Eine neue Marktinfrastruktur für Derivate
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- Käthe Haupt
- vor 8 Jahren
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1 OTC-Derivate Eine neue Marktinfrastruktur für Derivate Berlin, 10. Juni 2010 Think Tank der Deutsche Bank Gruppe Michael Chlistalla
2 Weltweite Derivatemärkte Erholung nach der Krise zeichnet sich ab Gesamtmarkt für Derivate USD Mrd., Bruttovolumen, halbjährliche Daten H00 2H01 2H02 2H03 2H04 2H05 2H06 2H07 2H08 2H09 Außerbörslich (OTC) Börslich Quelle: BIZ (2010) M. Chlistalla, Seite 2
3 Agenda 1 Einführung und Überblick über die Entwicklung des Marktes 2 Marktorganisation und bilaterale Besicherung von Kontrakten 3 Zentrales Clearing (Central Counterparty Clearing) 4 Implikationen für die Finanzmarktregulierung M. Chlistalla, Seite 3
4 1 Einführung und Überblick über die Entwicklung des Marktes Börslicher und außerbörslicher Handel im Vergleich 90% des Derivatekontrakte werden bilateral abgeschlossen Außerbörsliche Derivate Mrd. USD, Bruttovolumen, jährliche Daten Andere Rohstoffe Equity CDS Währungen Zins Börsengehandelte Derivate Mrd. USD, Bruttovolumen, jährliche Daten Equity Index Options Interest Rate Options Währungs-Futures Currency Options Equity Index Futures Interest Rate Futures Quelle: BIZ (2010) Quelle: BIZ (2010) M. Chlistalla, Seite 4
5 1 Einführung und Überblick über die Entwicklung des Marktes Gegenparteirisiko: Auf den Marktwert kommt es an! Gegenparteirisiken sind viel geringer als die Bruttozahlen suggerieren Maße für Gegenparteirisiko Üblicherweise Angabe des Bruttonominalwerts (Nominalwert ausstehender Kontrakte) USD Mrd., Dez. 2009, Bsp. Zinskontrakte ( Bruttonominalwert Bruttomarktwert Marktwert nach Netting* Nettomarktwert nach Netting und nach Abzug von Sicherheiten* *) Schätzung Bruttomarktwert = Gesamtwert aller Derivatekontrakte, wenn diese zu einem gegebenen Zeitpunkt ausgebucht und abgewickelt werden müssten. Marktwert nach Netting = Bruttomarktwert nach bilateralem Close-out-Netting Quellen: DB Research, BIZ (2010) M. Chlistalla, Seite 5
6 1 Einführung und Überblick über die Entwicklung des Marktes Wer nutzt Derivate, welche Risiken werden abgesichert? Industrieübergreifend weitverbreitete Nutzung, zumeist von Währungsderivaten Nutzung von Derivaten Prozent, nach Industriesektor Nutzung von Derivaten Prozent, nach Risikokategorie Utilities Technology Währungen 94 Services 84 Zins 88 Industrial goods Health Rohstoffe 51 Financial 98 Equity 30 Consumer goods Basic materials CDS Quelle: ISDA (2009) Quelle: ISDA (2009) Datenbasis: Befragung der Fortune-500-Unternehmen M. Chlistalla, Seite 6
7 2 Marktorganisation und bilaterale Besicherung von Kontrakten Marktinfrastruktur von OTC-Derivatemärkten Wohlorganisiert, aber naturgemäß intransparent Market Maker erhält den Markt durch das Stellen von Ankaufs- und Verkaufsangeboten aufrecht Voice execution : Telefonhandel, heutzutage vermehrt unterstützt durch elektronische Brokeringsysteme Rollen der Marktakteure: Broker, Dealer, Broker-Dealer Zusammenfassend: Wohlorganisierte Märkte, denen es allerdings an einer strikten Aufsichts- und Überwachungsstruktur fehlt Intransparenz für Aufsichtsbehörden über Preise und Risikopositionen M. Chlistalla, Seite 7
