Kriminalität: Furcht und Realität
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- Franka Seidel
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1 Kriminalität: Furcht und Realität Kongress mit Sicherheit: für Freiheit Berlin, Pariser Platz 3 Donnerstag, 06. November2008 Rudolf Egg
2 Kriminalitätsfurcht Standarditem zur Kriminalitätsfurcht: Wie sicher fühlen Sie sich oder würden Sie sich fühlen, wenn Sie hier in Ihrer Wohngegend nachts draußen alleine sind bzw. alleine wären? Antwort: Ich fühle mich sehr sicher, ziemlich sicher, etwas unsicher, sehr unsicher. 2
3 Kriminalitätsfurcht ist ein Konstrukt, kein eindeutig definiertes Merkmal von Personen ist ein Teilaspekt von Kriminalitätseinstellungen ist ein Spezialfall sozialer Einstellungen 3
4 Kriminalitätsfurcht Drei Ebenen der Kriminalitätsfurcht 4
5 Kriminalitätsfurcht in Deutschland Bisher keine regelmäßigen Opferbefragungen Zahlreiche Einzelstudien und Regionalanalysen Seit 1991 jährliche Umfrage im Auftrag der R+V Versicherung Die Ängste der Deutschen 2400 repräsentative Bundesbürger über 14 J. 16 Lebensrisiken, einschließlich Angst Opfer einer Straftat zu werden 7-stufige Skala der Angststärke Nur emotionale Ebene 5
6 R+V-Studie Die Ängste der Deutschen Fragen der Studie Es gibt viele Risiken und Gefahren im Leben. Einige davon haben wir zusammengestellt. Uns interessiert nun, inwieweit Sie sich davon bedroht fühlen. Bitte geben Sie uns rein aus dem Gefühl eine Bewertung, die aussagt, für wie bedrohlich Sie dieses Ereignis halten. Eine 1 drückt aus, dass Sie keine Angst davor haben. Mit einer 7 geben Sie zum Ausdruck, dass Sie sehr große Angst davor haben. Denken Sie aber bitte auch an die Zwischenstufen von 2 bis 6. Ich habe gar keine Angst... sehr große Angst davor, dass ich schwer erkranke ich von Arbeitslosigkeit betroffen sein werde ich im Alter meinen Lebensstandard nicht halten kann ich im Alter anderen zur Last fallen werde (Pflegefall) ich im Alter vereinsame meine Partnerschaft zerbricht meine Kinder drogen- und / oder alkoholabhängig werden die Arbeitslosigkeit in Deutschland weiter steigt die Anzahl an Naturkatastrophen zunimmt die Lebenshaltungskosten stark steigen sich die Wirtschaftslage in Deutschland verschlechtert das Zusammenleben zwischen Deutschen und den hier lebenden Ausländern durch einen weiteren Zuzug von Ausländern / Asylanten beeinträchtigt wird Deutschland mit kriegerischen Auseinandersetzungen konfrontiert wird terroristische Vereinigungen Anschläge verüben die Politiker von ihren Aufgaben überfordert sind ich Opfer einer Straftat werde 6
7 Kriminalitätsfurcht Umfrage der R+V Versicherung 7
8 Kriminalitätsfurcht Umfrage der R+V Versicherung 8
9 Kriminalitätsfurcht Umfrage der R+V Versicherung 9
10 Kriminalitätsfurcht Umfrage der R+V Versicherung 10
11 Kriminalitätsfurcht Umfrage der R+V Versicherung 11
12 Kriminalitätsfurcht Ergebnisse der R+V Umfrage Im Vergleich zu anderen Lebensrisiken spielt die Kriminalitätsfurcht eine eher untergeordnete Rolle, weitaus größer ist die Angst vor wirtschaftlichen Problemen, Arbeitslosigkeit und Krankheit. Die Kriminalitätsfurcht in Deutschland ist in den letzten Jahren rückläufig. Die Lebens- und Verbrechensängste in Ostdeutschland sind (etwas) größer als im Westen. Die Lebens- und Verbrechensängste von Frauen sind fast durchwegs größer als jene von Männern. (Kriminalitätsfurcht-Paradox?) Die Lebens- und Verbrechensängste älterer Menschen sind meist größer als die junger Menschen. 12
