ich darf Sie alle sehr herzlich zur Gedenkstunde des Landkreises Neu-Ulm zum Volkstrauertag willkommen heißen.
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- Stefanie Hafner
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1 1 Volkstrauertag 2018 auf der Kriegsgräberstätte in Reutti am Sonntag, 18. November 2018, um Uhr Ansprache von Landrat Thorsten Freudenberger Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ich darf Sie alle sehr herzlich zur Gedenkstunde des Landkreises Neu-Ulm zum Volkstrauertag willkommen heißen. Mein besonderer Gruß gilt dem Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Herrn Dr. Karl-Heinz Brunner, den Damen und Herren des Kreistages, voran Herrn stellvertretendem Landrat Roland Bürzle, sowie den Damen und Herren Bürgermeistern beziehungsweise stellvertretenden Bürgermeistern aus vielen Landkreiskommunen. (Liste) Ich danke Ihnen allen, dass Sie auch heuer am Volkstrauertag zur Kriegsgräberstätte Reutti gekommen sind.
2 2 Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kommissar Gereon Rath liegt mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden und krümmt sich. Sein ganzer Körper zittert. Der Zuschauer sieht einen gebrochenen Mann im Kampf mit seinen quälenden Erinnerungen, die ihn nicht mehr loslassen und krank machen. Erinnerungen an die schrecklichen Kriegstage des Ersten Weltkrieges, an Blut, an Leichen, an unermessliches Leid. Gereon Rath ist die Hauptfigur der Erfolgsserie Babylon Berlin, deren Folgen dieses Jahr im Fernsehen zu sehen waren. Die Filmfigur Gereon Rath steht für unzählige Soldaten, die mit der damals so genannten Zitterkrankheit aus dem Feld in die Heimat zurückgekehrt sind. Das Kriegszittern, heute spricht man von posttraumatischer Belastungsstörung, war eine Reaktion auf die physische und vor allem psychische Überlastung während unvorstellbar schrecklicher Erlebnisse in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges. Deutlich wird: Kriege hinterlassen grausame Narben in einzelnen Menschen, in Familien, in ganzen Völkern, die viele Jahrzehnte nachwirken und nie ganz verheilen.
3 3 In diesem Ersten Weltkrieg standen annähernd 70 Millionen Menschen unter Waffen, rund 17 Millionen Soldaten und Zivilisten verloren in einem sinnlosen Krieg ihr Leben. Am 11. November vor genau 100 Jahren endeten die Kampfhandlungen mit dem Waffenstillstand im Wald von Compiègne in Frankreich. Der Versailler Vertrag und das Entstehen der demokratischen Weimarer Republik begründeten eine Phase des Friedens, der aber ein verletzlicher, ein angreifbarer und letztlich ein zu schwacher war. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Deutschland zur Diktatur. Der vom Deutschen Reich entfesselte Zweite Weltkrieg stürzte Deutschland, Europa und weite Teile der Welt von 1939 bis 1945 in die zweite Katastrophe des 20.Jahrhunderts. Auf den Schlachtfeldern, in den Konzentrations- und Vernichtungslagern, bei Bombenangriffen und auf der Flucht verloren abermals viele Millionen Menschen ihr Leben.
4 4 Seit 1945 herrscht zwar in Deutschland und in den größten Teilen Europas Frieden. Doch an vielen anderen Orten schweigen die Waffen nicht. Weltweit sind mindestens 25 Millionen Menschen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in kriegerischen Auseinandersetzungen gestorben. Selbst auf unserem scheinbar besänftigten Kontinent gab und gibt es Krisen, Konflikte und Kriege. Ich nenne beispielhaft nur Ex-Jugoslawien, Nordirland oder die Ukraine Krisengebiete, die nur wenige Flugstunden von uns entfernt liegen. Ich bin persönlich unendlich dankbar dafür, im Frieden zu leben. Machen wir uns immer wieder bewusst, dass Frieden kein Zustand und ganz und gar keine Selbstverständlichkeit ist. Wir sind es, die zum Frieden beitragen können und müssen. Frieden ist keine Staatsangelegenheit, sondern in erster Linie eine persönliche Haltung, die uns alle fordert.
5 5 Was meine ich mit dieser Haltung des Friedens? Krieg beginnt nie auf Schlachtfeldern, sondern stets in den Köpfen und Herzen der Menschen. Der Nährboden für Aggression, Hass, Gewalt und Kriegsbereitschaft entsteht lange bevor die ersten Schüsse fallen. Worin besteht das Saatgut des Krieges? Was sind Äußerungen und Verhaltensweise, die Unfrieden schüren und den Nährboden für Gewalt und Kriege legen? Aggression, Gewalt und Kriege entstehen aus Feindbildern. Die Würde des einzelnen Menschen, des Individuums, wird getilgt, indem anonyme Gruppen benannt werden: die Russen, die Franzosen, die Briten, die Juden, die Christen, die Moslems, die Flüchtlinge, die Deutschen. Der anonymisierten und damit entpersonalisierten Gruppe werden völlig pauschal schlechte, gefährliche und feindselige Attribute zugeschrieben. Es wird unterstellt, dass diese vermeintlich feindliche Gruppe uns wirtschaftlich übervorteilen, politisch infiltrieren, religiös missionieren oder militärisch einnehmen möchte.
