Flexibilisierung der Arbeit: Zeit, Ort, Lohn. Vorlesung Arbeitspsychologie und Ergonomie WS 2006/07 Teil Arbeitspsychologie Dr.
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- Andreas Huber
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1 Flexibilisierung der Arbeit: Zeit, Ort, Lohn Vorlesung Arbeitspsychologie und Ergonomie Teil Arbeitspsychologie
2 Was passiert heute? Seite 2 Klassifizierungen von Flexibilität Zahlen Argumente für und gegen Flexibilität Flexibilität: Wie gemessen und wie erlebt? Interviewleitfaden und -aussagen Fragebogen und -ergebnisse
3 Formen der Flexibilität von Arbeit I Seite 3 Flexibilität über den Externen Arbeitsmarkt - z.b. Einstellungen, Entlassungen, Temporärarbeit, Teleheimarbeit oder Outsourcing - betrifft Beschäftigungssicherheit - dient dazu, deutliche Schwankungen im Arbeitsvolumen zu bewältigen Internen Arbeitsmarkt - z.b. Teilzeitarbeit, Jahresarbeitszeit, Flexibilität in Arbeitsaufgabe / Arbeitsort, Reorganisation - betrifft Beschäftigungssicherheit nicht (OECD, 1989)
4 Formen der Flexibilität von Arbeit II Seite 4 zeitliche Flexibilität / Flexibilität der Arbeitszeit Teilzeit, Schichtarbeit, Gleitzeitmodelle, Jahresarbeitszeit, funktionale Flexibilität / Flexibilität der Arbeitstätigkeit Polyvalenz, Job Rotation räumliche Flexibilität / Flexibilität des Arbeitsortes mobile Arbeit, Telearbeit, Arbeit an mehreren Standorten finanzielle Flexibilität leistungsabhängige Lohnmodelle, Profit Center numerische Flexibilität Outsourcing, befristete Beschäftigung, Arbeit auf Abruf (Reilly, 1998)
5 Flexibilität in der Schweiz Seite 5 (Arvanitis, Hollenstein & Marmet, 2002)
6 Finanzielle Flexibilität in 30 europäischen Firmen Seite 6 Leistungsabhängiges Lohnmodell Qualitätsabhängiger Lohn 16% 12% Bonussystem, Profit-Sharing Mitarbeiter-, Team- und Firmenkomponente 76% 64% (Arvanitis, Hollenstein & Marmet, 2003)
7 Gründe für Flexibilität in 30 europäischen Firmen Seite 7 Fluktuation in der Nachfrage Konjunkturbedingte Fluktuation Saisonale Fluktuation Reduktion der Lohnkosten Wunsch der Beschäftigten Stellvertretung (Mutterschaft, Krankheit) Temporärarbeit oder besondere Arbeitsaufgaben Probezeit Keine Erhöhung des Personalbestandes Teilzeit 26% 17% 17% 17% 65% Befristete Verträge 40% 26% 34% 4% 4% 56% 40% 32% 24% (Arvanitis, Hollenstein & Marmet, 2003)
8 Vor- und Nachteile von Flexibilität für den Arbeitnehmenden? Seite 8 zeitlich funktional Vorteile Vereinbarkeit, an Bedürfnisse anpassen, bei Tageslicht arbeiten Spannend, Horizonterweiterung Nachteile Sozialleben leidet, unangenehme Arbeitszeiten, gesundheitliche Probleme Fehlende Routine räumlich finanziell numerisch Bei langen Arbeitswegen, spannend (Ausland) Leistung wird belohnt Keine Überzeit, guter Nebenjob, gesuchte Fähigkeiten Schlecht vereinbar Kein fester Lohn, Konkurrenz, Arbeitsdruck steigt, nicht fair Arbeitsplätze verschwinden, schlechter bezahlt
9 Flexibilität: Wie gemessen? Seite 9 Interview mit Mitarbeitenden (oftmals Betroffene) mit Führungskräften oder Personalleitern (Entscheidungsträger) Fragebogen adressiert an Auskunftspersonen in Firmen (Beschäftigungsstatistik ) an Mitarbeitende an Führungskräfte oder Personalleiter
10 Interviewleitfaden zur Flexibilität für Führungskräfte und Personalleiter (Raeder & Haraszymowicz; gekürzt) Seite 10 Welche Formen der Flexibilisierung wurden eingeführt und umgesetzt? Zeitliche Flexibilität: z.b. flexibles Schichtmodell, Gleitzeit, Jahresarbeitszeit, Lebensarbeitszeit, Sabbatical, Zeitautonomie in der Arbeitsgruppe, Geld-Zeit-Option)? Wird sie von einem Lohnmodell unterstützt? Funktionale Flexibilität: z.b. Gruppenarbeit, job rotation, - enrichment, - enlargement, Projektarbeit? Räumliche Flexibilität: z.b. Telearbeit, mobile Arbeit, desk sharing? Numerische Flexibilität: z.b. Zeitarbeit, befristete Beschäftigung, befristet Beschäftigte für qualifizierte Projektarbeit, Saisonarbeit, Beratungsverträge, Outsourcing, Teleheimarbeit? Wie segmentieren Sie die Belegschaft (z.b. Kernbelegschaft als qualifizierte Mitarbeitende und unqualifizierte Arbeitskräfte)? Wie unterscheiden sich Stammbelegschaft und befristet Beschäftigte in Zahl, Vertragsdauer, Tätigkeiten, Bedingungen der Beschäftigung, Qualifikationen