8 2 Marktorganisation und bilaterale Besicherung von Kontrakten Offene Risikopositionen traditionell bilateral besichert Vertragspartner stimmen sich bzgl. der Höhe der Sicherheitsleistungen ab Derivategeschäfte binden zwei Geschäftspartner für die Dauer des abgeschlossenen Kontraktes aneinander. Laufzeit eines Kontraktes kann je nach Produkt und Marktsegment zwischen wenigen Tagen und mehreren Jahren variieren In Abhängigkeit von der Preisentwicklung des zugrundeliegenden Basiswertes bauen die Parteien während der Laufzeit des Vertrags Forderungen gegeneinander auf Gegenparteiausfallrisiko (auch: Kontrahentenrisiko) entsteht Bilaterale Besicherung: Regelmäßige Neubewertung der Kontrakte nach dem aktuellen Marktpreis ( MTM-Prinzip ) Sicherheiten- einforderung Barmittel sind bevorzugte Sicherheitsleistung (83-84%) M. Chlistalla, Seite 8
9 2 Marktorganisation und bilaterale Besicherung von Kontrakten Bilaterale Besicherung nicht immer effektiv Risikopositionen werden nicht vollständig besichert Unregelmäßige bzw. zu seltene Bewertungszyklen, Nachschuss- zyklen oftmals nicht synchron mit Bewertungszyklen Geschäftspartner verwenden unterschiedliche Methoden zur Kalkulation des Wertes bzw. des Risikos in ihren Portefeuilles Sicherheitsleistungen ( Collateral ) basieren auf MTM-Berechnung, berücksichtigen jedoch nicht die Kosten der Wiederbeschaffung Höhe der Sicherheitsleistungen ist Verhandlungssache Kreditwürdigkeitseinschätzungen fließen in die MTM-Berechnung ein Staaten, AAA-Versicherer und nicht-finanzielle Unternehmen hinterlegen oftmals keine Sicherheiten Effektiv sind etwa 66% bis 75% der Positionen besichert M. Chlistalla, Seite 9
10 3 Zentrales Clearing (Central Counterparty Clearing Eine zentrale Clearingstelle (CCP) schafft Sicherheit bei der Abwicklung und reduziert das systemische Risiko Die Anzahl ausstehender Kontrakte wird reduziert Dezentrale Abwicklung Abwicklung über zentrale Gegenpartei (CCP) A E A = 5 5 B E B = 5 A E A = 0 B E B = CCP 5 D E D = 10 5 C E C = 10 D E D = 5 C E C = 5 M. Chlistalla, Seite 10
11 3 Zentrales Clearing (Central Counterparty Clearing) Konzept des zentralen Clearings Besicherung von Risikopositionen wird institutionalisiert Wichtigste Voraussetzung für die erfolgreiche Errichtung zentraler Gegenparteien ist, dass diese die Risiken (ergo: Positionen), die sie übernehmen, angemessen bewerten können. Dies impliziert: Ein gewisses Maß an Standardisierung von Kontrakten und Prozessen Transparenz des Preisbildungsprozesses im Sinne eines fairen MTMs Fungibilität der Kontrakte (Wiederbeschaffungsrisiko) Strukturelle Vorteile: Einheitliche Prozesse gewährleisten, dass die Sicherheiteneinforderung synchron mit den Bewertungszyklen erfolgt Kontrakte werden unter den Mitgliedern fungibel Marktteilnehmer brauchen nur mehr geringere Anzahl von Verbindungen mit Kontrahenten zu unterhalten M. Chlistalla, Seite 11
12 3 Zentrales Clearing (Central Counterparty Clearing) Ein CCP birgt Vorteile für Marktteilnehmer und fördert zugleich die Finanzmarktstabilität Wichtigste Vorteile zentralen Clearings sind: Effektive Verringerung des Gegenparteiausfallrisikos Erhöhte Transparenz über Risikopositionen für Aufsichtsbehörden (in Verbindung mit der Einführung von Datensammelstellen, sog. Trade repositories ) Weitere positive Aspekte: Erhöhung der operationellen Effizienz; Reduktion operationeller Risiken Effizientere Kapitalnutzung Höhere finanzielle Ressourcen im Insolvenzfall; Möglichkeit der Mutualisierung von Verlusten Positiver Einfluss auf Marktliquidität, insb. in Krisenzeiten Gleiche Wettbewerbsbedingungen auch für kleinere Institute M. Chlistalla, Seite 12
