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1 06 15 Lizenziert für BG RCI. 66. Jahrgang Juni 2015 ISSN sicher ist sicher Auch als Kommunikation für Sicherheitsbeauftragte Von Dr. Renate Mayer 2015, 128 Seiten, (D) 19,90, ISBN Mayer_Anzeige_sis_Umschlag_06-15.indd :46:59 Denk an mich. Dein Rücken Auch beim Fahren im Lager 298 Methoden zur Bewertung elektromagnetischer Felder 310 Gefährdungsbeurteilung bei Hand-Arm-Vibrationen 318
2 Lizenziert für BG RCI. SICHERHEIT Matthias Enter - Fotolia THOMAS WILRICH Der Unfall an der Pappkartonstanze Teil 2: Schmerzensgeld des Maschinenherstellers und der Fachkraft für Arbeitssicherheit an Arbeitnehmer nach Arbeitsunfall Das Landgericht Nürnberg-Fürth (LG) hatte im Juni 2014 folgenden Fall zu entscheiden: Sachverhalt: Der Arbeitnehmer A geriet 2007 in die Riffelwalze einer Pappkartonstanze und verletzte sich schwer an der Hand etwa ein Jahr später manifestierten sich die psychischen Belastungen in einem Suizid-Versuch. Die Maschine war aus dem Jahr 1974 und wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt vom Hersteller H überarbeitet und CE-gekennzeichnet, entsprach aber wegen eines zu hohen Einzugschlitzes und zu geringen Walzenabstands sowie wegen Fehlens gesetzlich vorgeschriebener Sicherheitsvorkehrungen nicht der Maschinenrichtlinie. Insbesondere hatte sie keine Lichtschranke, die bei einem Hineingreifen in die Walzen zu einer automatischen Abschaltung geführt hätte und der Notschalter der Maschine befand sich seitlich an der Maschine und konnte vom Geschädigten nicht erreicht werden. Die externe Fachkraft für Arbeitssicherheit F hatte zwei Wochen vor dem Unfall in einem Protokoll über eine arbeitssicherheitstechnische Begehung der Firma vermerkt: Bei der Begehung traten keine arbeitssicherheitstechnischen Aspekte auf fertigte F eine Gefährdungsanalyse: In dieser umfangreichen Aufstellung wird auf die erhöhte Gefahr von unkontrollierten bewegten/rotierenden Teilen aufmerksam gemacht und auf die Einhaltung der Vorschriften (über sichere geprüfte Arbeitsmittel, Schutzeinrichtungen für Maschinen und Geräte, Unterweisungen jährlich und bei Bedarf, regelmäßige Prüfung sonstiger prüfbedürftiger Werkzeuge, Anlagen und Einrichtungen, regelmäßige Prüfung von elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln) hingewiesen. Der geschädigte Arbeitnehmer A verlangt Schmerzensgeld vom Hersteller H und von der Fachkraft für Arbeitssicherheit F 1. 1 In einem Parallelverfahren hatte die zuständige Berufsgenossenschaft ihre an den Geschädigten erbrachten Sozialversicherungsleistungen von H und F verlangt siehe sis Heft 5/ sicher ist sicher 323
3 SICHERHEIT Lizenziert für BG RCI. 324 sicher ist sicher Urteil: A und H einigen sich in einem gerichtlichen Vergleich (dazu I.). Das LG Nürnberg-Fürth verurteilt F (dazu II.). H und F haften als Gesamtschuldner und das Gericht bestimmt den Verantwortungsanteil des H mit 2/3 und den des F mit 1/3 (dazu III.). I. Vergleich mit Hersteller H Der Hersteller H hatte schon , an den Geschädigten A gezahlt und in der mündlichen Verhandlung vor dem LG verpflichtete sich H, weitere , zu zahlen. H wäre ohne den Vergleich verurteilt worden. Die Pappkartonstanze ist wegen der Sicherheitsmängel fehlerhaft und das führt zur verschuldensunabhängigen Haftung des H als Hersteller für die daraus entstehenden Schäden gemäß 1 ProdHaftG 2. Seit 2002 gibt es nach dem Prod- HaftG auch Schmerzensgeld 3. H scheint durch die spätere Überarbeitung wesentlich geändert und so eine neue Maschine geschaffen zu haben. Denn die Maschine ist ursprünglich aus dem Jahre 1974, die EG-Maschinenrichtlinie ist aber erst 1989 erlassen worden. Im Unfallzeitpunkt war die Maschine indes CE-gekennzeichnet, was nur zulässig ist, wenn sie nach Anwendbarkeit der Maschinenrichtlinie also