oder Lohn? Finanzielle Flexibilität: z.b. Leistungskomponente im Lohn, Cafeteria-System für Vergütungen, Profit Center, Cost Center? Inwieweit wurden in den Flexibilisierungsprozessen berücksichtigt: Unternehmensinteressen (z.b. Maschinenauslastung, Auftragslage, Ansprechbarkeit der Abteilung)? persönliche Wünsche der Mitarbeitenden: Werden die Wünsche der Beschäftigten gleichermassen berücksichtigt oder gibt es Unterschiede je nach Alter, betrieblicher Funktion, sozialer Situation der Beschäftigten? In welchen Bereichen werden die Wünsche der Mitarbeitenden besonders berücksichtigt? Haben Mitarbeitende Wahlmöglichkeiten? Ist Mitbestimmung der Mitarbeitenden bei der Einführung und im Alltag? Inwieweit ist Partizipation möglich? Orientierungsmassnahmen: Inwieweit stellt die Organisation durch entsprechende Orientierungsmassnahmen Stabilität sicher? Folgen: Welche Folgen entstehen für die Mitarbeitenden? Unterscheiden sich Folgen z.b. nach Alter oder Firmenzugehörigkeit?
11 Flexibilisierung in 14 Firmen (Interviews mit 64 Führungskräften und Personalverantwortlichen) Seite 11 Types of flexibility Numerical Functional Temporal Locational Financial Companies with high degree of work flexibility A Insourcing Internal job changes Flexitime Telework - B Insourcing Project work Flexitime - Performance-related pay C D "Skill change", i.e. reduction in technically skilled staff and recruiting of staff skilled in information technology Temporary employment due to reduction of permanent employment, sub-contracting Companies with medium degree of work flexibility Decrease in functional flexibility due to centralisation of regional into divisional structure Job rotation, high functional flexibility due to reduction of headcount Flexitime - Performance-related pay Annual hours contract Mobile work Performance-related pay E - Project work, multiskilling Flexitime - Highly performancerelated pay F Multiskilling, decrease in functional flexibility due to reorganisation and new units G Project work, multiskilling Shiftwork (24h, 7 days), employees define personal exceptions of working time table Shiftwork (24h, 7 days) - - H Sub contracting Project work, multiskilling Highly flexible model of parttime working I - Project work, high degree of multiskilling - - Telework Shiftwork, flexitime - - K - Project work, multiskilling Flexitime - - Companies with low degree of work flexibility L - Project work Annual hours contract, flexitime Highly performancerelated pay - Performance-related pay M - Project work Flexitime - Performance-related pay N - Internal job changes Flexitime - - O Performance-related pay
12 Fragebogen Seite 12 Fragebogenskala zu jeder Flexibilitätsform: Fragebogenskala = 2 oder mehr Fragen (Items) zu einem Thema Inhalt wird reliabel (= zuverlässig) erfasst, d.h. alle Items messen den gleichen Inhalt - Grundannahme: Messwert = wahrer Wert + Fehlerwert - Fehler können durch Skala berechnet werden Jedem Punkt der Antwortskala wird ein Wert zugewiesen - z.b. nein = 1, teilweise = 3, ja = 5 Reliabilität = Interkorrelation der Items einer Skala - sehr gute Reliabilität (= Cronbach s Alpha) ca..80
13 Messung Art der zeitlichen Flexibilität: Nominalskala Seite 13 Welche Möglichkeiten der Flexibilität der Arbeitszeit haben Sie bisher genutzt (Mehrfachantwort möglich)? andere: Nominalskala flexible Arbeitszeit mit flexiblem Arbeitsbeginn/-ende Jahresarbeitszeit Teilzeitarbeit Schichtarbeit bezahlter Bildungsurlaub unbezahlter Urlaub keine
14 Messung funktionale Flexibilität Seite 14 Übernehmen Sie neben ausführenden Aufgaben auch Aufgaben der Planung und Kontrolle? Verfügen Sie in Ihrer Arbeitstätigkeit über Entscheidungs- und Kontrollspielraum? Können Sie in Ihrer Arbeitstätigkeit neue Fähigkei ten erwerben? Wird dieser Erwerb neuer Fähigkeiten durch Weiterbildung unterstützt? Können Sie neue Fähigkeiten durch Job Rotation, Projektarbei t oder interne Stellenwechs el erwerben? Wird ein Stellenwechsel in andere Abteilungen im Unternehmen gefördert? Werden Ihre Wünsche und Bedürfniss e hinsichtlich der Flexibilität Ihrer Arbeitstätigkeit berücksichtigt? nein eher nein teil s-teils eher ja ja Intervallskala α =.72