13 4 Implikationen für die Finanzmarktregulierung Internationale Regulatoren nehmen Derivatemärkte ins Visier G20 Gipfel Pittsburgh: Bis Ende 2012 sollen weitgehend alle standardisierten Derivatekontrakte über Börsen oder gegebenenfalls über elektronische Handelsplattformen gehandelt werden; das Clearing soll ausschließlich durch zentrale Gegenparteien erfolgen. Vorschläge der Europäischen Kommission: Zentrale Abwicklung aller standardisierten Derivate zentral über einen CCP Regulierung der Tätigkeiten von CCP auf EU-Ebene Erfassung sämtlicher standardisierten und nicht-standardisierten Derivategeschäfte in Datensammelstellen ( Trade Repositories ) Obergrenzen für spekulative Warenderivate ( Position Limits ) M. Chlistalla, Seite 13
14 4 Implikationen für die Finanzmarktregulierung Regulierungsansätze in Europa und den USA sind auf den Weg gebracht Status EU: Zwei Kommissionsmitteilungen (2009) Derzeit Konsultationsprozess mit den Mitgliedsstaaten bezüglich einzelner Aspekte der künftigen Derivateregulierung (Clearing-Verpflichtung Verpflichtung, organisatorischen Anforderungen, Governance) Entschließung des Europäischen Parlaments zur Gewährleistung effizienter, sicherer und solider Derivatemärkte (Juni 2010) Vorlage eines EU-Richtlinienentwurfs wird für September 2010 erwartet Status USA: Vorlage eines Gesetzentwurfs durch das Repräsentantenhaus (Dez. 2009) Verabschiedung einer ähnlichen Vorlage durch den Senat (Mai 2010) Beide müssen nun in Übereinstimmung gebracht werden; Abschluss und Unterzeichnung durch Obama wird noch vor Sommerpause erwartet M. Chlistalla, Seite 14
15 4 Implikationen für die Finanzmarktregulierung Vielzahl von Fragen derzeit noch nicht geklärt Gegenstand der öffentlichen und regulatorischen Debatten Optimale Anzahl zentraler Clearingstellen Duffie & Zhu (2009): Einführung eines einzigen CCP für eine bestimmte Assetklasse erhöht die Nettingeffizienz; aber: Einbeziehung eines zweiten CCP für dieselbe Assetklasse kann die Nettingeffizienz senken! Da monopolistischer CCP einen single point of failure darstellen kann, wird von regulatorischer Seite eine kompetitive Marktstruktur bevorzugt Interoperabilität von CCPs Competitive Clearing grundsätzlich erstrebenswert, denn Interoperabilität bringt Wettbewerb in den Markt für Clearing-Services Verbindungen zwischen CCPs könnten Ausgangspunkt neuer systemischer Risiken sein Inter-CCP-Risikomanagement: Sorge vor Liquiditätsengpässen und Dominoeffekten M. Chlistalla, Seite 15
16 4 Implikationen für die Finanzmarktregulierung Vielzahl von Fragen derzeit noch nicht geklärt Gegenstand der öffentlichen und regulatorischen Debatten Kreditgeber letzter Instanz Ob bzw. wann sollen CCPs zur kurzfristigen Sicherung ihrer Zahlungsfähigkeit Zugang zu Zentralbankgeldern erhalten? Liquiditätsbereitstellung erforderlich, wenn Clearingmitglieder temporär ihren Nachschusspflichten nicht nachkommen können Aufsicht über CCPs EU-Kommission besteht darauf, dass die Abwicklung bei einem CCP erfolgt, der in der EU ansässig ist Laufende Aufsicht und ggf. Rettung von in Not geratenen CCPs einfacher, wenn diese sich im eigenen Währungsraum befinden Übertragung der Aufsicht auf die zu schaffende Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) geplant M. Chlistalla, Seite 16
17 4 Implikationen für die Finanzmarktregulierung Vielzahl von Fragen derzeit noch nicht geklärt Gegenstand der öffentlichen und regulatorischen Debatten Zugang zu Informationen des CCP für Aufsichtsbehörden Alle Aufsichtsbehörden mit berechtigtem Interesse sollten uneingeschränkten Zugriff auf die in Datensammelstellen enthaltenen Informationen haben Frage der Granularität der zu publizierenden Daten noch ungeklärt Eigentümerstruktur und Unternehmensorganisation ( Governance ) Welches Governance-Modell schafft größtmögliche Anreize zu striktem Risikomanagement und konsequenter Risikoüberwachung? Clearingmitglieder (= Bürgen des Risikos, das ein zentraler Kontrahent auf seine Bücher nimmt) sollten ein Mitspracherecht in den jeweiligen Risikokomitees erhalten Marktteilnehmer sollten Anteile an einem Clearinghaus halten dürfen M. Chlistalla, Seite 17
