Anlegerschutz und Neuer Markt
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- Sabine Kohl
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1 Empirische Studien zum deutschen und europäischen Unternehmensrecht 2 Anlegerschutz und Neuer Markt Eine empirische Untersuchung des Publizitätsverhaltens ausgewählter Unternehmen des Neuen Marktes Bearbeitet von Christoph Bode 1. Auflage Taschenbuch. 383 S. Paperback ISBN Format (B x L): 14,5 x 20,5 cm Gewicht: 492 g Recht > Handelsrecht, Wirtschaftsrecht > Bankrecht, Kapitalmarktrecht > Kapitalmarktrecht, Wertpapierrecht Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.
2 Anlegerschutz und Neuer Markt - eine empirische Untersuchung des Publizitätsverhaltens ausgewählter Unternehmen des Neuen Marktes von Christoph Bode JWV Jenaer Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2006
3 Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über < abrufbar. Alle Rechte vorbehalten 2006 JWV Jenaer Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbh Druck: Bookstation GmbH Gottmadingen Printed in Germany ISBN ISBN ISSN Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet:
4 Erster Teil: A. Einführung I. Problemstellung Unter den Augen unserer Gesetzgeber haben sich die Aktiengesellschaften in organisierte Raub- und Betrugsanstalten verwandelt, deren geheime Geschichte mehr Niederträchtigkeit, Ehrlosigkeit, Schurkerei in sich birgt als manches Zuchthaus, nur daß die Diebe, Räuber und Betrüger hier statt in Eisen in Gold sitzen so das Urteil Rudolf von Iherings 1 zur Entwicklung des Aktienwesens im ausgehenden 19. Jahrhundert. Damals kam es nach der Reichsgründung zu einem enormen Aufschwung an den Aktienbörsen, der eine geradezu unwiderstehliche Anziehungskraft auf Spieler und Betrüger, aber auch auf die Masse der gutgläubigen Anleger ausübte, alle vereint in der Hoffnung auf das schnelle Geld. Überschätzungen, Manipulationen und Schwindelgründungen brachten die Blase schließlich zum Platzen. Hält man die Geschichte des Neuen Markts gut hundert Jahre später dagegen, so sind, auch wenn sich die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen grundlegend geändert haben, gewisse Parallelen nicht zu übersehen. Gestartet am 10. März 1997 mit der Aufnahme der Notierung der Aktien der Mobilcom AG und der Bertrandt AG, stieg der Neue Markt in den nächsten drei Jahren zur wichtigsten Wachstumsbörse Europas auf: Die Zahl der gelisteten Unternehmen wuchs bis zum Jahre 2000 auf 339. Der Aktienumsatz, der im März 1997 noch bei 209 Mio. EURO lag, betrug im März 2000 knapp 21 Mrd. EURO. Neuemissionen waren häufig so stark überzeichnet, dass die Erstnotiz den Ausgabepreis der Papiere bis um das Drei- bis Vierfache überstieg und die Berücksichtigung bei der Zuteilung der Aktien einer Lizenz zum Gelddrucken gleichkam 2. Der Nemax-All-Share, Index sämtlicher Werte des Neuen Marktes mit einer Basis von 1000 am 30. Dezember 1997, erreichte am 10. März 2000, genau drei Jahre nach Aufnahme des Handels am Neuen Markt, seinen höchsten Stand mit 8559,32 Punkten. Der Kurswert der gehandelten Aktien wuchs von 2,5 Mrd. EURO im September 1997 auf über 200 Mrd. EURO im März 2000, was einem Anteil von mehr als 13 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung an der Frankfurter Wertpapierbörse entspricht fanden mehr als die Hälfte 1 von Ihering, Der Zweck im Recht, S Dazu exemplarisch die Übersichten zu den IPOs an der Frankfurter Wertpapierbörse, jeweils mit Angaben zu Bookbuilding-Spanne, Ausgabepreis und erstem Kurs, Deutsche Börse AG, Factbook 1998, S. 18 f; dies., Factbook 1999, S. 15 ff; dies., Factbook 2000, S. 15 ff. 3 Zahlen nach Deutsche Börse AG, Factbooks der Jahre ; AG Report 1997, R 420.
