäße, sowie Wunden, die im Kontakt mit großen Körperhöhlen oder inneren Organen stehen. Die Maden sollten 3 5 Tage in der Wunde belassen werden, allerdings ist ein täglicher Wechsel der Sekundärabdeckung notwendig. Diese sollte nach beiden Seiten luftdurchlässig sein (z.b. Abdeckung mit max. 2-3 Kompressen, Fixierung mit Universalbinde). 1.3 Enzymatische Wundreinigung Erfolgt durch Spalten (verdauen) von Kollagen (Nekrosenreste) und Fibrin.
4 Der Körper ist bis zu einem gewissen Grad selbst dazu in der Lage, durch das Einbringen dieser Produkte auf die genannten avitalen Areale wird diese Fähigkeit unterstützt. Diese Nekrosen / Fibrinbeläge müssen feucht sein und es sollte ein chirurgisches Débridement vorausgegangen sein. Beispiel: Iruxol N 1.4 Ultraschalldébridement Eine spezielle Form der Wundreinigung ist die Ultraschall Assistierte Wundreinigung (UAW). Niederfrequenter Ultraschall wird in Kombination mit einer Spüllösung angewendet, was zu einer schonenden Ablösung von Fibrinbelägen und Restnekrosen führt. Durch den Ultraschallimpuls dringt die Spüllösung tiefer in die Wunde und in Gewebespalten. Als Nebeneffekt dieser Methode werden Bakterien und Pilze durch Kavitation (zyklisch implodierende Gasblasen) abgetötet. Wegen eventuell auftretenden Schmerzen bei dieser Therapie kann vorab eine Lokalanästhesie mit Emla -Creme durchgeführt werden. Das Gerät und die dazu gehörigen Instrumente befinden sich auf Station H2 im Behandlungszimmer H Wundspülung Mittels spülender bzw. wischender Wundreinigung sollte eine möglichst körperwarme (>28 C) Sterillösung, mit oder ohne einer sterilen Kompresse, auf das Wundgebiet aufgebracht werden. Eigenschaften von Wundspüllösungen: farblos steril physiologisch nicht schmerzhaft reizfrei nicht resorbierbar
5 Wundspüllösungen ohne Wirkstoffe sind NaCl 0,9% und Vollelektrolytlösungen. Ein Unterschied bezüglich des Wertes dieser beiden Produkte wurde bisher wissenschaftlich nicht erbracht. Wundspüllösungen mit Wirkstoffen sind Octenisept (Octenidinhydrochlorid) und Lavanid (Polyhexanid). Braunol (Jod-Povidon) ist ein gut wirksames Wunddesinfektionsmittel, aufgrund des Resorbtionsvermögens von Jod, der zytotoxischen Eigenschaft sowie der geringen Halbwertzeit in Verbindung mit Gazen, sollte der Einsatz streng Indiziert sein. Eine Wundreinigung erfolgt unter Zuhilfenahme von NaCl 0,9% oder einer Vollelektrolytlösung in Verbindung mit sterilen Tupfern oder Kompressen. Die Wunddesinfektion erfolgt unter Zuhilfenahme von Octenisept oder Lavanid in Verbindung mit sterilen Tupfern oder Kompressen. Hierbei muss es sich um eine chronische Wunde oder Kontamination, bis hin zur Wundsepsis handeln. Zusätzlich kann durch Anwendung von Lavanid-Gel 0,04% oder Octenilin-Gel eine feuchte aber antiseptische Wundbehandlung durchgeführt werden. Octenisept Lavanid Einwirkzeit Ca. 2 Minuten Ca. 15 Minuten Kontraindikation Bauchhöhle, Trommelfell, Harnblase Gelenke, Knorpel Tabelle 1: Wundspüllösungen mit Wirkstoff Wundspüllösungen sollten entsprechend der Keimsituation (aseptische, kritische kolonisierte, infizierte Wunde) angewendet werden! Das therapeutische Duschen von Wunden sollte stets durch qualifizierte Mitarbeiter des pflegerischen und ärztlichen Dienstes durchgeführt werden.
6 2. Wundfüller und Wundauflagen 2.1 Hydrokolloide Sind Wundauflagen, welche das Einwirken von Wasser, Schmutz und Keimen von außen verhindern und zum anderen das Wundexsudat im Verband selbst und der Wunde festhalten (= Okklusionsverband). Durch organische Gelbildner (Pektin, Gelatine, Zelluloserester) entsteht ein geruchsstarkes Gel. Hydrokolloide können bei Wunden in der Exsudationsphase und Epithelisierungsphase eingesetzt werden. Sie schaffen hier ein feuchtes Milieu. Beispiel: Suprasorb H Standard Suprasorb H dünn 2.2 Schaumverbände Sind Wundauflagen mit einem Polyurethanfolienüberzug, welcher das Einwirken von Wasser, Schmutz und Keimen von außen verhindern und gleichzeitig Wasserdampf und Kohlendioxid nach außen durchlassen. Sie saugen über feinporige Strukturen Wundexsudat auf und sind somit in der Lage ein ideal feuchtes Milieu zu schaffen. Verbandwechsel gestalten sich leichter und können hygienisch einfacher durchgeführt werden. Schaumverbände können ein Vielfaches an Wundexsudat mehr aufnehmen als Hydrokolloide. Es gibt sie mit und ohne Kleberand. Cavitys sind Schaumverbände ohne Polyurethanfolienüberzug und dienen als Wundfüller für saubere Wunden. Sie nehmen sehr viel Wundexsudat auf und nehmen bei diesem Vorgang an Größe zu. Beispiel: Suprasorb P nicht klebend Suprasorb selbstklebend Cutimed Cavity
