Predigt im Gottesdienst zum 1. Pfingstfeiertag 2011 im Dom zu Braunschweig mit Taufe. LB Friedrich Weber
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- Christian Holst
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1 Predigt im Gottesdienst zum 1. Pfingstfeiertag 2011 im Dom zu Braunschweig mit Taufe LB Friedrich Weber Text: Joh 16, Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? 6 Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer. 7 Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden. 8 Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; 9 über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben; 10 über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht; 11 über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. 12 Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. 13 Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. 14 Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen. 15 Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er wird's von dem Meinen nehmen und euch verkündigen. Liebe Gemeinde, während des 33. Deutschen Evangelischen Kirchentages hat mein eben gerade in sein Amt eingeführter - anglikanischer Kollege Nicholas Baines, Bischof von Bradford, in der Dresdner Frauenkirche eine Bibelarbeit gehalten, die nicht nur wegen des berühmten englischen Humors etwas Besonderes war. Dass diese Stunde mit ihm einen so eindrücklichen und nachgehenden Charakter hatte, lag wohl auch daran, dass er der deutsch sprechende Brite aus einer Familie stammt, deren Angehörige Bombenangriffe auf Dresden geflogen haben. Baines war sich der Situation bewusst und hat sie benannt: er würde an diesem Ort denen die Bibel auslegen, deren Väter und Großväter wie die seinen auch, involviert waren in das Grauen des 20. Jahrhunderts und dabei Feinde gewesen sind. 1
2 Er, der Engländer, der in Liverpool groß geworden ist und weiß, wie viele Braunschweiger auch, wie elend es sich in einer zerbombten Stadt lebt, er sprach jetzt in dieser Kirche, deren Geschichte vielen Menschen zum Symbol für die Narben des Krieges und die Hoffnung auf Frieden und Versöhnung geworden ist. Mit anderen Worten: Nicholas Baines hat viel Sinn für den Kontext eines Wortes, einer Situation. Darum wohl auch sagte er, dass unsere sonntägliche Methode, die Bibel in Abschnitten zu lesen und zu erklären und dann zu hoffen, man würde sie verstehen ungefähr so wäre, wie wenn man eine Seite aus dem Faust oder dem Zauberberg lesen würde und meinte, man verstünde etwas von Goethe und Mann oder sich für einen Mozartexperten hielte nur weil man regelmäßig zwei, drei Takte Mozart hört. Wir brauchen den Zusammenhang unseres Lebens und unserer Gemeinde, den Zusammenhang, den Gottes Geist stiftet, um zu hören, was er uns sagt und natürlich: gut wäre es, wir würden immer mal wieder ein Stück weiter lesen. Woher kommen wir also an diesem Morgen, wie hören wir Gottes Wort, was ist der Kontext unseres Lebens? Mit welchen Gedanken sind Sie aufgebrochen hierher? Ist es eine verlässliche Gewohnheit, sich sonntäglich zurüsten zu lassen für das, was kommt oder der immer neue Versuch, das Stück des Fadens zu finden, das nur meines ist? Ist es die Unruhe, die innere Orientierung zu verlieren oder der Anspruch an uns selbst, der uns zu Gottesdienstbesuchern macht? Gehören Sie zur Tauffamilie des kleinen Fritz Ferdinand, der heute hier in die Gemeinde Jesu Christi getauft werden soll? Oder haben Sie am vergangenen Sonntag unter irgendeiner Kanzel gesessen und auf die Geschichte von Ruth gehört, die so denkwürdig sagte: Wo du hingehst, da will auch ich hingehen. Vielleicht ist ihnen dabei bewusst gewesen, wie viel das bedeutet: dass einer mit mir geht. Vielleicht hatte das auch etwas mit Nachfolge zu tun und muss heute zuende gedacht werden. Vielleicht sind Sie, wie 1500 andere Menschen unserer Landeskirche auch, in Dresden gewesen und haben sich daran gefreut, mit so vielen Menschen unterwegs zu sein, die uns fröhlich entgegen kommen und als Christenheit eine ganze Stadt zu prägen? War das nicht ein Pfingstfest vor dem Herrn? 2
3 Oder Sie haben gearbeitet, waren beschäftigt mit all dem, was jeder einzelne Tag bringt und auch an Feiertagen weitergehen muss. Vielleicht ist einfach nur ganz unspektakulär Zeit vergangen und sind große Fragen außen vor geblieben Irgendwo zwischen all dem sind wir. Und genau da hinein wird es Pfingsten. Da hinein kommt der Geist, der beflügeln, befreien und trösten will. Da hinein hören wir, so unvermittelt wie Baines es beschrieben hat, folgenden Text: Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer. Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; über die Sünde, dass sie nicht an mich glauben; über die Gerechtigkeit, dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht; über das Gericht, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden, sondern was er hören wird, das wird er reden und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er es nehmen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: er wird es von dem Meinen nehmen und euch verkündigen. Manches Mal gehen unsere Gedanken wandern, während wir zuhören. Manches Mal bleibt nur ein Satzstück hängen, eine Zeile, ein Wort. Welche waren es eben? Vielleicht diese: Niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? Es ist gut für euch, dass ich weggehe. 3