5 I. Problemstellung 25 aller Neuemissionen von Wachstumswerten in Europa am Neuen Markt statt, der Anteil am gesamteuropäischen Emissionsvolumen betrug sogar rund 70 Prozent. Im Jahre 2000 wurden 88 Prozent aller Umsätze an europäischen Wachstumsbörsen im Neuen Markt getätigt, sein Anteil an der Gesamtkapitalisierung aller europäischen Wachstumsbörsen betrug rund 49 Prozent 4. Der Neue Markt wurde zum Symbol der sog. New Economy mit scheinbar grenzenlosem Wachstum. So euphorisch die Kursverläufe und Umsätze in den ersten Jahren waren, so tief vollzog sich der anschließende Fall. Der Nemax-All-Share sank bis Dezember 2001 auf 1095,83 Punkte und notierte Ende September 2002 nur noch bei 389,03 Punkten. Die Marktkapitalisierung war bis dahin auf unter 9 Mrd. EURO gefallen, was einen Wertverlust von über 95 Prozent bzw. annähernd 200 Mrd. EURO bedeutet. Die Umsätze gingen auf 917 Mio. EURO zurück, und die Anzahl der gelisteten Unternehmen sank aufgrund von Insolvenzen, Übernahmen und Zusammenschlüssen sowie wegen Segmentwechsel oder vollständiger Delistings auf 247. Bis Ende 2002 wurden am Neuen Markt zusammen 42 Insolvenzen gezählt 5. Insgesamt gleicht die Entwicklung des Neuen Markts einem Parabelflug von den bescheidenen Anfängen 1997 über phantastische Höhen 2000 und dem steilen Absturz bis Zum Ende des Jahres 2003 hat die Deutsche Börse AG den Neuen Markt geschlossen und eine umfassende Neusegmentierung des Aktienmarkts an der Frankfurter Wertpapierbörse vorgenommen. Die Geschichte des Neuen Markts hinterließ beim Börsenpublikum tiefe Spuren. Der ungeheure Wertverlust von fast 200 Mrd. EUR brachte eine Heerschar von Anlegern um ihre Ersparnisse. Dagegen, so der Eindruck vieler Beobachter, hätten Gründer, Altaktionäre und Vorstände, die in der Phase des Aufschwungs mit dem Verkauf von Aktien und Aktienoptionen immense Gewinne realisieren konnten, trotz des Niedergangs des Neuen Markts erheblich verdient. Nicht immer sei es dabei mit rechten Dingen zugegangen. Die juristische Aufarbeitung der Vorfälle am Neuen Markt in Zivil- und Strafprozessen hat Lücken im bestehenden Anlegerschutzsystem zum Vorschein gebracht. Nur in den wenigsten Fällen konnten Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats verurteilt und zur Verantwortung gezogen werden, was allgemein als unbefriedigend empfunden wurde und Forderungen nach einer Stärkung des Anlegerschutzes hervorrief. Der Gesetzgeber reagierte und führte im Jahr 2002 mit dem Vierten Finanzmarktförderungs- 4 Dresdner Kleinwort Wasserstein in Deutsche Börse AG (Hrsg.), Neuer-Markt-Report, S. 16 ff. 5 Deutsche Börse AG, Factbooks der Jahre 2001 und 2002; dies., Neuer Markt facts & figures, abrufbar im Internet unter Veröffentlichungen/Downloads.
