HB/TRe 14. Dezember 2017 Neuregelung der Umsatzbesteuerung: Ausschlussfrist zum erfordert kurzfristiges Tätigwerden der öffentlichen Hand
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1 WIRTSCHAFTSRAT GMBH WPG/StBG Bleichenbrücke Hamburg Bleichenbrücke Hamburg FON +49(0)40 / FAX +49(0)40 / MAIL info@wpg-wirtschaftsrat.de WEB Geschäftsführer Ihr Zeichen / Steuernummer Unser Zeichen Datum HB/TRe 14. Dezember 2017 Neuregelung der Umsatzbesteuerung: Ausschlussfrist zum erfordert kurzfristiges Tätigwerden der öffentlichen Hand Sehr geehrte/r, der Gesetzgeber hat mit Einführung des 2b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand grundlegend reformiert und das deutsche Umsatzsteuergesetz der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) sowie der Rechtsprechung des BFH angenähert. Dies führt dazu, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts (jpör) tendenziell häufiger als bisher in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer geraten. Die Änderungen hat der Gesetzgeber durch eine Übergangsregelung in 27 Abs. 22 UStG flankiert, nach der die jpör gegenüber dem Finanzamt erklären kann, auf die Anwendung der Neuregelung bis zum zu verzichten. Dipl.-Kfm. Carl-Ulrich Bremer Hans Peter Vorpahl Dr. Henrik Bremer Rechtsanwalt, FA f. Steuerrecht, Dipl.-Kfm. (FH) Stefan Becker Wenngleich die Erweiterung der Umsatzsteuerpflicht bereits vielfach besprochen und diskutiert wurde, so steht die Entscheidung, ob die sich bis zum bietende Option genutzt werden sollte, oft noch aus. Angesichts der weitreichenden Auswirkungen äußerte Herr Prof. Dr. Küffner in einem jüngst in der Zeitschrift Der Betrieb (Nr. 25 vom ) erschienenen Kurzkommentar, es könne nur jedem gesetzlichen Vertreter geraten werden, seine Entscheidung durch das verantwortliche Gremium (z. B. Stadtrat) absegnen zu lassen. Wir möchten Ihnen auf den folgenden Seiten einen Überblick darüber geben, auf welche Änderungen Sie sich einstellen müssen, welche Handlungsoptionen bestehen und welche Vorarbeiten zu leisten sind. USt IdNr. DE Sitz der Gesellschaft: Hamburg, HRB Zweigniederlassung: Pinneberg Bahnhofstraße 39; Pinneberg Deutsche Bank AG Konto BLZ IBAN: DE BIC: DEUTDEHHXXX
2 Überblick Bisher galten bei Fragen einer Umsatzbesteuerung für jpör die Regelungen des Körperschaftsteuerrechts. Demnach kam eine Umsatzsteuerpflicht lediglich bei ertragsteuerlich relevanten Betrieben gewerblicher Art nach 1 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in Frage. Außer Ansatz blieben im Allgemeinen Tätigkeiten der Vermögensverwaltung oder des hoheitlichen Bereichs. Darüber hinaus galt eine ertrag- und damit umsatzsteuerliche Nichtaufgriffsgrenze in Höhe von jährlich für gleichartige Tätigkeiten (ab Veranlagungszeitraum 2015: ). Mit der Neuregelung des 2b UStG wird das Umsatzsteuerrecht entsprechend mehrerer BFH-Urteile an Artikel 13 der MwStSystRL angepasst. Ab wann gilt die Neuregelung? Die Neuregelung des 2b UStG ist grundsätzlich zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Allerdings besteht zum einen eine (automatische) Übergangsregelung für vor dem 1. Januar 2017 ausgeführte Leistungen, die entsprechend der bisherigen Rechtslage des 2 Abs. 3 UStG zu behandeln sind. Zum anderen besteht für jpör nach 27 Abs. 22 UStG die Möglichkeit, die bisherige Rechtslage bis zum 31. Dezember 2020 weiterhin anzuwenden. Letzteres setzt eine einmalige und von einer vertretungsberichtigen Person unterzeichnete Erklärung voraus, die bis zum 31. Dezember 2016 an das Finanzamt ergehen muss und nur für alle Tätigkeitsbereiche und Leistungen einer jpör erfolgen kann (nicht also für einzelne Tätigkeitsbereiche oder Leistungen). Diese Erklärung kann einmalig mit der Folge widerrufen werden, dass ab dem auf den Widerruf folgenden Jahr der 2b UStG Anwendung findet. Formell werden an die Erklärung keine Anforderungen gestellt. Sie sollte jedoch schriftlich erfolgen und an das Finanzamt adressiert werden, von dessen Bezirk aus die jpör ihr Unternehmen ganz oder vorwiegend betreibt. Was steht in der Neuregelung? Die grundlegende Änderung besteht darin, dass