Sehen und Erkennen: Das Sehsystem

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1 OFF ON Sehen und Erkennen: Das Sehsystem Das visuelle System ist der am besten untersuchte Bereich des menschlichen Gehirns. Dadurch, daß die Retina leicht durch visuelle Stimuli gereizt werden kann, und der Weg von der Retina zum Thalamus zur Großhirnrinde relativ einfach verläuft, und daß das visuelle System wenig Input von anderen System erhält erleichtert die Forschung ungemein. 7.0 Das visuelle System Betrachten wir den Weg eines Stimulus, der durch das Auge wahrgenommen und später von anderen Gehirnstrukturen verarbeitet wird. Lederhaut Netzhaut Hornhaut Aderhaut Sehgrube Iris Linse Sehnerv Abbildung 7.1: Das menschliche Auge mit dem Strahlengang. (In der Graphik nicht unbedingt leicht zu erkennen: die Aderhaut liegt zwischen der Lederhaut und der Netzhaut). Das Bild gelangt über die Hornhaut und die Linse in den Glaskörper zur Retina. Die Hornhaut ist der wichtige Teil, der für die Brechung verantwortlich ist, während die Linse nur für die Feinjustierung wichtig ist. Das Bild wird umgekehrt abgebildet. Durch die Iris kann die Menge des Lichtes, das auf die Retina gelangt gesteuert werden. Die meisten Sinneszellen befinden sich in der Sehgrube. Dort wird auch am schärfsten abgebildet. Nachdem die Signale in der Retina verarbeitet wurden, gelangen sie über den Sehnerv zum seitlichen Kniehöcker - einer Teilregion des Thalamus. Brain Modelling 80

2 Der Lichtreiz gelangt durch das Geflecht der verarbeitenden Neuronen zu den lichtempfindlichen sensorischen Zellen, die sich auf der Augapfelrückseite befinden. Es gibt zwei Arten von Photorezeptoren: die Stäbchen und die Zäpfchen. Die Stäbchen können sehr schwaches Licht detektieren. Dies liegt vor allem an der neuralen Nachverarbeitung, die für eine sehr gute Verstärkung sorgt. Sie dienen der Schwarz-Weiß Verarbeitung eines Bildes. Der Konvergenzgrad auf die nachgeschalteten Bipolarzellen ist sehr groß. Das heißt, daß sehr viele Photorezeptoren ihr Signal auf ein Bipolarzelle Zäpfchen Neuron (Bipolarzelle) Licht retinale Ganglienzelle Stäbchen Rückseite des Augapfels Abbildung 7.2: Der neurale Aufbau der Retina. Das Licht gelangt durch die Neuronen zu den Stäbchen und Zäpfchen. weitergeben. Dadurch erklärt sich auch, daß man bei schwachen Licht nicht sehr gut Details auflösen kann, da die Trennschärfe verschwindet. Die Zäpfchen dienen dem Farbsehen. Meist bilden nur wenige Zäpfchen auf ein nachgeschaltetes Neuron ab (geringe Konvergenz). Dadurch sehen wir schärfer. Leider benötigt dieser Rezeptor mehr Licht, um ein Signal abzugeben, dafür ist aber seine zeitliche Auflösung besser. Im Prinzip haben wir 2 unterschiedliche Sehsysteme. Eines für wenig Licht mit einer sehr guten Sensitivität (Schwarz- Weiß) und das Farbsystem, das die Welt bei guter Beleuchtung scharf und detailgetreu auf die nachfolgenden Neuronen abbildet. Abbildung 7.3: Die Sensitivität der Zäpfchen und Stäbchen für das gesamte sichtbare Spektrum. Die drei Zäpfchen der menschlichen Retina antworten bevorzugt, aber nicht ausschließlich auf die jeweilige Wellenlänge, wie in Abbildung 7.3 durch die Absorptionsspektren der Photopigmente aller drei Zapfentypen dargestellt ist. Die Kurve mit dem Maximum bei 496 nm zeigt das Absorptionsspektrum von Stäbchen. Es gibt ungefähr 20 mal mehr Stäbchen als Zapfen. Zwischen den Photorezeptoren und den Ganglienzellen liegen drei Klassen von Interneuronen: Bipolar-, Horizontal- und Amakrinzellen. Sie kombinieren die Signale von mehreren Photorezeptoren, so daß die Antwort der Ganglienzellen stark von räumlichen und zeitlichen Lichtmustern abhängt. Die Axone der Ganglienzellen bilden den Sehnerv. Durch die Verschaltung in der Retina ergeben sich einige interessante Effekte, zum Beispiel die Erkennung von Kanten. Durch die laterale Hemmung (siehe Abb.7.4) werden die exzitatorischen Neuronen gehemmt. Aber die Hemmung ist abhängig von der Erregung der Ganglienzellen. 81 Das Sehsystem

3 intensives Licht schwaches Licht Impulsfrequenz Abbildung 7.4: Neurale Darstellung der lateralen Hemmung in der Retina. Durch das Licht werden die exzitatorischen Neuronen angeregt. Wenn ein Aktionspotential in diesen Zellen ausgelöst wird, dann werden auch die inhibitorischen Neuronen aktiviert, die in ihrer Umgebung wiederum die exzitatorischen Neuronen hemmen. In dem Bereich in dem nur wenig Licht auftrifft, fällt die Hemmung auch geringer aus. Wenn sich ein Bereich mit viel Licht mit einem Bereich mit wenig Licht trifft (es liegt eine Kante vor), dann können die inhibitorischen Neuronen, die stark aktiv sind, die exzitatorischen Neuronen die helligkeitsbedingt weniger Signale abgeben, noch stärker hemmen. Das heißt, an den Kanten feuern manchen Neuronen stärker und manche Neuronen feuern weniger. tatsächliche Intensität Machbänder beobachtete Intensität Abbildung 7.5: Darstellung der Machbänder. Dadurch kommt es zu den sogenannten Mach-Bänder (siehe Abb.7.5). Die Flächen sind einhellig gefärbt und an den Kanten zwischen den Flächen scheint sich die beobachtbare Intensität zu verändern. Der Kontrast wird stärker. Brain Modelling 82

4 7.1 Ganglienzellen Die Neuronen, die bei der Sehverarbeitung beteiligt sind, weisen eine interessante Eigenheit auf: die rezeptiven Felder. Sie können sich in Größe und Form, aber auch in der Modalität unterscheiden. Die Photorezeptoren besitzen eine hohe Konvergenz auf die Ganglienzellen. Das heißt die Ganglienzellen bekommen ihren Input von einem klar umgrenzten Bereich aus der Retina - dem rezeptiven Feld. Für die Ganglienzellen in der Retina ist der Einflussbereich kreisförmig. Das Feld unterteilt sich in zwei Bereiche. Ein kreisförmige Zone im Inneren und ein kreisscheibenartiges Umfeld. Man unterscheidet zwei Arten von Ganglienzellen. Die einen haben ein ON-Zentrum. Das heißt, die Ganglienzelle wird aktiv, wenn ihr Inneres beleuchtet wird, das Umfeld aber dunkel bleibt. Bei der OFF-Zentrum Ganglienzelle ist die genau umgekehrt. Beide Ganglienzellen liegen in gleicher Anzahl vor. Diese Zellen führen zu einer weiteren Erhöhung des Kontrastes. Ganglienzelle mit ON-Zentrum ON-Bereich OFF-Bereich Ganglienzelle mit OFF-Zentrum OFF-Bereich ON-Bereich Lichtpunkt auf das Zentrum Lichtpunkt auf das Zentrum Lichtpunkt in das Umfeld Lichtpunkt in das Umfeld Beleuchtung des gesamten Zentrums Beleuchtung des gesamten Zentrums Beleuchtung des gesamten Umfelds Beleuchtung des gesamten Umfelds diffuse Beleuchtung diffuse Beleuchtung Abbildung 7.6: Vergleich der elektrischen Aktivität der ON/OFF-Zelle bei unterschiedlichen Beleuchtungsarten. Die gerade Linie über den elektrischen Ableitungen gibt den Zeitpunkt der Beleuchtung an. Wenn wir die Ganglienzellen betrachten, dann können wir erkennen, daß zum Beispiel bei einer diffusen Beleuchtung der Ganglienzellen, sowohl des ON-Zentrums als auch des OFF- Zentrums, kaum eine Änderung der Feuerfrequenz auftritt (Achtung bei Autofahrten bei Dämmerung - es herrscht diffuse Beleuchtung). Wie gestaltet sich dies bei der Farbwahrnehmung. Man fand 3 verschieden Gesetz für die Farbwahrnehmung. Diese Gesetze entstanden durch psychologische Tests. 1) Farbantagonismus: Bestimmte Farben können nie in Kombination gesehen werden. Es existiert kein rötliches Grün oder bläuliches Gelb. 2) Farbsimultankontrast: Dieser Effekt tritt dann auf, wenn Gegenfarben von räumlich benachbarten Stellen ausgehen. So hebt sich ein grünes Objekt besser von einem roten Hintergrund besser ab, als vor einem blauen. 83 Das Sehsystem

5 3) Farbkonstanz: Die Farbe eines Objektes bleibt relativ konstant, obwohl enorme Schwankungen in der Spektralverteilung der Umgebungsbeleuchtung auftreten. Farbe wird in der Retina und im seitlichen Kniehöcker des Thalamus durch Gegenfarbzellen codiert. Wenn eine Zitrone von einem rötlichen Licht oder von einem anderen Licht beleuchtet wird, glaubt man immer noch, daß die Farbe gelblich ist - erst wenn man mit einer hohen Aufmerksamkeit die Farbe der Zitrone analysiert, erkennt man die genaue Farbe. In der Retina und im Corpus geniculatum laterale befinden sich Ganglienzellen, die für die Farbe zuständig sind. Auch diese Ganglienzellen haben ein Zentrum und ein Umfeld, das auf spezielle Farben spezialisiert ist. So gibt es konzentrische Breitbandzellen, konzentrische einfache Gegenfarbzellen und die coextensiven einfachen Gegenfarbzellen. G+;R+ G-;R- G+ R- R+ G- B+ G-;R- G-;R- G+;R+ G- R+ R- G+ B- G+;R+ konzentrische Breitbandzellen konzentrische einfache Gegenfarbenzellen coextensive einfache Gegenfarbenzellen Abbildung 7.7: Darstellung der geometrischen Einzugsbereiche der Neuronen, die für die Farbwahrnehmung verantwortlich sind. Von den Ganglienzellen der Netzhäute des rechten und linken Auges ziehen ausgedehnte Nervenfasern (der Sehnerv) zu den äußeren Kniekörpern (Corpus geniculatum laterale - ein Teil des Thalamus), deren Zellen ihrerseits durch Nervenfasern unmittelbar mit den Zellen des primären Sehfeldes verbunden sind (siehe Abb.7.8). Die sechs Schichten der Kniekörper sind durch je eine Nervenzelle angedeutet und es lässt sich erkennen, daß diese Schichten jeweils nur mit Signalen entweder vom linken oder vom rechten Auge versorgt werden. Die Schichten untereinander sind nicht funktionell verbunden. Wichtig ist, daß das rechte Halbbild der Retina beider Augen auf das rechte Rindenareal der Großhirnrinde abbildet. Das linke Halbbild wird auf das linke primäre Sehfeld abgebildet. Konzentrische Breitbandzelle: Die Eingangssignale von den G- und R- Zapfen (G für Grün, R für Rot und B für Blau) werden im rezeptiven Feld unabhängig voneinander aufsummiert. Sie reagieren auf den Helligkeitskontrast innerhalb ihres Feldes und leisten keinen Beitrag zum Farbsehen. Konzentrische einfache Gegenfarbzellen: Ein Zapfentyp (R oder G) überwiegt im Zentrum des rezeptiven Feldes und führt zu einer Reaktion, die zu der des im Umfeld überwiegenden Zapfentyps entgegengesetzt ist. Coextensive einfache Gegenfarbzellen: Sie besitzen ein undifferenziertes rezeptives Feld in dem die Wirkung der B-Zapfen der kombinierten Wirkung von G- und R-Zapfen gegenübersteht. Abbildung 7.8: Schnitt durch das Gehirn auf Höhe des Sehnerv. Man kann schön erkennen, daß die linke Gesichtshälfte auf den linken primären Sehcortex abbildet. Brain Modelling 84

6 Der seitliche Kniekörper liefert eine vollständige Repräsentation der jeweiligen Gesichtshälften. Er besitzt sechs Zellkörperschichten. Die Fasern von der contralateralen Retinahälfte enden in den Schichten 1, 4 und 6, die von der ipsilateralen Hälfte in den Schichten 2, 3 und 5 des Thalamus. Die Schichten 1 und 2 stellen die magnozelluläre Bahn dar, im Gegensatz zu den Schichten 3 bis 6 die die parvozelluläre Bahn repräsentieren. Beide Bahnen projizieren zum primären visuellen Cortex. Aus diesen Bahnen entstehen die 3 Hauptkanäle für die Wahrnehmung von Form, Farbe und Bewegung. Abbildung 7.9: Darstellung der unterschiedlichen Bahnen des Sehsystems für die rechte Sehhälfte. Gesichtsfeld des linken Augens Gesichtsfeld des rechten Augens fovealer Bereich beider Gesichtsfelder Projektion auf der linken Retina Projektion auf der rechten Retina Abbildung 7.10: Die Bereiche die von der rechten beziehungsweise von der linken Hälfte des jeweiligen Auges auf den verschiedenen Ebenen - Retina - Thalamus - primärer visueller Cortex - wahrgenommen werden. Corpus geniculatum laterale Nervus opticus primärer visueller Cortex Eingangssignale im primären visuellen Cortex auf der medialen Oberfläche der linken Hemisphäre rechten Tractus opticus 85 Das Sehsystem

