Kompetenzorientierung und Theorie-Praxis-Verzahnung als didaktische Leitlinien im Projekt NOW
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- Frauke Kaufman
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1 Kompetenzorientierung und Theorie-Praxis-Verzahnung als didaktische Leitlinien im Projekt NOW Als Zielgruppen im Projekt NOW gelten Berufstätige (Ausbilder/innen/ Praxislehrer/innen, Berufsschullehrer/innen, Bildungsmanager/innen und Lernbegleiter/innen), Personen mit Familienpflichten, Berufsrückkehrer/innen, Studienabbrecher/innen und arbeitslose Akademiker/innen. Es gilt also, Studienformate für ein Klientel zu entwickeln, welches sich u.a. hinsichtlich der Studienmotivation und der für ein erfolgreiches Studium benötigten Rahmenbedingungen deutlich von so genannten traditionellen Studierenden unterscheidet. Zieht man in Betracht, dass in grundständigen Lehramtsstudiengängen an der Universität Erfurt bisher nur wenige Erfahrungen mit berufsbegleitend Studierenden vorliegen 1 und der überwiegende Teil universitärer Lehrveranstaltungen in Form von klassischen Seminaren, Vorlesungen und Übungen angeboten wird, ist es plausibel, für die projektbezogene Programmentwicklung intensiver über Fragen der passenden didaktischen Gestaltung spezifisch berufsbegleitender Studienformate nachzudenken. Als Ankerpunkte dienen im Rahmen der Projektarbeit hier theoretische und empirische Arbeiten aus den Bereichen der Erwachsenenbildung, der allgemeinen Erziehungswissenschaft und der Hochschuldidaktik (vgl. exemplarisch Faulstich 2006; Hansen 2007; Koring 1999; Metzger 2010; Obolenski/Meyer 2003). Als eine das gesamte Projekt überspannende Perspektive auf Lehr- und Lernformate auf konzeptioneller Ebene dient die Kompetenzorientierung, die insbesondere auch in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern eine entscheidende Rolle spielt. Die Kultusministerkonferenz hat hier in den Standards für die Lehrerbildung (vgl. KMK 2004) didaktisch-methodische Umsetzungsvorschläge veröffentlicht, an denen sich auch die im Rahmen des Projektes NOW zu entwickelnden Formate orientieren: Für die Vermittlung lehramtsbezogener Inhalte kommen [somit, A.S.] u.a. die folgenden Ansätze in Frage: Situationsansatz Fallorientierung Problemlösestrategien Projektorganisation des Lernens biographisch-reflexive Ansätze Kontextorientierung Phänomenorientierung. (KMK 2004, 5) Zielgruppe Konsequenzen für NOW theoretische und empirische Grundlagen Kompetenzorientierung In Ergänzung hierzu und um den berufsbegleitend Studierenden die Möglichkeit zu geben, neben fachlichem Wissen auch Techniken und Methoden des 1 So existieren bisher lediglich ein Weiterbildungsstudium Berufspädagogik des Fachgebiets Berufspädagogik und berufliche Weiterbildung/Erwachsenenbildung und ein im Wintersemester 2012/2013 erstmals angebotenes Seiteneinsteiger-Studium für das Lehramt an berufsbildenden Schulen.
2 wissenschaftlichen Arbeitens zu erlernen, fließen Ansätze des forschenden Lernens in die Curriculum- und Veranstaltungsentwicklung ein. Insgesamt geht es dabei darum, fachwissenschaftliche Inhalte und die Fähigkeit des wissenschaftlichen Arbeitens integriert und, wie von der KMK gefordert, gegenstands- bzw. fallbezogen zu vermitteln. Anzumerken ist, dass hierfür eine Vielzahl an Definitionen, Ausgestaltungs- und Umsetzungsvorschlägen identifiziert werden kann. Das Projekt orientiert sich an der folgenden Definition von Reiber und Tremp, die eine Haltung forschenden Lernens in den Mittelpunkt stellt, inhaltlich eine hohe Passung zu den Anforderungen der Zielgruppe und dem Projektanliegen aufweist und die Entwicklung berufsbegleitender Lehr- und Lernformate im Rahmen von NOW maßgeblich mitbestimmt: Forschendes Lernen Forschendes Lernen meint die Einführung in die Wissenschaft im Medium wissenschaftlicher Reflexion und Arbeitsformen. Gelernt wird Forschungshandwerk ebenso wie disziplinäres Wissen. Eingeübt wird eine Haltung, welche wissenschaftliches Tun auszeichnet: etwas wissen wollen, mit kritischer Distanz einen Sachverhalt und eigene Anschauungen infrage stellen. Forschendes Lernen lässt sich dadurch charakterisieren, dass das akademische Fach nicht als fertiges und