7 2.3 Hydrogele Bestehen zu über 60% aus Wasser, sie befeuchten den Wundgrund und lassen ihn aufquellen. Somit erweichen sich Nekrosen und können sich zum Teil auflösen, damit wird das chirurgische Debridement enorm erleichtert. Sie stehen als Gele (Wundfüller) und in Plattenform (Wundauflage) zur Verfügung. Als positive Nebenwirkung lindern sie durch einen kühlenden Effekt Schmerzen. Beispiel: Suprasorb G Gel Suprasorb G Kompresse 2.4 Kalziumalginat Werden in der Regel als Wundfüller, aber auch als Wundauflagen bei Wunden mit Fibrinbelägen und Restnekrosen angewendet. Sie nehmen sehr viel Wundexsudat auf und bedürfen stets einer Wundauflage (Polyurethanfolien, Hydrokolloide, Polyurethanschäume). Beispiel: Suprasorb A Kompresse Suprasorb A Tamponade 2.5 Hydrofasern Sie sind in der Lage sehr viel Wundexsudat, Zelltrümmer und Bakterien aufzunehmen. Feuchtigkeit geben sie vertikal in den Deckverband weiter. Somit kann einer Mazeration der Wundumgebung vorgebeugt werden. Sie finden Anwendung als Tamponaden oder in Form von Auflagen auf den Wundgrund. Ihre Stabilität im Verbund wird als sehr gut beschrieben. Aus diesem Grund eignen sie sich im Gegensatz zu den Alginaten in Bereichen von Wundtaschen oder sogar Fisteln. Beispiel: Aquacel
8 2.6 Distanzgitter Sind unbeschichtete, oder mit Fett -, Parafin -, Hydrogel - bzw. Silikonbeschichtete Wundgazen, welche ein verkleben mit der Wunde weitestgehend vermeiden. Wundexudat kann zusätzlich in den Deckverband (z.b. Superabsorber, sterile Kompresse) weitergeleitet und von ihm aufgenommen werden. Anwendung finden sie in der Behandlung von Tumorwunden, akuten oberflächigen Riss - und Schürfwunden, Meshgraft - Plastiken und Verbrennungswunden sowie in Kombination mit der Vakuumtherapie. Verweildauer: Mepitel Beispiel: bis 14 Tage Mepitel one 2.7 Saugkommpressen Sie kommen bei der Behandlung mäßig bis stark sezernierender Wunden zur Anwendung. Als Superabsorber werden extrem aufnahmefähige Saugkompressen bezeichnet. Diese sind in der Lage extrem viel Wundexsudat aufzunehmen und beugen gleichzeitig einer möglichen Mazeration der Wundumgebung vor. Zur Fixierung benötigt man zusätzlich Fixierpflasterstreifen (z.b. aus Polyurethan oder Mull). Beispiel: Vliwazell = Saugkompresse Vliwasorb = Superabsorber 2.8 Kollagen Diese Produkte, welche als Wundfüller bzw. Wundauflagen Anwendung finden, bestehen aus tierischem Kollagen. Es verfügt über eine blutstillende Wirkung. Hauptsächlich aber bindet es überschüssige Proteasen, Radikale und Zytokine, gleichzeitig werden Wachstumsfaktoren geschützt. Aus diesem Grund fördert Kollagen die rasche Bildung von festem Granulationsgewebe.
9 Zur Applikation ist ein Sekundärverband notwendig (z.b. PU- Schaum, Hydrokolloid, einfacher Pflasterverband). Kollagen nur in Entzündungs - und Nekrose freien Wunden anwenden. Nicht im Zusammenhang mit Jod und gerbenden Substanzen (Silbernitrat) anwenden. Beispiel: Suprasorb C 2.9 Antimikrobielle(r) Hydroaktive(r) Wundauflage/ Wundfüller Besonders für schwach bis mittel exzidierende Wunden, bei gleichzeitig kritischer Kolonisation bis hin zur Infektion geeignet. Stellt ein Mittel der Wahl bei Verbrennungswunden bis zum Stadium 2b dar. Sollte stets in Kombination mit einer Polyurethanfolie oder Hydrokolloid als Wundabdeckung verwendet werden. Beispiel: Suprasorb X + PHMB 2.10 Silberprodukte Auf Grund unzureichender Datenlage sollte der Einsatz silberhaltiger Verbandmaterialien eingeschränkt und sorgfältig überlegt sein. Mögliche Indikation sind kritisch kolonisierte oder infizierte Wunden. Es gibt zwei unterschiedliche Wirkarten: 1. Nanokristaline Silberverbandstoffe z.b. Vliwaktiv Ag Im klinischen Bereich kann der Einsatz dieser Produkte, mit Ausnahme einer palliativ orientierten Wundtherapie, fast vollständig eingeschränkt werden.