7 Neben Kontrasten und schnellen Belichtungsänderungen analysiert unser Sehsystem auch andere Aspekte, wie Farbe, Form und Bewegung: Die Neuronen des primären visuellen Cortex haben lineare rezeptive Felder mit diskreten exzitatorischen und inhibitorischen Bereichen. Die Neuronen im visuellen Cortex können (funktionell) in zwei Klassen unterteilt werden: einfache Zellen und komplexe Zellen. OFF-Bereich ON-Bereich Einfache Zellen: Ihre rezeptiven Felder erhalten mehr Input als die Ganglienzellen. Sie sind auch nicht kreisrund, sondern länglich, meist sogar fast rechteckig. Das rezeptive Feld besteht aus einer rechteckigen On- Zone mit einer eindeutig orientierten Längsachse, meist flankiert mit Off-Zonen von beiden Seiten. Um optimal wirksam zu sein, muss der Stimulus genau die gleiche Orientierung haben, wie das rezeptive ON-Feld der Zelle. Es können Reize mit einem Orientierungsbereich von rund 10 erkannt werden (siehe Abb.7.11). Der Reiz darf nur die exzitatorische Region des rezeptiven Feldes bedecken und nicht in die inhibitorische Region hineinreichen. Abbildung 7.11: Die elektrische Aktivität einer einfachen Zelle im primären visuellen Areal in Abhängigkeit vom Winkel des Lichtbalkens. Die gerade Linie über den elektrischen Ableitungen gibt den Zeitpunkt der Beleuchtung an. OFF ON ON OFF OFF ON OFF ON OFF ON Abbildung 7.12: Verschiedene Einzugsbereiche mit den ON/OFF-Bereichen der einfachen Ganglienzellen im visuellen Cortex. Komplexe Zellen: Auch sie besitzen rezeptive Felder mit bestimmter Orientierung. Ihre rezeptiven Felder sind jedoch größer als die der einfachen Zellen und sie besitzen keine klar umgrenzten On- und Off-Zonen. Sie reagieren, wenn eine Linie mit einer bestimmten Orientierung über das rezeptive Feld bewegt wird. Die absolute Position der Linie im rezeptiven Feld ist ohne Bedeutung. Im Gegensatz zu den einfachen Zellen sind die komplexen Zellen binokular, das heißt das rezeptive Feld reagiert auf Reize aus beiden Augen. Für die Farbanalyse sind die konzentrischen doppelten Gegenfarbzellen verantwortlich. Ihre rezeptiven Felder beschäftigen sich mit unterschiedlichen Farb-Kontrasten. Brain Modelling 86

8 Die Signale von einfachen Gegenfarbzellen des seitlichen Kniehöckers laufen im primären sensorischen Sehzentrum, dem Areal 17 (entspricht V1), auf konzentrische doppelte Gegenfarbzellen zusammen. G+ R- Grün-Rot B+ G- R- Blau-Gelb G- R+ B- G+ R+ G- R+ Rot-Grün B- G+ R+ Gelb-Blau G+ R- B+ G- R- Abbildung 7.13: Darstellung der 4 unterschiedlichen Gegenfarbzellen. Konzentrische doppelte Gegenfarbzellen: Es gibt vier Arten von diesen Zellen. Zwei antworten bevorzugt auf Rot-Grün Kontrast. Die anderen beiden auf Gelb-Blau Kontrast. Eine Zelle die Rot-Grün Kontrast verarbeitet, wird durch G-Zapfen im Zentrum des rezeptiven Feldes aktiviert und durch G-Zapfen im Umfeld gehemmt. R-Zapfen haben den umgekehrten Effekt. In den Gelb-Blau- und den Blau-Gelb- Kontrast verarbeitenden Zellen werden die Signale der B-Zapfen und die aufsummierten Signale der R- und G- Zapfen antagonistisch verarbeitet. Die einfachen Zellen, die komplexen Zellen und die konzentrischen Gegenfarbzellen befinden sich im primären visuellen Areal. Interessanterweise sind diese einzelnen Zellen topologisch - nachbarschaftserhaltend geordnet. Es existieren sogenannte Hyperkolumnen. Blobs I II III IV V VI vom rechten - linken Auge Abbildung 7.14: Eine Hyperkolumne im primären visuellen Cortex. Der Bereich besitzt ungefähr 1 mm Kantenlänge und die unterschiedlichen Neuronen - einfache Zellen sind nachbarschaftserhaltend angeordnet. In den Blobs befinden die konzentrischen doppelten Gegenfarbzellen. 87 Das Sehsystem

9 Eine solche Hyperkolumne repräsentiert einen kleinen Bereich des optischen Sehfeldes aus beiden Augen. Je ein Bereich der Hyperkolumne analysiert die Signale aus dem rechten beziehungsweise aus dem linken Auge. In diesen Bereichen liegen die sogenannten Blobs. Sie enthalten die konzentrischen Gegenfarbzellen und sind somit für die Farbwahrnehmung verantwortlich. Auch die einfachen Zellen, welche die Richtung eines Lichtbalkens analysieren, sind nachbarschaftserhaltend angeordnet. Eine Hyperkolumne enthält ein vollständiges Set an Orientierungssäulen, die 360 repräsentieren, eine linke und eine rechte Augendominanzsäule und mehrere Blobs. Das gesamte Gesichtsfeld ist im Cortex durch ein regelmäßiges Muster aus Hyperkolumnen repräsentiert. Durch eine spezielle Färbetechnik (Cytochron-Oxidase) zeigen sich charakteristische Zellsäulen in der V1 Region, die von der Oberfläche der grauen Hirnrinde bis zur weißen Substanz - den darunter liegenden Nervenfasern - verlaufen. Auf einem Schnitt parallel zur Oberfläche erscheinen sie als stark angefärbte Flecken, die nach dem entsprechenden englischen Wort als Blobs (Tropfen) bezeichnet werden; dazwischen liegen weniger stark gefärbte Interblobregionen. In V2, ein dem primären visuellen Cortex benachbartes Areal, bilden die stark färbenden Regionen zwei Typen von dunklen Streifen - dicke und dünne, die durch blasse Interstreifen- Regionen voneinander getrennt sind. 1) Streifen in V2 2) Blobs in V1 V2 V1 Abbildung 7.15: Graphik des primären visuellen Cortex durch eine spezielle Technik angefärbt (links). Im rechten Teil sind die wesentlichen Bereiche schematisch dargestellt. Es war schön für die Neuroanatomen zu sehen, daß es für die unterschiedlichen Verarbeitungsmodalitäten - Farbe und Orientierung - neurobiologische Korrelate - wie zum Beispiel die Blobs - gibt, die sich durch die geeignete Färbung des primären visuellen Systems zeigen ließen (siehe Abb.7.15). Es stellt sich nun die Frage, wofür die unterschiedlichen Bereiche in V2 verantwortlich - dicke, dünne, und blasse Streifen - sind. Brain Modelling 88

10 7.2 Verschaltungen im Sehsystem Durch eine genaue Analyse zeigte sich, daß es 3 verschiedene unabhängige Bahnen für die Verarbeitung der visuellen Verarbeitung gibt. Diese Bahnen nehmen ihren Ursprung im Thalamus und enden in höheren Bereichen des Cortex. Die drei verschiedene Bahnen für das Wahrnehmen von visuellen Reizen: 1) Parvo-Blob Bahn: parvozelluläre Schicht des seitlichen Kniehöckers Blob-Region von V1 Gebiet der dünnen Streifen in V2 Cortexareal V4 (Wahrnehmung von Farbe) 2) Parvo-Interblob Bahn: parvozelluläre Schicht des seitlichen Kniehöckers Interblobregion von V1 Gebiet mit blassen Streifen in V2 Cortexareal V4 (Wahrnehmung von Formen und Farbe) 3) Magno-Interblob Bahn: magnozelluläre Schichten des seitlichen Kniehöckers Interblobregion von V1 Gebiet mit dicken Streifen von V2 Cortexareal V5 und V3 (Wahrnehmung von Tiefe und Bewegung) Das Geheimnis der visuellen Wahrnehmung liegt in der komplizierten Arbeitsteilung verborgen. Anatomisch zeigt sich darin, daß bestimmte Regionen und Teilregionen der Hirnrinde auf einzelne visuelle Funktionen spezialisiert sind. Die Areale V1 und V2, fungieren als eine Art Postamt um die verschiedenen Signale auf die richtigen Areale zu verteilen (siehe Abb.7.17). Diese beiden Gebiete analysieren stückweise das Gesichtsfeld. Es wurde herausgefunden, daß in den Blobs von V1 farb- und in den Interblobregionen formspezifische Zellen konzentriert sind. Besonders stark ausgeprägt sind die Zellsäulen in der zweiten und dritten Schicht von V1, deren Input von den parvozellulären 89 Das Sehsystem

11 Schichten des seitlichen Kniehöckers stammen. Die Zellen in diesen Kniehöcker-Schichten reagieren mit einer hohen, lang anhaltenden Aktivität auf visuelle Reize und sind größtenteils farbempfindlich. Abbildung 7.16: Anatomischer Schnitt durch die Sehrinde von einem Makaken. Auf dem Querschnitt ist ein Teil der primären Sehrinde (V1) und einige Areale im prästriären visuellen Cortex (V2-V5) markiert. Abbildung 7.17: In diesem Blockschaltbild sieht man sehr schön die unterschiedlichen Aufgabengebiete der Großhirnrinde. Wichtig ist aber, daß die Verbindungen nicht unidirektional sondern bidirektional sind. Brain Modelling 90

12 temporale Areale parietale Areale Bewegung Farbe Form Abbildung 7.18: Verschaltungen der Sehareale mit höheren Rindenarealen der Großhirnrinde. V4 V5 V2 V3 V1 In dieser Seitenansicht sind die wichtigsten Verbindungen eingetragen. Die Information wird aber nicht nur von einem Areal zum nächsten Areal vorwärtsvermittelt, sondern es gibt auch starke Rückwärtsverbindungen. Ein Areal vergleicht seine neu gebildetes neurales Assemble mit den ursprünglichen Informationen. Dies kann zum Beispiel zu einer Kontrastverstärkung führen (Rückverbindung von V1 und CGL - Corpus geniculatum laterale - seitlicher Kniehöcker). Stark vereinfachend sind hier die drei Objektmerkmale Form, Farbe und Bewegung einzelnen Arealen zugeordnet. Auf jeder Verarbeitungsstufe hat jede Zelle eine höhere Abstraktionsfähigkeit als die Zellen der vorangegangenen Stufen. Das menschliche Auge ist nicht einfach mit einer Videokamera oder einem Fotoapparat zu vergleichen. So betrachtet das Auge einzelne Ausschnitte des Gesichtsfeldes öfters als andere. Abbildung 7.19: Messungen der Beobachtungsdauer und der Blickrichtung bei einem Mädchengesicht und einer Büste. Interessanterweise beschäftigt sich das Auge besonders mit den Augen und der Mundpartie. Auch Asymmetrien sind wichtig, wie man an der Haarlocke beim Scheitel des Mädchens erkennen kann (Pfeil). Welche Merkmale sorgen dafür, daß ein Objekt aus dem Hintergrund hervortritt? Sehen erfordert Aufmerksamkeit! 91 Das Sehsystem

13 Deutlich wahrnehmbare Objektgrenzen beruhen auf elementaren visuellen Eigenschaften wie Helligkeit, Farbe und Orientierung von Linien. Abbildung 7.20: Eine Graphik um selbst festzustellen, auf was unser Sehsystem reagiert. Das Gebiet mit den Kreuzen ist leicht zu erkennen, aber wo ist das Gebiet mit den T s. Die Auflösung befindet sich im Anhang C. Es existieren zwei (un)abhängige Wege der Verarbeitung von visueller Information: [1] Ein schnell ablaufender nicht aufmerksamkeitsgesteuerter Prozess, der nur für das Erkennen der wichtigsten Umrisse eines Objektes sorgt (Hauptmerkmale wie globale Textur eines Objekts). [2] Der aufmerksamkeitsgesteuerte Prozess führt zu einer Fokussierung auf feinere Merkmale eines Objektes. Hierbei werden Merkmale ausgewählt und hervorgehoben, die in verschiedenen Merkmalskarten (nachgeschalteten Kortexbereichen) verzeichnet sind (the winner takes it all). Mit Hilfe von verschiedensten technischen neuronalen Netzwerken wurde versucht, das Sehen nachzubilden. Die meisten dieser Modelle vernachlässigen aber die biologischen Tatsachen. Ein Modell, das zumindest den Versuch macht, biologisch relevant, Sehsignale zu verarbeiten und auch gute Ergebnisse erzielt ist das Neokognitron. Das Neokognitron versucht stark deformierte Buchstaben wiederzuerkennen. In diesem Netzwerk gibt es keine vollständige Translations-, Rotations- und Skalierungsinvarianz, sondern nur die Fähigkeit, begrenzte Veränderungen der gelernten Muster zu tolerieren. Abbildung 7.21: Die verschiedenen Schichten des Neokognitrons. In der ersten Schicht sind einfache Zellen tätig um den Winkel der einzelnen Linien festzustellen. In der darauffolgenden Schicht werden die Kanten analysiert. Aus diesen Informationen wird auf den jeweiligen Buchstaben geschlossen. Brain Modelling 92

14 Wie man sieht (siehe Abb. 7.21), nimmt jedes Neuron der Schicht 1 nur die Ausgabe einer lokal begrenzten Menge von Neuronen der Schicht 0 wahr. An jeder Stelle der Schicht 1 antworten nur diejenigen Neuronen besonders stark, deren rezeptive Felder in ihrer Orientierung mit der lokalen Orientierung der Striche des "A" übereinstimmen. In der nächsten Schicht werden schon komplexere Merkmale erkannt (Ecken, Enden). Abbildung 7.22: Beispiele für deformierte mit dem Neokognitron richtig erkannte Zahlen. Erläutern sie den Aufbau der Retina. Wie entstehen die Machbänder? Welche elektrischen Aktivitäten bei unterschiedlichen Beleuchtungen gibt es bei retinalen Ganglienzellen? Wodurch unterscheiden sich retinale Ganglienzellen von den Ganglienzellen im Thalamus beziehungsweise im primären sensorischen Areal? Wie lauten die 3 Gesetze der Farbwahrnehmung? Wo befinden sich die Ganglienzellen, die für die Farbe zuständig sind? Wie gestaltet sich der grobe Aufbauplan des Sehsystems? Wofür dienen die seitlichen Kniehöcker bei der visuellen Verarbeitung? Welche rezeptiven Felder besitzen die beiden Neuronenarten im visuellen Cortex? Was versteht man unter einer Hyperkolumne und wie ist sie aufgebaut? Welche 3 Bahnen vom seitlichen Kniehöcker in die Großhirnrinde gibt es? 93 Das Sehsystem

