Abschrift. Kammergericht. Beschluss. 138 F 5419/07 Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg
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1 Abschrift Kammergericht. Beschluss.. Geschäftsnummer: 17 UF 82/ F 5419/07 Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg In der Familiensache betreffend die Kinder 1. Selma Schulte-Frohlinde, geboren am 28. September 2000, 2. Bruno Schulte-Frohlinde, geboren am 8. März 2002, Kindesvater: Robert Schulte-Frohlinde, Sorauer Straße 26, Berlin, Beschwerdeführer, Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Thomas Stötzel, Auguste-Viktoria-Strasse 55A, Berlin, Verfahrensbevollmächtiater: hat der 17. Zivilsenat des Kammergerichts - Senat für Familiensachen - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Lettau, die Richterin am Karrimergericht Krüger und den Richter am Kammergericht Brodowski am 28. Juli 2009 beschlossen:
2 Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 16. Juli 2008 wird nach einem Wert von 3.000,OO E auf seine Kosten verworfen. Gründe: Durch die in der Beschlussformel genannte Entscheidung hat das Amtsgericht Tempelhof- Kreuzberg den Antrag des Kindesvaters auf Feststellung, dass er zusammen mit der Kindesmutter für die gemeinsamen Kinder Selma Juana und Fabian Bruno gemeinsam sorgeberechtigt ist bzw. (hilfsweise), dass er allein sorgeberechtigt ist, zurückgewiesen. Auch dem Antrag des Kindesvaters, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, ist das Amtsgericht nicht gefolgt. Gegen diesen am 24. Juli 2008 zugestellten Beschluss wendet sich der Kindesvater mit seiner fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde, mit der er an der Feststellung der gemeinsamen Sorge für die Kinder bzw. - hilfsweise - seiner Alleinsorge festhält. 1 Die Beschwerde des Kindesvaters ist bereits unzulässig. Dem Kindesvater steht gegen die Entscheidung des Familiengerichts kein Beschwerderecht zu. Er ist durch den angefochtenen Beschluss nicht in seinen Rechten verletzt ( 20 FGG). Da die Eltern keine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben haben, steht die elterliche Sorge allein der Kindesmutter zu ( a BGB). An der Verfassungsgemäßheit dieser Vorschrift bestehen für den Senat aus den vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 29. Januar 2003 (NJW 2003, 955 ff.) dargelegten Gründen keine Zweifel. Aus dem Verwandtschaftsverhältnis zum Kind folgt ebenfalls noch kein Beschwerderecht. Denn das Beschwerderecht von Verwandten oder sonstigen Dritten nach 57 Abs. 1 Nr. 8 und 9 FGG findet auf die befristete Beschwerde nach e ZPO Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (5 64 Abs. 3 Satz 2 i. V. m Abs. 2 FGG) keine Anwendung (OLG Hamm, FamRZ 2004, 887; OLGR Frankfurt 2006, 437). Aus dem vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergangenen Beschluss des OLG Stuttgart (FamRZ 2000, 632) folgt nichts anderes.
3 Im Übrigen wäre die Beschwerde, selbst wenn der Kindesvater beschwerdebefugt wäre, aus den Gründen der angefochtenen Entscheiduqg, auf die verwiesen wird, unbegründet. Nach geltendem Recht besteht keine Möglichkeit für den nicht mit der Kindesmutfer verheirateten Kindesvater eines Kindes, die elterliche Sorge gegen ihren Willen zu erlangen. Dementsprechend kann der Hauptantrag des Kindesvaters keinen Erfolg haben. Da der Senat - ebenso wie das Amtsgericht und das Bundesverfassungsgericht - keine Zweifel an der Verfassungsgemäßheit der Vorschrift hat, kommt auch die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht. Selbst wenn aber die Möglichkeit bestünde, wie vom Kindesvater gewünscht zu verfahren, könnte der Hauptsantrag keinen Erfolg haben. Denn das Verhältnis der Kindeseltern untereinander stellt sich so dar, dass die Mindestvoraussetzungen für eine gemeinsame elterlichen Sorge nicht vorliegen und bei bestehender gemeinsamer Sorge deren Aufhebung im Kindeswohlinteresse unumgänglich wäre, wie bereits vom Amtsgericht zutreffend festgestellt. So hat das Bundesverfassungsgericht die Regelung des 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB (NJW 2003, 955 ff.) ausdrücklich im Hinblick darauf für verfassungsgemäß erklärt, dass ein Konsens der unverheirateten Eltern eines Kindes Voraussetzung für die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge ist. Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus, erfordert ein Mindestmaß'an Übereinstimmung zwischen ihnen und hat sich am Kindeswohl auszurichten. Fehlt es daran, kann die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl zuwiderlaufen. Dies entspricht der veröffentlichten obergerichtlichen Rechtsprechung und der ständigen Rechtsprechung des Senats. Hier fechten die Eltern einen erbitterten Kleinkrieg aus, bei dem sie das Wohl der Kinder aus den Augen zu verlieren scheinen. Soweit der Kindesvater dies bestreitet und darauf abstellt, dass es bislang lediglich in Bezug auf das Umgangsrecht zu Unstimrriigkeiten gekommen sei und problematische Umgangsregelungen" die Aufgabe der gemeinsamen elterlichen Sorge zur Folge hätten, übersieht er, dass der Umgang nach dem Vorbringen der beider Eltern der einzige Bereich ist, in dem überhaupt noch eine Kommunikation zwischen ihnen stattfindet. Und nicht einmal darüber können sich die Eltern ohne wiederholte Inanspruchnahme der Gerichte verständigen. Selbst die Umsetzung des vor dein Amtsgericht vereinbarten Umgangs funktioniert nicht. So soll nach dem Vorbringen des Kindesvaters die Kindesmutter den Umgang mit den Kindern erschweren, körinen sich die Eltern nicht über die Übernahme der Aufgabe des Elternsprechers für die Kindergartengruppe des Sohnes verständigen, soll die Kindesmutter eine einvernehmliche AVRI
4 Ferienregelung von einem Zugeständnis des Kindesvaters in einer nicht hiermit zusammenhängenden Frage gemacht haben, soll die Kindesmutter gegen ihn Vorwürfe sexuellen Inhalts erhoben haben und habe er einen Antrag auf Zwangsgeld wegen Umgangsverweigerung eingereicht, über den noch nicht entschieden worden sei. Die Kindesmutter wiederum trägt vor, dass der Kindesvater trotz gerichtlicher Ferienregelung für die Übergabe der Kinder in den Sommerferien 2007 das Jugendamt einschalten wollte und er im Umgangsverfahren darauf hingewiesen habe, dass ein persönliches Gespräch zwischen ihnen über die Fragen des Umgangs nicht möglich sei, dass er zur Durchsetzung der Umgangskontakte sogar polizeiliche Hilfe in Anspruch nehme und fortgesetzt gegen die gerichtlich vereinbarten Umgangsregelungen verstoße. umgangsregelunien würden willkürlich und ohne Rücksicht auf die Belange der Kinder ausgesetzt. Auch die Übergabe anlässlich der Sommerferien 2008 hat sich nach dem Vorbringen der Kindesmutter schwierig gestaltet. Seither habe der Umgang nur noch äußerst unregelmäßig stattgefunden. Im Hinblick auf die Entscheidung des Senats in vorliegendem Verfahren habe der Kindesvater den Kontakt zu den Kindern nun schon zum wiederholten Male abgebrochen. Das Jugendamt hat den Eindruck, der sich nach den gewechselten Schriftsätzen in vorliegendem Verfahren aufdrängt, bestätigt und mitgeteilt, dass es den Eltern nicht möglich sei, gemeinsame Lösungen zu finden, so dass es zu massiven Streitigkeiten und folgender Kontaktvermeidung komme, was dazu führe, dass der Umgang zeitweise nicht entsprechend der Regelung des Familiengerichts stattfinde. Den Eltern sei es nicht möglich, über kurze, sachliche Informationen hinaus miteinander zu kommunizieren. Es komme innerhalb kiirzester Zeit zu Konflikten, welche die Eltern nicht miteinander lösen könnten. Erst seit Januar 2009 werde die Umgangsregelung wieder regelmäßig umgesetzt, wenn auch nicht dauerhaft. Denn auch in jüngster Zeit ist es wieder zu Problemen gekommen, wie das unwidersprochen gebliebene Vorbringen der Kindesmutter in ihren Schriftsätzen vom 14. Mai und 17. Juni 2009 zeigt. Danach soll der Kindesvater den Umgang aufgrund eines angeblichen Fehlverhaltens der Kindesmutter bis zur Entscheidung des Kammergerichts ausgesetzt und auch auf Schreiben und Anrufe des Jugendamts nicht reagiert haben. Abgesehen davon, dass die Verknüpfung der Entscheidung über die elterliche Sorge mit 1 der Ausübung des Umgangs willkürlich erscheint (Will der Kindesvater seiner Kinder nur sehen, wenn er auch sorgeberechtigt ist? Soll der Kontakt mit den Kindern unterbleiben, bis die Rechtsfrage - gegebenenfalls unter Einschaltung des Bundesverfassungsgerichts - endgültig geklärt ist?), bleibt unerfindlich, wie unter diesen Umständen die vom Kindesvater angestrebte gemeinsame elterliche Sorge praktisch funktionierenu soll. Denn ohne regelmäßigen Umgang verliert die elterliche Sorge ihren Sirin: Nirrimt ein Kindesvater sein Umgangsrecht nicht wahr und überzeugt er sich nicht laufend von der Entwickluug und dem Wohlergehen seiner Kinder; führt dies zwangsläufig zu einer Entfremdung der Kinder zu ihm und ist für die elterlichen Sorge ohnehin kein Raum mehr. Das IVlitspracherecht einer ihnen fremd gewordenen Person in AVRI
