Fischdurchgängigkeit und erneuerbare Energien an Flachgewässern

Transkript

1 Fischdurchgängigkeit und erneuerbare Energien an Flachgewässern An vielen kleineren Gewässern in Hessen und Rheinland-Pfalz werden zurzeit Querbauwerke beseitigt, um die Forderungen der EUWRRL nach Durchgängigkeit eines Gewässers zu erfüllen. Für uns stellt sich dabei die Frage, ob man hier gleich 2 ökologische Zielsetzungen mit einer Maßnahme erfüllen kann, nämlich die Durchgängigkeit des Gewässers für Fische und Benthos herzustellen, sowie die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien (Wasserkraft). Auf dem Energiemarkt wird von Fortschritten bei der Technik für Klein-Wasserkraftwerke berichtet und einige Hersteller propagieren lautstark die Umweltverträglichkeit Ihrer Technik bei gleichzeitig hoher Energieausbeute. Die Wasserkraftschnecke arbeitet nach dem Prinzip von Archimedes und wird mit niederer Drehzahl betrieben, zudem weist sie ein großes Kammervolumen auf. Sie zeichnet sich durch ihre robuste und einfache Konstruktion aus. Weder wird die Durchgängigkeit des Fließgewässers durch Rechen gefährdet, noch die Fische durch eine Druckveränderung beim Passieren der Schnecke geschädigt. Ein fischereibiologisches Gutachten bescheinigt der Wasserkraftschnecke eine hohe Fischverträglichkeit und eine gute Eignung für den Fischabstieg. Für den Fischaufstieg allerdings stellt die Wasserschnecke eine Barriere dar. Der hydraulischen Widder basiert auf einem genial einfachen Nutzungsprinzip des Druckstoßes, das Wasser muss dabei jedoch in einem Rohr geführt werden und ist daher nach ökologischen Gesichtspunkten nicht sinnvoll. Wasserräder stellen eine der ältesten Wasserkraftanlagen dar, aber hier sind nur die unterschlächtig betriebenen Räder ökologisch unbedenklich. Diese Wasserräder haben einen geringen Wirkungsgrad und sind im Betrieb sehr teuer, da sie ständige Wartung und Säuberung benötigen. Ein Hersteller aus Österreich wirbt für sein Gravitationswasserwirbelkraftwerk und verspricht Ergebnisse, die uns neugierig gemacht haben. Wir nehmen dies zum Anlass, den augenblicklichen Stand der Technik für diese neuartigen und innovativen Wasserkraftanlagen zu analysieren und die generellen Einsatzmöglichkeiten in den Flachgewässern von Hessen und Rheinland-Pfalz zu bewerten. In Österreich wurde erstmals im Jahre 2005 ein Gravitationswasserwirbelkraftwerk errichtet, um die patentierte Technik im Großversuch zu testen. Wissenschaftlich belastba- 1

2 re Studien zur ökologischen Bewertung dieses Anlagentyps liegen noch nicht vor. Die Technik wird in der Fachwelt als gut geeignet für Niederdruckkraftwerke beschrieben mit gutem Entwicklungspotential Gravitations-Wasser-Wirbel-Kraftwerk in Ober-Grafendorf, Österreich Foto: Dipl.-Ing. Franz Zotlöterer Obergrafendorf Bei Wasserkraftwerken sind jeweils die sich einstellenden Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Für das Gravitationswasserwirbelkraftwerk haben wir auf der Grundlage der verfügbaren und zugänglichen Unterlagen die folgenden Punkte bewertet: 1. Durchgängigkeit für aquatische Lebewesen Die flussabwärts gerichtete Durchgängigkeit wird als gut bewertet, da die Drehgeschwindigkeit der Turbine gering ist. Für aufwärts wandernde Organismen hingegen stellt dieses Kraftwerk nach jetzigem Kenntnisstand ein Hindernis dar, das nur gute Schwimmer (z.b. Forellen) überwinden können. Das Benthos (am Boden lebende Organismen) kann die Turbine nur absteigend durchwandern. Dieses Manko könnte durch die Anordnung einer Fischaufstiegsanlage gemindert werden, allerdings muss eine Fischtreppe mit mindestens l/s dotiert werden, wodurch die sowieso sehr geringe verfügbare Wassermenge in kleinen Gewässern nochmals reduziert würde. Die vom Hersteller im Prospekt genannten Werte für die Durchwanderbarkeit haben wir nicht übernommen, da sie nicht durch nachweisbare Versuchsergebnisse untermauert werden und uns zu optimistisch erscheinen. Der Umbau einer Wehranlage als raue Rinne besitzt eine deutlich bessere Durchgängigkeit, als eine Gravitationswasserwirbelkraftanlage herkömmlicher Bauart. Zurzeit werden an einer bestehenden Anlage Fischzählungen zum Nachweis der Fischdurchgängigkeit durchgeführt. Zudem soll durch den Einbau einer in Deutschland entwickelten und ergänzten Fischwanderhilfe, die auch dem Makro- 2