15 Informations- verarbeitung im Gehirn Wie werden die Informationen - die zum Beispiel das Sehsystem liefert - schließlich gespeichert und bei einer späteren Assoziation wieder vervollständigt (rekombiniert)? Die Frage nach der Informationsverarbeitung im Gehirn ist wahrscheinlich die wichtigste Frage überhaupt. 8.0 Repräsentation von Objekten Am Beispiel des Sehsystems haben wir gesehen, daß die unterschiedlichen Sinneseigenschaften (Form, Farbe, Bewegung und so weiter) von unterschiedlichen Arealen der Großhirnrinde repräsentiert werden. Trotzdem schafft es das Gehirn einen eindeutigen Seheindruck entstehen zu lassen. Wie geschieht dies? Dazu gibt es zwei grundlegende Theorien. Man unterscheidet zwischen der lokalen und der verteilten Repräsentation. Bei der lokalen Repräsentation wird eine Einzeleigenschaft oder eine gesamte Wahrnehmung durch ein einzelnes Neuron dargestellt, das zum Beispiel durch eine erhöhte Aktivität deren Vorhandensein anzeigt. Barlow hat hierzu den Begriff der Großmutterzelle geprägt, die Zelle, die genau dann feuert, wenn eine Großmutter in das visuelle Aufmerksamkeitszentrum trifft. Die immense Zahl von Neuronen des menschlichen Gehirns reicht nicht aus, um für alle relevanten Kombinationen von Reizeigenschaften, die sich für natürliche Objekte ergeben, ein eigenes Neuron zur Verfügung zu stellen. Es kommt zu einer kombinatorischen Explosion der Neuronenanzahl, wenn man alle möglichen Reize betrachtet, die gespeichert werden sollen. Was passiert wenn sich ein gespeicherter Reiz verändert? So könnte sich die Haarfarbe meiner Großmutter verändern - wie könnte sich dieses Neuron anpassen? Es stellt sich auch die Frage nach dem Vorrat für neue Informationen. Wenn alle Neuronen verbraucht sind, könnte man nichts Neues mehr lernen - somit müssten Neuronen reserviert werden für mögliche neue Reizkombinationen. Umgekehrt könnte man die Großmutter nicht mehr erkennen, wenn genau dieses Neuron stirbt (jeden Tag sterben ein paar Hundert Neuronen!). Brain Modelling 94

16 Rosenblatt konstruierte die Bindungsmaschine um die Probleme mit der lokalen Repräsentation zu verdeutlichen. Vier Neuronen detektieren unterschiedliche Eigenschaften von Mustern, die auf eine Leinwand projiziert werden. Die ersten beiden reagieren auf den Ort des Musters (oben oder unten), die anderen beiden auf dessen Form (Quadrat oder Dreieck). Tritt nun ein Muster auf (a), so kann anhand des Aktivitätsmusters die Situation auf der Leinwand eindeutig dargestellt werden. Werden zwei Muster gleichzeitig auf der Leinwand dargestellt (b), so lassen sich Ort und Form nicht mehr eindeutig zuordnen - die Maschine ist mit dem Bindungsproblem beschäftigt. Sie versagt bei diesem einfachen Problem. (a) o o u u (b) o u Leinwand o u Neuron ist aktiv Neuron ist passiv Abbildung 8.1: Die Rosenblatt sche Bindungsmaschine. In (a) kann die Maschine das Muster korrekt erkennen, während in (b) Doppeldeutigkeiten auftreten. Im Gegensatz dazu werden Eigenschaften bei einer verteilten Repräsentation stets durch mehrere Neuronen angezeigt, wobei der zeitliche Verlauf der Aktivitätsmuster als Ganzes ein Perzept darstellt. Ein anderer zeitlicher Verlauf der Aktivitätsmuster, das die selbe Neuronenstruktur verwendet, kann für eine andere Eigenschaft stehen. o u Aktionspotentiale o u Abbildung 8.2: Die Lösung des Rosenblatt schen Bindungsproblems durch die Einführung einer Zeitstruktur. Durch Einführung einer zeitlichen Struktur können verschiedene geometrische Muster von Neuronen "gleichzeitig" in der selben Gruppe von Neuronen (Assemble) dargestellt werden. Bindung wird also über die zeitliche Korrelation neuronaler Antworten dargestellt. Gehen wir von einem einfachen Modell aus (Abb. 8.3). Die 1. Schicht stellt die Eingabeschicht dar - im Prinzip handelt es sich um sensorische Neuronen, die einzelne Reize detektieren. In der 2. Schicht werden die Reize verarbeitet - dort kommt es zur eigentlichen Synchronisation, die in diesem Kapitel behandelt wird. Die 3. Schicht erhält von allen Neuronen der vorhergehenden Schicht Informationen. Sie zieht die Schlüsse und fällt die Entscheidung, welches Muster erkannt wurde. Wir interessieren uns für die Schicht 2 - trotzdem können Synchronisationen in den beiden anderen Schichten auch auftreten. So synchronisieren sich die Ganglienzellen in der Retina. Natürlich gibt es nicht nur eine verarbeitende Schicht (Schicht 2) im menschlichen Gehirn, sondern es sind bedeutend mehr. Dies hängt vor allem davon ab, welche Entscheidung in welchem Gehirngebiet gefällt werden muss. Dieses einfache Modell t 95 Informationsverarbeitung im Gehirn

17 ist biologische relevant: Die Neuronen bekommen von der vorhergehenden Schicht über die Synapsen Signale - aber es sind auch die Neuronen in einer Schicht untereinander verknüpft. Über diese Verknüpfungen können auch Signale zwischen Neuronen der selben Schicht ausgetauscht werden. Jedes Neuron erhält von rund Neuronen synaptische Eingangssignale und gibt auch an rund Neuronen die Signale weiter. Eine Gruppe von Neuronen einer Schicht, die stark miteinander verknüpft sind, stellen ein Assemble dar. Schicht 1 Schicht 2 Schicht 3 Abbildung 8.3: 3 neurale Gruppen von Neuronen - in Schichten angeordnet. In der Schicht 1 sind 4 Neuronen etwas dunkler dargestellt - sie sind aktiv, genauso wie im Assemble in der 2. Schicht. Wichtig ist das geometrische Muster. In einem Assemble können mehrere Informationen "gleichzeitig" verarbeitet werden. Die Kreise in Abbildung 8.4 symbolisieren verschiedene Neuronen eines Assembles der verarbeitenden Schicht (Schicht 2, Abb. 8.3). Jedes Neuron ist mit jedem Neuron der selben Schicht verbunden. Durch die unterschiedlichen Eingangsmuster werden verschiedene Neuronen im Assemble aktiviert - man spricht von einem Aktivierungsmuster. Das Muster repräsentiert die geometrische Verteilung der aktiven Neuronen. Abbildung 8.4: Ein neurales Assemble mit verschiedenen Aktivierungen. Die synchronen Aktivierungen sind als Stern, Quadrat, bemalter Kreise - Neuronen - dargestellt, das heißt ein Muster aus der vorhergehenden Schicht aktiviert prinzipiell die Neuronen die mit Sternen gekennzeichnet sind. Wenn das Muster in der Eingabeschicht anders ist, entsteht auch in der verarbeitenden Schicht ein anderes geometrisches Muster, das zum Beispiel durch graue Kreise dargestellt wird. Interessanterweise können die gleichen Neuronen bei unterschiedlichen Mustern beteiligt sein. Die Assemble-Codierung hat folgende Vorteile: Robustheit und sparsamer Umgang mit den vorhandenen Neuronen. Dadurch, daß einzelne Neuronen an mehreren Mustern beteiligt sind, ergibt sich eine hohe Sparsamkeit der vorhandenen Ressourcen. Die Neuronen in einem solchen Assemble feuern in Ruhe ungefähr mit einer Frequenz von rund Hertz. Die Neuronen die ein Perzept darstellen, also die gleichzeitig aktiven Neuronen, feuern mit einer Frequenz von Hertz. Brain Modelling 96

18 Die Zusammengehörigkeit der durch neuronale Aktivität repräsentierten Merkmale zu bestimmten Objekten soll durch wiederholtes, synchrones Feuern der jeweiligen Neuronen zum Ausdruck gebracht werden, während Merkmale, die zu anderen darzustellenden Objekten gehören, mit einem anderen Muster dargestellt werden. Die Verwendung einer Zeitstruktur ermöglicht es, ein Assemble von Neuronen über die Synchronisation zu definieren. Durch subtile Änderung der zeitlichen Relationen können Neuronen schnell zwischen verschiedenen Assembles - beziehungsweise zwischen unterschiedlichen geometrischen Mustern - umschalten. Neuronen sind Koinzidenzdetektoren! Einige wenige Spikes von verschiedenen Neuronen können kaum ein nachgeschaltetes Neuron erregen, es sei denn, sie kommen fast gleichzeitig (Gleichzeitigkeit als Bindemittel), wie man leicht in Abbildung 8.5 erkennen kann. Es werden ungefähr 25 EPSP s am Axonhügel benötigt, damit ein Aktionspotential ausgelöst wird. Wenn diese 25 EPSP s über einen längeren Zeitraum verteilt am Axonhügel ankommen, dann wird die Schwelle nicht erreicht und es sinkt das unterschwellige Potential und nach einiger Zeit stellt sich wieder das Ruhemembranpotential ein. U [mv] U [mv] Aktionspotential t Schwellwertspannung Ruhemembranpotential Abbildung 8.5: Darstellung der EPSP s (unten) und der daraus resultierenden Spannung am Axonhügel. In der linken Abbildung treffen in sehr kurzer Zeit viele EPSP s ein und es wird ein Aktionspotential ausgelöst. In der rechten Abbildung erreichen zwar genauso viel EPSP s den Axonhügel, aber dafür vergeht mehr Zeit und es kann kein Aktionspotential ausgelöst werden. Ursache für eine Synchronisation können also gemeinsame Stimuli sein, oder aber starke synaptische Kopplungen, das heißt sehr starke EPSP s. Zur Vermeidung des nutzlosen und trivialen Zustandes totaler Synchronisation dienen inhibitorische Subsysteme. Da die Neuronen miteinander verbunden sind, würden sie sich dauernd gegenseitig erregen und die Synchronisation würde nicht abklingen. Wenn dieser Zustand länger andauert, dann werden auch Neuronen die nur schwach mit dem Assemble verknüpft sind, zur Synchronisation angeregt. Alle Neuronen würden gleichzeitig 97 Informationsverarbeitung im Gehirn t

19 feuern. Da keine geometrischen Muster auftreten können, wenn alle Neuronen eines Assembles aktiv sind, wird auch keine Information übertragen oder vermittelt. Im Prinzip entspricht dies der Erkrankung der Epilepsie. Hemmung durch Körnerzellen: Hemmung durch modulierende Neuronen: Muster erregbare Neuronen hemmende Neuronen Abbildung 8.6: Neurale Assembles, bei denen auf unterschiedliche Weise inhibitorische System wirken. In der linken Abbildung wirken lokale Körnerzellen, während in der rechten Abbildung modulierende Neuronen aus speziellen Kernen eine Synchronisation verhindern. Damit dies nicht auftritt, gibt es Neuronen, die über einen inhibitorisch wirkenden Neurotransmitter die Synchronisation lokal dämpfen (Abbildung 8.6, links). Diese Neuronen sind die dornlosen Körnerzellen. Ihre Synapsen greifen in der Nähe des Axonhügels an und wirken sehr effektiv. Sie sind zwar in einer geringeren Anzahl vorhanden, aber ihr synaptischer Einfluss ist aufgrund der räumlichen Nähe zum Axonhügel bedeutend größer. Die Hemmung einzelner Gebiete kann aber auch global durchgeführt werden. Verschiedene Kerne im Hirnstamm entsenden ihre Axone in einzelne Regionen der Großhirnrinde. Meist wirkt ihr Neurotransmitter hemmend. Wenn also diese Kerne aktiv sind, kann die Synchronisation in großen Gebieten der Rinde gesteuert werden (Abbildung 8.6, rechts). Bei maximaler Aktivität dieser Kerne können sogar die Aktionspotentiale verhindert werden. Das bedeutet, daß in den jeweiligen Gebieten keine Information mehr verarbeitet werden kann. Wiederholen sich die synchronen Zustände in regelmäßigen Abständen - mehrere Neuronen feuern gleichzeitig über einen längeren Zeitraum, so spricht man von Oszillationen. Solch ein rhythmisches Feuerverhalten kennt man auch schon von einzelnen Neuronen per se - die sogenannten Pace-Maker- (Schrittmacher-) Zellen. Bei ihnen sind interne Ca 2+ -Oszillationen für ein rhythmisches Feuern verantwortlich, ohne daß äußere Reize einen Einfluss auf das Feuerverhalten der Pace-Maker-Neuronen haben. Wenn zwei unterschiedliche Gebiete (A und B) aus der 1. Schicht ein Gebiet der 2. Schicht innervieren wie in Abbildung 8.7 gezeigt, dann kann ein interessanter Effekt auftreten. Es können 2 Muster A' und B' fast "gleichzeitig" in der zweiten Schicht entstehen. Das Muster A' entsteht aufgrund des Gebietes A und das Muster B' entsteht durch das Gebiet B. In der zweiten Schicht wechseln sich die beiden Muster in sehr kurzer Zeit ab. Das Muster springt hin und her. Ein Muster kann zum Beispiel den Hintergrund und das andere Muster eine gesehene Person repräsentieren. Die Aktionspotentiale der beiden Muster besitzen nur einen kleinen Phasenunterschied zueinander. Die Neuronen, die das Muster A' in der 2. Schicht erzeugen, beziehungsweise, die Neuronen, die das Muster B' erzeugen, feuern untereinander gleichzeitig, aber zwischen dem Auftreten von Muster A' und dem Auftreten von Muster B' gibt es einen kleinen Zeitunterschied. Die Muster treten dann periodisch auf: A' - B' - A' - B' und so weiter. Brain Modelling 98

20 Schicht 1 Schicht 2 Schicht 3 Gebiet A Gebiet B Abbildung 8.7: Zwei Gebiete A und B innervieren ein Gebiet in der 2. Schicht. Die hemmenden Neuronen sind nicht eingezeichnet. Natürlich sind alle Neuronen der beiden Gebiete mit allen Neuronen der 2. Schicht verbunden. In Gebiet A sind 4 Neuronen aktiv (etwas dunkler gezeichnet) und in Gebiet B sind nur 3 Neuronen aktiv (bedeutend dunkler gezeichnet). Wesentlich ist das geometrische Muster, das in den Gebieten eingezeichnet ist. Gleichzeitig ist es möglich, in hierarchischer Art und Weise den strukturellen Aufbau eines Objektes oder eines gesamten Bildes darzustellen, da Assembles nun auch in einem Hirnareal koexistieren können. Betrachten wir das Sehsystem: Die Information über das Bild wird in mehrere Bereiche aufgespaltet. Da aber die unterschiedlichen Cortexareale untereinander in Verbindung stehen, können auch noch über größere Entfernungen Synchronisationen entstehen beziehungsweise erhalten bleiben. In diesem Sinne kann man folgende Vorteile von Oszillationen vermuten: 1. Die Oszillationen bleiben auch dann erhalten, wenn die Projektionsfasern über einen langen Verbindungsweg ein Assemble aktivieren. Laufzeitunterschiede sind bedeutungslos, da sie verschwinden. Dies ist zum Beispiel wichtig bei der Kopplung von Rindenarealen zwischen den Hemisphären. 2. Über intermediäre Assembles können auch nicht direkt gekoppelte Oszillatoren synchronisieren. Dies ist wichtig beim Binden verschiedener, nicht a priori verschalteter, sensorischer Modalitäten (Hören-Sehen). 3. Auch bei stark gestreuten Übertragungszeiten, hervorgerufen durch axonale und synaptische Zeitverzögerungen, können Oszillatoren zuverlässig mit verschwindender Phasendifferenz synchronisieren. 99 Informationsverarbeitung im Gehirn