15 Messung finanzielle Flexibilität Seite 15 Entspricht die Entlöhnung mit festem und variablem Lohnantei l Ihren Wünschen und Bedürfniss en? Beurtei len Sie die finanziellen Anreize durch die Leistungskomponente des Lohnmodelles als ausreichend? Beurtei len Sie die Verteilung des variablen Lohnantei ls im Vergleich zu Arbeitskolleginnen und -kollegen als gerecht? nein eher nein teil s-teils eher ja ja Intervallskala α =.80
16 Messung Reorganisation Seite 16 Wurden Sie frühzeitig über die geplante Reorganisation informiert? Gab es während der Reorganisation Möglichkei ten der Mitbestimmung für die Mitarbei tenden? Wurde die Reorganisation durch Orientie rungsmassnahme n unterstützt? Ha ben Sie während der Reorganisation oder kurz danach auch daran gedacht, das Unternehmen zu verlass en? (recoded) nein eher nein teil s-teils eher ja ja Intervallskala α =.73 α =.74 (nur Items 1-3)
17 Vergleich der Sichtweise von Mitarbeitenden und Vorgesetzten Seite 17 Schriftliche Befragung von 750 Mitarbeitenden und Interviews mit 64 Führungskräften und Personalverantwortlichen aus 14 Firmen Führungskräfte überschätzen: die Gerechtigkeit des flexiblen Lohnsystems (finanzielle Flexibilität) Führungskräfte berücksichtigen: die Bedürfnisse der Mitarbeitenden bei flexiblem Einsatz an anderen Arbeitsorten im Ausland zu wenig (räumliche Flexibilität) meistens nicht, dass hohe Spezialisierung Lernprozesse on-the-job verhindert (Ausnahme: Consulting) (funktionale Flexibilität) Nur in 50% der Firmen berücksichtigen flexible Arbeitszeitsysteme die Bedürfnisse der Mitarbeitenden
18 Messung psychologischer Aspekte von Flexibilität (Reorganisation, Personalabbau): kleinster gemeinsamer Nenner Seite 18 Ich wurde frühzeitig über die geplante betriebliche Veränderung informiert. Während der Umsetzung der betrieblichen Veränderung hatte ich Möglichkeiten der Mitbestimmung. Meine persönlichen Bedürfnisse wurden bei der Umsetzung der betrieblichen Veränderung berücksichtigt. Während der Umsetzung der betrieblichen Veränderung wurde ausreichend Unterstützung angeboten. Trifft nicht zu Trifft eher nicht zu Teils-teils Trifft eher zu Trifft zu!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! In den letzten 12 Monaten Trifft nicht zu Trifft eher nicht zu Teils-teils Trifft eher zu musste ich mich in neue Aufgaben einarbeiten.!!!!! ist der Arbeitsdruck gestiegen.!!!!! hat sich die Zusammenarbeit mit Kollegen verbessert.!!!!! hat sich meine berufliche Position innerhalb der Firma verbessert. Trifft zu!!!!! hat sich meine Arbeitssituation insgesamt verbessert.!!!!! 3 Skalen: Information, Partizipation & Unterstützung: Items 1-3 α =.76 Neue Aufgaben und Arbeitsdruck: Items 5-6 α =.38 Verbesserung: Items 7-9 α =.79
19 Wie bewerten Mitarbeitende Flexibilität (Reorganisation, Personalabbau)? Seite 19 Verbesserung Information, Partizipation, Unterstützung mehr Druck und neue Aufgaben 1=in geringem Ausmass, 3=teilweise, 5=in grossem Ausmass Schriftliche Befragung von 400 Mitarbeitenden (mit/ohne Führungsfunktion) aus 3 Unternehmen
20 Kontinuum der Partizipation Seite 20 No (advance) information is given to employees about a decision to be taken. Employees are informed in advance of the decision to be made. Employees can give their opinion about the decision to be made. Employees opinions are taken into account in the decision process. Employees have a veto, either negatively by blocking a decision that has been made, or positively by having to concur in advance. The decision is completely in the hands of organization members, with no destinction between managers and subordinates. (Dachler, H.P. & Wilpert, B. (1978). Conceptual dimensions and boundaries of particiaption in organizations: a critical evaluation. Administrative Science Quarterly, 23, 1-39.)
21 Vergleich der Messinstrumente und Ergebnisse Seite 21 Interviews Hohe externe Validität = Messung bildet Realität ab und die Ergebnisse sind für die Realität nutzbar Reichhaltige Information Fragebogen Statistisch auswertbar Instrumente variieren im Hinblick auf Reliabilität und Validität Hohe Reliabilität Hohe interne Validität = es wurde überprüft, dass das Instrument das misst, was es messen soll
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