Zur interkulturellen Öffnung des psychosozialen Gesundheitssystems und der Versorgung von Migranten
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1 PD Dr. med. Meryam Schouler-Ocak (Klinikdirektor: Prof. Dr. med. Andreas Heinz) Zur interkulturellen Öffnung des psychosozialen Gesundheitssystems und der Versorgung von Migranten Hauptstadtsymposium Berlin, 12. September 2012
2 Moderne Migration Projektion weltweiter Flüge
3 Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ,3 % der Bevölkerung in Deutschland (15,7 Mio) 8,7 % der Bevölkerung in Deutschland sind Nichtdeutsche (7,1 Mio) 10,6 Mio haben eigene Migrationserfahrung 15,8 % stammen aus der Türkei, gefolgt von 8,3 % aus Polen, 6,7 % aus der Russischen Föderation und 4,7 % aus Italien zudem große Gruppe aus den USA (96 Tsd.) Vietnam (83 Tsd), Irak (78 Tsd), Marokko (73 Tsd), Iran (65 Tsd.), Brasilien (27 Tsd) (Statistisches Bundesamt 2011) Menschen mit Migrationshintergrund in Berlin ,7% aller Berlinerinnen und Berliner haben einen Migrationshintergrund ( ) 47,5% aller Berlinerinnen und Berliner mit Migrationshintergrund sind deutsche Staatsangehörige (Amt für Statistik Berlin Brandenburg 2011, Stand )
4 Charité Universitätsmedizin Berlin
5 Anteil der Einwohner mit Migrationshintergrund in deutschen Großstädten (in %, 2010)
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7 Kultur des Patienten Neben individuellen Faktoren wie Bildungsstand, medizinischem Wissen und Lebenserfahrung trägt Kultur zu Krankheitsverständnis, Wahrnehmung und Darstellung von Symptomen und Problemen sowie der Reaktion auf und den Umgang mit Krankheit bei. Erwartungen des Patienten an den Arzt, Behandlungsmotivation sowie die Compliance mit therapeutischen Strategien werden ebenfalls von Kultur beeinflusst. (Tseng, 2004)
8 Kultur des Arztes Überlagert von persönlichen Einstellungen und medizinischem Wissen und Lebenserfahrung prägt die Kultur des Arztes die Art der Interaktion und Kommunikation mit dem Patienten und beeinflusst (direkt oder indirekt) Haltung und Verständnis dem Patienten gegenüber wie auch mögliche Behandlungsstrategien. (Tseng 2004)
9 Kultur der Medizin(ischen Institutionen) Die Gesundheitsberufe verbindet eine oft unbewusste Tradition von Einstellungen, die sich im Medizinsystem entwickelt haben. So kennzeichnen z. B. Werte wie Individualität, aktive Interventionen, aggressive Behandlungsstrategien, Therapie gegen den Willen des Patienten westliche Wertvorstellungen, die nicht notwendigerweise in anderen Kulturen Gültigkeit besitzen müssen. Das gilt auch für die Art der Arzt-Patient-Beziehung (partnerschaftlich vs. patriarchalisch), die Erwartungen an den Arzt oder den Umgang mit Regeln. (Tseng 2004)
10 Einflussfaktoren beim Umgang mit Patienten mit Migrationshintergrund Sozio-kultureller Hintergrund Deutsche Sprachkenntnisse Akkulturation Religion Arzt*-Patientinnen- Beziehung Erwerbstätigkeit Krankheitsverständnis Bildung Generationsunterschiede Gesundheitswissen
11 Versorgungsstudien: Inanspruchnahme stationärer Behandlung Anteil von Ausländern in Klinik vs. Anteil an der Wohnbevölkerung Häfner (Mannheim)1980: 6,2% vs. 11,8% Holzmann (Frankfurt)1994: 15,7% vs. 29,5% Beck (Reichenau) 1997: 5,5% vs. 10% Wolfersdorf (Bayreuth) 1999: 3,6% vs. ca. 7%
12 Pilotstudie der AG Psychiatrie und Migration der Bundesdirektorenkonferenz: Stichtag Kliniken bundesweit insgesamt 2211 Betten 376 Menschen mit Migrationshintergrund 17,4 % Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund regionale Unterschiede (Koch et al. 2008)
13 Bettenzahl und Migrantenanteil nach Art der Einrichtung aufgeschlüsselt (Pilotstudie der AG Psychiatrie und Migration der BDK) KPP, Abt. Allg.Psychiatrie ,4 % KPP, Abt. f. Abh ,8 % KPP, Gerontopsychiatrie ,2 % KPP, Gesamt ,4 % KPP, Forensik ,2 % Abteilungspsychiatrie an Allg.krh ,1 % Kinder-u. Jugend-Psychiatrie ,4 % Psychosomatik/Psychotherapie ,5 % Universitäts-Psychiatrie ,6 % Suchtreha ,4 % (Koch et al. 2008)
14 Angabe von sprachlichen und kulturellen Verständigungsproblemen in % Kultur- und Sprachprobleme kulturgebundene Verständigungsprobleme Sprachprobleme (Koch et al. 2008)