21 EXKURS: Das Liebesleben der Glühwürmchen Männliche Glühwürmchen blinken um Weibchen anzulocken - ein kurzer Lichtimpuls gefolgt von ein paar Sekunden der Dunkelheit. In den Weiten des Amazonas hat es ein einziges männliches Glühwürmchen schwer ein Weibchen anzulocken, zumal diese rund Meter über dem Boden fliegen. Also versammeln sich die Männchen auf einem Baum. Damit haben es die Weibchen leichter das schwache Licht zu sehen. Wenn Männchen bei Anbruch der Dämmerung eintreffen, ist ihr Aufleuchten noch ziemlich unkoordiniert. Mit zunehmender Dunkelheit bilden sich jedoch Inseln synchronen Blinkens heraus, die solange wachsen, bis ganze Bäume in einem faszinierenden Lichtspiel pulsieren. Genauso spektakulär soll das Verhalten der heimischen Glühwürmchen im Helenental sein. Ex1.: Ein Baum voller Glühwürmchen. Die Glühwürmchen dürfen nicht durcheinander blinken. Die Weibchen reagieren nur auf ein regelmäßiges artspezifisches Blinken. Ein Glühwürmchen blinkt mit einer bestimmten Eigenfrequenz. Die abgestrahlte Lichtleistung ist aber äußerst gering. Ein Glühwürmchen allein in den Weiten des Urwalds hätte wohl kaum eine realistische Chancen sich fortzupflanzen. Aus diesen Gründen müssen die Glühwürmchen, eigentlich Leuchtkäfer, versuchen, sich zu vereinen und gemeinsam zu agieren. Es würde den Männchen aber wenig nützen, wenn sie einträchtig auf einem Baum sitzen, aber unabhängig Lichtblitze abgeben. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein paar Glühwürmchen gleichzeitig feuern und somit die gemeinsam abgestrahlte Lichtleistung der Pulse etwas höher ist, erscheint relativ gering. Der Baum würde in einem funkelnden Blitzlichtgewitter erscheinen Die Weibchen könnten den Auslöser des Paarungsverhaltens, artspezifische Lichtsignale mit einer speziellen Rhythmik, nicht wahrnehmen. Sie würden nur eine diffuse Lichtquelle, bestehend aus vielen unabhängig blinkenden Glühwürmchen, bemerken. Art Ph. frontalis Ph. cinctipenis Ph. potomaca Ph. salinus Ph. versicolor Ph. lucicrescenes Ph. pennsylvanica Ph. aureolucens Ph. caerulucens Ph. tremulans [s] Die Darstellung von unterschiedlichen Leuchtsignale nordamerikanischer Leuchtkäfer (Photuris). Also müssen alle Glühwürmchen gleichmäßig blinken. Den ersten Berichten nach, die von diesem Phänomen berichteten, glaubte man an eine optische Täuschung. Man konnte sich nicht vorstellen, wie tausende und abertausende Glühwürmchen gleichzeitig blinkten. Zuerst glaubte man, daß es ein sogenanntes Chef-Glühwürmchen gibt, daß den Rhythmus vorgibt. Brain Modelling 100

22 Diese Annahme stellte sich als falsch heraus. Im Prinzip lässt sich dieses Problem durch Demokratie lösen. Zwei Würmchen entscheiden sich für eine Frequenz. Wenn ein neues hinzukommt, dann passt sich das eine an den Rhythmus der anderen beiden an und umgekehrt und so weiter. Die männlichen Signale stellen aber nur eine Seite des artspezifischen Codes dar. Im Dialog mit den werbenden Männchen müssen die Weibchen, um zur Paarung zu kommen, zum richtigen Zeitpunkt die richtige Antwort geben. In der Regel erwidern die Weibchen die Werbung mit kurzen unmodulierten Lichtblitzen. Das Leuchten entsteht durch die chemische Reaktion zweier Substanzen in darauf spezialisierten Zellen. Es ist plausibel anzunehmen, daß diese Reaktion genau dann einsetzt, wenn die Konzentration eines dieser Stoffe eine gewisse Schwelle überschreitet, und so lange abläuft, bis der Vorrat erschöpft ist. Es entspricht den Gegebenheiten biologischer Systeme, daß die Substanz mit einer gleichen Rate produziert wird, gleichzeitig jedoch - durch Abbau oder Diffusion - mit einer Rate verloren geht, die ihrer jeweiligen Konzentration proportional ist. Wenn der Leuchtstoff nicht durch die Leuchtreaktion verbraucht wird, steigt seine Konzentration von Null anfangend relativ rasch an. Mit zunehmender Konzentration spielen die Verlusteffekte eine immer größer werdende Rolle. Dementsprechend nimmt die Konzentration immer langsamer zu und nähert sich schließlich einem gewissen Sättigungswert. Die Funktion x(t) = α Sättigung (1-e -γ t ) 8.1 beschreibt einen solchen Zusammenhang. Das Problem und die Lösung der Glühwürmchen lässt sich auf die Neurophysik und die Neurowissenschaften übertragen. Es zeigte sich, daß die Funktion, die die Reaktion des Leuchtstoffes beschreibt, ident ist mit den elektrochemischen Reaktionen der Membran im unterschwelligen Bereich (zwischen Ruhemembranpotential und Schwellwertspannung). Damit wurde es möglich, wichtige Fragen aus der Gehirntheorie zu lösen - zum Beispiel wie ein Gedanke entsteht, oder was Schizophrenie ist. So schrieb Norbert Wiener ( , Begründer der Kybernetik) nieder: Ein interessantes Experiment, das auf die Gültigkeit meiner Hypothese bezüglich der Gehirnwellen Licht zu werfen vermag, könnte durchaus bei der Untersuchung von Leuchtkäfern oder von anderen Tieren wie zum Beispiel von Fröschen, die erfreulicherweise sichtbare oder hörbare Impulse aussenden und ebenso diese Impulse empfangen können, durchgeführt werden. Es ist oft vermutet worden, daß die Leuchtkäfer auf einem Baum im Takt miteinander aufleuchten, und dieses augenscheinliche Phänomen wurde als eine menschliche optische Täuschung dargestellt. Ich habe es bestätigt gehört, daß bei einigen Leuchtkäfern Südostasiens dieses Phänomen so deutlich ist, daß es kaum als Täuschung bezeichnet werden kann. Es gibt noch viele unbeantwortete Fragen zur Synchronisation und Selbstorganisation von Glühwürmchen. So muss noch das Antwortverhalten von den Weibchen, der allgemeine Temperatureinfluss der Umwelt und vieles mehr berücksichtigt werden. Das Beeindruckende aber ist, daß solch unterschiedliche Phänomene wie das gleichzeitige Blinken von Glühwürmchen und das synchrone Feuern von Neuronen durch eine Formel beschrieben werden können. 101 Informationsverarbeitung im Gehirn

23 8.1 Synchronisation von biologischen Neuronen Wie wir gesehen haben, ist die Synchronisation von biologischen Neuronen ein Grundprinzip der neuralen Informationsverarbeitung. Bisher gibt es nur Versuche, die zeitliche Dynamik von Modellen biologischer Neuronen zu analysieren. So wurde versucht, van der Pol- und andere nichtlineare Oszillatoren miteinander zu koppeln. Aufgrund der beschränkten analytischen mathematischen Fähigkeiten werden so starke Vereinfachungen vorgenommen, daß die Aussagekraft im Bereich der Biophysik dieser Arbeiten zweifelhaft ist. Es wurde auch der Versuch unternommen, sich dem Phänomen Synchronisation mit Hilfe von Computerexperimenten zu nähern. Aber auch hier ist zu bemerken, daß die Experimente nicht unmittelbar vergleichbar sind. Teilweise werden unterschiedliche biologische Parameter verwendet, teilweise werden die numerischen Verfahren nicht näher erläutert. Ein Modell, das relativ unbekannt ist, könnte hier vielleicht Abhilfe schaffen. Als erster diskutierte Peskin das Problem von puls-gekoppelten "integrate-and-fire"-oszillatoren. Er untersuchte das Verhalten von zwei dieser Oszillatoren. Im Jahr 1990 stellten Mirollo und Strogatz einen mathematischen Beweis vor, mit dessen Hilfe sie zeigen konnten, unter welchen Bedingungen identische puls-gekoppelte Neuronen synchronisieren. Die beiden arbeiteten wie viele andere Kollegen auch nur mit identischen Neuronen. Da die Neuronen aber unterschiedlich gebaut sind, (unterschiedliche Größe, Variation der Ionenkanalanzahl usw.) haben sie unterschiedliche Eigenfrequenzen. Es konnte gezeigt werden, daß auch "integrate-and-fire"-oszillatoren mit unterschiedlicher Frequenz unter bestimmten Bedingungen synchronisieren. Ein "integrate-and-fire"-oszillators läßt sich folgendermaßen definieren: Der Hauptteil des Modell-Neurons, der sogenannte "integrator", beschreibt im unterschwelligen Bereich, in dem noch kein Impuls (Aktionspotential) ausgelöst wird, die Eigenschaften der Zellmembran eines Neurons. Eine solche Membran, die ein nichtidealer Isolator zwischen zwei elektrisch leitfähigen Flüssigkeiten ist, wird durch die Parallelschaltung eines Kondensators C ("integrator") und eines Widerstandes R repräsentiert. In dieser Anordnung stellen die beiden Bauelemente einen Tiefpaß-Filter (RC-Glied) dar. U [mv] Eingang Hauptteil Ausgang (Synapsen) (Membran) (Axonhügel) ε [t] e(t) Σ R τ C Schwelle τ AP Abbildung 8.8: Ersatzschaltbild für ein Neuron, mit Widerständen als synaptische Eingänge, einem Widerstand R und einem Kondensator C die die Membraneigenschaften im unterschwelligen Bereich beschreiben. Über die Schwelle wird bestimmt, ob ein Aktionspotential ausgelöst wird. Das Funktionsdiagramm des "integrate-and-fire"-neurons ist in Abbildung 8.8 dargestellt. Über den Eingang, den Synapsen, dargestellt durch Widerstände werden die EPSP's mit der jeweiligen Höhe ε an der Zellmembran integriert. Wenn am RC-Glied eine ausreichende Spannung anliegt, dann wird am Axonhügel eine Schwelle (darstellbar durch ein Monoflop) überschritten und ein elektrischer Impuls ausgelöst. Dieser Impuls kann ein Dirac'schen δ- Impuls sein - dieser Impuls ist dem Aktionspotential sehr ähnlich. Mit einem zusätzlichen RC AP -Glied ist es möglich, den δ-impuls in ein realistischeres Aktionspotential umzuformen. Brain Modelling 102

24 Wenn die Aktivierungsvariable x - sie entspricht der Membranspannung (vor allem im unterschwelligen Bereich) - eines puls-gekoppelter Oszillators den Schwellwert K erreicht, dann wird ein Aktionspotential ausgelöst und die Variable x wird auf Null zurückgesetzt. Die Zeit, welche die Aktivierung benötigt, um von Null zum Schwellwert zu kommen, ist die Periode P. Die Frequenz des nichtlinearen Oszillators ist definiert durch P -1. x(t) Aktionspotential Dirac'schen δ-impuls K Schwelle 0 T t Abbildung 8.9: Der Zeitverlauf eines "integrate-and-fire"-oszillators mit konstanter externer Erregung. Die externe Erregung e(t) stellt eine Stimulierung des Modell-Neurons durch Rezeptoren oder Neuronenschichten anderer Areale dar. Für diese Arbeit wird eine konstante externe Erregung e(t) E = const. angenommen, die eine große Anzahl inkohärenter Eingangssignale repräsentiert, welche an schwachen, zum Beispiel dendritischen Synapsen ankommen. Ein Neuron der Großhirnrinde feuert mit ungefähr Herz, wenn es nicht durch einen direkten oder indirekten sensorischen Input aktiviert wird. Trotzdem erhält ein Neuron immer noch so viele Inputs, daß es hin und wieder feuern wird. Dieses Feuern ist relativ unkoordiniert. Aus diesem Grund nimmt man für den Modelloszillator an, daß unendlich viele Neuronen mit sehr kleinen EPSP s das Neuon aktivieren. Dies entspricht einer konstanten externen Erregung. Als Potentialverlauf x(t) des Modell-Neurons ergibt sich aufgrund des RC-Gliedes als Modell die Sprungantwort eines Tiefpasses: x(t) = E (1-e -t/τ ), 0 < t < T mit τ = RC 8.2 Die Oszillatoren interagieren nur durch eine einfache Form der Impulskopplung. Wenn der i-te Oszillator zum Zeitpunkt t i feuert, dann werden die Aktivierungen der anderen Oszillatoren j um einen Betrag ε angehoben. Die Kopplungskonstanten ε sind vergleichbar mit den EPSP's, ε>0, beziehungsweise den IPSP's, ε<0. Das heißt: x i (t i + x i (t i ) = 0 ) = K i + + x j(t i ) = min(k j, x j(t i ) + ε) j i 8.3 Die Oszillatoren haben individuelle Schwellwerte K i beziehungsweise T i. Erreicht oder überschreitet eine Aktivierung x i den Schwellwert, dann wird seine Aktivierung infinitesimal später auf Null gesetzt und alle anderen Aktivierungen werden um ein ε angehoben. Alle Kopplungsstärken ε werden als ident angenommen. Das gilt ebenso für den Zusammenhang unterhalb der Schwelle: Die Aktivierungsfunktion und alle damit verbundenen Parameter sind ident für alle Oszillatoren. Die Aktivierungen x i (t) des i-ten Oszillators während des Anfangszustandes können aber unterschiedlich sein, das heißt die Anfangsbedingungen sind nicht ident. Wenn alle Schwellwerte - wie bei Mirollo und Strogatz - ident wären, dann hätten die Oszillatoren dieselbe Frequenz. Wir interessieren uns aber für unterschiedliche Frequenzen. Aus praktischen Gründen werden alle Schwellwerte durch den größten Schwellwert dividiert. Durch diese Normierung ergibt sich der größte Schwellwert zu 1.0 und 103 Informationsverarbeitung im Gehirn

