Himmelsbürger Predigt zu Phil 3,17-21 (23. So n Trin, )

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1 Himmelsbürger Predigt zu Phil 3,17-21 (23. So n Trin, ) Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Liebe Gemeinde, was ist noch christlich? Diese Frage ist der Titel über die aktuelle Ausgabe der Wochenzeitung Die ZEIT. Aus Anlass des Reformationsjubiläums, das ab morgen ein ganzes Jahr lang begangen wird, prangt Martin Luther auf der ersten Seite, und etwas weiter hinten geben 95 Personen Auskunft, was ihnen zu dieser Frage einfällt: Was ist heute christlich? Ganz unterschiedliche Menschen geben ihre persönliche Antwort: Journalisten, Politiker, Schauspieler, aber auch Pfarrer, Bischöfe, Schriftsteller und viele mehr. Viele Antworten finde ich spannend, manche toll und prägnant. Über manche bin ich gestolpert. Giovanni di Lorenzo, der Chefredakteur der ZEIT schreibt: Das größte Problem, das ich mit meiner Kirche habe, ist, dass sie mir nicht dabei hilft zu glauben. Er meint, um heutzutage als erwachsener Mensch an Gott zu glauben, muss man entweder begnadet oder sehr naiv sein. Sein Problem, er hält sich weder für begnadet 1

2 noch für naiv, aber er wünscht sich, dass er von seiner Kirche mit seinen Zweifeln nicht allein gelassen wird. Geht es Ihnen auch so? Vermissen Sie auch Hilfestellungen, um an Gott zu glauben? Ich hoffe, dass unsere Gottesdienste und Veranstaltungen immer wieder solche Hilfestellungen geben. Indem dort auch Zweifel zur Sprache kommen. Indem wir gemeinsam auf Gottes Wort hören und uns fragen: Was sagt mir das für meinen Glauben hier und heute? Der Predigttext heute morgen steht in Phil 3, die Verse 17 bis 21. Der Apostel Paulus schreibt: 17 Ahmt mit mir Christus nach, Brüder und Schwestern, und seht auf die, die so wandeln, wie ihr uns zum Vorbild habt. 18 Denn viele wandeln so, dass ich euch oft von ihnen gesagt habe, nun aber sage ich's auch unter Tränen: Sie sind die Feinde des Kreuzes Christi. 19 Ihr Ende ist die Verdammnis, ihr Gott ist der Bauch und ihre Ehre ist in ihrer Schande; sie sind irdisch gesinnt. 20 Wir aber sind Bürger im Himmel; woher wir auch erwarten den Heiland, den Herrn Jesus Christus, 21 der unsern geringen Leib verwandeln wird, dass er gleich werde seinem verherrlichten Leibe nach der Kraft, mit der er sich alle Dinge untertan machen kann. (Gebet) 2

3 Liebe Gemeinde, wer sich in der Bibel auskennt und den Text der Lutherbibel im Ohr hat, hat sich vielleicht gerade gewundert: Hab ich das schon mal gehört: Ahmt mit mir Christus nach? Steht das so da? Ja, aber erst seit zwei Wochen. Seit zwei Wochen gibt es die neue Ausgabe der Lutherbibel, die Lutherbibel Über 30 Jahre sind seit der letzten Revision vergangen. Jetzt war es mal wieder Zeit. Und keine Angst, die Änderungen sind überschaubar, Psalm 23 klingt noch genau wie davor. Hier aber, in Phil 3 haben wir eine Änderung. Die bisherige Lutherbibel von 1984 übersetzte so: Folgt mir, liebe Brüder, und seht auf die, die so leben, wie ihr uns zum Vorbild habt. In der neuen Version von 2017 heißt es wie gehört: Ahmt mit mir Christus nach. Es macht schon einen Unterschied, ob Paulus sagt: Folgt mir nach oder ob er sagt: Ahmt mit mir Christus nach. In der einen Version geht es darum, so zu werden wie Paulus. In der anderen geht es darum, gemeinsam mit Paulus so zu werden wie Jesus. Was ist nun richtig? Der griechische Urtext lässt beide Übersetzungen zu. 3

4 Also muss man überlegen: Wer schreibt hier? Und was ist der Zusammenhang. Klar ist: Paulus, der hier schreibt, hat das Evangelium von Jesus verkündigt. Er wollte erreichen, dass Menschen Jesus als Herrn und Erlöser anerkennen. Sein Ziel war es, dass sie Nachfolger Jesu werden und nicht Nachfolger von Paulus. Er selbst, Paulus, sah sich höchstens als Vorbild. Als Beispiel, dem man folgen kann, deshalb: Ahmt mit mir Christus nach! Da entsteht eine Gemeinschaft von Menschen, die zusammen auf einen anderen schauen und sich gemeinsam an diesem anderen orientieren: an Jesus Christus. Das ist Christsein. Christsein verbindet miteinander. Wir sind gemeinsam unterwegs: Seht auf die, die so wandeln Christsein heißt, gemeinsam in Bewegung zu sein. Wie sieht diese Bewegung nun aus? Was heißt das: Ahmt mit mir Christus nach? Christen sind gemeinsam in Bewegung, weil sie wissen: Es gibt einen Ort, da gehören wir hin. Und dieser Ort ist nicht auf dieser Erde zu finden: Wir sind Bürger im Himmel. Himmel das ist nicht der Raum über unsern Köpfen, wo Flugzeuge fliegen und Sterne funkeln. Himmel, das ist das 4