18 4 Implikationen für die Finanzmarktregulierung Die Marktinfrastruktur muss gestärkt werden Zwischenetappe erreicht, aber Herausforderungen noch voraus Ziel: Große und stark vernetzte Finanzinstitutionen müssen im Falle ihres Scheiterns vom restlichen System isoliert werden und ohne große systemische Verwerfungen aus dem Markt ausscheiden können Marktteilnehmer sind bei der Stärkung der Infrastruktur bereits ein großes Stück voran gekommen: Kontraktstandardisierung, zentrale Abwicklung, zentrale Datensammelstellen t ll Zentrale Abwicklung bei dem Ziel der Erhöhung systemischer Stabilität effektiver als Handel von Derivaten über Börsen Aufsichtsbehörden und Marktteilnehmer erhalten mittels CCPs in Verbindung mit zentralen Sammelstellen für Marktdaten einen besseren Überblick über die Verteilung von Risiken im Markt M. Chlistalla, Seite 18
19 4 Implikationen für die Finanzmarktregulierung Was es zu beachten gilt Nutzung zentraler Datensammel- und Clearingstellen sinnvoll, aber Optimale Regulierung muss zwischen Wettbewerb und systemischer Relevanz abwägen Rechtssetzungsverfahren muss von engen Konsultationen mit der Branche und den Endnutzern begleitet werden Qualifikation einzelner Produkte / Produktklassen zum zentralen Clearing sollten unter Mitsprache der Clearingmitglieder erfolgen OTC-Derivatemärkte sind globale Märkte! Daher ist zur Vermeidung regulatorischer Arbitrage eine weltweite Harmonisierung geboten M. Chlistalla, Seite 19
20 Copyright Deutsche Bank AG, DB Research, D Frankfurt am Main, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe Deutsche Bank Research gebeten. Die vorstehenden Angaben stellen keine Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung dar. Alle Meinungsaussagen geben die aktuelle Einschätzung des Verfassers wieder, die nicht notwendigerweise der Meinung der Deutsche Bank AG oder ihrer assoziierten Unternehmen entspricht. Alle Meinungen können ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Die Meinungen können von Einschätzungen abweichen, die in anderen von der Deutsche Bank veröffentlichten Dokumenten, einschließlich Research-Veröffentlichungen, vertreten werden. Die vorstehenden Angaben werden nur zu Informationszwecken und ohne vertragliche oder sonstige Verpflichtung zur Verfügung gestellt. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Angemessenheit der vorstehenden Angaben oder Einschätzungen wird keine Gewähr übernommen. In Deutschland wird dieser Bericht von Deutsche Bank AG Frankfurt genehmigt und/oder verbreitet, die über eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht verfügt. Im Vereinigten Königreich wird dieser Bericht durch Deutsche Bank AG London, Mitglied der London Stock Exchange, genehmigt und/oder verbreitet, die in Bezug auf Anlagegeschäfte im Vereinigten Königreich der Aufsicht der Financial Services Authority unterliegt. In Hongkong wird dieser Bericht durch Deutsche Bank AG, Hong Kong Branch, in Korea durch Deutsche Securities Korea Co. und in Singapur durch Deutsche Bank AG, Singapore Branch, verbreitet. In Japan wird dieser Bericht durch Deutsche Securities Limited, Tokyo Branch, genehmigt und/oder verbreitet. In Australien sollten Privatkunden eine Kopie der betreffenden Produktinformation (Product Disclosure Statement oder PDS) zu jeglichem in diesem Bericht erwähnten Finanzinstrument beziehen und dieses PDS berücksichtigen, bevor sie eine Anlageentscheidung treffen. M. Chlistalla, Seite 20
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