25 alle anderen Oszillatoren haben einen Wert zwischen 0 und 1. Da die Neuronen in der Großhirnrinde alle miteinander verbunden sind (ein Neuron ist mit ungefähr anderen verbunden), gehen wir von einer all-to-all Kopplung für alle Oszillatoren aus. x K B K A xb=f(φ B (t)) x A =f(φ A (t)) φ T B T A Abbildung 8.10: Zwei Oszillatoren (schwarzer und weißer Kreis) auf der Aktivierungsfunktion. In der Graphik sind 2 Oszillatoren - A und B - mit den jeweiligen Schwellwerten dargestellt. Beide Oszillatoren bewegen sich auf die Schwelle zu. Wenn Oszillator B die Schwelle T B erreicht, dann wird ein Aktionspotential ausgelöst. Die Aktivität des Oszillators B wird auf Null gesetzt (dünner Pfeil). x K B K A x A =f(φ A (t)) x B =f(φ B (t)) T B T A φ Abbildung 8.11: Der Oszillator B feuert gerade, denn er hat die Schwelle T B erreicht. Gleichzeitig, wenn die Aktivität des Oszillators B auf Null gesetzt wird, entsteht ein Aktionspotential. Das heißt, die Aktivität des Oszillators A wird um ein ε angehoben. Das entspricht dem EPSP. x A =g(ε+f(φ A (t))) x K B K A x A =f(φ A (t)) ε T B T A φ Abbildung 8.12: Der Oszillator A wird um ein ε angehoben, da der Oszillator B gerade gefeuert hat. Als nächstes wird Oszillator A den Schwellwert erreichen. Die Aktivität von Oszillator A wird Null gesetzt und die Aktivität des Oszillators B wird durch das entstehende Aktionspotential um ein ε angehoben. Und so weiter. Durch die Anwendung einer Poincaré-Abbildung kann man zeigen, unter welchen Bedingungen diese beiden Oszillatoren beziehungsweise unter welchen Bedingungen viele Oszillatoren mit unterschiedlichen Frequenzen synchronisieren (Siehe dazu Anhang B) Brain Modelling 104

26 Sehr oft in der Literatur wird der Begriff der Synchronisation verwendet. Aber es gibt noch einige Begriffe die als Synonym verwendet werden, beziehungsweise die mit dem Begriff der Synchronisation gleichgesetzt werden. Phase-locking: Synchronisation: Die Oszillatoren feuern zu unterschiedlichen Zeiten, aber die Phasendifferenz bleibt konstant, ist in der Regel aber nicht Null. Im nicht synchronen Zustand ändert sich dauernd die Phase der Oszillatoren, das heißt der zeitliche Abstand zwischen den Aktivitäten der Oszillatoren ist nicht konstant. Durch das phaselocking wird der zeitliche Abstand konstant gehalten. Dieser Zustand scheint für das Gehirn nicht relevant zu sein. Die Oszillatoren feuern gleichzeitig, der Phasenunterschied ist nur beim Feuern Null. Im Modell der "integrate-and-fire"-oszillatoren kann es passieren, daß die Neuronen - nachdem sie gefeuert haben - eine unterschiedliche Phase besitzen. Dies hängt damit zusammen, daß wenn ein Neuron gerade gefeuert hat durchaus von einem anderen Neuron das gerade feuert ein EPSP ε bekommt. Durch dieses EPSP entsteht ein Phasenunterschied ( =g(ε) ) zwischen dem Oszillator der gerade gefeuert hat und dem der gerade feuert. Supersynchronisation: Die Oszillatoren feuern gleichzeitig, der Phasenunterschied ist immer Null. Durch die Refraktärzeit - die dem einfachen Modell fehlt - ist es nicht möglich, daß ein EPSP einen Einfluss auf ein gerade feuerndes Neuron hat. So entsteht kein Phasenunterschied, wenn mehrere Neuronen "fast" gleichzeitig feuern Wenn man sich den mathematischen Beweis in Anhang B näher betrachtet, dann kann man erkennen, daß es Bedingungen für die Synchronisation von Neuronen gibt. Betrachten wir die Bedingungen im einzelnen: a) Die Aktivierungsfunktion muss nichtlinear sein. Da die Membran bezüglich der elektrischen Eigenschaften im unterschwelligen Bereich durch ein RC-Glied beschrieben werden kann, ist diese Bedingung erfüllt. Es zeigte sich, daß je nichtlinearer die Aktivierungsfunktion ist, umso mehr wird die Synchronisation erleichtert. b) Die Frequenzen sollten in der selben Größenordnung sein. Das heißt die Schwellwerte sollten ungefähr gleich groß sein. c) Die PSP s müssen positiv sein. Das heißt, die postsynaptischen Potentiale müssen größer als Null sein, sie entsprechen den EPSP s. Umgekehrt wirken IPSP s desynchronisierend und der stabile Zustand hört auf zu existieren. Je größer die EPSP s sind, umso leichter kann Synchronisation auftreten. Damit stellt sich die Frage, wie man das Phänomen der Synchronisation von Neuronen in biologisch relevanter Sicht beeinflussen kann. Durch die Anhebung des Ruhemembranpotentials wird der Abstand zur Schwellwertspannung reduziert. Das führt zu einer höheren Frequenz und es kommt leichter zur Synchronisation. Umgekehrt kann aber auch der Abstand erhöht werden und die Synchronisation wird erschwert. Dies wird über die modulierenden Neurotransmitter gesteuert. Meist besitzen sie einen hemmenden Einfluss auf die Synchronisation, da die meisten (mit Ausnahme des Acetylcholin) inhibitorisch wirken. Die Wirkung dieser Neurotransmitter hält meist einige Minuten an. Störungen, die aufgrund eines zu starken oder zu geringen Auftreten von Synchronisation zurückzuführen sind, werden im 2. Teil dieses Skriptums behandelt. 105 Informationsverarbeitung im Gehirn

27 Eine andere Möglichkeit die Synchronisation zu beeinflussen, besteht in der Veränderung der EPSP s. Wie wir im Kapitel "Synaptische Plastizität - zelluläres Lernen" gesehen haben, werden durch Lernvorgänge die EPSP s verändert. Es sind zwar alle Neuronen untereinander verbunden, aber manche Neuronen sind etwas stärker verknüpft, das heißt, die EPSP s sind stärker. Die Neuronen, die stärker verknüpft sind, werden zuerst synchronisieren. Wenn ausreichend Zeit bleibt, würden aber auch die anderen Neuronen mitsynchronisieren. Die ganze Gruppe wurde sich synchronisieren. Das ist aber nicht erwünscht. Es müssen also inhibitorische Systeme diesen Zustand verhindern. Wenn also ein Assemble synchron tätig ist, müssen die inhibitorischen Interneuronen den Prozess nach einiger Zeit stoppen. Zum Glück führen IPSP s zu einer Destabilisierung. Zusammengefasst kann man sagen, daß durch Lernvorgänge die EPSP s zwischen speziellen Neuronen erhöht werden und diese Gruppe von Neuronen kann sich bei geeignetem Input leichter synchronisieren. a) b) c) 1 2 U t U t Ein typisches Experiment, in dem zwei Mikroelektroden aus dem visuellen Kortex eines Versuchstieres elektrische Signale ableiten (Abb a). Die Neuronen können nun mit verschiedenen Reizkonfigurationen - Lichtbalken in der Retina - aktiviert werden. Bietet man ein einziges kohärentes Objekt an, in diesem Fall ein durchgehender vertikaler Lichtbalken, der über die rezeptiven Felder bewegt wird (Abb b), so sind die Zellen an den beiden Ableiteorten synchron aktiv. Stimuliert man die gleichen Neuronen hingegen mit verschiedenen Objekten, etwa zwei kleineren balkenförmigen Lichtreizen, die sich in verschiedene Richtungen bewegen (Abb c), so sind die neuralen Impulse nicht mehr synchronisiert. Abbildung 8.13: Ein Experiment zur Synchronisation. An einem vereinfachten Beispiel kann man die Synchronisation schön erkennen. Wenn eine visuellen Szene (a) erkannt wird, dann synchronisieren die Neuronen in der Retina. Assemble 1 U a) b) Abbildung 8.14: Ein modellhaftes Experiment zur Synchronisation. Assemble 2 Die Bindung von Objektmerkmalen erfolgt durch zeitliche Korrelationen zwischen den neuronalen Antworten (Abb.: 8.14b). Im hier gezeigten Fall - durch schwarze und graue Kreise angedeutet - würden die beiden Personen durch jeweils ein unterschiedliches neuronales Assemble dargestellt. Die weißen Kreise stellen unkorrelierte Neuronen dar. Natürlich ist dies t Brain Modelling 106

28 ein theoretisches Beispiel, da die Retina über komplexere Zellen (Ganglienzellen mit ON/OFF-Zentren, Farbbereiche usw.) verfügt. 8.2 Gestaltpsychologie "Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile, auf gut Deutsch: das System ist nichtlinear." In jedem Augenblick analysiert das visuelle System eine Vielzahl von Merkmalen, die für die Wahrnehmung der Umwelt von Bedeutung sind, wie etwa die Form, Farbe oder auch die Oberflächenstruktur. Ein wesentlicher Schritt in der visuellen Informationsverarbeitung besteht nun darin festzulegen, welche Merkmale und welche möglichen Objekt zusammengehören. Da sich meist mehrere Objekte im Wahrnehmungsbereich befinden, reicht es nicht aus, die an verschiedenen Stellen im Sehraum auftretende Merkmale zu erfassen. Um Objekte als Einheiten identifizieren und gegen andere Objekte abzugrenzen zu können, ist es vielmehr von entscheidender Bedeutung, daß zusätzlich die Relation zwischen den analysierten Merkmalen bestimmt werden. Aufgrund einer solchen Merkmalsbindung kann dann die Abgrenzung zusammengehörender Bildbereiche vorgenommen werden - das Bild wird segmentiert. Auf der psychologischen Ebene sind die integrierenden Verarbeitungsschritte, die zu Merkmalsbindung und Segmentierung führen, inzwischen gut untersucht. Die Gestaltpsychologen erkannten, daß die Gruppierung oder Bindung von Merkmalen notwendig ist, um Figuren vom Hintergrund zu trennen und so zu einer Objekterkennung zu kommen. Die frühen Arbeiten der Gestaltpsychologen haben zusammen mit vielen Untersuchungen jüngeren Datums dazu beigetragen, daß die Gesetzmäßigkeiten der perzeptiven Integration auf der psychologischen Ebene plausibel beschrieben werden können. Auf der physiologischen Ebene ist die Integration im Wahrnehmungsprozess aus mehreren Gründen schwer zu verstehen. Zum einen gibt es keine Nervenzellen, die in der Lage wären, durch ihre Aktivität komplexe Objekte als Ganzheit zu repräsentieren. Vielmehr ist es so, daß Neuronen etwa im Sehsystem in den allermeisten Fällen nur auf einfache Merkmale und auf Teilaspekte von Objekten reagieren. So antworten viele Nervenzellen beispielsweise dann besonders gut, wenn sie mit Hell-Dunkel-Konturen einer bestimmten Orientierung stimuliert werden. Einzelne Neuronen repräsentieren durch den Grad ihrer Aktivierung also lediglich elementare Objektmerkmale, keine komplexen Merkmalskonstellationen. Abbildung 8.15: Ein schönes Beispiel für die Trennung von Figur und Hintergrund. Man erkennt den Hund aber nur dann, wenn man Hunde kennt - es muss die Figur irgendwann schon einmal gesehen worden sein. 107 Informationsverarbeitung im Gehirn

29 Eine Anwendung der Synchronisation (Figur-Hintergrund Trennung) kann man gut in Abbildung 8.15 erkennen. Aus einem schlechten Bild wird das Muster vervollständigt. Es werden nur wenige Neuronen angeregt (die den Hund darstellen). Durch Synchronisation werden zusätzliche Neuronen angeregt, bis das Bild eines Hundes entsteht. Abbildung 8.16: Links ist das Kaniza-Dreieck gezeichnet. Am Beispiel des Rubin-Pokals (rechts) läßt sich das Umkippen aus einem Bild (Darstellung eines Pokals) in ein anderes (2 Gesichter sehen sich an) wiedergeben. Wenn man nur oberflächlich das mittlere Bild betrachtet, dann erkennt man den Schriftzug "das Haus". Die Gestaltpsychologen beschäftigen sich mit der Gestalt von Mustern beziehungsweise mit dem Erkennen von Mustern. Der Begriff der Synchronisation war damals noch nicht geboren, trotzdem ist es ihnen damals schon gelungen einige interessante Erkenntnisse zu gewinnen, die sich mit der Synchronisation relativ leicht erklären lassen. Man muss aber nicht unbedingt an einzelne Bilder denken. Auch das Phänomen Film gehört zur Gestaltpsychologie. Die einzelnen Bilder zu betrachten ist eigentlich fad. Wenn die Bilder aber in der richtigen Geschwindigkeit vorgeführt werden, dann entsteht eine Scheinbewegung. Dies ist vergleichbar mit dem wandernden Lichtpunkt. Wenn zwei Lampen nahe beieinander stehen, und abwechselnd leuchten, dann erscheint es, daß - bei einer bestimmten Geschwindigkeit - ein Lichtpunkt hin-und-her wandert. Unsere sensorischen Systeme sind nicht mehr in der Lage, die Reize einzeln aufzulösen und es entsteht ein scheinbarer neuer Reiz. Wenn man im Zug sitzt, der gerade in einem Bahnhof steht, und auf dem Nachbargleis fährt ein Zug ein oder ab, dann hat man kurzfristig das Gefühl, daß man selber fährt. Aus den Reizen konstruiert unser Gehirn eine konsistente Wahrnehmung. Vereinfacht kann man sagen, daß aus dem Vorurteil, daß sich die Landschaft bewegt, darauf rückgeschlossen wird, daß wir uns in dieser Landschaft bewegen. Dies funktioniert aber nur deshalb, weil sich die Landschaft eigentlich nie bewegt, sondern nur wir uns in der Gegend. Mit dem Wissen, daß sich die Landschaft nicht bewegen kann, konstruiert unser Gehirn eine Wahrnehmung. So können wir in den Bildern immer nur Objekte erkennen, die uns bekannt sind. Nur wenn ein Zebra oder Pferd schon Abbildung 8.17: Eine Anordnung von bekannt ist, dann erst wird das seitliche Bild schwarzen Streifen - ein Zebra. erkannt. Dies hat sehr viel mit Vorurteilen zu tun. Normalerweise würde man sagen, daß Vorurteile eher schlecht sind, für die Wissenschaft als auch für das soziale Zusammenleben. Aber es ist auch wichtig Vorurteile zu haben. Stellen sie sich vor sie sprechen mit irgend jemand über irgend eine Straße. Können wir sicher sein, daß jeder die selbe Straße meint: eine Bundesstraße, eine Autobahn, ein kleiner Feldweg, eine geschwungene Bergstraße. Jeder von uns assoziiert mit dem Begriff der Strasse verschiedene Reize. Erst wenn ein Großteil der Brain Modelling 108