festes Lehrgebäude behandelt, nicht als statischer Besitz bestimmter Kenntnisse präsentiert, sondern durch Fragen erarbeitet wird, auf die die Forschung Antworten sucht. (Reiber / Tremp, 2007, 3, Hervorhebungen A.S.). In Rückbezug auf die zu erwartende Zielgruppe und unter Beachtung der dem Projekt NOW zugrunde liegenden Rahmenvorgaben ist es außerdem sinnvoll, auch die bisherigen Arbeitserfahrungen der Lernenden in die Gestaltung von Lehr-/ Lernprozessen einzubeziehen. Eine Möglichkeit dafür bietet die Arbeitsprozessorientierung: Arbeitsprozessorientiertes Lernen ist ein Gestaltungsprinzip für Curricula und findet bisher in verschiedenen Bildungsbereichen Anwendung. Der Begriff Arbeitsprozess bezeichnet dabei ganz generell ein zweckgerichtetes, planvolles Handeln, welches die Veränderung eines Anfangszustandes in einen gewünschten Endzustand zum Ziel hat. Im betrieblichen Kontext sind an einem Arbeitsprozess Personen, Gegenstände und Vorgänge beteiligt, wie aus der nachfolgenden schematischen Darstellung exemplarisch deutlich wird: Arbeitsprozessorientierung
3 Abbildung: Struktur eines Arbeitsprozesses (entnommen aus Becker 2008, 9; in Anlehnung an Pangalos/Knutzen 2000, 110) Der Anfangszustand wird hier durch den Arbeitsauftrag beschrieben, das Arbeitsergebnis stellt den gewünschten Endzustand dar. Arbeitsprozesse laufen nie autark ab, sondern sind immer in eine Arbeitsumgebung eingebettet. Die Summe mehrerer (parallel, vor- und nachgelagert ablaufender) Arbeitsprozesse ergibt i.d.r. einen Geschäftsprozess. Arbeitsprozessorientiertes Lernen in Reinform bedeutet, die zu lernenden Inhalte (und im Idealfall den Lernprozess selbst) an realen Arbeitsprozessen auszurichten. Das relevante Wissen sowie die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten sollen (hier bezogen auf den universitären Kontext) also nicht ausschließlich wissenschaftlich-abstrakt, sondern eher gegenstandsbezogen vermittelt werden. Da die eingangs erwähnte Zielgruppe des Projektes in der Regel bereits über (einschlägige) berufliche Vorerfahrungen verfügt, stellt der Ansatz des arbeitsprozessorientierten Lernens eine Möglichkeit dar, das bereits vorhandene Wissen und die entwickelten Kompetenzen zu vertiefen, wissenschaftsbasiert zu reflektieren und auszubauen. Insgesamt erwartet das Projekt durch die Integration der hier nur kurz skizzierten Ansätze in die neu zu entwickelnden Studienformate, den Besonderheiten der Zielgruppe adäquat Rechnung tragen und die (Berufs-)Biographie der Lernenden stärker als in traditionellen Settings berücksichtigen und einbeziehen zu können. Den bereits erwähnten Forderungen der Kultusministerkonferenz, z.b. nach biographischreflexiven Ansätzen in der Lehramtsausbildung, kann somit in besonderer Weise entsprochen werden. Dies bedingt selbstverständlich auch, dass sich gegenüber den sonst überwiegend üblichen Formaten wie Vorlesung und Seminar die Rolle der Lehrenden vom reinen Fachexperten hin zum Lernprozessbegleiter ändert. Neben der Vermittlung fachwissenschaftlicher Inhalte stehen dabei stärker deren Diskussion und die Einbettung in den bisherigen Erfahrungskontext der berufsbegleitend Studierenden im Fokus. Den Lehrenden kommt stärker die Aufgabe zu, selbstgesteuertes Lernen und den Prozess des Kompetenzerwerbs anzuleiten und zu flankieren. Für die Gestaltung von Lehrangeboten in berufsbegleitenden Studienformaten ist es daher sinnvoll, den Veranstaltungsablauf an den vermuteten Lern- und Arbeitsphasen der Teilnehmenden zu orientieren: Bezug der Ansätze zu NOW Veränderte Rolle der Lehrenden
4 Lern- und Arbeitsphasen berufsbegleitend Studierender Lern- und Arbeitsphasen in berufsbegleitenden Studienformaten (eigene Darstellung) Bei einer Orientierung an einem 14wöchigen Semester könnten diese Phasen beispielhaft folgendermaßen mit Zeitrichtwerten für die Studierenden untersetzt werden: Phase Dauer Bemerkungen/Phasenziele Einführung (Präsenz) 2-4 Stunden Gegenseitiges Kennenlernen, Einführung in den Themenbereich durch den/die Lehrende(n) Phasenmodell für die Umsetzung (Beispiel) Selbststudien- Phase 4 Wochen Selbststudium durch angeleitetes und gerichtetes Lernen Präsenz-/ Diskussionsphase ganztägig Reflexion und Aufarbeitung der Inhalte der Selbststudienphase; Vorbereitung von Gruppenprojekten Gruppenarbeitsphase 4-6 Wochen Durchführung der Gruppenprojekte Präsentationsphase ganztägig Vorstellen der Projektergebnisse, Reflexion über die Projektarbeit und die gewonnenen Erkenntnisse
