POLITISCHER BERICHT AUS DER RUSSISCHEN FÖDERATION. Dr. Markus Ehm Leiter der Verbindungsstelle Moskau
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- Achim Schumacher
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1 POLITISCHER BERICHT AUS DER RUSSISCHEN FÖDERATION Dr. Markus Ehm Leiter der Verbindungsstelle Moskau Nr. 9/ August 2013
2 IMPRESSUM Herausgeber Vorsitzender Hauptgeschäftsführer Copyright 2013, Hanns-Seidel-Stiftung e.v., München Lazarettstraße 33, München, Tel.: +49 (0) , Online: Prof. Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair Staatsminister a.d., Senator E.h. Dr. Peter Witterauf Verantwortlich Ludwig Mailinger Leiter des Büros für Verbindungsstellen Washington, Brüssel, Moskau / Internationale Konferenzen Hanns-Seidel-Stiftung e.v. Tel.: +49 (0) oder -204 Fax: +49 (0) mailing@hss.de Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung sowie Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil dieses Berichtes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Hanns-Seidel-Stiftung e.v. reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Das Copyright für diese Publikation liegt bei der Hanns-Seidel-Stiftung e.v. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Die Autoren tragen für ihre Texte die volle Verantwortung.
3 Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine auf dem Prüfstand: Es geht ums Gas Ende Juli besuchte Wladimir Putin die Ukraine. Zuerst feierten er und sein ukrainischer Amtskollege Viktor Janukowitsch das 1025-jährige Jubiläum der orthodoxen Christianisierung der slawisch-russischen Völker, deren Zentrum sich damals in Kiew befand. 1 Am darauffolgenden Tag nahmen die beiden Staatsoberhäupter am Schwarzen Meer eine gemeinsame Parade der beiden Seestreitkräfte ab. 2 Doch die demonstrierte Einigkeit 3 überlagert keineswegs die Unzufriedenheit Moskaus über den außenpolitischen Schlingerkurs der Ukraine zwischen der EU und Russland. Für den Kreml handelt es sich dabei um eine grundlegende Angelegenheit. In ihrem außenpolitischen Manifest vom Februar 2013 bezeichnet die Russische Föderation die Ukraine als bevorzugten Partner bei einer weiteren Vertiefung der Integration im GUS-Raum. 4 Besondere Bedeutung kommt der schon bestehenden Zollunion als Vorstufe eines einheitlichen Wirtschaftsraums 5 zwischen Russland, Weißrussland und Kasachstan zu: In dieser Runde würde Moskau gerne auch Kiew sehen, wobei die Integration der Ukraine in die Zollunion teilweise als Zwischenschritt der großen Vision eines einheitlichen Wirtschaftsraumes von Lissabon bis Wladiwostok dargestellt wird. 6 Putin unterstreicht indes die wirtschaftlichen Vorteile zu Gunsten der Ukraine und sieht bei deren fortdauernden ablehnender Haltung Regelungsbedarf beim Außenhandel. 7 Eine Expertengruppe unter dem Vorsitz russischer und ukrainischer Minister hat den finanziellen Vorteil der Ukraine beim Beitritt zur Zollunion mit knapp 9 Mrd. USD berechnet; der Löwenanteil entfiele auf den Wegfall von Exportzöllen beim Erdöl und die Senkung des Gaspreises auf den innerrussischen Tarif. 8 Derzeit zahlt die Ukraine einen höheren Gaspreis (nämlich ca. 430 USD 1 Kommersant vom , S. 1 und 6. 2 Kommersant vom , S Der ukrainische Staatspräsident Viktor Janukowitsch sagte: Die Ukraine und Russland waren und werden strategische Partner sein. Liga.net vom , ukraina_i_rossiya_ostayutsya_strategicheskimi_partnerami_yanukovich.htm 4 Nr. 48 д) des außenpolitischen Konzeptes der Russischen Föderation vom , 5 Dieser soll im Rahmen der Eurasische Wirtschaftsunion verwirklicht werden und die vier Grundfreiheiten gewährleisten (Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Arbeitnehmerfreizügigkeit). Kommersant Wlastj vom , S So der Vorsitzende der Staatsduma Sergej Narijschkin neulich auf einer Konferenz im Institut für Internationale Beziehungen in Moskau. Nesawisimaja vom , 7 Kommersant vom , S. 1 und 6. 