30 Reize, die eine Person mit einem Wort assoziiert, auch ident ist mit den Reizen die eine andere Person assoziiert, dann sprechen die beiden ungefäühr von dem selben. Aber auch nur ungefähr, da ja nur ein Großteil der assoziierten Reize ident ist. Leider ist es im normalen Alltagsleben sehr schwierig alle Worte zu definieren. Zum Beispiel kennen die Eskimos ungefähr 30 Wörter für Eis, während wir in Mitteleuropa nur 5-8 Worte für Eis kennen. Diskutieren sie einmal mit einem Eskimo über Eis und sie werden feststellen, daß sie aneinander vorbeireden. So wurden für die visuelle Wahrnehmung folgende einfachen Gruppierungsgesetze gefunden: räumliche Nähe Ähnlichkeit abgeschlossener Umriß gute Fortsetzung gemeinsamer Bereich Zusammenhang Abbildung 8.18: Einige Gruppierungsgesetze der Gestaltpsychologie des Sehens. Menschen neigen dazu, Muster auf die einfachste Weise zu vervollständigen. Betrachten wir einen Kreis bei dem ein kleiner Bereich verdeckt ist (Abbildung 8.19). Man könnte vermuten, daß unter dem verdecktem Bereich der Kreis wie ursprünglich angenommen weiterläuft - also daß ein Kreis dargestellt ist. Aber die Realität kann anders aussehen. Abbildung 8.19: Was verbirgt sich wohl unter dem grauen Rechteck. Ein schönes Beispiel sind Intelligenztests. So gibt es die Aufgabe der Vervollständigung von Zahlenreihen. Vervollständigen sie bitte die folgende Zahlenreihe: Eins, Zwei, Drei, Vier. Die meisten Mensche würden nun sagen, daß die nächste Zahl Fünf sein müsse. Aber es ist falsch, denn die nächste Zahl wäre Sieben, denn es gelten nur Zahlen, in denen ein i vorkommt. Natürlich könnte es auch die Sechs sein, wenn das e wesentlich ist. Nach einem mathematischen Theorem, kann man jede beliebige Zahlenreihe mit jeder beliebigen Zahl vervollständigen. Also könnte auch die Zahl 127 die nächste Zahl sein - man muss nur das richtige Bindungsgesetz finden. Also kann man mit dieser Testaufgabe viel messen - aber wahrscheinlich keine Intelligenz. Dieses Beispiel verdeutlicht aber wieder die Prinzipien der 109 Informationsverarbeitung im Gehirn

31 Gestaltpsychologie. Der Mensch bettet sein Wissen - beziehungsweise auch sein Nichtwissen - in der einfachsten Weise ein. Ein schönes Experiment verdeutlicht dies sehr schön. Die Gestaltpsychologie beschäftigt sich mit Mustern, diese Muster müssen aber nicht unbedingt visuell repräsentiert werden. Es können auch Handlungsmuster sein. So wurden Studenten an einer amerikanischen Universität ein Zitat vorgelegt: "Ein kleiner Aufstand dann und wann ist etwas Gutes und in der politischen Welt ebenso notwendig wie in der Physischen." Die Studenten sollten dieses Zitat beurteilen. Der einen Gruppe erzählte man, daß es von Thomas Jefferson ( , Verfasser der Unabhängigkeitserklärung) stammt, während man der anderen Gruppe erzählte, daß Wladimir Iljitsch Lenin ( , Schriftsteller und Anführer der Oktoberrevolution) der Urheber sei. Thomas Jefferson genießt in Amerika große Verehrung und er wird als einer der größten Kämpfer für die Freiheit Amerikas betrachtet, während Wladimir Iljitsch Lenin als Begründer der Sowjetunion für Diktatur und Kommunismus steht. Die Studenten, die meinten, daß das Zitat von Jefferson stammt, hielten es für gut und stimmten ihm zu, während die Studenten, die meinten es sein von Lenin hielten es für gefährlich und lehnten es ab, denn Lenin könne mit dem Aufstand nur die Revolution meinen - die kommunistische Weltrevolution - und dies sei mit Diktatur und Menschenrechtsverletzung verbunden. Dieses Beispiel verdeutlicht auf eine schöne Weise, wie wir unsere Wahrnehmung konstruieren. Abbildung 8.20: Affen beim Versuch eine Banane von der Decke zu holen. Die Gestaltpsychologie versuchte aber auch in anderen Gebieten der Psychologie einiges zu erklären. So entwickelte Wolfgang Köhler ( , Begründer der Gestaltpsychologie) ein interessantes Experiment zu den Lerntheorien. Die damaligen Lerntheorien von Pawlow und Skinner gingen von einem reinen Aktions-Reaktionsmodell aus, bei dem kein aktiver Denkprozess stattfindet. Es wird die Verknüpfung Aktion-Reaktion gelernt, aber ohne nachzudenken. Köhler gelang es sehr erfolgreich zu zeigen, daß es auch Lernprozesse mit einer plötzlichen Einsicht gibt. Er sperrte Schimpansen mit ein paar Holzkisten, einen Stock und einer auf der Decke hängenden Banane in einen Käfig ein. Der jeweilige Schimpanse wollte natürlich die Banane, aber er konnte sie nicht erreichen, da sie auf der Decke befestigt war. So saß er in der Ecke. Nach einiger Zeit begann er die Kisten zu stapeln und kletterte auf den Turm und versuchte die Banane zu ergreifen. Dies gelang ihm gerade nicht. Also kletterte er wieder herunter und schaute sich um. Er entdeckte den Stock, ergriff ihn, kletterte erneut wieder auf den Kistenstapel und schlug mit dem Stock die Banane herunter. Der Schimpanse hatte dieses Problem erfolgreich gelöst, die Einsicht kam scheinbar plötzlich, und die Fehler wurden in einer sinnvollen Weise korrigiert. Dieses Experiment ist mit einfachen Reiz-Reaktionsmodellen praktisch nicht zu erklären. Brain Modelling 110

32 Es gibt ganz interessante Rätsel aus der Gestaltspsychologie die uns zeigen, wie schwierig es ist, über den Tellerrand hinauszublicken. Diese Aufgabe wurde bei der Einstufung zukünftiger Studenten des MIT gestellt. Man möge die 9 Punkte durch 4 Linien - ohne abzusetzen - verbinden. Ein Student fragte, ob er es auch mit 3 Linien dürfe. Seitdem hat diese Aufgabe zwei Lösungen. Die Lösung finden sie im Anhang D. Abbildung 8.21: ein Rätsel aus der Gestaltpsychologie. Aber es geht ja nicht nur um geometrische Muster, auch bei Handlungen macht man gerne Fehler und es wird nicht die vollständige Information verwendet. Also: Angenommen, Sie sind ein Busfahrer und der Bus ist am Anfang leer. Der Busfahrer kommt zur ersten Station und es steigen 2 Personen ein. Eine Person hat eine Wochenkarte, die zweite zahlt den Fahrschein in bar. Der Busfahrer gelangt zur nächsten Station, eine Person steigt aus, und 4 Personen steigen ein. Von den 4 Personen hat eine Fahrgast das Pensionistenalter erreicht, und ein Fahrgast ist Mutter mit den beiden Kindern, die zum ermäßigten Tarif fahren. Bis zur nächsten Station quengeln die Kinder die Mutter. Bei der nächsten Station steigen 2 Personen aus, und es steigt keine Person ein. Am Ende der Fahrt sind alle Personen ausgestiegen. Wie lautet nun die Augenfarbe des Busfahrers. Was versteht man unter einer lokalen beziehungsweise unter einer verteilten Repräsentation? Was ist das Großmutterneuron? Welche Fehler hat Barlows Theorie? Welche Erkenntnis kann man aus der Rosenblattschen Bindungsmaschine gewinnen? Wodurch ist die Zusammengehörigkeit definiert? Warum muss ein Assemble gehemmt werden? Mit welcher Begründung können Glühwürmchen als Modell für Neuronen dienen? Wie ist ein "integrate and fire"-oszillator definiert? Welche Arten von Synchronisationen gibt es und wie unterschieden sie sich? Welche Experimente zur Synchronisation kennen sie? Womit beschäftigt sich die Gestaltpsychologie? Welche Gruppierungsgesetze kennen sie? 111 Informationsverarbeitung im Gehirn

33 Geräuschlokalisation bei der Schleiereule Die Schleiereule ist in der Lage im Dunkeln sehr genau die Position von Geräuschen wahrzunehmen. Lange Zeit war nicht genau geklärt, wie sie die Position von Beutetieren auf 1-2 genau detektieren konnten. Ein Geräusch gelangt zu beiden Ohren zu unterschiedlichen Zeiten. Das Gehirn der Schleiereule vergleicht die Zeiten und setzt die ermittelten Unterschiede zu einem einheitlichen räumlichen Höreindruck um. Mit dem Laufzeitunterschied kann die Schleiereule in der x-y-ebene bestimmen, wie weit das Geräusch von rechts (beziehungsweise von links) kommt. Da die beiden Ohrmuscheln unterschiedlich orientiert sind, können auch Geräusche von oben beziehungsweise von unten erkannt werden. So ist das linke Ohr empfindlicher für Geräusche von unten bzw. das recht Ohr von oben. Es werden die unterschiedlichen Laufzeiten und Intensitäten gemessen (siehe Abb.1.1). Die Laufzeiten sind für die Orientierung in der x-y Ebene und die Intensitäten für die Orientierung in der x-z Ebene verantwortlich. Man konnte dies sehr genau zeigen. Man setzte die Schleiereule in einen schalltoten Raum, verband ihr die Augen und über zwei Ohrenstöpseln wurden den Ohren Geräusche zugespielt. Man konnte die beiden Laufzeiten variieren und die Intensität. Bei geeigneter Wahl der Parameter bewegte die Schleiereule den Kopf in die Richtung des vermuteten Geräusches. Dies z x y rechts links Hörregion im linken Mittelhirn Abbildung 9.1: Der Hör-Raum und die dazugehörigen Rindenareale wurde ebenso vermessen. Mit diesem Aufbau war es möglich, sehr exakt zu bestimmen, welche Gehirnareale für die Geräuschlokalisation verantwortlich sind. So konnte man in der Hörregion im Mittelhirn das wesentliche Areal identifizieren. Dieses Areal hat unterschiedliche Bereiche, wobei jedes für einen bestimmten Winkelbereich verantwortlich ist. Wenn ein Geräusch von 20 rechts kommt, dann werden die Neuronen in diesem Areal sehr stark feuern, während es in den übrigen Bereichen nur zu spontanen Entladungen kommt. Ostsspezifische Neuronen der Hörregion des Mittelhirns decken jeweils einen bestimmten Bereich des Hörraums ab. Die Entfernungsbestimmung von Geräuschen ist weiterhin nicht geklärt! Brain Modelling 112

34 Die Neuronen auf der Hörrinde erhalten ihren Input über je einen Relaiskern von den beiden Ohren. Im Gehirn werden die unterschiedlichen Laufzeiten durch Verzögerungsstrecken kompensiert. Alle Signale vom Ohr gelangen über diese Verzögerungsstrecken zu den "ortsabhängigen" Rindenarealen. Wenn nun die beiden Signale (vom rechten und vom linken Ohr) über die Verzögerungsstrecken in das Rindenareal gelangt, dann gibt es genau zwei Strecken, welche die unterschiedlichen Zeiten kompensiert, das heißt in einer Neuronengruppe kommen die Signale zeitgleich an, während die Signale die über andere Verzögerungsstrecken in die anderen Areale gelangen zu unterschiedlichen Zeiten (vom rechten und vom linken Ohr) eintreffen (siehe Abbildung 1.2). Die Gruppen von Nervenzellen feuern nur dann, wenn die von beiden Seiten stammenden Signale gleichzeitig bei ihr über verschiedene Verzögerungsstrecken eintreffen. Die Neuronen arbeiten als Koinzidenzdetektor (Vergleiche Synchronisation). Verlagert sich die Schallquelle von der Mitte zur Seite, wird jene Gruppe aktiv, dessen Verzögerungsstrecken die unterschiedlichen Laufzeiten gerade kompensieren. Die Verzögerungsstrecken sind durch unterschiedlich lange Axone zwischen dem jeweiligen Relaiskern und der Hörrinde realisiert. Geräusch a b a b linkes Ohr d d rechtes Ohr Relaisstation c c Verzögerungsstrecke (Axone) Gruppe von Neuronen, die als Koinzidenzdetektoren arbeiten Abbildung 9.2: Ein Geräusch wird von den beiden Ohren detektiert. Wenn sich das Geräusch rechts befindet, dann ist der Weg zum rechten Ohr kürzer, als zum Linken. Durch die Verzögerungsstrecken wird dieser Weglängenunterschied ausgeglichen. Für die Laufzeiten in der Luft a und b und für die Laufzeiten in den Neuronen (über die Axone) c und d gilt: a + c = b + d. Nur die Gruppe, für die diese Bedingung gilt, wird aktiviert. Eine Schallwelle einer einzigen Frequenz veranlasst bestimmte dafür empfindliche Neuronen zu feuern. Dabei werden Impulse mit einem bestimmten Phasenwinkel erzeugt. Die Neuronen in der Hörrinde des Eulengehirns reagieren am stärksten, wenn Impulse mit demselben Phasenwinkel, also gleichzeitig bei ihnen eintreffen. Auf leicht asynchron eintreffende Impulse können Sie ebenfalls, wenn auch schwächer reagieren. 113 Geräuschlokalisation bei der Schleiereule

35 Neuron des rechten Ohrs Verzögerungsstrecke t Neuron des linken Ohrs Neuron des rechten Ohrs Maximale Koinzidenz: Die Neuronen von beiden Ohren feuern gleichzeitig. Ortsspezifische Gruppe feuert stark t Neuron des linken Ohrs Keine Koinzidenz: Die Neuronen von beiden Ohren feuern NICHT gleichzeitig. Ortsspezifische Gruppe feuert schwach Verzögerungsstrecke Abbildung 9.3: Nur wenn die Verzögerungsstrecken richtig gewählt wurden, dann erst kann es zu einer Koinzidenz kommen. Ein Neuron feuert dann, wenn gleichzeitig ausreichend Signale (EPSP s) zum Axonhügel gelangen (siehe Bedingung für Synchronisation). Mit diesen Fakten kann man nun sehr genau ausrechnen, wie genau Schleiereulen den Entstehungsort von Geräuschen bestimmen können. Bei näherem Hinsehen ergibt sich dabei ein Problem. Die Geschwindigkeit der Reizweiterleitung entlang eines Neurons kann als konstant angesehen werden. Wesentlich ist auch die Größe und Länge der jeweiligen EPSP s die durchschnittlich 200 ± 20 µs lang sind. Die aktiven Neuronen in den Ohren feuern rund alle 200 ± 40 µs. Das bedeutet, dass ein relativ großer Fehler entsteht. Trotzdem können Schleiereulen den Entstehungsort von Geräuschen auf 1-2 genau bestimmen. Das bedeutet, es müssen unterschiedliche Laufzeiten (zwischen dem rechten und dem linken Ohr) von rund 5 µs erkannt werden. Mit dem Wissen über den neuralen Aufbau lässt sich dies nur schwer klären. Man fand 3 wesentliche Schlüsselprozesse die dieses Paradoxon klären können. Diese Prozesse wurden am Computer modelliert und später mit den tatsächlichen Gegebenheiten verglichen. [1] Herstellung der Genauigkeit durch Auswahl der Synapsen während der Entwicklung. Die Computersimulation zeigte, dass von 600 Synapsen rund 100 überlebten. Nur die Synapsen, die die Information exakt weitergegeben haben, überlebten. Die Genauigkeit der Laufzeitmessung stieg dabei stark an. (Vergleiche Entwicklung des Nervensystems) Brain Modelling 114