5 Nachbereitungsphase 2-4 Wochen Verschriftlichen der Projektergebnisse, z.b. durch die Fertigstellung von Portfolios oder die Erstellung von Arbeitspapieren (zur Nutzung auch durch die anderen Projektgruppen) Die oben beschriebenen Ansätze des forschenden und des arbeitsprozessorientierten Lernens sowie der Kompetenzorientierung als Gestaltungsgrundlagen für den gesamten Seminarablauf finden sich auch in diesem Umsetzungsbeispiel wieder: Bereits im Rahmen der Selbststudienphase sind die Studierenden angehalten, mögliche Bezüge der Fachthemen zu ihren Praxisfeldern zu identifizieren; diese werden dann in der Präsenz- und Diskussionsphase vom Dozenten/von der Dozentin aufgegriffen und zusammen mit den Studierenden reflektiert. Die Gruppenarbeitsund die darauf folgenden Phasen dienen dem selbstständigen Erschließen wissenschaftlicher Fragestellungen in der Praxis. Hier dienen im Sinne des forschenden Lernens sowohl der (fach)wissenschaftliche Input als auch der Arbeitskontext der Studierenden als Grundlage. Konkrete Umsetzungsbeispiele für bereits jetzt im Rahmen der BerufsschullehrerInnen-Ausbildung im Masterbereich angebotene Lehrveranstaltungen sollen im Laufe der Projektarbeit in den einzelnen Fächerbereichen (Berufspädagogik, Sozialkunde, Mathematik) entwickelt werden. Das Projektteam unterstützt diesen Prozess durch die Aufnahme des Ist-Standes und die theoriebasierte Erarbeitung von Vorschlägen zum Einsatz in nicht-traditionellen Lehrund Lernformen. Diese werden dann von einzelnen Lehrenden während der Projektlaufzeit stückweise erprobt und im Zusammenspiel aller Beteiligten kontinuierlich weiterentwickelt. Die Dokumentation von Best-Practice-Beispielen sowie die Kommunikation der so gewonnenen Erkenntnisse, z.b. über universitätsweite Workshops, soll dazu beitragen, auch über die projektbezogene Programmentwicklung hinaus einen Transfer in die grundständigen Lehrangebote der Universität Erfurt zu ermöglichen und zu einer weiteren Stärkung der LehrerInnenbildung am Standort Erfurt insgesamt beizutragen. Die interessierte Universitätsöffentlichkeit ist dabei ausdrücklich dazu eingeladen, sich an diesem (hochschuldidaktischen) Diskurs zu beteiligen. Weiterführende und detailliertere Informationen zum didaktischen Leitbild im Rahmen des Projektes NOW können der Projektwebseite ( entnommen werden. Aktuelle Entwicklungen Weiterführende Informationen
6 Literatur: Becker, M. (2008): Ausrichtung des beruflichen Lernens an Geschäfts- und Arbeitsprozessen als didaktisch-methodische Herausforderung. In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik online (14), online verfügbar unter: zuletzt geprüft: , 14:06 Uhr. Faulstich, P. (Hrsg.) (2006): Öffentliche Wissenschaft: neue Perspektiven der Vermittlung in der wissenschaftlichen Weiterbildung. Bielefeld: transcript-verlag. Hansen, S. (2007): Bedarfsgerechte Lehr-Lernarrangements. Zielgruppen- und ressourcenorientierte Planung von Inhalten, Methoden und Medien. Lohmar und Köln: Josef Eul Verlag. KMK (2004): Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften. Online verfügbar unter: Lehrerbildung.pdf, zuletzt geprüft: , 12:17 Uhr. Koring, B. (1999): Überlegungen zur didaktischen Struktur internetbasierten Lernens in der Erwachsenenbildung. Online verfügbar unter: zuletzt geprüft: , 15:44 Uhr. Metzger, M. (2010): Förderung selbstbestimmter Lernprozesse durch forschendes Lernen. In: REPORT Zeitschrift für Weiterbildungsforschung/2010: Weiterbildung älterer Menschen im demografischen Wandel Internationale Perspektiven und Lernwege. Obolenski, A./Meyer, H. (Hrsg.) (2003): Forschendes Lernen: Theorie und Praxis einer professionellen LehrerInnenausbildung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Reiber, K./Tremp, P. (2007). Eulen nach Athen! Forschendes Lernen als Bildungsprinzip. In Neues Handbuch Hochschullehre (2. Aufl., A 3.6, S. 1 14). Berlin: Raabe.
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