nach dem neu gebaut worden ist. Dass ist wichtig für die Haftung, denn: Eine wesentliche Veränderung hat eine neue Maschine zur Folge, die dann auch die Anforderungen des aktuellen Gesetzes- und Sicherheitsstands erfüllen muss und zwar auch in den Punkten, die beim Umbau nicht angetastet worden sind, denn es gibt die alte Maschine dann rechtlich nicht mehr. Eine EG-Konformitätserklärung mit Datum scheint zwar nicht aufgetaucht zu sein, denn die Maschine wurde so das Gericht zu einem unbekannten Zeitpunkt überarbeitet. Aber jedenfalls wurde sie ja nach dem Inkrafttreten der ersten Maschinenrichtlinie ab 1995 umgebaut, denn sonst wäre sie nicht CE-gekennzeichnet. Das ProdHaftG mit der verschuldensunabhängigen Haftung ist 1990 in Kraft getreten und gilt daher auch für diese neue Maschine. Eine unwesentliche Veränderung lässt das Alter der Maschine dagegen unberührt dann gilt nicht die EG-Maschinenrichtlinie, sondern nur Arbeitsschutzrecht, insbesondere die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Hätte H nur unwesentlich geändert, wäre das 2 1 Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) lautet: Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 3 8 Satz 2 ProdHaftG lautet: Wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann auch eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden. ProdHaftG nicht anwendbar gewesen, weil die Maschine ursprünglich aus dem Jahr 1974 ist und das bleibt dann ja so. Bei so alten Produkten gibt es Produkthaftungsansprüche nur nach 823 BGB 4. Hier wäre dann Verschulden = Fahrlässigkeit des Herstellers Voraussetzung, wobei allerdings seit einem BGH-Urteil von 1968 die Beweislast für fehlendes Verschulden beim Hersteller liegt 5. Im Vergleich vereinbarten H und A eine Abgeltungsklausel das heißt: A verzichtet auf sämtliche weitere Ansprüche. Das ersparte ihm die Verurteilung zur Ersetzung aller zukünftigen Schäden. F ist dagegen auch hierzu verurteilt worden (siehe unten III.). Vertragsgestaltung: Wie kann sich der Schädiger nach einer Ausgleichszahlung vor weiteren Ansprüchen schützen und was muss der Geschädigte beachten? A und F hatten folgende Abgeltungsklausel vereinbart: Mit diesem Vergleich sind sämtliche Ansprüche des Klägers gegen die Herstellerin und sämtliche Dritte, die der Betriebshaftpflichtversicherer der Herstellerin vorfallsbedingt freizustellen hätte, aus dem streitgegenständlichen Vorfall abgegolten, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich ob vorhersehbar oder nicht vorhersehbar, gleich aus welchen Rechtsgrund. Umfasst sind erstens inhaltlich alle denkbaren Ansprüche das heißt: einerseits darf sich der Schädiger darauf verlassen, dass die Sache für ihn ein für allemal erledigt ist, andererseits verzichtet der Geschädigte auf die Berücksichtigung zukünftiger, ungewisser Veränderungen (so der BGH im Urteil vom VI ZR 176/81). Der Geschädigte muss die Reichweite einer Abgeltungsklausel bedenken und wissen, dass Fehleinschätzungen über die künftige Entwicklung der unfallbedingten Körperschäden zu den von ihm zu übernehmenden Risiken gehörten und dass er bei Verwirklichung dieser Risiken grundsätzlich keine Schadensersatzansprüche mehr geltend machen kann (so der BGH im Urteil vom IX ZR 123/93). Umfasst sind zweitens personell mögliche Ansprüche gegen z. B. Mitarbeiter der Herstellerin, für die die Betriebshaftpflichtversicherung auch aufkommen müsste wegen 102 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Besteht die Versicherung für ein Unternehmen, erstreckt sie sich auf die Haftpflicht der zur Vertretung des Unternehmens befugten Personen sowie der Personen, die in einem Dienstverhältnis zu dem Unternehmen stehen Abs. 1 BGB lautet: Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. 5 BGH, Urteil v VI ZR 212/66 Hühnerpest-Fall.