36 [2] "Subthreshold Oscillations": Hemmenden Neuronen verursachen eine Art Trägerwelle, die eine wesentlich höhere Frequenz besitzt. Die inhibitorischen Neuronen feuern rund ein Drittel öfters, als die exzitatorischen. Das Hintergrundrauschen kann nicht einfach ein Aktionspotential auslösen - erst nachdem sich die Aktivierung öfters der Schwelle angenähert hat. Wenn nun die Aktivierung im Ruhezustand (aufgrund des Hintergrundrauschens) nahe der Schwelle ist, dann reichen sehr wenige EPSP s aus, um das Neuron zum Feuern zu bringen. Aufgrund dieser Trägerwelle können die exzitatorischen Neuronen besser aufeinander abgestimmt werden. Dieser Prozess unterstützt das phaselocking, beziehungsweise die Synchronisation von Neuronen im Gehirn. -75 [mv] Aktivierung eines exzitatorischen Neurons Schwelle Die hemmenden Neuronen feuern gleichzeitig. Abbildung 9.4: Die Oszillationen unterhalb der Schwelle, erzeugt durch inhibitorische Neuronen t [3] Die Genauigkeit der Laufzeitmessung ist auch von der Zahl der aktiv beteiligten Neuronen abhängig. Je mehr Neuronen beteiligt sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass ein paar aufgrund des Hintergrundrauschens leichter aktivierbar sind. Das Argument der "subthreshold-oscillations" ist von der Neuronenzahl abhängig. Genauigkeit Anzahl der Neuronen Abbildung 9.5: Durch die Computersimulation könnte die Anzahl der Neuronen im Koinzidenzgebiet bestimmt werden. Was ist das primäre Problem bei der Richtungserkennung von Geräuschen bei der Schleiereule? Welche 3 Mechanismen unterstützen die raschere Synchronisation von Geräuschinformationen? Was versteht man unter sub-threshold-oscillations? 115 Geräuschlokalisation bei der Schleiereule

37 Das Geruchssystem Gerüchen - außer, dass sie angenehm oder widerlich sind - wird eher wenig Bedeutung zugeordnet. Allerdings ist für viele Säugetiere der Geruchssinn der wesentlichste sensorische Input, der auch der sozialen Kommunikation dient. So wird der Geruchssinn benötigt, um verdorbene Nahrung, um Feinde oder auch um Sexualpartner zu identifizieren. Ein Mensch kann rund verschiedene Valeurs (Gerüche) wahrnehmen. Tiere können wahrscheinlich auch nicht mehr Gerüche unterscheiden, aber für viele Tiere reicht eine geringere Konzentration des Duftstoffes für die Erkennung aus, da es mehr Rezeptoren, aber nicht mehr Rezeptortypen gibt. Das heißt manche Tiere können Gerüche mit einer geringeren Konzentration identifizieren. Die Geruchsstoffe gelangen über die Nasenhöhle zur Riechschleimhaut. Beim Menschen ist die Riechschleimhaut eine rund 5cm 2 große gelbliche Fläche. Die Riechschleimhaut ist von der Nasenschleimhaut umgeben, die die Atemluft erwärmt und befeuchtet. In der Riechschleimhaut befinden sich Millionen von Sinneszellen. Diese Sinneszellen geben ihre Information über Axone, die durch das Siebbein ziehen, an die Glomeruli weiter. Die Glomeruli sind knäuelartige Strukturen, über die die gesamte Geruchsinformation weiterverarbeitet wird. Da die Riechzellen direkt mit der Außenwelt in Kontakt stehen, können sie auch leicht beschädigt werden - sie sterben ab. Sie werden durch neurale Stammzellen ersetzt. ACHTUNG: Bei momentanem Stand des Wissens - März 2002 sind die Riechzellen die einzigen Zellen Abbildung 10.1: Anatomischer Aufbau des Riechsystems und des Nervensystems, die vollständig die Verbindungen zu wesentlichen verarbeitenden Teilen des durch neurale Stammzellen ersetzt übrigen Gehirns. werden können. Die Glomeruli stellen die erste Verarbeitungsstation in der Geruchswahrnehmung dar. Von dort gelangen Brain Modelling 116

38 über drei verschiedene Riechstränge die Informationen in andere Gehirnteile, beziehungsweise in das Riechhirn. Die Riechzellen besitzen einen Rezeptor, deren Aminosäurekette räumlich so gefaltet ist, dass sie die Zellmembran sieben mal durchqueren. Damit stellt sich die Frage, wie viele Gene für die Sinneszellen notwendig sind. Gibt es für jeden Geruch eine spezielle Aminosäuresequenz, dann würden rund Gene benötigt, oder sind es bedeutend weniger Aminosäurenketten und Gerüche entstehen aus einer Überlagerung der jeweiligen Aktivierungen. Die Analyse an Säugetieren ergab, dass rund 1000 Gene für die Geruchsrezeptoren verantwortlich sind. Da der Mensch rund Gene besitzt, werden für die Geruchsinformation rund 1% des Genpotentials verwendet. Im Vergleich, das Farbsehen benötigt nur 3 verschiedene Rezeptoren. Die Gerüche entstehen nun dadurch, dass einzelne Geruchsrezeptoren aktiviert werden und sich die Wahrnehmung aus der Aktivierung der einzelnen Rezeptoren zusammensetzt. Jedes Geruchsmolekül hat verschiedene Seiten, mit denen es an die Rezeptoren andocken kann. Es gäbe damit rund Gerüche, die wahrgenommen werden könnten. Aus praktischen Gründen können nicht alle Kombinationen auftreten, beziehungsweise gibt es diese Gerüche nicht in der Natur. Jeder dieser Rezeptoren schickt sein Axon zu einem (bzw. zwei) speziellen Glomerulus. Somit registriert jeder Glomerulus eine spezifische Komponente des Geruchs. Es existieren rund 2000 Glomeruli - für jede Geruchskomponente gibt es zwei Glomeruli. Wenn einer ausfällt, gibt es noch einen "Reserve"-Glomerulus. Die Glomeruli liegen immer an derselben Stelle, allerdings sind die Riechzellen selbst über die ganze Riechschleimhaut zufällig verteilt. Die Position der Glomeruli scheint genetisch determiniert zu sein. Glomeruli Mitralzellen zur Riechrinde Siebbein Sinneszellen Geruch Abbildung 10.2: Aufbau der Riechschleimhaut und des Bulbus olfaktorius. Jede Sinneszelle innerviert - in Abhängigkeit des Typs - einspezifisches Glomeruli. Über die Mitralzellen wird dann die Information an andere Bereiche weitergeleitet. 117 Das Geruchssystem

39 Wenn nun Geruchsmoleküle auf die Riechzellen treffen, wird ein elektrisches Signal über die jeweiligen Axone zu den spezifischen Glomeruli weitergeleitet. Bei komplexen Gerüchen entsteht somit ein geometrisches Muster. Für jeden Geruch gibt es ein spezifisches geometrisches Muster an aktiven Glomeruli. Dieses Muster kann über elektrische Ableitungen gemessen werden. Die Glomeruli selbst werden von Mitralzellen innerviert, die die Information an die Riechrinde weiterleiten. Der Komplex der Glomeruli und der Mitralzellen wird als Riechkolben (Bulbus olfaktorius) bezeichnet. Über die periglomulären Zellen, die zwischen den Glomeruli liegen, kommt es zu synaptischen Hemmungen. Das heißt, wenn in einem Glomerulus die Synapsen besonders aktiv sind, dann hemmt diese Zelle die Synapsen in den benachbarten Glomeruli. Der Kontrast des räumlichen Musters wird verstärkt. Zusätzlich werden die Mitralzellen durch Körnerzellen inhibiert. Dadurch kann es zu keiner längerandauernden Synchronisation kommen und die Trennschärfe wird ebenso wie durch die periglomulären Zellen erhöht. Die Axone der Mitralzellen bilden drei Stränge. Der mediale Riechstrang gleicht die Information mit dem gegenüberliegenden Reichkolben ab. Der intermediale Riechstrang innerviert den Stirnlappen und den Thalamus. Über die Amygdala zieht der laterale Riechstrang zum Riechkortex. Alleine aus diesen Verbindungen zeigt sich die Wichtigkeit der Geruchsinformation für das Gehirn. In der Amygdala werden Informationen emotionell bewertet, während in den Stirnlappen Entscheidungen getroffen werden. Der Riechkolben kann durch unterschiedliche Einflüsse sensibilisiert werden: Hunger, Durst, Sex, Bedrohung und so weiter. Die Geruchswahrnehmung erlangt in diesen Situationen eine erhöhte Bedeutung. Die Sensibilisierung kommt dadurch zustande, dass eine Synchronisation erleichtert wird - die hemmenden Zellen zwischen den Glomeruli und den Mitralzellen haben eine geringere Aktivität beziehungsweise die Mitralzellen bekommen einen zusätzlichen Input von anderen Gehirnregionen. Man kann EEG-Messungen in der Riechrinde durchführen. Meist wird dabei die Aktivität von vielen Neuronen - einigen Hundert - gleichzeitig gemessen. Auf der Riechrinde können mehrere Elektroden befestigt werden und damit ist es möglich den Aktivierungszustand über den gesamten "Riechraum" - der Oberfläche der Riechrinde - gleichzeitig zu messen. Durch diese EEG-Kurven konnte gezeigt werden, dass auch in diesem sensorischen Areal Synchronisation der entscheidende Faktor ist. Atmet ein Tier einen vertrauten Geruch ein, so beobachtet man eine Salve: Die gemessenen EEG-Wellen werden für wenige Schwingungsperioden plötzlich regelmäßig(er) und geordnet(er). Bei unterschiedlichen Duftstoffen variiert das Muster der räumlichen Korrelation und Synchronisation der einzelnen Neuronen. Dadurch wird ein Duftstoff eindeutig zugeordnet. Abbildung 10.3: Links sind die Ableitungen einzelner Elektroden gezeigt. Man erkennt sehr schön, dass in einzelnen Bereichen die Amplituden erhöht sind, und dass alle Neuronen praktisch Synchron sind. Durch diese Einzelableitungen können sogenannte "Höhenbilder" konstruiert werden. Auf ihnen erkennt man die Bereiche, die gleichzeitig aktiv sind, leichter (rechts). In einer zweidimensionalen Karte der elektrischen Aktivitäten des Riechkolbens kann man aber auch die Veränderung bei unterschiedlichen Gerüchen gut erkennen. So ergeben sich für Brain Modelling 118

40 unterschiedliche Gerüche unterschiedliche Muster. Wird nun ein neuer Geruch hinzugelernt, so verändert sich auch das Bild bei den bekannten Gerüchen. Sägemehl Banane Sägemehl Abbildung 10.4: Ein Versuchstier schnupperte an Sägemehl und das linke Muster wurde gemessen. Wenn das Tier mit einem neuen Geruch zum Beispiel dem Bananengeruch in Kontakt kam (mittlere Abbildung), so veränderte sich bei einem späteren Experiment die Synchronisation der Neuronen in der Riechrinde für Sägemehl. Ein neuer Geruch wurde gelernt (rechte Abbildung). Diese biologischen Fakten, kombiniert mit den elektrischen Ableitungen wurden in einer Vielzahl von Modellen untersucht. Zwei Modelle sollten besonders erwähnt werden. Zum einen das Modell von Rall und Shepherd. Die einzelnen Neuronen wurden als Compartment beschrieben. Dadurch konnten sie sehr genau den Potentialverlauf der Mitralzellen und Körnerzellen im Riechkolben beschreiben. Das andere Modell stammt von W.J.Freeman. Dieses Modell ist sehr bekannt und man kann an diesem Modell sehr viel über das Modellieren lernen. Die Zellen wurden durch einzelne Funktionen beschrieben, diese Zellen wurden zu Sets zusammengefasst, die dann wiederum zu Netzwerken zusammengefasst wurden. Betrachten wir zuerst die beiden Funktionen, welche die Neuronen beschreiben. 1) Pulse-to wave Transformation: Ein Aktionspotential wird in ein wellenförmiges Signal umgewandelt (dieses Signal entspricht den PSP s). 2) Wave-to pulse Transformation: Die wellenförmige Signale werden in Aktionspotential umgewandelt. Im Prinzip beschreiben die beiden Funktionen die Hodgkin-Huxley-Gleichung. Die Neuronen können nun verschiedene Zustände besitzen: stabiler Ruhezustand (zwischen Ruhemembranpotential und dem Schwellpotential) a) Ruhegleichgewicht (das Potential kehrt zum Ruhemembranpotential zurück, ohne dass das PSP einen Einfluss auf das Feuerverhalten hat). b) Stabiles Null-Gleichgewicht (die einlangenden Signale sind so groß, dass das Potential über dem Ruhemembranpotential gleich bleibt). stabiler Zustand der Pulserzeugung (die Schwellwertspannung wurde überschritten) c) Stabiles Nicht-Null-Gleichgewicht (die mittlere Feuerrate über einen längeren Zeitraum ist konstant, aber die einzelnen Aktionspotentiale sind unvorhersehbar). d) Stabiler Grenzzyklusbereich (Feuersalven sind von Ruhepausen unterbrochen). 119 Das Geruchssystem