10 In Kombination mit Kohleprodukten bieten sie zusätzlich eine antibakterielle und Toxin bindende Möglichkeit. Wundspüllösungen stellen eine sehr gute Alternative dar. Ihre Bedeutung finden sie vor allem zur Anwendung in den häuslichen, ambulanten Bereichen, sowie Pflegeeinrichtungen, da sie vollständig erstattungsfähig sind Hautschutzlösung/Creme Schützt gefährdete und auch bereits geschädigte Haut vor Mazerationen und Entzündungen durch reizende Flüssigkeiten und Klebstoffe. Hält nach Anwendung bis zu 72 Stunden und die Einwirkzeit beträgt etwa Sekunden. Findet Anwendung bei stark sezernierenden Wunden und gefährdeten Hautarealen. Beispiel: Cavilon -Spray,-Creme,-Lolli 2.12 Lokalanästhetika Sie finden Anwendung bei stark schmerzenden Wunden, speziell während der Verbandwechsel. Einwirkzeiten sollten beachtet werden, so dass der Verbandwechsel so schmerzarm wie möglich gestaltet werden kann. Als Entscheidungshilfe über den Einsatz von Lokalanästhetika dient ein Schmerzprotokoll (vgl. auch Expertenstandard Schmerzprophylaxe in der Pflege des DNQP). Beispiel: Emla - Salbe
11 2.13 Handlungsleitfaden
12 3. Wundarten 3.1 Dekubitus Ein Dekubitus ist eine lokal begrenzte Schädigung der Haut und/oder des darunterliegenden Gewebes, in der Regel über knöchernen Vorsprüngen, infolge von Druck oder von Druck in Kombination mit Scherkräften. Es gibt eine Reihe weiterer Faktoren, welche tatsächlich oder mutmaßlich mit Dekubitus assoziiert sind; deren Bedeutung ist aber noch zu klären (DNQP 2010). d.h. Dekubitus = Druck (mmhg) Druck Ischämie metabolische Azidose Endothelschädigung Diffusionsstörung Dekubitus
13 Kategorie Merkmal 1 Nicht wegdrückbare Rötung intakter Haut. Besonders bei dunkelhäutigen Menschen können auch Hautverfärbungen, Überwärmung, Ödem oder Verhärtungen vorliegen. 2 Teilverlust der Haut, mit Schädigung von Epidermis, Dermis oder beiden Hautschichten. Das Druckgeschwür ist oberflächig und manifestiert sich klinisch als Hautabschürfung. 3 Verlust aller Hautschichten einschließlich Schädigung oder Nekrose des subkutanen Gewebes, die bis auf, aber nicht unter die darunter liegende Faszie reichen kann. 4 Ausgedehnte Zerstörung, Gewebsnekrose oder Schädigung von Muskeln, Knochen oder stützenden Strukturen, mit oder ohne Verlust aller Hautschichten. Tabelle 3 Stadieneinteilung: nach EPUAP Prävention pflegerische Anamnese bezogen auf Dekubitusrisiko (Hautzustand, Bewegung, Ernährung, körperliche Beschaffenheit, geistige Situation, Medikamente) Dekubitusgefährdung ermitteln (Individuelle Einschätzung des Risikos im Team) Ziel(e) festlegen Maßnahmen planen und durchführen bedarfsgerechte Evaluation des Prozesses Potentiell Betroffene Patienten mit Sensibilitätsstörungen Patienten mit beeinträchtigter Bewegung Patienten mit Durchblutungsstörung Patienten mit geistiger Beeinträchtigung
14 Grundsätze Ausgleichende Übernahme von Aktionen zur Verhinderung eines Dekubitus Bewegungsförderung, -erhaltung und -wiederherstellung Bedarfsbezogene Hautpflege Wahl des geeigneten Hilfsmittels (Bett, Matratze, Handtuch, Decke, ) Ausgewogene und bedarfsgerechte Ernährung gewährleisten Patientenschulung Therapeutische Maßnahmen Freilagern betroffener Körperteile verbunden mit zielgeleiteter Mobilisation Débridement von nekrotischen Geweben Phasenadaptierte Wundversorgung 3.2 Ulcus cruris Als Ulcus (Geschwür) wird ein tiefer Gewebedefekt definiert, der mindestens in die Dermis reicht und stets narbig verheilen wird. Cruris bezeichnet die Lokalisation am Unterschenkel, sodass mit dem Begriff Ulcus cruris das Auftreten eines Geschwürs im Unterschenkelbereich beschrieben wird. Wichtige Formen sind: 1. Ulcus cruris venosum 2. Ulcus cruris arteriosum 3. Ulcus cruris mixtum
15 Ulcus cruris venosum Pathologischer Reflux Chronische venöse Hypertonie Erweiterung, Deformierung und Behindern der Kapillaren Vermehrte transendotheliale Eiweißpassage Mikrolymphangiopathie Leukozytenadhäsionsphänomene Perikapilläre Fibrinmanschetten Lokale Hypoxie Ulcus cruris venosum
16 Stadium Merkmal 1 Ödem, variköser Venenkranz der Fußränder. 2 Hautveränderungen durch Ablagerungen und Ödeme 3 bestehendes oder abgeheiltes Ulcus cruris venosum. Tabelle 4 Ulcus cruris venosum, Stadieneinteilung nach Widmer Prävention Kontinuierliche und konsequente Bewegung der Sprunggelenke Längeres Sitzen und Stehen vermeiden Bedarfsbezogene Hautpflege (z.b. harnstoffhaltige Lotionen 5%) Konsequente adäquate Kompressionstherapie Therapeutische Maßnahmen Kompressionstherapie Phasenadaptierte Wundversorgung (möglichst keine haftenden Verbandstoffe applizieren) Medikamentöse Reduktion der Ödeme Venenstipping Ulcus cruris arteriosum Stadium Merkmal 1 keine Beschwerden 2a 2b Belastungsschmerz Gehstrecke > 200 Meter Belastungsschmerz Gehstrecke < 200 Meter 3 Ruheschmerz 4 Gangrän und oder Ulcus Tabelle 5 Ulcus cruris arteriosum, Stadieneinteilung pavk nach Fontaine
17 Prävention Lebensstiloptimierung Gehtraining Optimale, ausgewogene Ernährung (Energiebedarf entspricht Energiezufuhr) Nikotinkarenz Therapeutische Maßnahmen Erst Revaskularisation, dann phasenadaptierte Wundbehandlung Bei starken Schmerzen Antitrendelenburglagerung ermöglichen Amputation 3.3 Diabetisches Fußsyndrom Als Diabetisches Fußsyndrom bezeichnet man Wunden an den Füßen welche mit einem Diabetes mellitus einhergehen. Sie können neuropatischer und/ oder angiopatischer Genese sein. Entstehung Neuropatisch Angiopatisch Neuro- und Angiopatisch Klassifizierung A prä- oder postulcerative Läsion Oberflächliche Wunde Wunde bis zur Ebene von Sehne oder Gelenkkapsel Wunde bis zur Ebene von Knochen oder Gelenk Nekrose von Fußteilen (Vorderfuß, Ferse) Nekrose des gesamten Fußes B mit Infektion mit Infektion mit Infektion mit Infektion mit Infektion mit Infektion C mit Ischämie mit Ischämie mit Ischämie mit Ischämie mit Ischämie mit Ischämie D mit Infektion und Ischämie mit Infektion und Ischämie mit Infektion und Ischämie mit Infektion und Ischämie mit Infektion und Ischämie mit Infektion und Ischämie Tabelle 6 Diabetisches Fußsyndrom, Stadieneinteilung nach Wagner/ Armstrong