4 Lizenziert für BG RCI. SICHERHEIT II. Verurteilung der Fachkraft für Arbeitssicherheit F s Vertrag mit dem Arbeitgeber hat Schutzwirkung zugunsten des A (dazu 1.), F hat seine vertraglichen Pflichten verletzt (dazu 2.) und auch schuldhaft gehandelt (dazu 3.), ihm kommt keine Haftungsprivilegierung zugute (dazu 4.) und dem A ist kein Mitverschulden vorzuwerfen (dazu 5.). 1. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter/Arbeitnehmer 311 Abs. 3 BGB lautet: Ein Schuldverhältnis kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt. Der Geschädigte A und die Fachkraft F haben zwar keine Vertragsbeziehungen, aber Verträgen können Schutzwirkungen zugunsten Dritter beigelegt werden. Hier trafen den F so das Gericht Leistungs-, Sorgfalts- und Obhutspflichten, in deren Schutzbereich der Kläger im Rahmen der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit miteinbezogen war. Voraussetzung dieser Erstreckung von vertraglichen Schadensersatzansprüchen auf Nichtvertragspartner gemäß 311 Abs. 3 BGB ist die Leistungsnähe und die Schutzbedürftigkeit des Dritten (hier des Arbeitnehmers A) und das Einbeziehungsinteresse des Vertragspartners (hier des Arbeitgebers). Das Gericht fasst zusammen: Der Kläger [A] kam mit den von der Fachkraft [F] geschuldeten Leistungen bestimmungsgemäß in Berührung und war den Schutzpflichtverletzungen des F mit ebenso ausgesetzt wie der Gläubiger [also der Arbeitgeber als Vertragspartner] selbst. Als Arbeitnehmer der Vertragspartnerin des F war er nämlich im Rahmen der Erfüllung seiner aus dem Arbeitsvertrag resultierenden Arbeitspflichten bestimmungsgemäß als Bediener der Pappkartonstanze eingesetzt, deren Überwachung in arbeitssicherheitstechnischer Hinsicht gemäß dem zwischen F und der Arbeitgeberin bestehenden Vertrag dem F übertragen war. Der F war daher für das Wohl und Wehe des Klägers mitverantwortlich und schuldete auch ihm Schutz und Fürsorge. Der Kläger ist auch schutzbedürftig, da er keinen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch gegen seine Arbeitgeberin oder einen Dritten hat wegen des Haftungsprivilegs der Arbeitgeberin 6 und weil die BG (als Dritter ) zwar Sozialversicherungsleistungen erbringt, aber kein Schmerzensgeld zahlt 7. 6 Unternehmer haften ihren Beschäftigten erst bei Vorsatz also selbst nicht bei grober Fahrlässigkeit (siehe hierzu unten 4). 7 Die Gewährung von Schmerzensgeld ist auch nicht über Mehrleistungen gemäß 94 SGB VII zulässig (Merten, in: Eichenhofer/ Wannagat, SGB VII, 2010, 94 Rn. 6). Aber die Rente gemäß SGB VII gleicht bei niedrigeren Erwerbsminderungsstufen in der Regel Vertragsgestaltung: Kann ein Berater im Dienstleistungsvertrag die Schutzwirkung zugunsten Dritter ausschließen? Einerseits sagt 334 BGB, Einwendungen aus dem Vertrag [z. B. Haftungsausschlussklauseln] stehen dem Versprechenden [das wäre hier der F] auch gegenüber dem Dritten [das wäre der A] zu. Aber der Haftungsausschluss müsste erstens mit dem Arbeitgeber vereinbart werden, worauf dieser sich nicht so recht einlassen kann, denn es geht um seine Arbeitnehmer er hat gerade ein Einbeziehungsinteresse (siehe II.3.). Zweitens muss der Haftungsausschluss wirksam sein: insbesondere in vorformulierten Vertragsbedingungen sind indes zahlreiche Einschränkungen zu beachten, die sich aus dem AGB- Recht in 305 ff. BGB ergeben. Wichtiger als die Vertragsfreiheit wertet die Rechtsprechung die Schutzbedürftigkeit der Beschäftigten (siehe II.3.). Weitergehend