Abstammungsuntersuchungen, Chimärismen und Spurenanalytik
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- Katja Schmid
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1 Abstammungsuntersuchungen, Chimärismen und Spurenanalytik Dr. Iris Schulz Institut für Rechtsmedizin der Ludwigs-Maximilians-Universität München
2 DNA - Aufgabengebiete in der Rechtsmedizin Abstammungsuntersuchungen Chimärismus-Untersuchungen Spurenuntersuchungen (Einbruchdiebstähle, Sexualdelikte und Kapitalverbrechen)
3 Historie der Abstammungsuntersuchungen 1900: Blutgruppen A, B und O entdeckt durch Karl Landsteiner später weitere Blutgruppen
4 Historie der Abstammungsuntersuchungen 1985: Satelliten DNA entdeckt durch Sir Alec Jeffries genetic fingerprint
5 Historie der Abstammungsuntersuchungen mit Einführung der PCR weltweit Standard Kary Mullis Endecker der PCR Nobelpreis 1993
6 Prinzip der Vererbung I der Bauplan des Lebens ist im Kern jeder Zelle gespeichert Speichermedium = Erbsubstanz DNA die ds DNA ist auf 23 Chromosomen aufgewickelt genetische Information = ein 4 Buchstaben- Alphabet die DNA ist 3 Milliarden Basen lang 99,9 % entschlüsselt
7 Prinzip der Vererbung II jeder Mensch besitzt einen doppelten Chromosomensatz einer ist vom Vater, einer von der Mutter Mutter Vater Eizelle Spermium Kind
8 Prinzip der Abstammungsbegutachtung Menschen sind ähnlich, aber nicht gleich im Bauplan -DNA- existieren kleine Unterschiede = Polymorphismen diese Unterschiede werden vererbt, man kann mit Hilfe dieser Unterschiede Verwandtschaft erkennen oder ausschließen Im nicht-kodierenden Bereich der DNA (ca. 98 %)
9 Beispiele für Polymorphismen Individuum 1: AACGTTACTATTG Individuum 2: AACGGTACTATTG eine Punktmutation
10 Beispiele für Polymorphismen Individuum 1: TACC AATG TTTG Individuum 2: TACC TTTG Individuum 3: TACC AATG AATG TTTG ein Längenpolymorphismus
11 Short tandem repeats = STR Die Nomenklatur flankierende Region 1 Wiederholungseinheit (z.b. AATG) Allel
12 Allel Ausprägung eines STRs AATG STR1 homozygot Konstante Region STR2 heterozygot Homozygot = beide Allele gleich lang Heterozygot = unterschiedlich lange Allele
13 Short tandem repeats = STR > Aktuelle Marker für die Abstammungsanalyse > Liegen im nichtcodierenden Bereich > Ausprägung eines STRs = Allel > Werden nach der Anzahl der Motivwdh bezeichnet homozygot = gleiche Anzahl heterozygot = unterschiedliche Anzahl > Variabel zwischen Menschen Person A Person B
14 DNA in der Zelle Chromosom Zellkern DNA Molekül doppelsträngig Ziel-Region für die PCR einzelnes Basenpaar
15 DNA Amplifikation mit der Polymerase Ketten Reaktion (PCR) Start-DNA =Template Trennung des Doppelstrangs (Denaturieren) Forward primer 5 3 Zugabe von Primern ( annealing ) Kopiervorgang (Primerextension) Reverse primer
16 Multiple PCR-Zyklen exponentielle Vermehrung von STRs Originale DNA Ziel-Region Temperatur Zyklus In In cycles at at 100% efficiency, 1.07 billion copies of of targeted DNA region are created
17 Elektrophorese Sichtbarmachen von PCR-Produkten 1. Extraktion 2. PCR 3. Automatisierte Elektrophorese Vergleich mit Allelstandard = häufigsten Allele in einer Population
18 Analyse mittels Kapillarelektrophorese Fortschritt durch Multiplex-PCR
19 Multiplex PCR: Neun STRs gleichzeitig XX = Frau
20 DNA-Analyse > Extraktion Aufbrechen der Zelle, DNA in Lösung > PCR milliardenfache Vervielfältigung von STRs > Elektrophorese PCR-Produkte der Länge und Fluoreszenz nach aufgetrennt > Analyseergebnis als Elektropherogramm mit 9, 12 oder mehr STRs und Amelogenin > 1 Peak XX = Frau 2 Peaks XY = Mann
21 Abstammungsuntersuchungen: Positiver Test kein Ausschluss D3S1358 VWA FGA Mutter Kind Putativ- Vater
22 Abstammungsuntersuchungen Negativer Test - Ausschluss So könnte ein Bild/eine Grafik eingefügt werden. Mutter Kind PV
23 Beispiel: der Marker D3S1358 System Mutter Kind Putativvater D3S /14 14/17 16/18 Der Vaterschaftsausschluss Der Putativvater kann das Allel 17 nicht vererben
24 Beispiel: der Marker D3S1358 System Mutter Kind Putativvater D3S /18 14/19 19/19 Kein Ausschluss Der Putativvater kann das Allel 19 vererben
25 Berechnung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit System Mutter Kind Putativvater D3S /18 14/19 19/19 Hat der Putativvater nur zufällig das Allel 19 oder ist er der wahre Vater?