6 26 A. Einführung gesetz 6 eine Reihe von Reformen durch, mit denen der Schutz der Anleger und die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts verbessert werden sollten, darunter die Einführung einer Schadensersatzhaftung für fehlende oder falsche Ad-hoc-Mitteilungen. Im selben Jahr beschäftigte sich auch der 64. Deutsche Juristentag in Berlin mit der Frage, ob der Anlegerschutz in Deutschland hinreichend geregelt sei 7. Am 25 Februar 2003 stellte die Bundesregierung ein 10-Punkte-Programm zur Verbesserung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes 8 vor, in dessen Folge es zu einem ganzen Bündel gesetzlicher Maßnahmen kam: Das Bilanzrechtsreformgesetz 9, das Bilanzkontrollgesetz 10, das Anlegerschutzverbesserungsgesetz 11, das UMAG 12 und das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz 13 sind bereits in Kraft getreten; zum Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz wurde im Oktober 2004 ein Referentenentwurf 14 vorgelegt. Die vorliegende Arbeit möchte einen Beitrag zur Aufarbeitung der Vorkommnisse am Neuen Markt leisten, indem sie versucht, durch eine empirische Untersuchung des Publizitätsverhaltens ausgewählter Unternehmen Schwächen im damaligen Anlegerschutzsystem aufzudecken und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, wie der Anlegerschutz in Zukunft verbessert werden könnte. Der Neue Markt bietet sich als Untersuchungsobjekt zum Anlegerschutz besonders gut an, weil er die allgemeine Entwicklung an den Aktienmärkten zur Jahrtausendwende Euphorie und Depression überproportional abbildete und auf diese Weise Unzulänglichkeiten im Anlegerschutzrecht wie in einem Brennglas besonders deutlich hervortreten ließ. 6 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) v , BGBl I, S Vgl. nur Fleischer, Gutachten F; Merkt, Gutachten G. 8 Maßnahmenkatalog der Bundesregierung zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes, Bundesministerium der Justiz und Bundesministerium der Finanzen, Pressemitteilung Nr. 10/03 vom , abrufbar im Internet unter dazu Seibert, BB 2003, 693 ff. 9 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz BilReG) v , BGBl I, S Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (Bilanzkontrollgesetz BilKoG) v , BGBl I, S Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz AnSVG) v , BGBl I, S Gesetz zur Unternehmensintegrität und zur Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v , BGBl I, S Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren v , BGBl I, S Der Referentenentwurf, abgedruckt in NZG 2004, 1042 ff., wurde jedoch vorerst wieder zurückgezogen.
7 II. Gang der Untersuchung 27 II. Gang der Untersuchung Die Arbeit besteht aus theoretischen und empirischen Teilen. Zunächst wird das dogmatische Grundgerüst des Anlegerschutzes erörtert, dessen Kenntnis wichtige Voraussetzung ist, um eine sinnvolle empirische Erhebung anstellen und die gewonnenen Daten richtig deuten zu können. Die allgemeine Abhandlung zum Anlegerschutz umfasst neben einer Beschreibung der ökonomischen Grundlagen und normativen Ziele Übersichten zu den rechtlichen Instrumenten, mit denen Anlegerschutz verwirklicht wird, und zu den Rechtsquellen anlegerschützender Normen. Es folgt eine Darstellung zum Neuen Markt, der nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in rechtlicher Hinsicht eine Besonderheit war. Im empirischen Teil der Arbeit wird das Publizitätsverhalten ausgewählter Unternehmen des ehemaligen Neuen Markts untersucht. Das Ziel der empirischen Untersuchung ist es, Erkenntnisse über die Qualität des Anlegerschutzes am Neuen Markt zu gewinnen und daraus Schlüsse im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Anlegerschutzes zu ziehen. Dazu werden die Ergebnisse der empirischen Studie unter Berücksichtigung des theoretischen Teils rechtlich gewürdigt. In der rechtlichen Würdigung werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung anhand des damals maßgeblichen rechtlichen Rahmens gedeutet und erklärt. Die so gewonnenen Erkenntnisse bilden schließlich den Ausgangspunkt dafür, die neueren Reformbemühungen des Gesetzgebers in Sachen Anlegerschutz einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
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