4 Ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Das klingt nicht sehr pfingstlich. Das hört sich nach Abschied an und Trennung, nicht nach Geburtstag, Leben und Licht. Eigentlich sind es Worte, die uns ärgern könnten und fassungslos machen müssten, denn sie klingen seltsam distanziert. Was nützt es denn angesichts von Tod und Sterben, am Scheideweg einer Beziehung, beim Zerbrechen einer Liebe noch danach zu fragen, wohin einer geht? Das trägt nichts mehr aus und ist nicht mehr wichtig. Die Lücke und die Leere werden unser Leben prägen, damit werden wir klarkommen müssen. Und warum sollte es gut sein, wenn der geht, an dem wir hängen? Warum sollte es einfacher werden, Jesus Christus nachzufolgen, wenn er nicht mehr unter uns ist? Warum sollten wir nicht ertragen können, was gesagt werden muss? Und hat all das etwas mit den Fragen und Situationen zu tun, mit denen wir an diesem Morgen hergekommen sind? Hat Nicholas Baines nicht recht, wenn er meint, wir rissen nur ein Stück aus dem Zusammenhang? Ja, hat er und doch: es ist ein wichtiges Stück, es lohnt, diesen Brocken genauer anzusehen. Denn es ist Jesu Testament. In diesen sogenannten Abschiedsreden eröffnet er uns seinen anderen und je weiteren Horizont. Johannes beschreibt, wie Gottes Geist wirken wird und vertraut auf dessen Kraft. Er weiß, dieser eine verlässt uns nicht, weil er uns allein lassen will, weil er nicht mehr mit uns auskommt, nichts mehr von uns erwartet oder nichts mehr mit uns vorhat. Er verlässt uns auch nicht, weil ihm die Kraft oder der Lebensmut fehlen würde. Er geht, weil die Zeit reif ist. Er geht, damit der Tröster kommen kann. Er geht, weil er uns zutraut, mündige Christen zu sein. Jesus erklärt seinen Jüngern nicht alles im Detail, begründet und rechtfertigt nicht. Alles, was es noch zu sagen gäbe, würde jetzt nur weh tun vielleicht ja auch ihm. Es reicht für den Moment zu wissen: es ist gut so. Denn: Die Welt wird die Augen auftun. 4
5 Ja, es ist ein Text aus dem Zusammenhang gerissen, aber seine Schlüsselworte sind unser täglich Brot egal in welchem Kontext sie auftauchen. Sie heißen Erkenntnis, Wahrheit, Gerechtigkeit, Trost. Was also ist der Kontext, in den hinein das gesprochen wird? Sind es unsere kleinen ganz privaten Sorgen und Nöte? Ja, sicherlich. Ganz gewiss. Nirgends steht, dass eine Not zu klein wäre, um nicht vor Gott gebracht zu werden, um seines Geistes nicht zu bedürfen. Wir brauchen Erkenntnis, Wahrheit, Gerechtigkeit und Trost, um alle Tage zurecht zu kommen und nicht die Orientierung zu verlieren. Wir brauchen Erkenntnis, Wahrheit, Gerechtigkeit und Trost, um unserem Alltag gerecht zu werden und den Menschen, mit denen wir leben, liebevoll zu begegnen. Und ganz sicher hoffen Sie liebe Eltern und Paten auf all das für Ihr Kind, damit es behütet bleiben möge auf seinen Wegen, nicht verloren geht. So gesehen ist es ja ein besonders guter Termin heute zu Pfingsten - hier mitten im Festgottesdienst zu taufen. Denn der Geburtstag der Kirche geschieht nicht im Verborgenen. Dass Gott seinen Geist schickt und uns so Mut zur Mündigkeit macht, soll diese Welt spüren und erleben, es soll sie menschenfreundlicher und besser machen. Wir leben in einer Welt, in der es nicht mehr selbstverständlich ist, zu einer Kirche zu gehören. Wir leben in einer Welt, in der wir uns von der Angst vor mutierten Krankheitserregern jagen lassen und in der wir kaum noch verantworten können, was wir unseren Kindern hinterlassen. Aber wir leben auch in einer Zeit erwachenden Bürgersinns. Stuttgart 21 hat das genauso gezeigt wie dieser Kirchentag. Wir leben in einer freiheitlichen Demokratie, die noch immer danach fragt, was Christen denken. Wir leben in einem Land, in dem wir unseren Glauben frei bekennen und leben dürfen und das sollten wir kraft des heute verliehenen Geistes auch tun! Wir können also mündig und frei gestalten und in Angriff nehmen, was Not tut, weil es der Geist der Wahrheit ist, der mit uns geht. So ist dieser schwierige Text nicht nur eine Abschiedsrede, sondern vor allem auch ein Pfingstlied, das uns leben hilft nicht allein, aber auf eigenen Füßen. Amen 5
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