26 STR D3S1358 Häufigkeitsverteilung der Allele 13 bis 19 Häufigkeit [%] Allel
27 Befunde aus einem Gutachten STR-Systeme Kindsmutter Kind Beklagter 2. Mann D3S / / / / 18 VWA 17 / / / / 19 FIBRA 20 / / / / 25 THO1 9 / 9,3 6 / 9,3 6 / 9,3 6 / 6 SE33 25,2 / 28,2 25,2 / 30,2 19 / 30,2 19,2 / 33,2 D8S / / / / 14 D21S11 30 / / 31,2 31,2 / 32,2 28 / 29 D18S51 12 / / / / 18 D5S / / / / 15 D13S / / / / 11 D7S820 9 / 10 8 / 10 8 / / 13
28 Vaterschaftsgutachten Es werden mindestens 12 polymorphe STR-Systeme untersucht Im positiven Fall soll die Vaterschaftswahrscheinlichkeit über 99,9 % liegen Im negativen Fall sollen sich mehrere Ausschlüsse ergeben
29 Untersuchungsmaterial Speichel oder Blutprobe? Speichel für Kinder weniger belastend Informationsgehalt identisch Manipulation der Speichelprobe durch Küssen oder Stillen ausgeschlossen
30 Defizienzfälle Vaterschaftsfeststellungen sind auch möglich: ohne Mutter bei verstorbenem Vater
31 Warum die Mutter mittesten? W-Wert mit Mutter DNA-Systeme Kindsmutter Kind Putativvater D3S / / / 17 VWA 18 / / / 19 FIBRA 22 / / / 25 THO1 8 / 9 8 / 10 7 / 10 SE33 15 / / 28,2 17 / 28,2 D8S / / / 15 D21S11 29 / / 31,2 31 / 31,2 D18S51 18 / / / 16 D5S / / / 12 D13S317 8 / / / 12 W = 99,9998 %
32 Warum die Mutter mittesten? W-Wert ohne Mutter DNA-Systeme Kindsmutter Kind Putativvater D3S / / 17 VWA - 17 / / 19 FIBRA - 22 / / 25 THO1-8 / 10 7 / 10 SE33-15 / 28,2 17 / 28,2 D8S / / 15 D21S11-30 / 31,2 31 / 31,2 D18S51-16 / / 16 D5S / / 12 D13S / / 12 W = 99,96 %
33 Defizienzfälle ohne Vater Bei verstorbenen Putativvater können Exhumierungen meist vermieden werden... indem z.b. Gewebepräparate aus einem Krankenhaus/Pathologie zur Verfügung stehen
34 Defizienzfälle indem andere Materialien untersucht werden Für gerichtliche Gutachten eventuell problematisch (Identität?)