jpör künftig nicht mehr, wie bislang im 2 Abs. 3 UStG, in einem gesonderten Abschnitt innerhalb des Umsatzsteuergesetzes behandelt werden, sondern nunmehr die Grundregel für die Bestimmung unternehmerischen Handelns in 2 Abs. 1 UStG gilt. Im Grundsatz werden jpör also durch jede wirtschaftlich ausgeübte Tätigkeit Unternehmer, sofern nicht in 2b einschränkend geregelt ist, dass dieser Grundsatz nicht gilt. Vereinfachend sind jpör im umsatzsteuerlichen Sinne kein Unternehmer, solange sie ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt auferlegte Tätigkeiten (und eben keine privatrechtlichen Tätigkeiten) ausüben, beispielsweise, weil sie wirtschaftliche Tätigkeiten auf Basis öffentlich-rechtlicher Sonderregelungen ausüben. Innerhalb einer solchen Tätigkeit dürfen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erhoben werden, ohne dass dies zu einer Umsatzsteuerbarkeit führt. Im Umkehrschluss heißt das, dass alle privatrechtlichen Leistungen einer jpör, wie sie auch von privaten Wirtschaftsteilnehmern getätigt werden, grundsätzlich der Umsatzsteuer unterliegen. Seite 2 von 5
3 Die Tätigkeit einer jpör gilt trotz öffentlich-rechtlicher Grundlage als umsatzsteuerlich relevant, falls ansonsten größere Wettbewerbsverzerrungen eintreten würden ( 2b Abs. 1 UStG). 2b Abs. 2 UStG regelt konkretisierend, dass eine größere Wettbewerbsverzerrung insbesondere (das heißt nicht ausschließlich) dann nicht anzunehmen ist, wenn eine Umsatzgrenze von aus jeweils gleichartigen Tätigkeiten nicht überschritten wird (wie bei der sog. Kleinunternehmerregelung nach 19 UStG) oder wenn vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Tätigkeiten umsatzsteuerfrei (ohne Option zum Verzicht nach 9 UStG) sind. Auch wenn öffentlich-rechtliche Leistungen an andere jpör erbracht werden, so kann eine größere Wettbewerbsverzerrung die Einstufung der leistenden jpör als umsatzsteuerlicher Unternehmer begründen. Dies ist nach 2b Abs. 3 insbesondere (das heißt nicht ausschließlich) dann der Fall, wenn Leistungen nicht aufgrund gesetzlicher Bestimmungen ausschließlich von jpör erbracht werden dürfen oder die Zusammenarbeit der jpör nicht durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Letzteres ist regelmäßig zu bejahen, wenn Leistungen auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen beruhen, dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer gemeinsamen, öffentlichen Aufgabe dienen, ausschließlich gegen Kostenerstattung (also ohne Gewinnabsicht) erbracht werden und gleichartiger Natur im Wesentlichen an andere jpör (also regelmäßig nicht an privatwirtschaftliche Unternehmen) erbracht werden. 2b Abs. 4 UStG listet abschließend eine Reihe von Leistungen auf, für die eine jpör grundsätzlich Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ist. Zu nennen ist hierbei neben der Personen- und Güterbeförderung insbesondere die Lieferung von Wasser, Gas, Elektrizität und thermischer Energie, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist. Welche Fragen bestehen? Künftig wird mit der Neuregelung eine tätigkeitsbezogene Betrachtung in den Vordergrund rücken, bei der insbesondere die Rechtsgrundlage sowie die Frage einer möglichen Wettbewerbsverzerrung eine Rolle spielt. Dazu müssen jedoch noch einige Praxisfragen geklärt werden: Wann ist von einer größeren Wettbewerbsverzerrung auszugehen und wann sind Tätigkeiten gleichartig/vergleichbar? Verstößt der deutsche Gesetzgeber mit seinen Negativabgrenzungen hinsichtlich der Wettbewerbsverzerrung eventuell gegen Unionsrecht? Wann ist eine öffentlich-rechtliche Vereinbarungen langfristig? Wann ist die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt? Ist bereits eine interkommunale Kooperation zur sparsamen Mittelverwendung ein solches Interesse oder muss dieses Interesse weiter spezifiziert werden? Welche Kosten sind eigentlich genau gemeint, wenn eine Leistung ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden soll? Welche Folgen hat z. B. eine Fehlkalkulation? Seite 3 von 5