5 sichtbare Reich Gottes, der Ort, von dem Jesus sagt: Dort bereite ich euch eine Wohnung. Christen wissen, dass alles, was wir hier sehen und erleben, nur das Vorletzte ist, nicht das Letzte. Unsere Hoffnung richtet sich auf das Letzte, und deshalb sind wir in Bewegung noch nicht angekommen. Noch nicht ganz zuhause, noch nicht dort, wo unsere eigentlich Heimat ist. Manche Übersetzungen übersetzen Vers 20 so: Unser Bürgerrecht ist im Himmel, manche so: Unsere Heimat ist im Himmel. Die neue Lutherbibel übersetzt einfach: Wir sind Bürger im Himmel. Bürgerrecht und Heimat sind gerade sehr aktuelle Themen. Die Menschen, die auf ihrer Flucht nach Deutschland gekommen sind, haben ihre Heimat verlassen. Und damit den Ort, an dem sie sich ausgekannt haben, an dem sie Bürgerrecht hatten. Jetzt sind sie in einem fremden Land, und es hängt von der Entscheidung einer Behörde ab, ob sie einen so genannten Aufenthaltstitel bekommen oder nicht. Wenn sie ihn bekommen, können Sie vorerst bleiben. Wenn nicht, droht ihnen die Abschiebung. 5

6 Manche von ihnen würden am liebsten so schnell wie möglich in ihre Heimat zurück wenn es dort Lebensmöglichkeiten für sie gäbe. Andere hoffen, dass sie hier eine neue Heimat finden. Sicher können sie sich nicht sein. Wo bin ich zuhause? Wo hab ich einen Ort, an dem ich sicher bin? Wo ist meine Zukunft? In den Augen von Flüchtlingen kann man manchmal erkennen, dass sie innerlich in Bewegung sind. Angekommen, aber noch fremd. Noch nicht endgültig am Ziel. Liebe Gemeinde, als Christen sind wir in genau so einer Situation. Noch nicht zuhause. Noch nicht endgültig angekommen. Noch im Vorletzten. Und wir wissen: Es kommt nochmal etwas. Wir werden, sagt Paulus, verwandelt. Genauer gesagt: Unser geringer Leib wird verwandelt in einen herrlichen Leib. Nicht durch unsre Kraft, sondern durch Gottes Kraft, dem alle Dinge untertan sind. Kann man uns das ansehen? Spürt man uns das ab? Die Hoffnung auf Erlösung, die Erwartung einer neuen Zukunft. 6

7 Keine Angst, das hat nichts mit Weltflucht zu tun. Christen stehlen sich nicht aus der Verantwortung. Christen verachten diese Welt nicht. Sie ist Gottes gute Schöpfung. Und es ist wichtig, dass wir daran mitwirken, wie es in dieser Welt zugeht. Dass wir uns einmischen, dass wir mitreden, dass uns diese Welt nicht egal ist. Jesus ist auf diese Welt gekommen, nicht nur um uns vom Jenseits zu erzählen. Gottes Gebote gelten für unser Leben im hier und jetzt. Gottes Gegenwart durch den Heiligen Geist prägt unser Miteinander schon in dieser Zeit. Christen stehen mit beiden Beinen auf der Erde, aber ihr Blick geht über diese Erde hinaus. Wir wissen: Unsere letzte Heimat ist bei Gott, in seinem Reich. Und den Aufenthaltstitel für diesen anderen Ort, den haben wir schon jetzt. Offensichtlich gab es bei den Christen in Philippi einige, die sich dessen nicht so ganz sicher waren: Stimmt das wirklich mit dem ewigen Leben? Ist nicht nach dem Tod alles aus? Also gilt es, jetzt alles herauszuholen, was geht. Paulus beschreibt diese vermeintlichen Christen mit drastischen Worten: Sie sind Feinde des Kreuzes Christi, ihr Gott ist der Bauch, ihr Ende die Verdammnis. 7

8 Wir wissen nicht genau, wen Paulus genau vor Augen hatte. Offensichtlich ganz konkrete Personen. Wir leben nicht mehr zur damaligen Zeit. Wir können nicht diese Beschreibung nehmen und mit dem Finger auf Menschen heute zeigen. Aber wir sollen für uns die Mahnung ernst nehmen: Hier auf dieser Erde werden wir nicht für immer bleiben. Ewige Heimat das ist nicht der Ort, wo wir jetzt gerade wohnen, auch wenn wir uns dort wohlfühlen und es uns so richtig schön eingerichtet haben. Ewige Heimat ist auch nicht der Friedhof. Unser Blick geht weiter. Noch kennen wir den Ort nicht, wo wir einmal sein werden. Aber wir wissen: Es ist der Ort, von woher Jesus selbst uns entgegen kommt: Von dort her erwarten wir ihn, unsern Heiland, schreibt Paulus. Wenn wir Jesus kennen, dann wissen wir genug von diesem Ort. Dann wissen wir: Es ist ein guter Ort. Was ist heute christlich? Die Journalistin Elisabeth von Thadden sagt es ganz kurz: Christlich ist, der Finsternis das vorletzte Wort lassen. Sie hat recht. Das letzte Wort hat nicht die Finsternis, das hat Jesus selbst. Er ist das Licht der Welt, dieser und der ewigen. 8

9 Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. 9

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