35 Defizienzfälle indem lebende Verwandte untersucht werden, um die väterlichen Allele zu rekonstruieren? Untersuchung der Großeltern
36 Defizienzfälle indem lebende Verwandte untersucht werden, um die väterlichen Allele zu rekonstruieren? Untersuchung von Ehefrau und Halbgeschwistern
37 Abstammungsuntersuchungen > Positiv: mind. 12 STRs, W-Wert > 99,9 % > Negativ: mind. 3 Ausschlüsse > Mit Speichel, Blut etc möglich > Höhere Aussagekraft mit Mutter > Defizienzfälle analysierbar Gewebepräparate / Verwandte
38 Juristischen Grundlagen BGB e : Bei Kindern, die in eine Ehe hineingeboren werden, ist der Ehemann auch juristisch der Vater. Gerichtsverfahren zur Klärung der Vaterschaft gibt es dann in zwei Konstellation:
39 Juristische Grundlagen 1. Feststellung der Vaterschaft freiwillige Anerkennung der Vaterschaft sonst: gerichtlichen Feststellung vom Gericht wird ein Gutachten in Auftrag gegeben, und im positiven Fall wird der untersuchte Mann als Vater festgestellt.
40 Juristischen Grundlagen 2. Anfechtung der Vaterschaft Falsche Zuordnung eines Kindes kann korrigiert werden Anfechten darf: die Mutter das Kind der juristische Vater der biologische Vater
41 Juristischen Grundlagen Um eine Vaterschaft anfechten zu können muss bei Gericht vom juristischen Vater ein schlüssiger Grund vorgelegt werden, warum er glaubt, nicht der biologische Vater des Kindes zu sein. Anfangsverdacht Frist 2 Jahren
42 Heimliche Vaterschaftstests Immer dann gefragt, wenn die Mutter nichts vom Zweifel wissen soll Untersuchungsmaterial: Schnuller, Zahnbürsten etc. Im Internet leicht in Auftrag zu geben Die Zweifel werden durch Medien entsprechend geschürt
43 Heimliche Vaterschaftstests Bundesärztekammer Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten: "Ohne richterlichen Beschluss darf die Abstammung eines Menschen nur mit seiner Einwilligung oder bei Geschäftsunfähigkeit der seines Sorgeberechtigten untersucht und festgestellt werden."
44 Was kostet ein Vaterschaftstest? Für ein Gericht durchgeführte DNA- Abstammungsgutachten kosten ca. 1000,- Internet -Test ab 139,- (Stand )
45 Aussehen und Abstammung
46 Aussehen und Abstammung
47 Aussehen und Abstammung Ist er der Vater des Kindes?
48 Abstammungsuntersuchungen > Juristische Grundlagen: Feststellung bzw. Anfechtung der Vaterschaft > Heimliche Vaterschaftstest Grauzone > Gutachten nach Richtlinien der Bundesärztekammer > Aussehen und Abstammung Spekulation > Eindeutige Klärung nur durch DNA-Analyse
49 Chimärismus-Kontrollen Indikation für eine Knochenmarktransplantation > Angeborene Störung des Immunsystems: (z.b. SCID: Severe Combined Immunodeficiency) > Angeborene oder erworbene Störung des blutbildenden Systems bei intakter Immunabwehr: (z.b. Fanconi-Anämie) > maligne systematische Erkrankung Leukämien: ALL: akute lymphatische Leukämie CML: chronisch myeloische Leukämie Lymphome: Lymphknotenbefall
50 Therapiemöglichkeiten > Strahlentherapie > Chemotherapie > Knochenmarktransplantation Kriterien: Übereinstimmung der HLA-Merkmale an den Genorten A, B und DR - syngen: monozygote Zwillinge - allogen: verwandte Spender (Geschwister/ Eltern) - autolog: Transplantation eigener Stammzellen - Fremdspender: bestmögliche Übereinstimmung der HLA-Merkmale
51 Verlaufskontrolle > Kompletter Chimärismus: nur Spendermerkmale im Blut und Knochenmark
52 Verlaufskontrolle > Partieller Chimärismus: Spender- und Empfängermerkmale in einigen oder allen Zellpopulationen nachweisbar
53 Chimärismusanalysen > mittels STRs > Semiquanititative Auswertung durch Berücksichtigung der Peak-Flächen nach Fragmentanalyse > prozentuale Anteile von Spender- und Empfängerzellen wichtig: Vergleichsproben von Spendern und Empfängern vor Transplantation
54 Spurenuntersuchungen: Organe/Gewebe Knochen Zähne Haare Fingernägel Körperflüssigkeiten Blut Urin Körpersekrete Speichel Nasensekret Schweiß/Tränen Sexualsekrete Ejakulat Vaginalsekret
55 geeignete Asservate: Kleidung (insbes. Unterwäsche) Schuhe (Mikrospuren) Zahnbürste Kamm, Bürste Oropax... Trinkgefäße, ~löffel Drosselwerkzeug (Hautabrieb) Flaschen, Dosen, Kippen
