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- Helene Franke
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2 Orthop adie Traumatologie Elsevier Urban&Fischer Zusammenfassung Das Verletzungsrisiko beim Ski- und Snowboardfahren sinkt generell in den letzten Jahren. Allerdings ist jedoch ein leichter Anstieg von seltenen schweren Verletzungen wie Sch adel-hirn-traumata, R uckenmarkverletzungen und Polytraumatisierung zu beobachten. Ursachen sind h ohere Geschwindigkeit und extreme und akrobatische Formen der Sportaus ubung sowie eine gesteigerte Risikoakzeptanz. Die Aufkl arung uber das Risiko und die Folgen einer m oglichen Wirbels aulenverletzung sind entscheidend, denn die auf dem Markt befindlichen R uckenprotektoren bieten nur einen eingeschr ankten Schutz der Wirbels aule in bestimmten Situationen. Schl usselw orter R uckenprotektor alpiner Wintersport Wirbels aulenverletzungen EN 1621 Ski Snowboard M. Knöringer Spine protection in Wintersports Abstract The general incidence of skiing and snowboarding injuries is decreasing in the last years. But there is some evidence that rare severe injuries like traumatic brain injury and spinal cord injury are increasing. Higher speed, extreme acrobatic forms of sport practice and increased risk taking behavior are discussed as possible reasons. Information about the risk and the sequelae of spine injuries should be placed in the first place. The spine protectors available on the market deliver only protection in specific situations. Keywords Spineprotector alpine Wintersports spine injuries EN1621 Ski Snowboard REVIEW R uckenprotektoren im Wintersport Markus Knöringer Neurochirurgische Praxis für Wirbelsäulen und Schmerztherapie, Sportmedizin, München- Agatharied, Praxis im Krankenhaus Agatharied, Hausham Eingegangen am 28. Juni 2013; akzeptiert am 3. September 2013 Erfreulicherweise zeigen die Auswertungen der deutschen Auswertungsstelle für Skiunfälle, dass das Risiko, sich beim alpinen Wintersport zu verletzen, sich in den letzten 30 Jahren halbiert hat [2]. Der Trend hält weiter an; von der Saison 2009/2010 auf 2010/2011 haben sich die Unfälle der deutschen Skifahrer um auf reduziert, dies entspricht einer Verringerung um 25%. Das Risiko Ski zu fahren, ist in den letzten Jahren so niedrig wie nie zuvor. Nur 0,2% der Unfälle waren so schwer, dass ein stationärer Aufenthalt erfolgen musste und dies trotz Zunahme der Pistenfrequentation. Laut Fachverband der österreichischen Seilbahnen sind allein von 2000 bis 2009 die Anzahl der Skitage um 11,23 Mio gestiegen. Es werden jährlich im Durchschnitt 600 Millionen Beförderungen gezählt und im Winter 2010/11 51,2 Millionen Skitage. Als Hauptursache für die höhere Sicherheit werden die Einführung der Sicherheitsbindung, optimierte Pistenpräparation sowie Aufklärung über Risiken und Präventivmaßnahmen genannt. Obwohl die Verletzungsinzidenz insgesamt beim alpinen Wintersport niedriger wird, kann eine relative Zunahme des Anteils von Kopfund Rumpfverletzungen an allen verletzten Organen bei den deutschen Skifahrern beobachtet werden (Kopfverletzungen: von 2009/2010 auf 2010/11 für erwachsene Skifahrer um 1% auf 9,7%. Rumpfverletzungen: um 1% auf 10,0%). Auch internationale Studien deuten an, dass folgenschwere Schädel-Hirnund Rückenmarkverletzungen und auch Polytraumata sowohl bei Skifahrern als auch Snowboardfahrern zunehmen [1]. Zum Studium der Epidemiologie von Wirbelsäulenverletzungen beim Skiund Snowboardfahren wurden vom Autor im Dezember Artikel in den Datenbanken: Pubmed, Medline, Embase, Cinahl und Cochrane library