4 In vielen Fällen wird die umsatzsteuerliche Auswirkung also davon abhängen, wie die Fülle an unbestimmten Rechtsbegriffen ( gleichartig, spezifische öffentliche Interessen, langfristig, im Wesentlichen oder auch Kostenerstattung ) konkretisiert wird. Die Einstufung einer Leistung als umsatzsteuerbar oder nicht umsatzsteuerbar wird nach unserer Einschätzung insbesondere für den Bereich der Vermögensverwaltung sowie für die sog. Beistandsleistungen mit Änderungen verbunden sein. Besondere Relevanz bekommen verbindliche Auskünfte oder Verwaltungsabsprachen auf Basis des 2 Abs. 3 UStG. Die Finanzbehörden sind an diese aufgrund der Neuregelung des 2b UStG nicht mehr gebunden, sodass bereits geprüfte Sachverhalte auf Basis der bisherigen Rechtslage möglicherweise zeitnah erneut zu prüfen sind. Was ist zu tun? Alle jpör sollten im Laufe dieses Jahres prüfen, ob eine verlängerte Anwendung des 2 Abs. 3 UStG (mit potenziellem Widerrufsrecht) für sie vorteilhaft ist. Wird diese Option nicht ausgeübt, so ist es oft sinnvoll, frühzeitig Verhandlungen mit Vertragspartnern zur Anpassung bestehender Verträge vorzunehmen oder Gremienabstimmungen, ggf. auch im Hinblick auf notwendige Satzungsänderungen, herbeizuführen. Dabei sollte, wie zuvor beschrieben, berücksichtigt werden, dass auch ein Tätigwerden auf öffentlich-rechtlicher Grundlage eine wettbewerbliche Betrachtung nach sich zieht, weil von der Klärung der rechtlichen Grundlage zunächst lediglich abhängt, ob die einschränkende Regelung des 2b UStG überhaupt anzuwenden ist oder aber die Grundregel für die Bestimmung unternehmerischen Handelns in 2 Abs. 1 UStG maßgebend ist. Bei den vorliegenden Unklarheiten nehmen sowohl die Steuerbehörden als auch die Steuerpflichtigen eine entscheidende Rolle ein, da es letztlich darum geht, die Spielräume und offenen Punkte entsprechend der eigenen Interessen auszutarieren. Bei Zweifelsfragen weist das Finanzamt derzeit verstärkt auf ein noch ausstehendes BMF-Schreiben hin, mit dem sich die Steuerbehörden genauer positionieren werden. Dieses mit Spannung erwartete Schreiben wird aber voraussichtlich frühestens im letzten Quartal dieses Jahres veröffentlicht, sodass die Entscheidungsfindung hinsichtlich der Verlängerungsoption möglicherweise ohne hilfreiche Präzisierungen vorzunehmen ist. Die Entscheidung muss nicht zwingend zugunsten der Übergangsregelung und damit zugunsten der Altregelung fallen, denn die Vorteilhaftigkeit der Neuregelung ist aufgrund der Relevanz des Vorsteuerabzugsrechts unter anderem davon abhängig, welche Projekte oder Maßnahmen in der näheren Zukunft umgesetzt werden sollen. Es sind außerdem sämtliche Einnahmen dahingehend zu analysieren, ob die zugrunde liegenden Leistungen nach 2b UStG der Umsatzbesteuerung unterliegen bzw. ob sich diese Einstufung im Gegensatz zur Altregelung anders darstellt. Für neue umsatzsteuerbare Sachverhalte können Steuerbefreiungen nach 4 UStG existieren, die bislang nicht relevant waren. Somit müssen nicht Seite 4 von 5
5 alle nun umsatzsteuerbaren Vorgänge auch tatsächlich umsatzsteuerpflichtig sein. Auf vermögensverwaltende Tätigkeiten und den Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit ist hierbei ein besonderes Augenmerk zu legen. Auf Basis einer solchen Analyse kann entschieden werden, ob bis zum 31. Dezember 2016 eine Erklärung zur Verzögerung der Anwendung der Neuregelung ergehen sollte und inwiefern ggf. vertragliche Grundlagen, Prozesse, IT-Techniken und Verantwortlichkeiten anzupassen sind. Aus der Tatsache, dass das Umsatzsteuerrecht künftig nicht mehr an das Körperschaftsteuerrecht anknüpft und viele Detailfragen noch auszulegen sind, kann ein nicht zu unterschätzender Umfang an Mehrarbeit resultieren, sodass die vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Zeit genutzt werden sollte. Das Ziel muss es sein, den bestmöglichen Zeitpunkt für einen Wechsel zu bestimmen! Wenn Sie hierzu Fragen haben, so sprechen Sie uns gern an. Mit freundlichen Grüßen WIRTSCHAFTSRAT GMBH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Dr. Henrik Bremer Rechtsanwalt, FAStR, Dr. Tobias Reiter Seite 5 von 5
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