1.3 Ein paar Standardaufgaben
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- Daniel Kruse
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1 1.3 Ein paar Standardaufgaben Ein paar Standardaufgaben Einerseits betrachten wir eine formale und weitgehend abgeschlossene mathematische Theorie. Sie bildet einen Rahmen, in dem man angewandte Aufgaben betrachten sollte. Als Illustration werden wir ein paar Standardaufgaben betrachten, die sich als Beispiele durch die ganze Vorlesung ziehen werden. Diese Aufgaben beeinhalten sowohl Modellierung also das Aufstellen der Gleichungen, das eigentliche Formulieren der Aufgabe und die Analyse das Bestimmen von Eigenschaften der Lösung oder im günstigsten Fall das Finden der explizten Lösung der Gleichung Diffusion Ein Tropfen Tinte wird ins Wasser fallen gelassen und die Ausbreitung dieses Tropfens in der Zeit wird beobachtet. Diesen Prozeß nennt man Diffusion. Man kann ihn durch die Diffusionsgleichung beschreiben. Im 1-D Fall geht das so: Es sei u(x, t) die Konzentration der Tinte am Punkt x R zum Zeitpunkt t R +. Gleichung: (+ Rand- und Anfangsbedingungen) 2 u(x, t) = D t x2u(x, t) Hier ist D der Diffusionskoeffizient. Er beschreibt, wie stark sich der Stoff (hier die Tinte) ausbreiten kann. Zu dieser Gleichung muß noch eine Anfangsedingung u 0 (x) und Randbedingungen gesetzt werden. Als Randbedingungen nehmen wir an, daß u(x, t) ausreichend schnell für x ± abklingen soll. Lösung: ) 1 u(x, t) = exp ( x2 4πDt 4Dt Allgemeine Lösung: ( 1 u(x, t) = exp ( (x )) x ) 2 u 0 (x )dx 4πDt 4Dt Diese Gleichung ist eine Evolutionsgleichung. Das sind Gleichungen, die ausgehend von einem gegebenem Anfangswert die gesuchte Funktion für spätere Zeiten bestimmen. Eigenschaften: Positivität Massenerhaltung Linearität Probleme: eigentlich diskrete Teilchen unendlich hohe Ausbreitungsgeschwindigkeit u(x, t) 0 für t und festes x, aber Integral bleibt konstant. Was ist für t = 0. Lösung geht gegen Punktmaß, Glattheit geht verloren.
2 16 1 EINFÜHRUNG ÜA: Beweise, daß u(x, t) Lösung ist und die Eigenschaften der Lösung. Brownsche Bewegung oder Irrfahrt t w(x, t) = 1 2 σ2 2 x2w(x, t) w(x, t) ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit, σ ist die Stärke des Gaußschen Rauschens. Wärmeleitung 2 θ(x, t) = κ t x2θ(x, t) θ(x, t) ist die Temperatur. κ ist der Wärmeleitkoeffizient. Schrödingergleichung (freies Quanten-Teilchen) i 2 ψ(x, t) = t 2m 2 x2ψ(x, t) ψ(x, t) ist die Wellenfunktion des Teilchens, m seine Masse und das Plancksche Wirkungsquantum. Zwischen den beiden ersten Gleichungen gibt es einen Zusammenhang und prinzipiellen Unterschied. Die zweite Gleichung beschreibt die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens, das auf zufällige Weise seinen Platz ändert. Sie ist eine mikroskopische Gleichung und beschreibt ein Einteilchenproblem. Wenn eine gewisse Zeit vergangen ist, dann ist das Teilchen an einem festen Ort. Die Lösung ist aber eine Verteilung. Das heißt die Gleichung beschreibt eine Prognose. Die Lösung stimmt mit der Realität wenn man bei mikroskopischen Prozessen überhaupt davon sprechen kann sicher nicht überein. Die erste Gleichung ist eine makroskopische Gleichung. Sie beschreibt die Platzänderung von sehr vielen Teilchen, die von Weitem wie ein Kontinuum aussehen. Jedes einzelne der Teilchen verhält sich gemäß der zweiten Gleichung. Wenn die Teilchen nichts miteinander zu tun haben, dann ist die Konzentration einfach die Superposition der einzelnen Teilchen, die wegen der zufälligen Platzänderung an verschiedenen Stellen ankommen. Deshalb beschreibt die Lösung tatsächlich die Realität. Das heißt, die Wahrscheinlichkeitsprognose realisiert sich, wenn viele