6 6 Irrationale Benachteiligungs- und Bedrohungsszenarien, oftmals hinterlegt mit pseudologischen Behauptungen und Unterstellungen sprechen Emotionen an. Sie machen unsicher, wütend und vor allem ängstlich. Komplizierte Sachverhalte werden verkürzt und zugespitzt zu unmenschlichen Parolen. Die Sprache wird aggressiver: Menschen müssen weg, Gegner müssen gejagt werden, Polizisten oder Soldaten sind Schweine, Politiker sind Verbrecher, gerade in sozialen Medien herrscht ein kriegerischer Umgangston, der jeglicher Beschreibung spottet. Aus Angst entstehen der Hass und die Gewaltbereitschaft oft getarnt als angeblich berechtigte Gegenwehr -, die letztlich zu Kriegen führen zu großen Weltkriegen, wie auch zum Unfrieden in unserem Land oder zwischen Menschen allgemein.
7 7 Was ist zu tun? Welchen Beitrag können wir zum Frieden leisten? Stehen wir zusammen und treten wir beherzt für die freiheitlichen Werte unserer Demokratie, für Rechtsstaat und Frieden ein bei uns wie in aller Welt! Wer dies tut mit Mut und Haltung, verunglimpft Menschen und Menschengruppen nicht, sondern achtet deren unteilbare Würde! beschäftigt sich mit den schwierigen Herausforderungen unserer Zeit differenziert und geht nicht einfachen Antworten und Parolen auf den Leim! lässt sich von Herz und Hirn und nicht von Hass und Hetze leiten! Rezepte von gestern nationaler Radikalismus, menschenfeindliches Denken in Schwarz-Weiß-Kategorien und engstirniger politischer Egoismus sind keine Lösungen für heute und morgen!
8 8 schürt nicht Ängste, sondern ringt konstruktiv um Zukunftsperspektiven! Dabei gilt es, Probleme offen und ehrlich zu benennen sowie auf Fragen, die viele Menschen bewegen, einzugehen. Wir müssen Antworten suchen, wie wir die soziale Balance wahren, unsere nationale Identität erhalten und unserer europäischen und globalen Verantwortung gerecht werden! nimmt Extremisten jeglicher Couleur Ernst und tritt diesen politisch wie rechtsstaatlich entschlossen entgegen! ist dankbar dafür, trotz aller bestehender Probleme in der sichersten, stabilsten, wirtschaftlich und sozial stärksten und zudem friedlichsten Zeit der deutschen Geschichte zu leben. Dem früheren deutschen Bundespräsidenten, Richard von Weizsäcker, verdanken wir folgende Definition: Der Nationalist ist einer, der die anderen hasst. Der Patriot ist einer, der das eigene Land liebt und den Patriotismus der Nachbarn versteht und achtet. Sich selbst bewusst, ohne überheblich zu sein. Der Heimat verbunden und offen für die Welt. Sich selbst mögen und andere auch. Einen solch furchtlosen, unverkrampften, aufgeklärten und damit friedlichen Patriotismus wünsche ich mir!
9 9 Nie wieder Krieg im Großen wie im Kleinen gestern wie heute! In diesem Geist gedenken wir der Opfer von Krieg und Gewalt: Wir gedenken der Soldaten, die in den beiden Weltkriegen gefallen, ihren Verwundungen erlegen, in Gefangenschaft gestorben sind oder seither vermisst werden, und der Männer, Frauen und Kinder aller Völker, die in Kriegen ihr Leben lassen mussten. Wir gedenken derer, die im Widerstand, die um ihrer Überzeugung oder ihres Glaubens willen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden, und derer, die verfolgt und ermordet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, eine andere Religion hatten oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert eingestuft wurde. Wir gedenken der Männer, Frauen und Kinder, die infolge des Krieges, auf der Flucht oder bei der Vertreibung aus ihrer Heimat oder im Zuge der Teilung Deutschlands und Europas ihr Leben verloren.
10 10 Wir gedenken der Bundeswehrsoldaten, der Polizistinnen und Polizisten sowie der humanitären Helferinnen und Helfern, die in Friedensmissionen in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben lassen mussten. Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus, politischer Verfolgung und rücksichtsloser, sinnloser Gewalt. Wir trauern mit den Müttern und mit allen, die Leid tragen, um die Toten. Doch unsere Hoffnung zielt auf die Versöhnung unter den Menschen und Völkern sowie auf den Frieden bei uns und in der Welt! Dafür treten wir ein!
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