kann man die Schadensersatzhaftung nur in einer Individualvereinbarung wirksam begrenzen, die aber dann wirklich auch im Detail ausgehandelt werden muss, was die Rechtsprechung streng kontrolliert wird. Drittens hat der BGH in einem Urteil aus November 1997 sogar 334 BGB auf einen Wirtschaftsprüfer schlicht nicht angewendet, wenn er weiß oder damit rechnen muss, dass das Gutachten als Entscheidungshilfe für Dritte dienen soll. Auch der Rat einer Fachkraft für Arbeitssicherheit gilt dem Schutz Dritter, auch hier könnte also die im BGH-Urteil angesprochene besondere Interessenlage angenommen werden und der BGH gibt dem Wirtschaftsprüfer mit: Auf den Einwendungsausschluss abweichend von 334 BGB muß er sich redlicherweise einlassen. 2. Pflichtverletzung 280 Abs. 1 BGB über Schadensersatz wegen Pflichtverletzung lautet: Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. F hat sich im Vertrag verpflichtet, die Aufgaben nach Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) wahrzunehmen also auch die Betriebsanlagen und die technischen Arbeitsmittel insbesondere vor der Inbetriebnahme und Arbeitsverfahren insbesonausschließlich immaterielle Schäden aus, so dass sie in diesem Fällen eine dem Schmerzensgels vergleichbare Funktion hat (Merten, in: Eichenhofer/Wannagat, SGB VII, 2010, 80a Rn. 4). Die Rente aus der Unfallversicherung wiegt bei leichten und mittelschweren Unfällen ein entgangenes Schmerzensgeld auf (so das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom Az. 1 BvL 4 und 17/71 und 1 BvR 355/71). DER AUTOR Dr. Thomas Wilrich Rechtsanwalt Dr. Thomas Wilrich ist tätig rund um die Themen Produktsicherheit, Produkt- und Instruktionshaftung und Arbeitsschutz einschließlich der entsprechenden Betriebsorganisation, Vertragsgestaltung und Strafverteidigung. Er ist an der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule München zuständig für Wirtschafts-, Arbeits recht, Technik- und Unternehmensorganisationsrecht und Fachbuchautor zum Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) sowie Arbeitsschutzmanagement und Unfallversicherungsrecht info@rechtsanwalt-wilrich.de sicher ist sicher 325
5 SICHERHEIT Lizenziert für BG RCI. 326 sicher ist sicher dere vor ihrer Einführung sicherheitstechnisch zu überprüfen ( 6 Nr. 2 ASiG). Die Überprüfung muss natürlich ordnungsgemäß sein. Diese Vertragspflicht hat F verletzt, denn die Maschine ist unsicher. F hat dies nicht substantiiert bestritten er hatte die Sicherheitsmängel der Maschine unstreitig gestellt. Wenn etwas unstreitig ist, geht das Gericht ohne weitere Prüfung von der entsprechenden Tatsache hier der Unsicherheit der Maschine aus. 138 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) sagt dies so: Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. 3. Verschulden 276 BGB über Verantwortlichkeit des Schuldners lautet: Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Schadensersatzansprüche setzen Verschulden voraus ( 280 BGB). In Betracht kommt hier nicht Vorsatz, sondern nur Fahrlässigkeit ( 276 BGB). Fahrlässig handelt, wer den Unfall bzw. Schaden erkennen und vermeiden kann. Das Gericht hat keine Zweifel, dass bereits das Fehlen der gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsvorrichtungen für sich genommen als Herstellungsmangel der Pappkartonstanze von F ohne weiteres hätte erkannt werden können und müssen. Im Vertragsrecht gilt eine Beweislastumkehr: der Pflichtverletzer muss