18 Prävention Normoglykämie herstellen Betroffene zur täglichen Selbstkontrolle und Pflege der Füße und Zehen anleiten und entsprechend Schulen Hautpflege mit Harnstoffhaltigen Lotionen durchführen Auf entsprechendes Schuhwerk achten (ggf. druckentlastende orthopädische Schuhe) Nicht Barfuß gehen und heiße Bäder vermeiden Medizinische Fußpflege mit einbeziehen Therapeutische Maßnahmen Phasenadaptierte Wundversorgung Normoglykämie herstellen Total Contect Cast Revaskularisation erreichen Amputation 3.4 Exulzerierende Tumorwunden Exulzerierende Tumoren sind nicht genauso zu behandeln wie chronische Wunden. Ist der Tumor entfernt, kann phasengerecht und problemorientiert therapiert werden. Die individuelle Anpassung der Maßnahmen an die aktuelle Situation ist erforderlich. Die Lebensqualität steht an oberster Stelle. d.h. Verbandwechsel atraumatisch durchführen Vermeidung / Beherrschung einer Blutung Vermeidung / Behandlung einer Infektion Individuelle Problemlösungen Zielsetzung bei exulzerierenden Tumoren Bestmögliche Lebensqualität Größtmögliche Bewegungsfreiheit Soziale Integration Reduktion von Keimen und Wundgeruch evtl. Clindamycin oder Clont (Metronidazol) sanftes Débridement
19 Aktivkohle: Carbonet, Vliwaktiv bei infizierten Tumorwunden in Kombination mit Silber Chlorophyll als Tropfen, Dragees oder Pulver für die Wunde Reduktion von Blutungen Adrenalin Gelaspon Symptomkontrolle Schmerzreduktion Geruchsbindung Exsudatmanagement Defektdeckung 3.5 Thermische Wunden Zu den thermischen Wunden zählen die Verbrennung, die Verbrühung und die Erfrierung. Die Versorgung ist sehr ähnlich. Brandverletzte ab Grad 2b sollten schnellstmöglich in einem Brandzentrum (nächstes Zentrum: BG Kliniken Bergmannstrost in Halle) behandelt werden. 1
20 Abbildung 1 Berechnung zur Oberflächenausdehnung von Verbrennungen Abbildung 2 Verbrannte Hautschichten nach Grad 1-4 Stadium 1 Klinik Erythem Kontaktschmerz vermehrt Blutung sofort Vitalität intakt Oberfläche trocken Stadium 2a Klinik Blasen Kontaktschmerz verstärkt Blutung sofort Vitalität intakt Oberfläche feucht
21 Stadium 2b Klinik Blasen Kontaktschmerz vermindert Blutung verzögert Vitalität nein Oberfläche feucht Stadium 3 Klinik Blasen/narbig Kontaktschmerz fehlend Blutung gering Vitalität nein Oberfläche trocken Stadium 4 Klinik trocken Kontaktschmerz fehlend Blutung fehlend Vitalität Oberfläche nein wachsartig Um Thorax- oder Bauchbewegungen zu ermöglichen setzt man bei großflächigen, bis in die Tiefe reichenden Verbrennungen, chirurgische Entlastungsschnitte (Escharotomie).
22 4. Unterdrucktherapie Abbildung 3 schematische Darstellung der VAC-Therapie Indikation chronische Wunden infizierte Wunden großflächige Wunden dehiszente Wunden stark sezernierende Wunden Material Polyurethanschaum (grobporig) für Exsudation - und Granulationsphase geeignet Ansaug-Pad/oder Drainage Verbindungsschläuche Konnektoren transparente Fixierfolie sterile Schere sterile Pinzette Arbeitsschritte 1. Kanister und Pumpe bereitstellen. 2. Nach der Wunddesinfektion bzw. Reinigung den ausgewählten Schaumstoff zur Vakuumversorgung auf benötigte Größe zuschneiden und in die Wunde einbringen (etwas kleiner als das Wundvolumen).
23 3. Wundrand mit Hautschutzlösung (Cavilon ) behandeln und anschließend die Transparente Folie ca. 3 cm über den Wundrand hinaus aufkleben. 4. Nun wird ein Loch in die Folie (ca. 2 cm²) mittig der Wunde eingebracht. 5. Jetzt wird das Ansaug-Pad/Drainage darüber geklebt und mit dem Kanister und der Pumpe verbunden. Kontraindikation blutende Wunden bzw. verstärkte Blutungsneigung Tumorwunden Trockene wunden Nekrotischer Wundgrund Unerforschte Fisteln Besonderheiten Vakuumversorgung mit Spülung Verbandwechsel sowie Neuanlagen von Unterdruckverbänden bedürfen generell OP-ähnliche Bedingungen. Cave Gefäße oder Organe sollten mit Gewebeauflagen (Salbenfreien Distanzgittern) geschützt werden Verweildauer eines Vakuumverbandes beträgt infizierten Wunden 1-2 Tage, sonst 3 Tage (Herstellerangaben Beachten). Hausintern wird generell eine Verbandstandzeit von 3-5 Tagen empfohlen.
24 5. Kompressionstherapie Ziel Förderung der Wundheilung und Lebensqualität Qualität Vermeiden von Rezidiven Möglichkeiten Kompression nach Sigg Kompression nach Pütter Kompressionsstrümpfe Intermittierende apparative Kompression Indikationen Chronisch venöse Insuffizienz Grad 1-3 nach Widmer Thrombophlebitis Varikosis Ödem Postthrombotisches Syndrom (PTS) Lymphödem Tiefe Beinvenenthrombose Zustand nach invasiver Therapie einer Varikose Angiodysplasie Thromboseprophylaxe Stauungszustände infolge von Bewegungsarmut Kontraindikationen Dekompensierte Herzinsuffizienz Knöchel-Armdruck-Index< 0,5 pavk im Stadium III-IV nach Fontaine Systemische Entzündungen wie z.b. Erysipel, septische Phlebitis Schwere Form der Thrombose Grundsätze Der Anlage von Kompressionsverbänden bzw. therapeutischer Kompressionsstrümpfe geht ein arterieller Gefäßstatus voraus.