3 zoobenthos eine Wanderung ermöglicht, die Fischdurchgängigkeit weiter erhöht werden. Der Haupt- sowie ein Nebenabfluss im Beckenboden wurde bisher als einfacher Durchgang für die Fische konzipiert. Durch bauliche Optimierungsversuche soll auch Makrozoobenthos respektive kleineren oder langsameren Fischen, Krebsen und Schnecken die Durchreise durch das Wasserwirbelkraftwerk ermöglicht werden. Ein weiteres Ziel ist es, die Wasserströmung zu verringern und dadurch die Durchgängigkeit zu verbessern. Das Ergebnis dieser Versuche ist abzuwarten, bevor eine endgültige Bewertung der Durchgängigkeit abgegeben werden kann. 2. Durchgängigkeit für Geschiebe Hier sehen wir keine Probleme, das Geschiebe kann nahezu ungehindert durch die Anlage gespült werden. 3. Verfügbare/nutzbare Fallhöhe Die für das System herzustellende Mindestfallhöhe von 70 cm kann nur durch Aufstau erreicht werden, dadurch wird z.b. in einem für Hessen und Rheinland- Pfalz typischen Flachlandgewässer ein Rückstau von einigen 100 m Länge bewirkt. Mit einer Renaturierung soll der natürliche Zustand wieder hergestellt werden, ein Aufstau steht zu diesem Aspekt im Widerspruch und ist nur dann hinnehmbar, wenn der Rückbau eines bestehenden Querbauwerks aus anderen Gründen nicht umsetzbar sein sollte. Inwiefern ein solcher Eingriff in das Gewässer von den Genehmigungsbehörden zugelassen werden kann, ist für jeden Einsatzort abzuklären. 4. Verfügbare Wassermenge Die Mittelwasserführung für das System wird bei nur Mindestfallhöhe von 70 cm mit mindestens 0,9 m³/s angegeben. Eine solche Anlage wurde in Kärnten gebaut und wird dort als Zwillingsanlage betrieben. Diese benötigte Mindestwassermenge steht in vielen kleinen Bächen nur an relativ wenigen Tagen im Jahr zur Verfügung. Hier muss die Dauerlinie des Gewässers (falls verfügbar) genaue Daten liefern, die oft bei den Wasserämtern angefordert werden kann. Bei kleinen Gewäs- 3

4 sern steht diese Mindestwassermenge nur nach Regenfällen im Einzugsgebiet zur Verfügung, und nur an diesen Tagen könnte die Anlage betrieben werden. 5. Erzielbare Wasserkraft Gemäß den Ausführungen des Herstellers für vergleichbare Anlage können bei 0,7 m nutzbarer Fallhöhe und 0,9 m³/s Durchfluss ca. 3,5 kw erzeugt werden. Selbst bei einem Betrieb von ca. 100 Tagen im Jahr ergibt sich eine Jahresproduktion von kwh/jahr. Bei größeren Fallhöhen und stabilen, größeren Wassermengen steigt die Stromproduktion natürlich deutlich an. Siehe auch realisierte Installationen im Internet-Link: Die Leistungswerte der Anlagen aus dem oben genannten Internet-Link haben wir ausgewertet, um eine Bandbreite der möglichen Leistungswerte für Gravitationswasserwirbelkraftwerke zu erhalten: Bei allen oben gezeigten Fallhöhen werden Wassermengen von mindestens 2 m³/s und mehr benötigt, um in einen guten wirtschaftlich verwertbaren Bereich zu kommen. 4