13 Wissenschaftliche Erklärungsansätze der Kriminalitätsfurcht Viktimisierungsperspektive (Opfererfahrung) Soziale Kontrollperspektive (Soziale Desorganisation der Nachbarschaft) Soziale Problemperspektive (Wirkung der Medien) Quelle: Boers
14 Was wissen wir über Umfang und Entwicklung der Kriminalität? Kriminalität kann nicht direkt und eindeutig gemessen werden Unterscheidung zwischen Hellfeld und Dunkelfeld Aufdeckungsquote vs. Aufklärungsquote Wesentliche Datenquellen sind die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) und die Justizstatistiken Keine Rückfallstatistik, keine regelmäßigen Bevölkerungsumfragen zur Viktimisierung 14
15 15
16 Kriminalitätsfurcht Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) Erscheint seit über 50 J. auf Bundes- und Länderebene Ist eine Ausgangsstatistik Unterscheidung nach Fällen, Tatverdächtigen, Opfern, Schadenshöhe etc. Neben absoluten Zahlen auch Relativzahlen (HZ, TVBZ, OGZ) Keine Angabe der sog. Verbrechensuhr! 16
17 Die Struktur der polizeilich registrierten Straftaten BRD insgesamt*, 2007 (n= ) Sonstige strafrechtliche Nebengesetze Rauschgiftdelikte Gewaltkriminalität Einfacher Diebstahl 242, 247, 248a-c StGB Sonstige Strafbestände nach StGB 20,7 % 4,0 % 3,2 % 3,5 % 20,9 % 18,0 % 19,8 % Vermögens- und Fälschungsdelikte Schwerer Diebstahl a StGB *bekannt gewordene Fälle ohne Verkehrs- und Staatsschutzdelikte, Quelle: PKS 2006
18 Quelle: PKS Registrierte Straftaten Gesamthäufigkeitszahl
19 Hell und Dunkelfeld der Kriminalitätsentwicklung in den USA Mio. 4 Konstanzer Inventar Kriminalitätsentwicklung KIK:ViolCrUS Total violent crime (National Crime Victim Survey) - 2% 2 Violent crimes recorded by the police (UCR) - 28% -20% - 33% -1% - 49% % +66% vs1973
20 Gefährliche/schwere Körperverletzung und Raub/räuberische Erpressung Gesamthäufigkeitszahl Gefährliche und schwere Körperverletzung Raub und räuberische Erpressung bis 1990: alte BL 1991/92: alte BL mit Berlin Ost ab 1993: Bundesgebiet gesamt Quelle: PKS
21 Vergewaltigung StGB Gesamthäufigkeitszahl bis 1990: alte BL 1991/92: alte BL mit Berlin Ost ab 1993: Bundesgebiet gesamt wegen einer Strafrechtsänderung ab 1998 nicht mehr mit den Vorjahren vergleichbar Quelle: PKS
22 6 Mord und Totschlag Gesamthäufigkeitszahl bis 1990: alte BL 1991/92: alte BL mit Berlin Ost ab 1993: Bundesgebiet gesamt inkl. der von der ZERV erfassten Fälle von Mord und Totschlag ( Grenzzwischenfälle ) Quelle: PKS
23 Kriminalitätsbelastungsstudien Erhebungen im Dunkelfeld Erfassung nicht angezeigter Delikte in Ergänzung zur PKS, dadurch bessere Einschätzung der Kriminalität Die Erfassung seltener Delikte setzt große Stichproben (mindestens Personen) voraus Items müssen umgangssprachlich formuliert und dennoch strafrechtlich exakt sein, Problem bei komplexen Taten (Fehl-)Erinnerungen bei Erfassung der Lifetime-Prävalenz Problem der Simulation und Dissimulation von Angaben Bestimmte Gruppen nur z.t. erfassbar (z.b. Heiminsassen, Obdachlose) Erfassungsproblem: Tötungsdelikte und opferlose Taten 23
24 Kriminalität: Furcht und Realität Schlussfolgerungen Kriminalitätsfurcht ist kein brauchbarer Indikator für das tatsächliche Risiko einer Viktimisierung. Ein besseres, aber ebenfalls nur interpretationsbedürftiges Bild liefern offizielle Kriminalstatistiken. Diese sollten zukünftig durch regelmäßige Kriminalitätsbelastungsstudien (Dunkelfeldstudien) ergänzt werden. Rationale, evidenzbasierte Kriminalpolitik benötigt einen sachlich fundierten Diskurs über Kriminalität auf der Basis verschiedener Erkenntnisquellen. 24
25 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Rudolf Egg 25
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