25 Eine Kompression der Unterschenkel bedarf einer schriftlichen Anordnung eines Arztes an die zuständige Pflegefachkraft, welche Anlagemethode, Anlagedruck und Anlagedauer beinhalten muss. Ein Kompressionsverband gewinnt erst durch aktive Bewegung an Wirkung! In der Regel sollte ein Kompressionsverband von den Zehengrundgelenken bis kurz unterhalb der Kniescheibe reichen. Ausnahmen werden zusätzlich angeordnet. Zur Therapie eines Ulcus cruris venosum ist ein Kompressionsverband/Strumpf der Kompressionsklasse (KKL) 3 gewählt werden, welche kontinuierlich über 24 h getragen werden muss. Zur Prophylaxe ist die KKL 2 indiziert, welche über Nacht ausgezogen werden können. Nicht passende Kompressionsstrümpfe sowie unsachgemäße Kompression können zu Hautschädigungen, Blasenbildung, Schnürfurchen, Nekrosen, Druckschäden auf periphere Nerven und ggf. zu einer tiefen Beinvenenthrombose oder Druckgeschwüren führen. Bei kompensierter pavk und Sensibilitätsstörungen der Extremität(en)ist eine Kompressionstherapie unter ständiger Kontrolle der selbigen, speziell der Füße und Zehen, möglich. Material Elastische Schlauchbinde Polsterbinden Kompressionsbinden Ggf. Fixierbinden Fertigsysteme beinhalten diese Komponenten in einem Paket (K2 oder K2 Lite der Firma Urgo). Dieses System kann möglichen Komplikationen (z.b. Druckschäden) durch vereinfachtes Anlegen des Systems vorbeugen.
26 Anlegen eines Kompressionsverbandes Fuß bzw. Unterschenkel auf evtl. Schäden oder Hautveränderungen hinreichend Begutachten und ggf. mit harnstoffhaltiger Pflegelotion versorgen. Nun den elastischen Schlauchverband über den Fuß- Unterschenkel ziehen und am Knie und Fußspitze ausreichend überstehen lassen. Jetzt wird der Polsterverband so angelegt, dass Fußknochenvorsprünge, Sprunggelenk, Schienbein und Fibularköpfchen ausreichen vor Druckschäden geschützt sind. Beim Anlegen der Kompressionsbinden ist auf den rechten Winkel von Fußsohle zur Wade zu achten. Diese Binde sollte stets direkten Kontakt mit dem Bein während desanlegen zu Eigen haben, unter kontinuierlicher Abnahme des Kompressionsdruckes von distal nach proximal. Auf zu festen Anlagedruck, bzw. Einschnüren der Kompressionsbinde ist zu achten, um Schäden zu vermeiden. Nun kann ggf. eine Fixierbinde die beiden umgeschlagenen Schlauchbindenenden miteinander verbinden und somit das System zusätzlich fixieren.
27 Abschließend ist die Durchblutung der Zehen mittels Fingerdrucktest oder Taschendoppler zu überprüfen und den Patienten über mögliche Warnzeichen oder Komplikationen zu informieren. Kurzzugbinden Sind unelastisch, erzielen hohen Arbeitsdruck und niedrigen Ruhedruck. Anwendung bei mobilen Patienten, die durch Eigenbewegung einen entsprechenden Arbeitsdruck erzeugen können. Langzugbinden Besitzen hohes Dehnungsvermögen bis zu 200%, niedriger Arbeitsdruck und hoher Ruhedruck. Diese finden kaum noch Einsatzmöglichkeiten und sind durch die Mittelzugbinden ersetzt worden. Mittelzugbinden Ihr Druck und Dehnungsvermögen liegt ungefähr zwischen dem der Kurzzugbinden und Langzugbinden. Sie finden bei Patienten mit eingeschränkter Mobilität ihr Einsatzgebiet. Kompressionsklassen KKL1 = 20 mmhg (18-21 mmhg) Schweregefühl in den Beine geringfügige Varikosis mit wenig Ödemneigung Beginnende Schwangerschaftsvarikosis
28 KKL2 = 30 mmhg (23-32 mmhg) mittlere Kompression stärkere Beschwerden ausgeprägte Varikosis mit Ödemneigung Ausgeprägtere Schwangerschaftsvarikosis Schwellungszustände im Anschluss an die Abheilung kleinerer Ulcera oder oberflächiger Thrombophlebitiden nach invasiver Therapie einer Varikose KKL3 = 40 mmhg (34-46 mmhg) sekundäre Varikosis Atropie blanche und/oder Dermatoliposklerose zur Abheilung chronischer und/oder rezidivierter Ulcera Lymphödem Lipidödem KKL4 = >49 mmhg, meist 60mmHg ausgeprägtes Lipidödem ausgeprägtes Lymphödem elefanthiasische Symptome 6 Wundassessment Die zuständige Wundpflegefachkraft muss bei Aufnahme und bei Auftreten und fortlaufend im 14-tägigen Rhythmus beim Patienten, zusammen mit der berechtigten Pflegefachkraft, das Wundassessment erarbeiten und evaluieren sowie die Prozesse bezüglich der Ergebnisse steuern (vgl. DNQP 2008). Das Assessment beinhaltet folgende Punkte:
29 Medizinische Wunddiagnose Grunderkrankung Bisherige diagnostische und therapeutische Maßnahmen Wundarten und Festlegen der Kategorien der Wunde Dekubitus: European Pressure Ulcer Advisory Panel (EPUAP) Ulcus cruris venosum : nach Widmer Ulcus cruris arteriosum: nach Fontaine Diabetisches Fußsynrom: nach Wagner-Armstrong Rezidivzahl Wunddauer Wundgröße größte Länge in cm größte Breite in cm Tiefe in cm Taschen, Fisteln, Unterminierungen: Länge, Ausrichtung nach Uhr Wundlokalisation grafisch (Körperdarstellung), verbal ggf. digital (Foto), damit dieses juristisch anerkannt wird, müssen gewisse Anforderungen erfüllt sein: Foto muss eindeutig zuzuordnen sein: Vor- und Zuname, Geburtsdatum oder Patientencode und Erstelldatum sind auf dem Foto zu vermerken Übersichtsbild über Lokalisation der Wunde Mit Einmalmaßband die Wundgröße kenntlich machen, ggf. auch Körperregion, Körperseite bzw. Kopfrichtung auf dem Maßband notieren Fotos nach Wundreinigung erstellen Schattenbildung vermeiden, da Gefahr der Fehlinterpretation als Nekrose oder Tasche