analysiert. Gesucht wurde nach den Begriffen: spinal injuries, winter sports, ski, snowboard und spine protector. Die zusammenfassende Auswertung zeigt, dass die Verletzung der Wirbelsäule ein seltenes Ereignis ist mit einer durchschnittlichen Inzidenz von 0,001/1000 Skitagen. Allerdings ziehen die Verletzungen in über der Hälfte der Fälle (66%) eine operative Konsequenz mit sich. In 1/5 der Fälle ist das Rückenmark mitverletzt. Halswirbel-, Brustwirbel- und Lendenwirbelsäule sind in etwa gleichen Anteilen zu je 1/3 betroffen. Das Risiko einer Rückenmarkverletzung ist bei Trauma der Halswirbelsäule am höchsten. Bei den Verletzungsmechanismen dominierten bei der Halswirbelsäule die Hyperflexion/Hyperextension M. Kn oringer R uckenprotektoren im Wintersport 283
3 sowie der Sturz axial auf den Kopf. Ursache kann ein Sturz nach vorn sein, beispielsweise mit Überschlag. Im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule ist meist die axiale Kompression verantwortlich für eine Verletzung (über 90%). Die axiale Kompression führt meist mittels einer Hyperflexionskomponente zu einer Verletzung des lumbothorakalen Übergangs. Ursache ist eine Landung nach Sprung auf dem Gesäß oder unterem Rücken. Die Verletzung durch direkte Kontusion ist selten [1,4 6]. Unterschieden werden müssen Skifahrer und Snowboardfahrer. Während die Hauptursache für die Verletzung der Wirbelsäule beim Skifahrer die überhöhte Geschwindigkeit, die Kollision und der Vorwärtssturz darstellen, ist es beim Snowboardfahrer das Springen. Eine Risikogruppe kristallisiert sich dabei heraus: Es handelt sich um sportliche, risikobereite junge Männer. Das Risiko für eine Rückenmarkverletzung ist dagegen beim Skiund Snowboardfahren gleich hoch [6]. Als Hintergrund fürdiezunehmende Inzidenz von Kopf- und Rückenmarkverletzungen werden in erster Linie zunehmende Geschwindigkeit der Pistenteilnehmer [8] und eine gesteigerte Risikoakzeptanz jüngerer männlicher Fahrer in Bezug auf akrobatische Manöver in Terrainparks (Halfpipe, Funpark) gesehen [3]. Beobachtet man die aktuellen Entwicklungen in den Wintersportresorts, so zeigt sich der bereits vollzogene und zunehmende Trend zur Aufrüstung der Gebiete mit so genannten Terrainparks. Diese Areale mit künstlichen Hindernissen beinhalten z.b. Funpark, Halfpipe oder Sprunghügel (Kicker). In den Print- und Videomedien wird dem Trend der Zeit entsprechend kaum noch normale Fahraktivität beim Ski- und Snowboardfahren zur Darstellung gebracht. Gezeigt werden nahezu ausnahmslos extreme akrobatische Manöver. Die Verletzung der Wirbelsäule im alpinen Winterskisport ist also eine seltene Verletzung, jedoch können Verletzungen des Rückenmarks fatale Langzeitfolgen bedeuten. Das Risiko steigt bei entsprechend risikobereiter Sportausübung. Die Wintersportler haben das Bedürfnis sich zu schützen, 29% tragen Abbildung 1 Beispiele von R uckenprotektoren regelmäßig einen Rückenprotektor. Eine Studie aus der Schweiz zeigt dabei, dass 76% der Wintersportler davon überzeugt sind, dass der Protektor schützt. [7] Die Industrie ist längst auf den Zug aufgesprungen und neben auf Schutzausrüstung spezialisierten Firmen bieten die meisten Ski- und Skibekleidungsfirmen einen Rückenprotektor unter eigenem Namen an (Abb. 1). In der Produktwerbung wird dabei vermittelt, durch 284 M. Kn oringer R uckenprotektoren im Wintersport