5 6. Kosten für Bau und Betrieb Die Baukosten gliedern sich in Tiefbaukosten für Wasserhaltung, Erdbau und Betonbau, sowie Maschinenbautechnik für die Lager und das Turbinenrad, sowie die Elektrotechnik bestehend aus Generator, Schalt- und Steuerungstechnik, zuzüglich der Stromleitungen. Es wurden seit der ersten Pilotanlage bereits mehrere Anlagen errichtet, weshalb die Kostenschätzung basierend auf diesen Erfahrungen auf einer relativ sicheren Grundlage erfolgen kann. Nach erster Schätzung ist mit ca Gesamtbaukosten für eine durchschnittliche Anlage zu rechnen, zuzüglich ca für Planung, Ausschreibung und Bauüberwachung. 7. Nutzen-Kosten-Verhältnis Für die Einspeisung von Strom in das öffentliche Stromnetz werden nach der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2009) für Neuanlagen 0,1267 /kwh vergütet. Voraussetzung ist, dass diese Anlage von der Genehmigungsbehörde als ökologisch vorteilhaft eingestuft wird, d. h. die Durchgängigkeit für aufsteigende und absteigende aquatische Lebewesen muss nachgewiesen sein. Sollte diese Voraussetzung gegeben sein, was zur Zeit für ein Gravitationswasserwirbelkraftwerk nicht gegeben ist, ergibt sich folgender Jahresertrag für die Anlage: 5

6 8.400 kwh/jahr x 0,1267 /kwh = ca /Jahr Selbst bei einer optimistischen Betrachtung mit 300 Produktionstagen pro Jahr an Stelle der zu erwartenden 100 Tage läge der mögliche Jahresertrag mit ca /Jahr weit unter den anzusetzenden Kosten. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis liegt demnach zwischen / = ca. 0,175 << 1,0 (Ziel ist >1) bzw / 6.069= ca. 0,527 << 1,0 Das Nutzen-Kosten-Verhältnis ist damit deutlich kleiner als 1. Für jeden investierten Euro würden nur ca. 17 bis 53 Cent Ertrag erzielt. 1. Zusammenfassung Die Nutzung erneuerbarer Energien ist erstrebenswert. Allerdings müssen die sich dadurch ergebenden Nachteile für die Umwelt begründen lassen. Beim Gravitationswasserwirbelkraftwerk würden sich Nachteile in Bezug auf die Durchwanderbarkeit des Gewässers ergeben, auch wenn diese im Verhältnis zu den üblichen Kraftwerken mit Francis-Turbine als relativ gering zu bewerten sind. Hier stellt sich deshalb die Frage, ob die Vorteile durch Nutzung erneuerbarer Energie die Nachteile für das Flachlandgewässer aufwiegen können. Bei einer theoretisch möglichen Stromerzeugung von nur ca. 3,5 kw in einem Kleingewässer stellen sich die Nachteile jedoch als gewichtiger dar. Die Stromerzeugung wäre ausreichend für den Betrieb einer Waschmaschine und einiger Glühbirnen. Dies rechtfertigt nicht den nachteiligen Eingriff in das Gewässer. Ein weiteres Bewertungskriterium ist die betriebswirtschaftliche Betrachtung. Das Gravitationswasserwirbelkraftwerk stellt eine durchaus sinnvolle Alternative zu den üblichen Kraftwerkstypen dar, wenn ausreichende Wassermengen von mindestens 1 m³/s und Fallhöhen von deutlich über 1 m vorliegen. Die Flachlandgewässer in Rheinland-Pfalz können diese Mindestwerte meist nicht bieten, die hier anzusetzenden Investitionskosten können daher durch den zu erwartenden Jahresertrag nicht gerechtfertigt werden. Die Sinnhaftigkeit von Klein-Wasserkraftwerken in Hessen und Rheinland-Pfalz als Alternative zum Rückbau von Querbauwerken ist daher in jedem Fall besonders nachzuweisen. Nach erster Einschätzung dürfte dieser Nachweis nur in wenigen Fällen gelingen. 6