30 gleiche Lichtverhältnisse herstellen, gleichen Abstand (30cm), gleicher Winkel (z.b. 90 ), gleiche Position: nach Erstellung in der Akte vermerken Fotos immer im gleichen Modus erstellen (Makroaufnahme, Blitz aus, alle Lichter im Zimmer an), Fotoapparate sind voreingestellt Wunde sollte mindestens ein Drittel des Fotos einnehmen Frequenz: alle 1-2 Wochen und bei therapeutisch relevanten Wundveränderungen (z.b. nach Débridement) Wundumgebung Rötung Schwellung Mazeration Trockne Haut Feuchte Haut Wärme Blässe Wundrand intakt nekrotisch unterminiert wulstig mazeriert Exsudat/ Transsudat Quantität: kein, wenig, mittel, viel Qualität: trübe, serös, blutig Wundgeruch ja/ nein
31 Infektionszeichen Calor, Rubor, Dolor, Tumor, Functio laesa Wundgrund Granulationsgewebe Fibringewebe Epithelgewebe Nekrose Muskel Faszie Sehne Knochen Fettgewebe Dermis Schmerz Intensität Lokalisation Zeitpunkt Abhängigkeit von Maßnahmen (Bewegen, Verbandwechsel, ) Zur differenzierten Einschätzung von Wundbedingten Schmerzen muss ein entsprechendes Screening (lt. Expertenstandard Schmerzprophylaxe des DNQP) durchgeführt werden. Eine Therapie wird durch den zuständigen Arzt verordnet.
32 7. Organisationsstruktur des Wundnetzes Mittelthüringen e.v. Jedes Mitglied oder Kooperationspartner ist für die Organisation und Versorgung der Menschen mit chronischen Wunden selbst verantwortlich. Unterstützend können zusätzlich konsiliarisch bei: Dekubitus: OA Ebert, (Querschnittzentrum der ZBB GmbH) OA Daffner, OA Weiße, OÄ Küpper (Allgemeinchirurgie der ZBB GmbH) Ulcus Cruris: Diabetisches Fußsyndrom: CA Weiß, (Facharzt f. Innere Medizin und Angiologie) CA Weiß, (Facharzt f. Innere Medizin und Angiologie) als Fachexperten kontaktiert werden. Als Wundpflegefachkräfte stehen für: Zentralklinik Bad Berka GmbH Bettenhaus, Querschnittzentrum und Stroke Unit Sandra Gelmroth (DECT ) Intensivmedizinische Zentrum Claudia Crusius, Danny Schuchhardt (DECT ) zur Verfügung. Der Klient hat grundsätzlich eine freie Wahl, welcher Home Care- Anbieter die Versorgung und Betreuung sicherstellt. Im Rahmen des Wundnetzes Weimarer Land erfolgt eine regionale Überleitung in Zusammenarbeit mit Katrin Jokubeit (SANAMED) Tel , oder Mandy Colditz (SANAMED) Tel
33 Eine Mitteilung an die Wundschwester (Home Care) bezüglich der Überleitung von Patienten mit chronischen Wunden ist spätestens 2 Tage vor der geplanten Entlassung aus der Zentralklinik Bad Berka GmbH, durch das am betroffenen Klienten zuständige Team, bestehend aus dem Arzt, der Pflegefachkraft oder Arztassisstent(in), zu veranlassen. 8. Verfahrensregelung zur Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden Die Verfahrensrichtlinie zur Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden der Zentralklinik Bad Berka GmbH ordnet den Berufsgruppen folgende Zuständigkeiten zu: Pflegefachkraft holt eine medizinische Diagnose ein zieht für das wundspezifische Assessment, Einschätzung und Dokumentation der Wunde eine Wundpflegefachkraft hinzu erkennt frühzeitig Probleme und Ressourcen und löst bzw. bindet diese in ihre Arbeit mit ein pflegt, berät, begutachtet, unterrichtet, kooperiert Behandlungspflege Wundtherapie nach ärztlicher Anordnung und Rücksprache Wundpflegefachkraft Wundpflegefachkraft pflegt, berät, begutachtet, unterrichtet, kooperiert Behandlungspflege Wundtherapie koordiniert die Prozesse um Menschen mit chronischen Wunden dokumentiert, beurteilt und unterstützt den Arzt bezüglich der Therapie
34 Zuständiger Arzt stellt eine medizinische Diagnose therapiert in Absprache mit allen Akteuren bezüglich des Wundheilungsverlaufes Essentielle Voraussetzung für erfolgreiches Management chronischer Wunden ist eine stetige interprofessionelle Kommunikation und Wertschätzung. Wichtige Akteure im Wundmanagement sind zum Beispiel Angehörige, Physiotherapeut, Ergotherapeut, Pflegefachkraft für Entlassungsmanagement, Arzt, Sozialdienst, Lymphtherapeut, Ernährungstherapeut, Schmerztherapeut, Orthopädischer Schuhmacher, Diabetesberater, Psychotherapeut u.a. Abbildung 4 Verfahrensregelung Wundversorgung nach Riedel/ Schuchhardt 2010
