Andrea Meng Predigttext: Lukas 2, 1 20; Lesung: Genesis 18, 1 10a, 17 19

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1 Kirchgemeinde St. Leonhard Gemeindehaus Stephanus, am 25. Dezember 2011 Andrea Meng Predigttext: Lukas 2, 1 20; Lesung: Genesis 18, 1 10a, Ehre sei Gott in der Höhe! Es geschah aber in jenen Tagen, dass ein Erlass ausging vom Kaiser Augustus, alle Welt solle sich in Steuerlisten eintragen lassen. Dies war die erste Erhebung; sie fand statt, als Quirinius Statthalter in Syrien war. Und alle machten sich auf den Weg, um sich eintragen zu lassen, jeder in seine Heimatstadt. Auch Josef ging von Galiläa aus der Stadt Nazaret hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heisst, weil er aus dem Haus und Geschlecht Davids war, um sich eintragen zu lassen mit Maria, seiner Verlobten, die war schwanger. Und es geschah, während sie dort waren, dass die Zeit kam, da sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe, denn in der Herberge war kein Platz für sie. Und es waren Hirten in jener Gegend auf freiem Feld und hielten in der Nacht Wache bei ihrer Herde. Und ein Engel des Herrn trat zu ihnen, und der Glanz des Herrn umleuchtete sie, und sie fürchteten sich sehr. Da sagte der Engel zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Denn seht, ich verkündige euch grosse Freude, die allem Volk widerfahren wird: Euch wurde heute der Retter geboren, der Gesalbte, der Herr, in der Stadt Davids. Und dies sei euch das Zeichen: Ihr werdet ein neugeborenes Kind finden, das in Windeln gewickelt ist und in einer Futterkrippe liegt. Und auf einmal war bei dem Engel die ganze himmlische Heerschar, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden unter den Menschen seines Wohlgefallens. Und es geschah, als die Engel von ihnen weggegangen waren, in den Himmel zurück, dass die Hirten zueinander sagten: Lasst uns nach Betlehem gehen und die Geschichte sehen, die der Herr uns kundgetan hat! Und sie gingen eilends und fanden Maria und Josef und das neugeborene Kind, das in der Futterkrippe lag. Und als sie es sahen, taten sie das Wort kund, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten gesagt wurde. 1

2 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten zurück und priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war. Liebe Schwestern und Brüder, Ehre sei Gott in der Höhe, singen die himmlischen Heerscharen, Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden unter den Menschen seines Wohlgefallens. Das kurze Engelslied ist die Mitte der Weihnachtsgeschichte. Nicht nur weil es ziemlich genau mitten drin steht, sondern auch in einem tieferen Sinn. Martin Luther hat gesagt: Wer diesen Lobgesang versteht, der versteht alles. Ich will mich deshalb gerne aufmachen, und zu verstehen versuchen, was die Engel da singen. In der Hoffnung, dass Luther recht hat, und dass ich dann ein bisschen etwas vom Geheimnis von Weihnachten verstehe. Eine Pfarrkollegin hat mir schmunzelnd erzählt, welche Mühe sie bei den Krippenspielproben damit hatte, dem Chef-Engel seinen Text beizubringen. Immer wieder ist er über diese drei Zeilen gestolpert, hat die Worte vom Frieden auf Erden, der Ehre in der Höhe und den Menschen des Wohlgefallens verdreht. Und vor allem war ihm nicht klar zu machen, dass Ehre sei Gott in der Höhe auf Dialekt heissen muss d Ehr syg Gott in dr Höchi und nicht är syg Gott in dr Höchi. Är soll hoch oobe Gott sy darunter kann sich ein kleiner Engel etwas vorstellen. Aber d Ehr, die Ehre, wer weiss schon, was das sein soll... Rein sprachlich verstehen wir zwar, was Ehre ist. Aber weshalb singen die himmlischen Heerscharen so? Wechseln wir, um der Ehre Gottes auf die Spur zu kommen, noch einmal den Ort. Lukas erzählt von einem jungen Paar und von einer ganz und gar unspektakulären Geburt. Es geschah, dass sie gebären sollte. Und sie gebar. Eine Geburt ist ja nie eine völlig nebensächliche Angelegenheit. Sie bringt zumindest das nächste Umfeld ein bisschen in Aufregung. Aber diese Geburt, von der hier erzählt wird, ist so unspektakulär, wie eine Geburt nur eben sein kann. In modernen Weihnachtsgeschichten wird uns gerne von höchst dramatischen Geburtsszenen erzählt. Irgendwo draussen im eisigkalten Schneegestöber spielen sie sich ab. Oder in einem überfüllten Empfangszentrum für Flüchtlinge. Oder eine minderjährige Mutter gebiert ihr Kind mutterseelenallein in einem Versteck. Vor dem dramatisch-dunklen Hintergrund soll dann das Wunder der Geburt umso heller leuchten. Lukas erzählt anders. Die Geburt leuchtet zunächst gar nicht 2