5 wichtigen persönlichen Angelegenheiten würden die Kinder nicht etwa als Ausdruck einer Verantwortung aufgrund einer emotionalen Bindung, sondern als unangebrachte Einmischung in ihre Angelegenheiten auffassen. Entgegen der Ansicht des Kindesvaters käme es auch nicht darauf an, wer an dieser Situation schuld ist und ob dem Kindesvater insoweit ein Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Es kann dahinstehen, durch wessen Verhalten die Kommunikations- und Verständigungsprobleme zwischen den Eltern in erster Linie hervorgerufen werden, wie der BGH erst kürzlich wieder festgestellt hat (MDR 2008, 452, 453). Auf diese Frage kommt es bei der Entscheidung, ob die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl entspricht, nicht an (BGH, a. a. 0.). Denn welcher Elternteil,,schuldN an dieser Situation ist, ist zum einen wegen der Komplexität partnerschaftlicher Beziehungen kaum feststellbar und zum anderen für die gemäß 1671 BGB zu treffende Entscheidung ohne erhebliche Bedeutung. In diesen Fällen entspricht es dem Kindes- wohl am besten, wenn nur einem Elternteil die elterliche Sorge übertragen wird (vgl. die amtliche Begründung in BT-Drucks S. 63). Schließlich kommt auch die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Kindesvater, auf den der Hilfsantrag wohl hinauslaufen soll, und damit der Entzug der elterlichen Sorge der Kindesmutter nicht in Betracht. Eine Gefährdung des Kindeswohls, die gerichtliche Maßnahmen nach 1666, 1666a BGB rechtfertigen könnte, ist nicht einmal im Ansatz erkennbar. Für die Kindesmutter streitet darüber hinaus der Grundsatz der Kontinuität. Zwischen ihm und den Kindern besteht nicht etwa eine gewachsene psychosoziale Beziehung, durch die er sich als die deutlich bessere Sorgerechtsalternative erweist. Die Kinder haben seit der Trennung der Eltern im Jahre 2004 den Lebensmittelpunkt bei der Kindesmutter, woran sich offensichtlich auch durch die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater nichts ändern soll. Die Kinder fühlen sich dort - was auch der Kindesvater zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt hat - offensichtlich wohl. Anhaltspunkte dafür, dass die Kinder von der Kindesmutter in der Vergangenheit nicht hinreichend gefördert worden ist, sind dem ermittelten Sachverhalt nicht zu entnehmen und werden auch mit der Beschwerde nicht geltend gemacht. Die weiteren Anwürfe des Kindesvaters gegen die Verfahrensweise des Amtsgerichts, dem es U. a.,,üble Nachrede" vorwirft, liegen erkennbarneben der Sache. Werin sich der Kindesvater etwa im Umgangsverfahren dahingehend erklärt, dass über seine Anträge im Sorgerechtsverfahren ohne mündliche Verhandlung (und damit auch ohne Anhörung der Kinder) entschieden werden könne, so muss er sich daran festhalten lassen. Sein Hinweis auf 128 Abc. 2 S. 3 ZPO greift schon deshalb nicht, weil sich das Verfahren nach dem FGG richtet. Im Übrigen verkennt er, dass die- Anhörung nach 50 a FGG nicht die Gewährung rechtlichen Gehörs bezweckt, sondern in
6 erster Linie der nach 12 FGG gebotenen Sachaufklärung dient. Eine weitere Sachaufklärung durch die Anhörung des Kindesvaters oder eines anderen Beteiligten war indes nicht veranlasst, wie sich aus der Entscheidung des Amtsgerichts und des Senats ergibt. Auch sind die Voraussetzungen für die Bestellung eines Veriahrenspflegers weder in erster noch in zweiter Instanz gegeben. IV. Die Kostenentscheidung beruht auf den 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Die Wertfestsetzung beruht auf den 94 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO. Brodowski Krüger Lettau AVRl
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