35 9. Grundsätze zum Verbandwechsel Der Verbandwechsel ist grundsätzlich eine ärztliche Tätigkeit, welche durch eine schriftliche Anordnung an examinierte Pflegefachkräfte delegationsfähig ist. Im Falle einer Delegation möglichst immer den Arzt vor und nach dem Verbandwechsel über Probleme, Vorkommnisse und Tendenzen informieren. Generell gilt, bei jedem Verbandwechsel das Grundprinzip der Asepsis, unabhängig davon, ob es sich um eine aseptische oder septische Wunde handelt. Bei aseptischen Wunden gilt, der OP-Verband ist der sterilste und sollte möglichst 72 Stunden belassen werden. Auskühlen von größeren Wunden durch Anwärmen von Wundspüllösungen vermeiden, da die Zellteilung erst ab 28 C beginnt. Regelmäßige Verbandkontrolle zur Reduktion von Komplikationen ist notwendig. Prinzipiell sollte eine an die Wundheilung angepasste Wundbehandlung durchgeführt werden (außer palliativ orientierte Verbände). Eine Dokumentation sollte zeitnah, vollständig und eineindeutig von dem durchführenden Mitarbeiter erfolgen. Aseptischer/ Septischer Verbandwechselstandard Voraussetzung: Ausführung: Einverständnis Patient/ in X Notfall Examiniertes Pflegepersonal X Anweisung Arzt/ Ärztin X Schüler/ Schülerin Unter Anleitung
36 Pflegeziele: Komplikationsfreie Wundheilung Frühzeitiges Erkennen von Wundveränderungen Infektionsrisiko minimieren Wundheilung fördern Material: Verbandswagen und / oder sterile Arbeitsfläche Mundschutz, ggf. Kopfhaube Einmalschutzschürze Händedesinfektionsmittel Schutzunterlage bei Bedarf unsterile Handschuhe sterile anatomische Pinzetten/ bzw. sterile Handschuhe Sterile Schere Sterile Kompressen bzw. Mulltupfer Abwurfschale ggf. Fadenmesser/Klammerentferner ggf. Sterile Nierenschale oder ähnliches Behältnis NaCl 0.9% bzw. Vollelektrolytlösung Octenisept ggf. sterile Spritze ggf. Knopfkanüle Prozess: Vorbereitung des Zimmers VW frühestens eine halbe Stunde nach Zimmerreinigung oder Waschen (Keimwirbel wird vermieden) Fenster schließen für gute Beleuchtung sorgen Vorbereitung des Patienten VW nicht unmittelbar vor oder während der Mahlzeiten Patient informieren (Möglichkeit zur Äußerung geben) evtl. Schmerzmedikamentengabe (dann Eintritt der Wirkung abwarten) für Sichtschutz sorgen Patienten in eine geeignete Position bringen Vorbereitung der durchführenden Fachkraft Temperaturverlauf des Patienten beachten ggf. Laborparameterkontrolle ggf. Assistenz beschaffen und/oder sterilen Tisch vorbereiten Abwurf bereitstellen Einmalschutzschürze und Mundschutz anziehen hygienische Händedesinfektion durchführen unsterile Schutzhandschuhe anziehen
37 Durchführung: ASEPTISCHE WUNDE lösen des Verbandes mit unsterilen Handschuhen ggf. mit steriler Pinzette die unterste Kompresse (Gaze) lösen Wunde und Kompresse begutachten (Geruch, Exsudation, Farbe, Schwellung und Gewebeart feststellen) ggf. Rasur bei übermäßigem Haarwuchs mit elektrischen Einmalrasierern durchführen evtl. Wundrandreinigung: mit NaCl 0,9% oder Vollelektrolytlösung Abwurf der unsterilen Handschuhe, der Pinzette und des "alten" Verbandes Wunde nicht auskühlen lassen, Reinigungslösung sollte Körpertemperatur besitzen Wundreinigung von innen nach außen mit sterilen Handschuhen und / oder steriler Pinzette d.h. einmal kreisförmig ohne abzusetzen um die Wunde herum und sternförmig von der Wunde weg streichen Reinigungsmittel kurz antrocknen lassen geeigneten Wundfüller und/oder Wundauflage wählen und steril auf die Wunde applizieren Durchführung: KONTAMINIERTE/ KOLONISIERTE/ SEPTISCHE WUNDE diese Art von Verbandwechsel sollte stets von zwei Mitarbeitern durchgeführt werden hygienische Händedesinfektion (Einwirkzeiten beachten!) lösen des Verbandes mit unsterilen Handschuhen mit steriler Pinzette die unterste Kompresse (Gaze) lösen Wunde und Kompresse begutachten (Geruch, Exsudation, Farbe, Schwellung und Gewebeart feststellen) ggf. Rasur bei übermäßigem Haarwuchs mit elektrischen Einmalrasierern durchführen Abwurf der unsterilen Handschuhe, der Pinzette und des "alten" Verbandes Wunde nicht auskühlen lassen, Reinigungslösung sollte Körpertemperatur besitzen Desinfektion, mit Octenisept, von außen nach innen mit sterilen Handschuhen und / oder steriler Pinzette d.h. einmal kreisförmig ohne abzusetzen um die Wunde herum und anschließend sternförmig zur Wunde hin streichen, anschließend Wundgrund desinfizieren nur einmal mit der gleichen sterilen Kompresse über die gleiche Stelle wischen evtl. Wundspülung Wundspülung: sterile Nierenschale oder ähnliches Behältnis mit Desinfektionslösung befüllen gefüllte sterile Spritze (Größe nach Bedarf) mit Knopfkanüle in die Wunde einführen angewärmte Spülung in die Wunde einlaufen lassen und Einwirkzeit beachten mit sterilen Kompressen oder Tupfern überschüssige Desinfektionslösung aufsaugen Desinfektionsmittelrückstände mit NaCl 0,9% oder Vollelektrolytlösung herausspülen