Fälle auftreten. Das wird im weiteren ein Grundprinzip sein: Wenn wir von Wahrscheinlichkeiten sprechen, meinen wir eine unbekannte Zukunft, die aber im makroskopischen unter bestimmten Bedingungen (wenn sich alle Objekte gleich und unahbhängig voneinader verhalten) Realität wird. Deshalb werden wir häufig mikroskopische Gleichungen betrachten, aber wissen, daß sie unter Umständen auch makroskopische Probleme beschreiben können. Die dritte Gleichung beschreibt die Ausbreitung der Temperatur. Das hat mit Teilchen erstmal nichts zu tun. Die Temperatur ist eine gedachte Größe (das werden wir noch sehen). Da die Gleichung dieselbe ist, hat die Lösung natürlich auch dieselben Eigenschaften. So gilt z.b. auch das Superspositionsprinzip (Linearität der Gleichung), obwohl man Temperaturen als physikalische Größen nicht addieren kann. Außerdem gleicht sich die Temperatur stets aus, wogegen man sich Situationen vorstellen kann, bei denen sich Teilchen in einer Ecke sammeln. Alle Gleichungen sind bis auf die konstanten Koeffizienten dieselben und haben folglich auch formal dieselbe Lösung. Deshalb kann man auf die Idee kommen, daß alle vier Gleichung mit denselben mathematischen Methoden behandelt werden sollten.
3 1.3 Ein paar Standardaufgaben 17 Die Gleichung beschreiben einen besonders einfachen Fall, den eines homogenen Raumes (oder Mediums). Geht man davon ab, d.h., nimmt man an, daß das Problem explizit von der Koordinate x abhängt, wird deutlich, daß vier verschiedene physikalische Probleme auch auf vier verschiedene Gleichungen führen, die mit verschiedenen mathematischen Metoden behandelt werden müssen. Diffusion u(x, t) = t x ( D(x) ) u(x, t) x Wird in einem Sobolewraumpaar H 1 H 1 betrachtet. Brownsche Bewegung t w(x, t) = 1 2 ( σ 2 (x)w(x, t) ) 2 x 2 Wird im Lebesgueraum L 1 betrachtet. Wärmeleitung 2 θ(x, t) = κ(x) t x2θ(x, t) Wird im Raum stetiger Funktionen C betrachtet. Schrödingergleichung (freies Teilchen) i 2 ψ(x, t) = t 2m 2 x2ψ(x, t) + V (x)ψ(x, t) Hier ist V (x) ein vorgegebenes Potential (äußeres Feld). Diese Gleichung wird im Hilbertraum L 2 betrachtet. Es stellt sich eben heraus, daß im einfachsten Fall, alle vier Probleme zufällig auf dieselbe Gleichung führen. Die zweite Gleichung ist weitgehend exakt. Man kann sie als Ausgangspunkt für die Beschreibung komplizierterer Probleme nehmen. Die erste Gleichung beschreibt das Problem der Diffusions vieler Teilchen nur unter engen Zusatzbedingungen (Unabhängigkeit, Teilchenzahl gegen ). Wir werden deshalb diese zweite Gleichung im Auge haben und sie in Zukunft das Einteilchen-Problem Diffusion nennen. Unser physikalisches System ist ein Teilchen, was sich in einem Medium bewegt, daß aus irgendeinem Grund dazu führt, daß sich der Ort des Teilchens ändert. Der Zustand unseres Systems ist der Ort des Teilchens Endliche Systeme Man kann sich leicht physikalische Systeme vorstellen, die sich nur in endlich vielen (nämlich n) Zuständen befinden können. Das können z.b. Energieniveaus sei. Es gibt einen Taktgeber und bei jedem Takt ändert sich der Zustand aus irgend einem Grund (z.b. springt ein Energieniveau tiefer). Insbesondere betrachten wir die Fälle n = 2 und n = 3. Außerhalb von der Physik ist das der typische Fall in der Ökonomie und der Spieltheorie. So ist z.b. beim Spiel Go der Spielstand exakt definiert, wenn wir wissen, ob und wenn ja welcher Stein auf welchem Feld steht. Es gibt = 361 Felder und damit verschiedene Zustände. Das Spiel Schere, Stein, Papier besteht aus 9 Zuständen. Mit Hilfe von Näherungsverfahren werden in der Numerik anstelle von unendlich dimensionalen Problemen nicht nur endlich dimensionale, sondern sogar endliche Probleme betrachtet.
