Beitrag: Justiz gegen Angehörige Altenpflege im Osten
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- Jobst Koenig
- vor 8 Jahren
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1 Manuskript Beitrag: Justiz gegen Angehörige Altenpflege im Osten Sendung vom 14. Mai 2013 von Tonja Pölitz Anmoderation: Die eigenen Eltern ins Heim geben? Für viele purer Stress, wenn sie nur dran denken: Welche ist die richtige Einrichtung? Woher soll fehlendes Geld kommen für die teure Pflege? Die ist im Ausland deutlich billiger. Und häufig besser. So sind thailändische oder osteuropäische Einrichtungen immer häufiger Ziel des letzten Umzugs. Doch es kommt schon mal vor, dass die Senioren wieder zur Rückreise gezwungen werden. Gegen den Willen ihrer Kinder. Tonja Pölitz berichtet über Verschlimmbesserungen im Pflegefall, wenn Behörden sich einmischen. Text: Ein Pflegeheim im bayerischen Oberasbach bei Fürth. Bilder mit versteckter Kamera. Die 71-jährige Christa Scherbaum kann nur noch liegen, fixiert im Bett mit Gittern, vom Richter angeordnet. Die demente Frau wird offensichtlich ausschließlich per Magensonde ernährt. Dazu ein Katheter. Das vorläufige Ende einer tragischen Geschichte. Die begann vor 6 Monaten: Ihr Sohn Harald Scherbaum konnte das Pflegeheim seiner Mutter nicht mehr bezahlen: 3200 Euro. Für das Heim reichte ihre Rente nicht. Der Sohn zahlte zu, solange er konnte. Wir haben es lange Zeit versucht, aber ich hatte dann meine Arbeit verloren, meine Frau verdient auch nicht so übermäßig viel. Es ging einfach nicht mehr. Das Häuschen seiner Mutter sollte keinesfalls für die Finanzierung der Pflege draufgehen. Nach dem Willen der Mutter soll es der Sohn mal erben und weiter darin wohnen bleiben können. Weil der Familie das Geld fürs Heim in Deutschland fehlt, besorgt er seiner Mutter einen Platz in der Slowakei. Das ZDF berichtete.
2 In der Slowakei kostet die Pflege seiner Mutter nur noch ein Drittel: 1100 Euro. Rente und Pflegeversicherung reichen hier aus. Ich bin mir bis heute noch keiner Schuld bewusst, hier irgendwas falsch gemacht zu haben. Ich habe mir das Heim vorher angeschaut. Und es hat wirklich den gleichen Qualitätsstandard wie hier in Deutschland. Mutter Scherbaum leidet unter schwerer Demenz, kann nicht mehr sprechen, nicht mehr selbst entscheiden, ob sie mit dem Heim in der Slowakei einverstanden ist. Immerhin hat sie es gut, selbst wenn die Schwestern wenig Deutsch sprechen. Dafür nehmen sie sich Zeit für die Patienten - menschliche Wärme statt Pflege nach Minutenprotokoll, wie häufig in deutschen Heimen. Darüber berichtete das ZDF im Herbst Als eine Richterin das sieht, entzieht sie Harald Scherbaum im Eilverfahren die Betreuung, ohne ihn vorher anzuhören. Seine Mutter soll zurück nach Deutschland, ins teurere Heim, das Scherbaums nicht bezahlen können. Ich hab das nur aus der Post erfahren. Mit Ihnen hat niemand vorher telefoniert? Nein, nein. Es stand wirklich der Briefträger vor der Tür, hat mir das Einschreiben überreicht. Post vom Amtsgericht. Die Richterin begründet ihren Schritt mit Sprachbarrieren für die demente Mutter in der Slowakei. Außerdem habe der Sohn rein finanzielle Interessen. OT Harald Scherbaum, Sohn: Und wenn ich nicht vorher jeden noch gefragt hätte: Ich hab die Pflegekasse gefragt, ich hab den Medizinischen Dienst gefragt. Ich habe das Gericht befragen lassen über meinen Anwalt. Jeder hat mir gesagt, es spricht nichts dagegen. Und dann kommt das. Schon rund Deutsche können ihre Pflege heute nicht
3 mehr selbst bezahlen. Andere müssen damit rechnen, ihr Haus für die Pflege zu opfern. Ein Ausweg: günstigere Heime im Ausland. Ursula Föglein wohnt in Ungarn am Balaton schon mal auf Probe. O-Ton Ursula Föglein, Pflegeheimbewohnerin: Dass es Osten ist, das merk ich nicht. Ich fühl mich wohl. Ich hab nicht groß was von der Familie. Zu den Kindern habe sie zwar nicht das beste Verhältnis. Dennoch sollen die das Haus in Neustadt an der Weinstraße mal erben. Keinesfalls soll es für Pflegeheim verbraucht werden. Könnten Sie sich Pflege in Deutschland leisten, könnten Sie sich so ein Heim mit dem Standard leisten? O-Ton Ursula Föglein, Pflegeheimbewohnerin: In dem Standard könnte ich es mir nicht leisten. Franz Ehrlich könnte - möchte aber sein Vermögen nicht für die Pflege antasten. Er sorgt sich um die Zukunft seiner Frau: Die ist 20 Jahre jünger als er. Und Pflege in Ungarn fühle sich wie Hotelurlaub an, findet Herr Ehrlich. Dass man was hat davon, noch am Ende vom Leben. Vor allem aber entlastet sein Aufenthalt in Ungarn die Familie. Wie viel sparen Sie ein jeden Monat Sie und Ihre Frau? Wenn man hier ist? Genau. Ja, so ungefähr die Hälfte. Wie viel ist das ungefähr?