8 Im Detail: Wegfall der Exportzölle beim Öl (3 Mrd. USD); Weg der Exportzölle auf Produkte der ölverarbeitenden Industrie (490 Mill. USD); Senkung der Gaspreise auf den innerrussischen Preis (4,6 Mrd. USD); Exportsteigerung infolge des Wegfalls russischer Handelshemmnisse (670 Mill USD). Chinalogist.ru vom , 1
4 pro m³) 9 als die mitteleuropäischen Länder, aber Russland will Ermäßigungen nur bei einem Beitritt zur Zollunion gewähren. 10 Ende Mai einigten sich die Ukraine und die Zollunion auf eine vertiefte Zusammenarbeit. Kiew kann zukünftig an den Beratungen der Eurasischen Wirtschaftsunion, dem Hauptorgan der Zollunion, ohne offiziellen Beobachterstatus teilnehmen. Somit bleibt gleichzeitig der Weg für eine Assoziierung mit der Europäischen Union frei. Diesbezüglich hat die Ukraine hohe Erwartungen. Außenminister Leonid Kutschma sagte neulich, er würde es als Misserfolg für die EU werten, wenn das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine auf dem Gipfel der Östlichen Partnerschaft im November nicht unterzeichnet würde. 11 Die Ukraine setzt damit zunächst ihre Außenpolitik zwischen West und Ost fort, und dies ruft Russland auf den Plan. Schwierig gestalten sich gegenwärtig die Energiebeziehungen der beiden Länder nahm die Ukraine statt der vertraglich vereinbarten Menge von 52 Mrd. m³ Gas nur 27 Mrd. m³ ab, weshalb Gasprom 7 Mrd. USD Kompensation fordert. Verhandlungen auf der Ebene der Präsidenten verliefen bislang ergebnislos. 12 Auch 2013 wird die Ukraine weniger Gas verbrauchen als noch vor drei Jahren veranschlagt. Neben der schwachen Konjunktur und dem milden Winter fallen drei Gründe ins Gewicht. Erstens: Ein Drittel des Minderverbrauchs ergibt sich aus dem Umstieg auf Kohle. Aufgrund der immensen Schiefergasvorkommen in den USA sank der weltweite Kohlepreis und machte diesen Rohstoff für die ukrainische Industrie attraktiv. Zweitens: Der Gastransit durch die Ukraine sank 2012 um über 11 Prozent, was zur Folge hatte, dass weniger technisches Gas für die Durchleitung gebraucht wurde. 13 Drittens: Die Ukraine bezieht seit 2012 über Polen und seit April 2013 über Ungarn über eine Umkehr der Stromrichtung Gas vom deutschen Konzern RWE, welches dieser zuvor aus Russland importiert. Nach Worten des ukrainischen Premierministers beträgt der Preis um ca. 100 USD pro m³ weniger als für direkt aus Russland geliefertes Gas, oder anders formuliert, Kiew zahle jährlich 7 Mrd. USD zu viel an Moskau. 14 Das durchführende Unternehmen RWE Supply & Trading GmbH verweist insbesondere auf das europäische Energierecht, das einen Weiterverkauf möglich mache. Wie wenig diese Geschäftspraxis Gasprom gefällt, zeigt deren Angebot an die Ukraine, bei einem garantierten Verzicht auf den Gaskauf im Westen einen Preisrabatt einzuräumen Eurasiainform vom , 10 Kommersant vom , S Inpress.ua vom , 12 RiaNovosti vom , 13 Bigmir.net vom , 14 Interfax vom , 15 Segodnija.ua vom , 2