41 Diese unterschiedlichen Neuronen werden nun zu einzelnen Sets zusammengefasst. Man unterscheidet: K0-Set: Alle Neuronen arbeiten gleich. Entweder wirken alle erregend K0 e oder inhibitorisch K0 i. Alle Zelle erhalten denselben Input und sie sind nicht untereinander verbunden. KI-Set: Alle Neuronen haben die selbe Wirkung (erregend KI e oder hemmend KI i ), sie erhalten den selben Input, aber sie sind untereinander dicht verknüpft. KII-Set: Die Neuronen sind erregend oder hemmend und können erregend oder hemmend wechselwirken. Die Neuronen sind untereinander verknüpft und sie erhalten unterschiedlichen Input. Die Sets stellen ein System von gewöhnlichen gekoppelten nichtlinearen Differentialgleichungen 2. Ordnung mit sehr vielen Parametern und Variablen dar. Und damit sind wir bei der Problematik dieses Modells. Es ist ein sogenanntes Zahnradmodell. Wenn man alle Zahnräder richtig einstellt - also alle Parameter richtig wählt - dann kommen die richtigen Zahlenwerte heraus. Das wäre für ein normales Modell durchaus sinnvoll. Wenn aber die Anzahl der Parameter einen bestimmten Bereich überschreitet, dann kann man mit ein paar Gleichungen so ziemlich alles beschreiben - wenn die Gleichungen hinreichend komplex sind. Ein gutes Modell zeichnet sich dadurch aus, dass es mit wenigen Parametern eine gute Beschreibung der Wirklichkeit liefert. Die Parameter sollten plausibel sein und die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Parameter sollten durchschaubar und logisch sein. Leider gibt es immer wieder Modelle, welche die Hodgkin-Huxley-Gleichung als Grundlage verwenden. Aber zur Erinnerung: diese Gleichung beschreibt die elektrischen Potentiale entlang eines Axons, wenn die Schwelle überschritten wird. Diese Gleichung beschreibt sonst NICHTS. Natürlich ist es einfach Hodgkin-Huxley-Gleichungen herzunehmen, sie zu koppeln, und nach Lösungen zu suchen. Aber über die Axone kommt es zu KEINER Synchronisation. Natürlich ist es wichtig, dass Signale vom Axonhügel zu den einzelnen Synapsen weitergeleitet werden, aber im Prinzip ist es egal wie das Signal aussieht - vorausgesetzt das EPSP beziehungsweise das IPSP verändert seine Amplitude oder zeitlichen Verlauf nicht. Vielmehr ist das entstehen eines Aktionspotentials am Axonhügel viel wichtiger. Dort wird nach dem "Alles-oder-Nichts"-Prinzip entschieden, ob ein Signal zu den Synapsen geschickt wird. Für die Synchronisation ist die Verarbeitung zwischen dem Ruhemembranpotential und der Schwellwertspannung (nichtlineare Funktion) und der Summe der EPSP s und IPSP s wichtig. Die Aktionspotentiale selbst sind in Folge natürlich auch synchron - aber als Resultat und nicht als Ursache. Bei komplizierten Differentialgleichungen gibt es noch ein anderes Problem. Es entstehen automatisch Chaos-Effekte. In den 80ern und Anfang der 90er war es modern alles nach Chaoseffekten zu untersuchen. Und natürlich hat man im EEG der Großhirnrinde, als auch in der Riechrinde Hinweise für Chaos entdeckt. Leider musste man später erkenne, dass diese Ergebnisse voreilig waren. Durch die sensiblen Verstärkerschaltungen kam es zu Rückkopplungen, die die Messergebnisse verfälschten. Nachdem man diese Schwachstellen beseitigt hatte, blieb von den Hinweisen für Chaos nicht mehr viel übrig. Bei der Untersuchung einzelner Neuronen konnte man aber dennoch chaotische Effekte beobachten. Wenn Einzelobjekte eines Systems ein chaotisches Verhalten zeigen, so kann man nicht auf ein chaotisches Verhalten des gesamten Systems schließen. Durch Synchronisationseffekte wird das Chaos gezähmt. Brain Modelling 120

42 Da die Frage nach Chaos im Gehirn immer noch eine wichtige Rolle spielt sollte dieses Gebiet näher erläutert werden, denn Chaos ist nicht der Ordnungszustand eines Schreibtisches, sondern etwas viel komplexeres. Exkurs: Was ist Chaos? Unvorhersagbare "zufällige" Phänomene können entstehen wenn in einem System kleine Änderungen in der Gegenwart große Änderungen in der Zukunft hervorrufen Henri Poincaré Betrachten wir ein ideales Fadenpendel. Wenn wir es loslassen, dann schwingt es hin und her. Es wird nicht abgebremst, da es als ideales Pendel keinen Luftwiderstand besitzt. Durch die Schwerkraft wird die Kugel beschleunigt, wenn wir loslassen, und wenn die Kugel den untersten Punkt erreicht hat, dann hat sie die höchste Geschwindigkeit, die wieder verringert wird, bis die Kugel den gegenüberliegenden Scheitelpunkt erreicht hat. Wir können den Ausschlag (die Amplitude) gegen die Zeit auftragen. Dies ergibt eine Sinusschwingung, wie sie vielen bekannt ist. Für manche Effekte ist es aber sinnvoller Zustandsgrößen gegeneinander aufzutragen. Die Zeit selbst ist keine Zustandsgröße. Zustandsgrößen beschreiben ein System vollständig und sie hängen von der Zeit ab. Mehrere Zustandsgrößen spannen einen Zustandsraum auf. Der Zustandsraum ist eine mehrdimensionale Darstellung (meist Abbildung 10.5: Ein ideales Fadenpendel. zwei oder dreidimensional) des Zusammenhangs von Zustandsgrößen. Zum Beispiel wird der Zustandsraum eines Fadenpendels durch den Ort x und die Geschwindigkeit v aufgespannt. Amplitude Ort Zeit Geschwindigkeit hohe Geschwindigkeit Abbildung 10.6: Links ist die Amplitude gegen die Zeit aufgetragen, während in der rechten Darstellung der Ort gegen die Geschwindigkeit aufgetragen wird. Der Ort und die Geschwindigkeit stellen die Zustandsgrößen dar. Man erkennt leicht die Bereiche, in denen das Pendel sich rasch beziehungsweise sich langsam bewegt. Betrachten wir ein reales Fadenpendel. Durch den Luftwiderstand wird das Pendel gebremst und nach einiger Zeit wird es zum Stillstand kommen. Es ist ein gedämpfte Oszillation gegeben. Der Endzustand ist immer derselbe - egal von wo aus wir das Pendel loslassen. Es wird immer an der selben Stelle stehen bleiben. Dieser Punkt ist ein Fixpunkt. Nach endlicher Zeit wird er erreicht. Beim Pendel mit Reibung ist der Weg im Zustandsraum eine Spirale (siehe Abbildung 2.7). Durch die Reibung verliert das System Energie und die Geschwindigkeit nimmt ab bis das Pendel stehen bleibt (v = 0). Der Weg wird als Trajektorie (gestrichelte Linie, Abbildung 2.77) bezeichnet, während der Endzustand als Attraktor oder auch als Fixpunkt bezeichnet wird. Ein Fixpunkt ist die einfachste Form eines Attraktors. 121 Das Geruchssystem

43 Amplitude Ort Trajektorie Zeit Geschwindigkeit Fixpunkt - Attraktor Abbildung 10.7: Ein reales Fadenpendel (links), das ein Beispiel für eine gedämpfte Schwingung darstellt (Mitte), während man im Zustandsdiagramm den Fixpunkt leicht erkennt. Im Zustandsraum kann man leicht erkennen ob das System sich auf einen Fixpunkt zubewegt oder nicht. Wenn ein Fixpunkt gegeben ist, dann ist ein System in der Regel nicht chaotisch, denn egal unter welchen Bedingungen wir starten, das Endresultat ist das selbe. Bei einer Pendeluhr wird extern Energie zugeführt, um die Reibungsenergie auszugleichen. Das System wird im Endzustand periodisch verschiedene Zustände annehmen. Das Pendel wiederholt die Bewegung immer wieder gleichmäßig. Der Attraktor (Endzustand des Systems) ist ein Grenzorbit Das System nimmt einen stabilen Zustand ein, allerdings verändert sich der Zustand mit der Zeit auf eine berechenbare Weise. Der Attraktor wird nach endlicher Zeit durchlaufen und er verändert sich im Laufe der Zeit nicht. Das heißt das System ist stabil, wenngleich sich einzelne Parameter kontinuierlich verändern. Jetzt strebt das System nicht auf einen Punkt (Fixpunkt) hin, sondern es strebt auf eine Grenzorbit zu. Wenn dieser erreicht ist, dann bleibt das System auf diesem Attraktor. Abbildung 10.8: Das Zustandsdiagramm einer Pendeluhr. Der Attraktor ist dick eingezeichnet. ACHTUNG: Ein Attraktor selbst ist noch nicht chaotisch. Nur der "seltsame" Attraktor zeigt chaotische Effekte. Die Naturwissenschaften versuchen einen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung herzustellen. Die Natur soll berechenbar werden (Naturgesetze). Naturphänomene deren Ursache-Wirkungs-Beziehung unbekannt sind bezeichnet man als stochastisch oder zufällig. Diese Effekte (Wetter) lassen nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage zu (Wettervorhersage). Man vermutete lange Zeit, dass man aufgrund ausreichend genauer und zahlreicher Messwerte das Wetter berechnen kann. Es existiert zumindest eine prinzipielle exakte Vorhersagbarkeit. Es zeigte sich aber, dass sogar einfache deterministische Systeme stochastisches Verhalten zeigen können. Auch wenn wir mehr Information über das System sammeln, verschwindet das Zufallsverhalten nicht. Man bezeichnet ein solches scheinbares Zufallsverhalten als deterministisches Chaos. Dieses scheinbare Zufallsverhalten hängt primär von kleinsten Störgrößen ab. Manche physikalische Systeme reagieren sehr empfindlich auf externe Störungen. Zum Beispiel ein Bleistift, der perfekt ausbalanciert ist und mit seiner Spitze auf der Tischplatte steht, ist empfindlich für kleinste Störungen der Tischplatte. Der Bleistift wird bei der kleinsten Störung umfallen und wir wissen nicht in welche Richtung er sich bewegen wird. Danach nimmt er eine stabile Lage ein und das Systemverhalten ist eindeutig bestimmt. Bei chaotischen Systemen ist die Unbestimmtheit zu jedem Zeitpunkt gegeben, das heißt, winzig kleine Abweichungen der Messgröße wachsen sehr schnell. Das Systemverhalten reagiert auf Brain Modelling 122

44 die Abweichungen mit einem exponentiellen Anwachsen des Fehlers. Jeder noch so kleine Fehler erreicht rasch makroskopische Dimensionen. Aufgrund der Messungenauigkeit ist es leider nicht möglich, diese winzigen Anfangsbedingungen "exakt" zu bestimmen. Ein interessantes Beispiel dafür ist die logistische Gleichung: x n+1 = r. x n. (x n -1). Man wählt für x n einen Wert zwischen Null und Eins. Danach rechnet man den rechten Teil aus und erhält damit x n+1. Dieser Wert wird aufgetragen und er dient als neues x n. Wenn der Kontrollparameter r kleiner als 2 ist, dann streben die xn gegen einen Fixpunkt. Für die verschiedenen Werte von r erhält man unterschiedliche Fixpunkte. Wird r weiter erhöht, dann gibt es eine Bifurkation und die x n streben auf 2 Fixpunkte hin, die dann abwechselnd erreicht werden. Wenn der Kontrollparameter r den Wert 4 besitzt, dann führen kleinste Änderungen des Startwertes dazu, dass die einzelnen Iterationen in sehr kurzer Zeit stark voneinander abweichen - die Gleichung reagiert chaotisch (siehe Abbildung 2.9) Startwert x 0 = Startwert x 0 = Abbildung 10.9: Die Iterationen nach der logistischen Gleichung mit leicht unterschiedlichen Werten. Nach einigen Iterationen kann man makroskopische Unterschiede erkennen. Die logistische Gleichung ist ein rückgekoppeltes System. Das bedeutet, dass der alte Ausgangswert den neue Eingangswert darstellt. Edward N. Lorenz entdeckte 1963 eine eigene Klasse von Attraktoren: den chaotischen oder auch (wie er ihn nannte) seltsamen Attraktor. Ein chaotischer Attraktor ist ein kompaktes Gebilde eines rückgekoppelten Systems, indem sich kleinste Unterschiede in den Anfangsbedingungen aufschaukeln. A' A B A B A' B' B' Abbildung 10.10: Wenn man von zwei unterschiedlichen Startpositionen A und B beginnt, endet man nach einem kurzen Stück in A' und B'. Bei rückgekoppelten Systemen stellt die Strecke A' und B' den neuen Anfangswert dar. Wenn die Entfernung zwischen A und B den größten maximalen Unterschied der Anfangsbedingungen dargestellt hatten, dann muss der Endbereich A' und B' gefaltet werden, damit die Endwerte in die Anfangswerte "passen". 123 Das Geruchssystem

45 Kleine Abweichungen verursachen ein Auseinanderstreben der Bahnkurven (siehe Abb. 2.10). Damit die Bahnkurven aber begrenzt bleiben, müssen sie wieder auf sich selbst zurückgeführt werden. Mathematisch entspricht dies einer Faltung. Man bekommt dann einen chaotischen Attraktor (siehe Abbildung 2.11). Startet man mit zwei benachbarten Punkten auf einem solchen Attraktor, dann wird der Abstand zwischen diesen beiden Punkten immer größer bis es unmöglich ist Vorhersagen zu machen. Der Endzustand der beiden Punkte könnte irgendwo auf dem chaotischen Attraktor liegen. Bei einem vorhersagbaren - nicht chaotischen - Attraktor bleiben die beiden Punkte benachbart. Abbildung 10.11: Der Rössler-Attraktor Ein chaotischer Attraktor beschreibt NICHT zufällige Ereignisse (Roulett). Reagiert ein System zufällig, dann gibt es keine mathematische Formel, die diesen Weg im Zustandsraum beschreibt. Bei echt zufälligen Prozessen wird der gesamte Zustandsraum ausgefüllt. Bei chaotischen Phänomen handelt es sich um hochkomplexes Verhalten, das zufällig erscheint, tatsächlich jedoch eine versteckte Ordnung aufweist. Es existiert eine Sensibilität bezüglich der Anfangsbedingungen (Nicht periodisches oder quasiperiodisches Verhalten, KEIN weißes Rauschen). EXKURS ENDE Wenn man die Messdaten der EEG-Kurven mit (x = U n und y = U n+1 ), wobei U n und U n+1 die Spannungen mit einem kleinen Zeitunterschied sind, graphisch darstellt, dann kann man einiges über die Messdaten (qualitativ) aussagen. Wenn das ganze Gebiet gleichmäßig mit Messwerten versehen ist, dann sind die Messkurven das Resultat des Zufalls. Anhand der Regelmäßigkeit der Darstellung können Aussagen über das EEG gemacht werden. Zum Beispiel würde eine Sinusschwingung der Messkurve im Phasenporträt einen Kreis ergeben. Abbildung 10.12: Links ist der Attraktor eines bekannten Geruchsmusters und rechts der Attraktor eines unbekannten Geruches dargestellt. Bei der Analyse der EEG-Daten im Zustandsraum der Riechrinde ergaben sich scheinbar chaotische Attraktoren. Wenn kein Geruch wahrgenommen wird (Abb. 2.12, rechts) dann feuern die einzelnen Neuronen scheinbar zufällig, während sich bei einer Geruchswahrnehmung ein chaotischer Attraktor bildet (Abb. 2.12, links). Allerdings muss man mit Brain Modelling 124

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