3 besonders hell das Kind umglänzt kein goldener Schein. Wir zügeln in unserer Vorstellung und in unseren Krippen (zumindest dann, wenn sie nicht ganz so wohlüberlegt aufgestellt werden wie unsere Stephanus- Krippe draussen...) wir zügeln die Engelscharen ganz gerne in den Stall. Da singen sie auf unsern Bildern ihr Gloria, verzuckern Maria und Josef und das Kind und prägen uns das idyllische Bild der idealen Familie tief ein. Aber da sind keine singenden Engelein bei der Krippe. Es ist einfach eine ganz normale Geburt. Vielleicht so, wie sie in unserer Zeit dutzendfach irgendwo in einem Regionalspital vorkommt, ohne grosse Zwischenfälle. Nicht auf der Privatabteilung. Aber auch nicht in der Besenkammer. Maria und Josef haben ein Dach über dem Kopf. Vermutlich sind die Verhältnisse für eine Geburt in jener Zeit gar nicht so verheerend schlecht. Also eben, einfach eine normale Geburt, der man nichts anmerken würde. Wenn... wenn nicht zur gleichen Zeit an einem andern Ort etwas ganz und gar nicht normales geschähe. Dort, wo die Hirten mit ihren Herden die Nacht verbringen, draussen auf dem freien Feld, da reisst der Himmel auf. Und im offenen Himmel, dort, wo sie ein bisschen mehr wissen als wir, dort wird Gott geehrt. Da singen nun die Engel und verzuckern nicht jene heilige Familie, sondern überstrahlen das Alltagsleben, die Arbeitsnacht der Hirten. Da singen die Engel Gottes Lob und stellen damit alles in ein anderes Licht was dort in Bethlehem geschieht ist anders als alles, was je auf der Welt geschehen ist. Nicht, weil die Familie besonders heilig oder der Stall voller Glanz und Gloria wäre. Aber weil, was da geschieht, Gottes Geschehen ist. Ihm gebührt dafür die Ehre. Das Kind, das zur Welt gekommen ist, öffnet den Himmel. Vor zwei Wochen haben wir hier im Gottesdienst auf das Benedictus, das Lied des Zacharias gehört. Er singt, Gott werde die Menschen besuchen, es werde sich ein Aufgang aus der Höhe ereignen. Nun ist es wahr geworden. Dort, in der Höhe hat sich Gottes Ehre erwiesen. Da singen die Engel ihm entgegen. Dort haben sie es schon verstanden. Dort ist die Sonne schon aufgegangen, die heller scheint als alles, die höher steigt als alle Höhen, die wir uns vorzustellen vermögen. Ehre sei Gott, diesem Gott in der Höhe. Ehre sei ihm für diese scheinbar so ganz normale Geburt. Ehre sei ihm, weil er nicht in der Höhe geblieben ist. Vom Frieden auf Erden singen die Engel weiter. Was für uns nach frommem Wunsch klingt, war den Menschen zu jener Zeit zumindest dem Begriff nach nicht fremd. Der Kaiser Augustus hat für sich in Anspruch genommen, diesen Frieden in seinem Reich hergestellt zu haben. Als pax romana, römischer Frieden, oder nach ihm benannt eben auch als pax Augusta, Frieden des Augustus, bezeichnet man die Zeit, die mit der 3