38 geeigneten Wundfüller und/oder Wundauflage wählen und steril auf die Wunde applizieren nach Möglichkeit solche Verbandwechsel zu zweit durchführen Nachbereitung: Patient in eine bequeme Position bringen Ressourcen und Probleme bezüglich des Wundzustandes mit Patienten beraten aufräumen, Einwegmaterial fachgerecht verwerfen und Mehrwegartikel zur Aufbereitung geben Arbeitsfläche(n) und Verbandwagen desinfizieren hygienische Händedesinfektion (Einwirkzeiten beachten!) Dokumentation des Wundzustandes und Heilungsverlaufs Vergleich von Ist- und Soll-Zustand (Evaluation), ggf. Meldung an zuständigen ärztlichen Dienst 10 Literaturverzeichnis 1 Pflege Heute 2 Juni 2010, Werner Sellmer, Die Zeitgemäße Versorgung chronischer Wunden Panfil, Schröder Pflege von Patienten mit chronischen Wunden 4 Riedel, Schuchhardt et al, Verfahrensregelung zur Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden 5 DNQP 2008, Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden 6 DNQP 2011, Expertenstandard Schmerzprophylaxe 7 DNQP 2010, Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege 8 ZBB GmbH , Hygienehandbuch Stationen
39 Produkt Größe Verwendungszweck Suprasorb A (Alginat) Suprasorb A + Ag (Alginat + Silber) Suprasorb C (Kollagen) Suprasorb F unsteril gerollt (Polyurethanfolie) Suprasorb F steril Suprasorb G Gelkompresse 5 X 5 cm 10 X 10 cm 10 X 20 cm 5 X 5 cm 30 cm/ 2g (Tamponade) 6 X 8 X 0,5 cm 4 X 8 X 0,5 cm 10 X 10 cm 10 X 10 cm 5 X 7 cm 10 X 12 cm 10 X 25 cm 10 X 10 cm 5 X 7,5 cm Stark exsudierende Wunden Stark exsudierende und infizierte Wunden Stagnierende und saubere Wundverhältnisse zur Granulatsförderung Zum Fixieren von Verbänden und als Schutz vor äußeren Einflüssen Zur Förderung der Epithelisierung Unterstützung der Autolyse Amorphes Gel Suprasorb H (Hydrokolloid) Suprasorb X +PHMB (antimikrobieller Hydrobalance Wundverband) Aquacell Vliwaktiv + Ag Mepitel one (Wunddistanzgitter) Cutimed Cavity 6g/ Spritze 10 X 10 cm Standard 15 X 15 cm Standard 20 X 20 cm Standard 5 X 10 cm thin 5 X 5 cm 9 X 9 cm 10 X 20 cm 5 X 5 cm 10 X 10 cm 15 X 15 cm 6,5 X 10 cm 10 X 10 cm 5 X 5 cm 7,5 X 10 cm 5 X 6 cm 10 X 10 cm 15 X 15 cm Okklusivverband für die Reinigungs- und Epithelisierungsphase Fechttherapie und antimikrobielle Wirksamkeit in der Reinigungsphase Für stak exsudierende Wunden in der Reinigungsphase Geeignet zur Prophylaxe von Infektionen und Therapie dieser bei palliativ orientiertem Wundverband Geeignet zur Förderung der Epithelisierung und Schutz vor Traumata Geeignet zur Förderung von Granulatsgewebe tieferer Wunden
40 Produkt Größe Verwendungszweck Vliwasorb (Superabsorber) Vliwasorb (adhäsive) Sorbion sachet drainage (Superabsorber mit Schlitz) Lavanid-Gel 0,04% Cavilon Pumpspray Cavilonhautschutzcreme Applikator (Lolli) Lucilla Sericata (Madentherapie) 10 X 10 cm 10 X 20 cm 20 X 20 cm Geeignet zur Bindung massiver Flüssigkeitsmengen in der Reinigungsphase 12 X 12 cm Geeignet zur Bindung massiver Flüssigkeitsmengen in der Reinigungsphase 10 X 10 cm Geeignet zur Bindung massiver Flüssigkeitsmengen um Drainagen 10g 100g 28ml 28g 1ml Bio Bag 50, 100, 200, 300 Antibakterielle Wirkung und Unterstützung der Autolyse in der Reinigungsphase Hautschutz Biochirurgische Wundreinigung
41 Standard zur Fotodokumentation Ziel: Die Fotodokumentation von Wunden dient der visuellen Unterstützung der schriftlichen Wunddokumentation. Sie erweitert somit die Aussagekraft dieser. Zudem werden Wundheilungsveläufe besser interpretierbar. Struktur: Voraussetzung ist die Zustimmung des Betroffenen oder des gesetzlich vorgegeneben Betreuers (StGB 201a). Diese Zustimmung muss schriftlich fixiert werden. Fotos zur Wunddokumentation werden von Ärzten, Pflegefachkräften und Auszubildenden zur Pflegefachkraft in Zusammenarbeit mit einen der beiden Berechtigten erstellt. Zugangsmöglichkeit zu PC s zur weiteren Verarbeitung. Eine Fotodokumentation von Wunden erfolgt Initial bei Aufnahme oder Entstehung. Die Verlaufsdokumentation ist bei Statusänderung oder Entlassung des Betroffenen notwendig. Technische Anforderungen: Digitalkamera mit Makrofunktion und Blitz PC mit Kameraanschlussmöglichkeit Farbdrucker und Fotopapier Prozess: Aufklärung und Information zur Fotodokumentation ist erfolgt. Ein Maßband ist erforderlich. Vorname, Zuname, Geburtsdatum, Erstellungsdatum und Körperregion mit Richtungsangabe der Körperachse müssen auf dem Foto vermerkt sein. Erstellen des Fotos erst nach der Wundreinigung. Die Wunden sollte idealerweise 1/3 des gesamten Fotos einnehmen. Automatikfokus oder Makroaufnahme wählen.
42 Erstellen von Bildaufnahmen möglichst immer parallel zur Wunde, im gleichen Abstand bei gleichen Lichtverhältnissen. Die Bildaufnahmen werden zeitnah der Patientenakte zugeführt. Ergebnis: Qualitativ verwertbare Bildaufnahmen
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