4 Forschung und Bestehen von Testnormen optimale Sicherheit bieten zu können. Laut den Berichten von der aktuellen Winter-ISPO bietet der Rückenprotektorenbereich noch enorm viel Marktpotenzial. Für manche Firma ist es bereits das Hauptstandbein geworden. Man kann die auf dem Markt befindlichen Rückenprotektoren in folgende Gruppen einteilen: - Aufteilung nach Design des Protektors: Hartschale (Schaumdämpfung/harte schuppenartige Panzer), Weichschale (reine Schaumdämpfung), - Aufteilung nach Fixation am Körper: Gurt, Träger, Weste, im Rucksack integriert. Theoretisch lässt sich vermuten, dass für eine optimale Schutzwirkung folgende Faktoren entscheidend sind: Passform/Schutz vor dem Verrutschen, Abdeckung der Wirbelsäule und Schutzwirkung. Die Schutzwirkung soll Schlägedämpfen und vor Penetration schützen. Kompromittierende Faktoren beim Design sind: Tragekomfort, Erhalt der Beweglichkeit des Athleten, Wasserdampf- und Wärmedurchlässigkeit, Gewicht, Optik sowie die Herstellungskosten. Der Protektor sollte im Wintersport vor folgenden potentiellen Gefahrensituationen schützen: Sturz auf eine plane Fläche (mit dem Rücken auf die Piste), Sturz auf eine Kante (Hindernis), Sturz auf einen spitzen Gegenstand (Fels, Ast, Stange, Pistenabsperrung). Eine Schutzwirkung des Rückenprotektors vor einem axialen Kompressionsschaden der Wirbelsäule kann nicht erwartet werden, ebenso keine Protektion einer Hyperflexion/Hyperextension oder Hyperrotation. Es besteht kein Schutz für die Halswirbelsäule. Auch kann bei einem Sturz auf eine Kante der Schlag zwar gedämpft werden, die bei einem extremen Sturz auftretende Hypomochlionwirkung der Kante auf die Wirbelsäule kann jedoch nicht verhindert werden. Irrtümlich wird immer wieder von Sportlern vermutet, der Rückenprotektor stabilisiere die Wirbelsäule in Flexion und Extension. Die Konstruktion der gängigen Protektoren bietet diese Möglichkeit nicht. Es stellt sich nun die Frage, inwieweit ein Rückenprotektor den Wintersportler schützen kann (Abb. 2). Abbildung 2 Der Autor bei der Sportaus ubung. Das Design der Rückenprotektoren wurde aus dem Straßenmotorradrennsport übernommen. Bei dieser Sportart wird allerdings auf Rundkursen ohne Hindernisse gefahren. Ein Sturz geschieht meist auf eine plane Fläche (Rundkurs) und die Energie wird durch Abrutschen bis zum Stillstand absorbiert. Die Umgebung der Rundkurse ist daher nach Möglichkeit von Hindernissen befreit. Für den Straßenmotorradrennsport wurde auch die Prüfnorm EN M. Kn oringer R uckenprotektoren im Wintersport 285
5 entwickelt. Die EN betrifft Schützer für die Gelenke. Der Entwurf der europäischen Norm (pren) definiert die Mindestgröße und stellt Anforderungen an die Fähigkeit des Protektors, auftreffende Schläge zu absorbieren und den Träger vor Verletzungen zu schützen. Die Fähigkeit des Protektors, mechanische Energie zu absorbieren, wird über einen Schlagtest ermittelt. Aus 1 m Höhe wird ein Stempel mit 5 kg Masse und einer Aufprallkante, die ungefähr dem Radius einer Bordsteinkante entspricht, auf den Protektor fallen gelassen. Der Protektor liegt auf einem leicht gewölbten Amboss mit einer Kraftmesseinrichtung. Gemessen wird, wieviel Kraft noch unter dem Protektor ankommt. Dies wird Restkraft genannt. Bei mehreren Schlägen darf keine Restkraft über 24 kn und der Mittelwert muss unter 18 kn liegen. Ohne Protektor würden Spitzenkräfte von 150 bis 180 kn anfallen. Bei einer zweiten höheren Qualitätsstufe müssen die Werte bei 12 kn als Maximalwert und 8 kn als Mittelwert liegen. Die Schweizer Arbeitsgruppe um Schmitt [7] hat 12 gängige Rückenprotektoren für Ski- und Snowboardfahrer auf die Europäische Norm hin getestet. Es kamen sowohl Hard- als auch Softshellprotektoren zum Einsatz. Die Level-2-Restkraftminimierung konnte mit beiden Designs erreicht werden. Die