15 Hauptstudie der AG Psychiatrie und Migration der Bundesdirektorenkonferenz: Stichtag Kliniken bundesweit angeschrieben 146 geantwortet (42 %) Durchschnitt Pat. mit Migrationshintergrund: 3,3 Prozentualer Anteil Betten mit Pat. mit Migrationshintergrund belegt: 17,0 % (Schouler-Ocak et al. 2008, 2009)
16 Vergleich Erstdiagnosen: (Hauptstudie: Stichtag ) 100% 80% sonstige F 6 60% F 4 40% F 3 F 2 20% F 1 0% Einheimische Patienten Patienten mit Migratiosnhintergrund F 0 (Schouler-Ocak et al. 2008)
17 In der Familie gesprochene Sprache keine Angaben 137 andere 45 polnisch türkisch russisch deutsch (Schouler-Ocak et al. 2008)
18 System gedolmetschtes Gespräch Schwierigkeiten o Auswahl des Dolmetschers: Wer ist überhaupt geeignet, bei einer Therapie/Beratung zu dolmetschen? Wo kann man geeignete Dolmetscher finden? Kompetenzen des Dolmetschers? Professionalität? - die politische, religiöse, sexuelle und ethische Zugehörigkeit der übersetzenden Person sollte beachtet werden o Sprache Können Inhalte einer Sprache überhaupt in die andere Sprache so übertragen werden, dass sie für den Therapeuten brauchbar sind? o Das Problem der dritten Größe, die selbst interpretiert, die mit dem Therapeuten rivalisiert, und die Distanz zwischen Therapeuten und Patienten zu Ungunsten der Entwicklung einer vertrauensvollen Beziehung vergrößert.
19 Leitlinie kultursensitive Befunderhebung (Cultural Formulation Guidelines) Kulturelle Identität des Patienten einschließlich seiner Wertorientierungen, Sprachkenntnisse, Krankheitskonzepte, Selbst- und Körperbild, Weltanschauung Einflüsse der Kultur auf das Krankheitserleben und das Inanspruchnahmeverhalten sowie auf die Interaktion mit der Familie und schließlich auf die Interaktion zwischen dem Patienten und dem Untersucher (Mezzich et al. 2009)
20 Interkultureller Behandlungs- und Beratungsprozess: interkulturelle Kommunikation professionell ausgebildete Dolmetscher als Kultur- und Sprachmittler kulturspezifische, krankheitsspezifische, migrationsspezifische und biografische Aspekte interkulturelle Kompetenz kulturkompetente Konsildienste kulturkompetente Inter- und Supervision
21 Checkliste Interkulturalität von Institutionen nach Hinz-Rommel und Ünal Beispiel: Westfälisches Institut für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Heilpädagogik Wir sind eine Institution für alle - Wir versorgen jährlich stationär ca. 700 Klienten, davon 23 % aus 16 anderen Kulturen (2002 Monate 1-10). Wir sprechen in 16 Sprachen unsere Klienten an (einschließlich Deutscher Gebärdensprache). Nötigenfalls werden darüber hinaus Dolmetscher aus dem Pflegesatz bezahlt. Wir beschäftigen dafür 11 = 4 % Mitarbeiter nichtdeutscher Herkunft (Therapeuten: 7 = 18 %) in 100 % der therapeutischen Berufsgruppen (Therapeuten, Pflegedienst, Fachtherapeuten
22 An 2 Stellen in unserer Institution ist erkennbar, dass wir Zuwanderer versorgen (Merkblätter in türkischer Sprache). Die Versorgung von Zuwanderern nimmt entsprechend < 5 % der Ressourcen für Fortbildung, Supervision, Literatur etc. ein. Die Öffentlichkeitsarbeit der Institution (und des Trägers!) berücksichtigt dies in ca. 25 % der Verlautbarungen (Infowand am Tag der Offenen Tür, Klinikprospekte, Homepage, Leitbild, EFQM - Selbstbewertung).
23 SeGeMi: Mit Hilfe einer Delphi-Expertenbefragung wurde ein Instrument zur Erhebung des Stands der Interkulturellen Öffnung entwickelt und validiert: Seit Juli 2011 findet eine Vollerhebung in psychosozialen Versorgungsinstitutionen zur interkulturelle Öffnung in einem Bezirk mit hohem Migrantenanteil in Berlin statt: Grosses Interesse der Institutionen Hoher Rücklauf (90%) Im Alltag oft vergessen, da zu wenig Kapazitäten Einrichtungen sehr bemüht Strukturelle Mängel: Kein Geld Keine personellen Ressourcen
24 Forderungen o Interkulturelle Öffnung der Einrichtungen - Integrations- Migrations-, Migranten-Verantwortliche o Interkulturelle Kompetenz der im Gesundheitssystem tätigen Akteure (Integration in Aus-, Fort- und Weiterbildungen) o Schaffung der Grundlagen für flächendeckende Arbeit mit Dolmetschern (Sprach- und Kulturmittlern): Finanzierung
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26 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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