4 Herrschaft des Augustus begonnen hatte. Im römischen Reich war es eine Zeit von blühender Wirtschaft und Kultur, von innerer Stabilität und Wohlstand. Augustus hatte sein Reich im Griff. Mit dem inneren Frieden einher ging aber eine Reihe von brutalen Kriegen, die an den Grenzen geführt wurden. Das Reich expandierte beständig, den Eroberungen fielen selbstredend zahllose Menschenleben zum Opfer. Und im Innern basierte das Regime des Augustus auf dem bedingungslosen Gehorsam des Volkes. Wenn befohlen wird, man solle sich in Steuerlisten eintragen, so macht man sich auf den weiten Weg. Man wird mehr Steuern zahlen müssen, mehr abgegen von dem Wenigen. Aber was will man schon sagen als Nutzniesser des römischen Staates, dieses kaiserlichen Friedensreiches. Und nun singen die Engel vom Frieden auf Erden. Es ist kein Zufall, dass sie erst als zweites davon singen, nachdem von der Ehre Gottes die Rede war. Der Friede, den sie besingen ist kein kaiserlich unterjochter, keiner, dem an den Grenzen des Reiches Menschenleben zum Opfer fallen, keiner, den ein unüberschaubarer Stab von Beamten mit Repressionen durchsetzt. Der Friede, von dem die Engel singen, der blüht da, wo Gott die Ehre gegeben wird. Da aber, da breitet er sich von selber aus, unaufhaltsam, wie ein Unkraut. Das Heil der Welt bleibt aus, wo sich der Mensch als Heiland auf den Thron setzt. Der Frieden stellt sich ein, wo Menschen im Wissen um die eigene Ohnmacht dem Gott in der Höhe die Ehre geben. Der Friede Gottes macht sich nicht von politischen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten abhängig. Er ist Friede inmitten von irdischem Unfrieden. Frieden ist auf Erden, singen die Engel Frieden ist, da wo dem höchsten Gott die Ehre gegeben, da wo ihm sein Gott-Sein zugetraut wird, wo Menschen sich in ihrer Ohnmacht seiner Macht anvertrauen. Da ist Gottesehre. Da ist Erdenfrieden. Und da sind die Menschen, an denen Gott Wohlgefallen hat, liebe Schwestern und Brüder. Es sind nicht, wie es manchmal übersetzt wird, die Menschen guten Willens. Nein, es sind eben gerade Menschen, deren eigener Wille ganz unwichtig geworden ist, weil sie von Gott überrascht werden und sich eilends auf den Weg machen zu ihm hin. Sie, die Hirten, und durch die Zeiten hindurch viele mit ihnen, sind zu Menschen geworden, an denen Gott Wohlgefallen hat; Menschen, die sein Frieden erfüllt, weil sie ihn ehren. Die Hirten tun das freilich nicht sofort. Die Reihenfolge der Ereignisse ist wunder-voll und so lebensnah, finde ich. Völlig überraschend, aus heiterem Nachthimmel begegnet den Hirten Gottes Verheissung. Sie selber tragen nicht das Geringste dazu bei. Ihr Beitrag ist es dann erst, dass sie sich auf den Weg machen. Noch nicht jubilierend, sondern einfach voller 4

5 Gwunder, um zu sehen, was ihnen verkündet worden ist. Sie gehen zur Krippe, aus der vielleicht einmal ihre eigenen Tiere gefressen haben, und die jetzt, wo die Schafe draussen auf dem Feld sind, frei geworden ist. Sie gehen an einen Ort, der ihnen bestens vertraut ist, der etwas Gewöhnliches und Alltägliches an sich hat. Das gute Wort Gottes muss sich im Alltäglichen bewähren. Es hält dem stand, dass man es ausprobiert, dass man hingeht und genauer wissen will. So, wie sich erst im Alltag zeigen wird, ob sich die Spielsachen, die am Heiligen Abend unter dem Baum liegen, bewähren. Man muss sie ausprobieren. Die Hirten gehen hin und sehen nach. Und dann sind sie es, die den Eltern sagen, was es mit diesem Kind auf sich hat. Sie haben den Engelchor gehört, haben ausprobiert, ob die Botschaft verlässlich ist. Und nun, da Gottes Wort sich bewährt hat, nun können sie die Weihnachtsbotschaft weitersagen. Ehre sei Gott in der Höhe, haben die Engel gesungen. Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden unter den Menschen seines Wohlgefallens. Wer diesen Lobgesang versteht, versteht alles. Und verstehen heisst hier: Dem Gotteswort etwas zutrauen. Hingehen und sehen, ob es sich im Alltag bewährt. Und dann still werden und anbeten, sich beschenken lassen und es weiter erzählen, wie dieses Kind uns und die Welt bewegt. Amen. 5