beweisen, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat. F kann sich indes so das Gericht insbesondere nicht auf die im Jahr 2005 überreichte Gefährdungsanalyse, die auf eine überdurchschnittlich hohe Gefährdung der Mitarbeiter durch bewegte und rotierende Teile hinwies, entziehen und ergänzt, der nur pauschale Hinweis auf die Einhaltung von Vorschriften reiche nicht. F hat letztlich nur auf Gefahren aufmerksam gemacht, eine Fachkraft für Arbeitssicherheit muss aber bei der betrieblichen Umsetzung der Gefahrvermeidungsmaßnahmen beraten : Fachkräfte haben die Betriebsanlagen und die technischen Arbeitsmittel insbesondere vor der Inbetriebnahme und Arbeitsverfahren insbesondere vor ihrer Einführung sicherheitstechnisch zu überprüfen und Maßnahmen zur Beseitigung der Mängel vorzuschlagen und auf deren Durchführung hinzuwirken ( 6 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 a ASiG). Das Gericht betont, eine Fachkraft für Arbeitssicherheit dürfe sich nicht auf die CE-Kennzeichnung verlassen, denn CE könne keine besonderes Verlässlichkeit zugeordnet werden. Es signalisiert weder Sicherheit noch Qualität eines Produkts, sondern stellt eine schlichte Behauptung des Herstellers dar. Eine Fachkraft darf sich bei Übernahme der Betreuung keinesfalls auf die in der Anbringung des CE-Kennzeichens liegende Aussage des Maschinenherstellers verlassen. F hatte die Auskunft gegeben, bei der Begehung traten keine arbeitssicherheitstechnischen Aspekte auf, aber das Gericht sagt, hierauf konnte und durfte sich die Arbeitgeberin auch verlassen, da sie gerade im Interesse der Arbeitssicherheit ihre diesbezüglichen Überwachungspflichten auf einen externen Dienstleister übertragen hatte. Erstens ist das sehr milde: einerseits ist es zwar richtig, dass man sich im Grundsatz auf die Einschätzung eines externen Fachberaters verlassen darf. Andererseits ist und bleibt der Arbeitgeber immer selbst verantwortlich. Nach dem Urteil des OLG Nürnberg lag das Sicherheitsdefizit offen zutage und seine Erkennbarkeit bedürfe keiner Fachkenntnisse 8. Das ist gerade die Situation, in der das Vertrauen erschüttert sein kann. Zweitens ist die Aussage überflüssig: denn auch wenn sich der Auftraggeber nicht auf eine Auskunft verlassen darf, bleibt es bei der Schuldhaftigkeit = Fahrlässigkeit des F, es kommt aber das Verschulden des zu Unrecht Vertrauenden hinzu Keine Haftungsprivilegierung F argumentiert, er hafte nur für Vorsatz, was der Fall ist, wenn Geschädigter [A] und Schädiger [F] tätig sind im selben Betrieb ( 105 SGB VII) oder auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ( 106 Abs. 3 SGB VII). Auszug aus dem Sozialgesetzbuch SGB VII (Gesetzliche Unfallversicherung) zur Haftungsprivilegierung: 104: Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt haben. 105: Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, sind diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt haben. 106 Abs. 3: Verrichten Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte, gilt 104 für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander. Diese Reduzierung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit wird Haftungsprivileg genannt, das der Arbeitgeberin gemäß 104 SGB VII zugute- 8 Siehe die Fallbesprechung im letzten Heft sis 5/ Das OLG Nürnberg hat der Arbeitgeberin Fahrlässigkeit vorgeworfen (siehe sis 5/2015) nur eben nicht grobe Fahrlässigkeit, die wegen des Haftungsprivilegs erst zur Haftung geführt hätte.