56 Blutspur?
57 Blutspur?
58 Vortest auf Blut:
59 Mikrospuren aus Blut:
60 Blut aber von wem?
61 Menschenhaut?
62 12S-rRNA der mtdna Species Human Rabbit Sheep Hare Cow Horse Pig Salmon Turkey Duck Chicken Sequence TTAGCCCTAAACCTCAACAG TTAGCCCTAAACTTTGATAA TTAGCCCTAAACACAAATAATTA TTAGCCTTAAACCTAAATAATTT TTAGCCCTAAACACAGATAATTA TTAGCCCTAAACTAAAATAGCTTA CTAGCCCTAAACCCAAATAGTT CTAGCCGTAAACTTTGATGGAA CTGGCCCTAAATCTTGATACTAA CTGGCCCTAAATCTTGATACTTAC CTAGCCCTAAATCTAGATACCTCCC
63 Speichelnachweis Vortest auf die im Speichel enthaltene Amylase negativ positiv
64 Spermanachweis Vortest auf Ejakulatbestandteile saure Phosphatase: PSA:
65 Spermanachweis mikroskopisch
66 DNA in der Zelle Chromosom Zellkern DNA Molekül doppelstrangig Ziel-Region für die PCR einzelnes Basenpaar
67 DNA-Profil einer Frau
68 Statistische Auswertung: Genotyp: Häufigkeit 16 /17 = 2ab 16/16 = a² Beispiel: f(a) = 10 %, f(b) = 20 % 2 x 0,1 x 0,2 = 4 % oder einer von 25
69 DNA- Systeme Statistische Auswertung: Spur Vergleichsperson Häufigkeit D3S / / 15 1 von 25 VWA 16 / / 18 1 von 30 FIBRA 23 / / 25 1 von 15 THO1 6 / 8 6 / 8 1 von 36 D8S / / 13 1 von 8 D21S11 28 / / 29 1 von 16 D18S51 14 / / 16 1 von 18 SE33 16 / 28,2 16 / 28,2 1 von 110 Gesamt: einer von 102 Milliarden
70 Fall: Schneestangenmord 1986: Mord an einem 18 jährigem Mädchen erschlagen mit einer Schneestange erste Ermittlungen führen zu keinem Täter 2001: Wiederaufnahme des Falles jetzt: DNA-Untersuchung der Fingernägelabschnitte des Opfers
71 Fall: Schneestangenmord Mischspur Opfer und Tatverdächtiger Opfer TV
72 Fall: Schneestangenmord Massengentest der männlichen Bevölkerung in Tatortnähe 400 Personen sollten untersucht werden Täter war unter den ersten 13 Vergleichspersonen Verurteilt in 2002
73 DNA-Analyse Datei beim BKA Wiesbaden Einstellung der DNA-Profile von: Tatverdächtigen verurteilten Straftätern unbekannten Proben bei Straftaten von erheblicher Bedeutung (> 1 Jahr Haftstrafe) nach Gerichtsbeschluss
74 DNA -Analyse -Datei Stand: Datensätze Gesamt Personen Spuren Treffer Gesamt Person - Spur Spur - Spur
75 Mitochondriale DNA degradationsunempfindlich (ringförmig, supercoiled) größere Kopienzahl Vererbung in rein maternaler Linie Untersuchung durch Sequenzierung zweier hochvariabler Regionen des D-Loops
76 Identifizierungen: Der Fall Bormann
77 Identifizierungen: Der Fall Bormann
78 Identifizierungen: Der Fall Bormann
79 Identifizierungen: Der Fall Bormann
80 Identifizierungen: Der Fall Bormann? Martin Bormann Cousine
81 Identifizierungen: Der Fall Bormann Übereinstimmung der mtdna-sequenz zwischen Knochen und Vergleichsperson Seltenheit der mtdna-sequenz: insgesamt keine Übereinstimmung mit 1552 Personen europäischen Ursprunges (alle Angaben Stand Juni 1998)
82 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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