4 18 1 EINFÜHRUNG Erzeugung und Vernichtung In einem Gefäß/Gerät kann sich die Anzahl der Teilchen ändern. Es können Teilchen erzeugt und Teilchen vernichtet werden. Z.B können in einem Gerät durch kosmische Strahlung hochenergetische Elektronen generiert werden, die mit der Zeit ihre Energie wieder verlieren und somit verschwinden. Was wollen wir wissen? Wieviel Teilchen sich im Gerät zu einem gewissen Zeitpunkt befinden Brownsche Bewegung Ein Teilchen bewegt sich in einem Medium. Es finden zwei Prozesse statt: Das Teilchen gibt Energie durch Reibung an das Medium ab und erhält Energie vom Medium durch z.b. thermische Stöße. Das ist eine etwas genauere Beschreibung als das Beispiel der Diffusion. Wir sagen nicht mehr, daß das Teilchen aus irgendeinem Grund den Ort wechselt, sonden wir sagen, daß auf das Teilchen Kräfte wirken. Wir wissen aus der Newtonschen Mechanik, daß der eigentliche Grund, warum ein Objekt seinen Ort wechselt der ist, daß es eine Geschwindigkeit hat. Die wiederum ändert sich, weil Kräfte wirken. Um unser System zu verstehen, müssen wir also den Ort und die Geschwindigkeit des Objektes kennen. Darüber hinaus werden wir später noch weitere Beispiele betrachten. Die hier angeführten Beispiele illustrieren fürs erste die wichtigsten Eigenschaften der Probleme, die wir behandeln werden Dynamisches System ż(t) = a ( z(t) ) Töpfe und Schläuche Wir haben n Töpfe mit einer Flüssigkeit drin, von denen einige (oder alle) mit Schläuchen untereinander verbunden sind. Zu gewissen Zeiten oder immer fließen gewisse Mengen zwischen den Töpfen hin und her Fokker-Planck-Gleichung Dieses Probleme entspricht dem Problem 1 (Diffusion) oder dem Problem 24 (Brownsche Bewegung) unter der zusätzlichen Bedingung, daß ein gebebenes äußeres Feld (Gravitation, Elekrostatik,...) mit dem Teilchen wechselwirkt Nichtgleichgewichtsprozeß Das Teilchen gibt nur Energie an und kommt mit der Zeit zur Ruhe Mehrteilchenprobleme
5 1.3 Ein paar Standardaufgaben Allgemeine Bemerkungen Die Aufgaben sind noch nicht vollständig formuliert. Es fehlen weitere Angaben, wie spezifizierte Kräfte, Wechselwirkungen u.ä. In jedem Fall befindet sich unser physikalisches System in einem Zustand. Es wechselwirkt mit der Welt in der es sich befindet, was bewirkt, daß sich sein Zustand ändert. Wir werden uns hauptsächlich mit physikalischen Systemen beschäftigen, deren Zustand sich zeitlich ändert. Alle Aufgaben können eine Zufallskomponente haben, die sich darin äußert, daß dem System keine deterministische Trajektorie besitzt. Solche Aufgaben können mit stochastischen oder funktionalanalytischen Methoden untersucht werden. Wir beschäftigen uns mit letzterem. Gesucht ist stets allgemein: Was kann man über die Evolution des Systems in der Zeit sagen. Manche Aussagen werden vage sein, manche werden konkret sein. Welche allgemeinen Fragen werden wir behandeln? Gibt es einen mathematischen Rahmen, in dem man (weitgehend) jedes klassische physikalische Problem behandeln kann? Welche physikalischen Prozesse sind unumkehrbar, welche sind nicht unumkehrbar? Gibt es Eigenschaften, die alle physikalischen Systeme gemeinsam haben? Kann man die Menge der möglichen Zustandsänderungen eines physikalischen Systems beschreiben? Wie verhalten sich Approximationen von Problemen zu den ursprünglichen Problemen. Welche konkreten Fragen werden wir behandeln? Was ist der Zustand des Systems, d.h., welche Menge an Parametern muß man berücksichtigen um das System eindeutig beschreiben zu können. Gibt es ein mathematisches Objekt (z.b. eine Evolutionsgleichung), die mir die Zukunft des Systems vorhersagt? Gibt es stationäre Zustände (Zustände, die das System nicht verläßt)? Begibt sich das System mit zunehmender Zeit in einen stationären Zustand? Ist dieser Zustand ein Gleichgewichtszustand?
6 20 1 EINFÜHRUNG
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