4 Ja, 1000 bis1500 Euro. Die Sie einsparen? Ja! Zweimal die Woche kommt der Friseur. Arzt und Physiotherapeut täglich, wenn gewünscht. Alles inklusive. Wie kann man da auf die Idee kommen, dass es den Patienten in Deutschland besser geht, wundert sich der Heimleiter. O-Ton Paul de Coninck, Pflegeheimleiter: Wenn die Richterin herkommt, ich glaube nicht, dass sie so ein schönes Heim mit so viel Personal gesehen hat in Deutschland. Das gibt es nicht. Es ist nicht bezahlbar, es ist nicht leistbar in Deutschland so viel Personal zu haben. In Deutschland gibt es sehr gute Qualität, nur gibt es keine Pflegekräfte und wenn es keine Pflegekräfte gibt, gibt es auch keine Qualität. Und die Leute haben das Recht, sich andere Möglichkeiten anzuschauen. So sehen das auch Pflegeexperten wie Claus Fussek. Der Mangel an Pflegekräften führe auch in Deutschland zu Sprachproblemen. Viele deutsche Heime könnten einen solchen Standard längst nicht mehr bieten. O-Ton Claus Fussek, Pflegeexperte: Wir haben in Deutschland doch schon längst kapituliert. Also wenn das in Deutschland anders wäre, dann würde die Richterin sagen: super. Super, Sie haben Recht. Aber wir haben es nicht mehr. Wir holen sie aus Vietnam, wir holen sie aus anderen Kulturen in vielen deutschen Pflegeheimen. Und auch in Krankenhäusern haben wir Pflegekräfte und sogar Ärzte, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Und wir kennen die Situationen, dass auf Pflegestationen Russisch, Polnisch, Kroatisch gesprochen wird. Den deutschen Behörden ist das egal. Im Fall Scherbaum wird entschieden: Seine demente Mutter wird einfach zwangsverlegt. In das alte Pflegeheim, das wie die meisten deutschen nicht mehr ohne Personal aus Osteuropa auskommt. Ich habe dann Anfang Januar, um genau zu sein am elften,
5 am Nachmittag einen Anruf erhalten aus dem Pflegeheim in Oberasbach, in gebrochenem Deutsch: Mama ist wieder hier. Das war dann die Information, dass meine Mutter wieder in Deutschland ist. Jetzt geht es ihr schlechter als je zuvor, glaubt der Sohn. Magensonde und Katheter - seitdem ihm die Betreuung für seine Mutter entzogen wurde, erfährt Harald Scherbaum nichts mehr über ihren Gesundheitszustand. Ich habe bis heute keine Auskunft bekommen - weder warum, noch wer, noch wie lange das noch andauern soll. Man darf mir ja angeblich nichts sagen. Die Richterin will sich zu ihrer Entscheidung nicht äußern. Das Haus der Mutter soll nun für die Heimkosten in Deutschland verkauft werden. Der neue Berufsbetreuer hat bereits Räumungsklage gegen den Sohn eingereicht. Abmoderation: Vor einigen Monaten wurde viel über Pflegeheime im Ausland berichtet. Von der Boulevard-Presse vor allem unter der Überschrift: Abschiebung der Alten! Doch Heimvermittler bemerken seither eine deutlich steigende Nachfrage. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
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