6 Lizenziert für BG RCI. SICHERHEIT kommt, nicht aber dem F. Erstens ist 105 SGB VII nicht einschlägig: externe Fachkräfte sind als Dienstleister nicht mit den Arbeitnehmer seines Vertragspartners im selben Betrieb beschäftigt. Zweitens ist 106 Abs. 3 SGB VII nicht einschlägig: F und A sind nicht auf einer gemeinsamen Betriebsstätte tätig dazu sagt das Gericht noch nicht einmal etwas. Nur als interne Fachkraft für Arbeitssicherheit wäre F gegenüber A haftungsprivilegiert gemäß 105 SGB VII, denn dann ist er wie die Arbeitskollegen auch Beschäftigter des Arbeitgebers und hätte den A als Versicherten desselben Betriebs verletzt. Das Gericht verweist zur Rechtfertigung der fehlenden Haftungsprivilegierung des F auch noch auf eine Vorschrift im Vertrag, wonach der F sich verpflichtete, eine Haftpflichtversicherung für seine Tätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers abzuschließen, die auch Personenschäden mit einer Deckungssumme von ,00 umfasst. 5. Kein Mitverschulden des geschädigten Arbeitnehmers A 254 BGB: Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. F behauptet, der Geschädigte A sei selbst für den Arbeitsunfall verantwortlich, weil er eine ausdrückliche Arbeitsanweisung seines Arbeitgebers missachtet habe, die von ihm in die Stanze einzulegenden Kartons nicht händisch nach unten zu drücken, Das Gericht vernahm einen Kollegen des A als Zeugen, der das nicht bestätigte. Es habe nur eine Anweisung gegeben, nicht in die Maschinen oder drehende Maschinenteile hineinzufassen. Das Gericht verneint daher ein Mitverschulden des A, denn erstens sei eine solche Anweisung selbstverständlich und zweitens muss berücksichtigt werden, dass der Kläger nicht bewusst oder gar absichtlich in die Stanze/drehende Teile der Stanze gefasst hat, sondern seine rechte Hand im Rahmen der Ausübung der von ihm geschuldeten Tätigkeit aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände von der Maschine eingezogen wurde. 6. Rechtsfolge: Schmerzensgeld 253 Abs. 2 BGB über Immateriellen Schaden lautet: Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden. Die Höhe des Schmerzensgeldes bemisst das Gericht wegen der Schwere der Verletzungen, dem Grad der Behinderung von 100 % und der Leidensgeschichte auf ,. III. Ergebnis: H und F als Gesamtschuldner 421 BGB über Gesamtschuldner lautet: Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet. H und F haften also beide sie sind Gesamtschuldner gemäß 421 BGB. Das Gericht bemisst das Verschulden des Herstellers mit zwei Drittel und damit den Verantwortungsanteil des F auf ein Drittel. Mit dem Hersteller hatte sich A schon verglichen (siehe oben I.). F wird zur Zahlung der restlichen , verurteilt. Das Gericht stellt auf Antrag des A auch noch fest, dass F dem Kläger 1/3 sämtliche materielle Schäden aus dem erlittenen Unfall zu ersetzen hat. A hat ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung, denn es ist insbesondere wegen des bisherigen Schadensverlaufs bereits heute damit zu rechnen, dass der Kläger weitere materielle Schäden erleidet, deren Ursache in dem Unfallgeschehen liegen wird. Im gerichtlichen Vergleich mit A hatte sich der Hersteller hierzu nicht verpflichten (müssen). Vielleicht hätte sich F die zukünftigen Zahlungen ersparen können, wenn er sich ebenfalls mit A verglichen hätte. Aber hohe Zusatzkosten sind ohnehin nicht zu erwarten, denn es geht um einen Arbeitsunfall, für den die BG Sozialversicherungsleistungen erbringen muss. Diese Kosten hat die BG in einem Parallelverfahren von H und F ersetzt verlangt (siehe hierzu im letzten Heft). F hat das Urteil des LG Nürnberg-Fürth nicht akzeptiert und Berufung eingelegt: in der mündlichen Verhandlung vor dem OLG Nürnberg vereinbarten A und F am 25. März 2013 in einem Abgeltungsvergleich, dass F an A zur Abgeltung des Feststellungsantrags weitere 4.000, zahlt sicher ist sicher 327
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