Softshelldesigns brachten im Durchschnitt eine bessere Energieabsorption. Interessanterweise konnte ein normaler Rucksack, der mit einem Pullover gefüllt war, auch den Safety Level 2 bestehen. Da die EN keine Aufschlüsse zulässt, wie sich die Protektoren gegenüber spitzen Gegenständen verhalten, hat die Arbeitsgruppe den Penetrationstest EN 1077 an den Rückenprotektoren durchgeführt. Dieser Test wurde zur Erprobung von Helmen entwickelt und wird normalerweise an Rückenprotektoren nicht durchgeführt. Hier wird eine Masse von 3 kg auf einen Konus fallen gelassen (40 mm Höhe, 60-Grad-Exkursion), der auf der Oberfläche des Protektors platziert ist. Um Klasse-B-Schutzwirkung zu erreichen liegt die Fallhöhe der Masse bei 37,5 cm, um die Klasse A zu erreichen bei 75 cm, wobei der Konus nicht durchschlagen darf. Im Ergebnis hielten dem Penetrationstest nur drei von vier Hardshellprotektoren stand und nur einer von fünf Softshellprotektoren. In der Zusammenfassung muss postuliert werden, dass die derzeit eingesetzten Rückenprotektoren die Erwartungen der Wintersportler nicht erfüllen können. Die Wintersportler müssen darüber aufgeklärt werden, was ein Rückenprotektor leisten kann und was nicht: - Es besteht kein Schutz für die Halswirbelsäule. - Es besteht kein Schutz gegenüber dem Hauptverletzungsmechanismus, der axialen Kompression, wie er sich z.b. bei einem Sturz auf das Gesäß ereignet. - Die gängigen Rückenprotektoren bieten keine Stabilisation der Wirbelsäule in Flexion, Extension oder Rotation. -Rückenprotektoren können bei direkter Kontusion (z.b. Sturz auf den Rücken) eine signifikante Schlagabsorption und damit eine gute Schutzfunktion bieten. -Rückenprotektoren werden nach der Europäischen Norm getestet, dies entspricht einem leichten Schlag mit einem Gegenstand in Form einer Bordsteinkante; nicht alle Protektoren auf dem Markt erfüllen diese Norm. - Es besteht derzeit keine Prüfnorm, wie sich Rückenprotektoren gegenüber einem Sturz auf einen spitzen Gegenstand verhalten (Penetrationstest). - Die derzeitige Prüfnorm ist aus dem Motorradrennsport übernommen, neue Prüfnormen, die den Ansprüchen des Wintersports und dem Gelände/Umfeld in dem gefahren wird, gerecht werden, sind erforderlich und müssen etabliert werden. - Im Vergleich scheinen Softshellprotektoren gegenüber den Hartschalenprotektoren eine bessere Restkraftminimierung aber geringeren Widerstand gegenüber penetrierenden Gegenständen zu bieten. - Die Prophylaxe und Aufklärung über Risikofaktoren müssen an Nummer eins stehen. - Das Tragen eines Rückenprotektors erscheint sinnvoll und ist empfehlenswert bei frequentierten Pisten und einer Umgebung mit entsprechenden gefährlichen Hindernissen (Felsen, künstliche Hindernisse). Interessenkonflikt Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt. Literatur [1] A. Ackery, et al. Injury Prevention 13 (2007) [2] ASU. [3] M.A. Brooks, et al. Inj Prev 16 (2010) [4] S. Corra, et al. Eur J Emerg Med. 19 (2012) [5] T. Franz, et al. Br J Sports Med 42 (2008) [6] E. Molly, et al. Neurosurg Focus 31 (2011) 1 5. [7] K.U. Schmitt, Br J Sports Med 44 (2010) [8] R. Williams, et al. Wilderness Environ Med. 18 (2007) M. Kn oringer R uckenprotektoren im Wintersport
6 Korrespondenzadresse: Dr. med. Markus Knöringer Neurochirurgische Praxis für Wirbelsäulen und Schmerztherapie, Sportmedizin, München-Agatharied, Praxis im Krankenhaus Agatharied Norbert-Kerkel-Platz D Hausham Tel.: +49 (0) Fax: +49 (0) Available online at ScienceDirect M. Kn oringer R uckenprotektoren im Wintersport 287
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