5 Gasprom warnt indessen vor einer zu langsamen Auffüllung der ukrainischen Gasspeicher im laufenden Sommer. 16 Der ukrainische Energieminister sprach unlängst von einer um ein Drittel reduzierten Menge im Vergleich zu den vergangenen Jahren. Der russische Gaslieferant sieht die vertragliche Auffüllungspflicht bei der Ukraine und will deshalb kostenpflichtig entsprechend mehr liefern. Gleichzeitig verdeutlicht der Gaskonzern, dass er die Transitgebühren vorfällig schon für das gesamt Jahr 2014 bezahlt hat. Nach der Einschätzung von Experten reicht die derzeit geplante Mindermenge nur bei einem relativ warmen Winter. Die gewaltigen Gasspeicher in der Ukraine haben etwa ein Drittel der EU- Kapazitäten und sind für die Regulierung des EU-Gasverbrauchs in den Wintermonaten von elementarer Bedeutung. Der Streit dreht sich zudem darum, ob die Speicher mit RWE-Gas aufgefüllt werden dürfen. Doch gerade in dieser stärkeren Integration der ukrainischen Speicher in den EU-Gasmarkt liegt deren besonderer Wert für die EU. 17 Gleichzeitig sinkt der Einfluss Russlands. Aktuell kommt ein weiterer Handelskonflikt hinzu. 18 Die Einführung ukrainischer Importzölle auf russische Fahrzeuge führte zu einem Exportrückgang im Wert von 328 Mio. USD; der Staat beziffert die Mindereinnahmen bei den Steuern auf 36 Mio. USD. Einem Medienbericht zufolge überlegt Moskau, ukrainische Produkte wie Kohle, Schokolade und Glas mit höheren Tarifen zu belegen. Gleichzeitig stoppte die russische Gesundheitsbehörde wegen Qualitätsvorbehalten den Import von Waren des ukrainischen Süßwarenkonzerns Roscher, der in der Ukraine auf einen Marktanteil von 21% und in Russland auf 5-12% kommt; 50% der nach Russland importierten Süßwaren kommen aus der Ukraine. Über politische Hintergründe wird spekuliert. Kiew bat um eine schnelle Klärung der Angelegenheit. Das Verbot der Einfuhr von Schokolade aus ukrainischer Produktion wird als seltsam bezeichnet, da in allen Werken von Roscher (in der Ukraine, in Russland und im Baltikum) identische Qualitätsstandards gelten und die Lieferungen in über 50 Länder weltweit beanstandungslos erfolgen. 19 Die Industrien Russlands, Weißrusslands und der Ukraine sind eng miteinander verbunden. Es gibt Produktionsketten zwischen der Ukraine und Russland beim Flugzeugbau, in der Weltraumindustrie und der Herstellung von Atomkraftwerken. Der Wegfall von Zöllen würde die Wettbewerbsfähigkeit steigern. Zudem gehen 35% des ukrainischen Exports nach Russland, Weißrussland und Kasachstan. Außerdem exportiert die Ukraine seit 2010 keinen Zucker mehr in die Russische Föderation der Beitritt zur Zollunion könnte dies ändern. Obwohl die Aspekte einer weiteren Integration im GUS-Raum vielfältig sind (Industrie, Landwirtschaft, Infrastruktur Russland sieht die Möglichkeit einer Transportmagistrale von Asien bis nach Europa 20,) stehen dennoch die Energiebeziehungen im Mittelpunkt. Ukrainische Experten bezweifeln die Dauerhaftigkeit der Preissenkungen im Fall 16 Kommersant vom , S. 9; Kommersant vom , S Segodnija.ua vom , 18 Das Folgende nach: Kommersant vom , S. 1; RiaNovosti vom , 19 RiaNovosti vom , 20 Russiancouncil vom , 3
6 des Beitritts zur Zollunion, weil der Gaspreis durch zwei Unternehmen fixiert wird und der Wegfall der Zölle durch höhere Tarife kompensiert werden könnte. 21 Auch in Russland gibt es Kritik an Gasprom. Der Wirtschaftsexperte Michail Deljagin bezeichnet die Hochpreispolitik gegenüber der Ukraine als Energie-Feudalismus, wodurch russlandnahe Kräfte in der Ukraine geschwächt würden. 22 Schließt sich Kiew der Zollunion nicht an, so wären die Ursachen dafür auch in Moskau zu suchen. Dr. Markus Ehm Leiter der Verbindungsstelle Moskau der Hanns-Seidel-Stiftung Moskau, 2. August 2013 Der Verfasser dankt Frau Anastasia Golofast für die Unterstützung bei der Erstellung des Beitrags. 21 Siehe Bundeszentrale für Politische Bildung vom , 22 Nesawisimaja vom , 4
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