TEXT DAVID WILES FOTOS MICHAEL ROBERT WILLIAMS UND GMD FUTU R E BY SEMCON

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1 klein ist sicher Der legendäre Formel-1-Konstrukteur Gordon Murray setzt neuerdings auf Effizienz statt auf hohe Touren. Sein T27 ist dabei nicht nur das sparsamste Elektroauto der Welt, sondern auch noch extrem sicher dank Semcon. TEXT DAVID WILES FOTOS MICHAEL ROBERT WILLIAMS UND GMD 26 FUTU R E BY SEMCON

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3 Gordon Murrays Glanzstück ist der McLaren F1, ein Sportwagen, den die Zeitschrift Autocar einst als»die feinste Antriebsmaschine, die je für öffentliche Straßen gebaut wurde«bezeichnete. Der F1 war nicht nur lange Zeit das schnellste Auto der Welt, sondern auch praktisch. Er vereinte eine Höchstgeschwindigkeit von 372 km/h mit echtem Komfort, ausgezeichneter Fahrersicht und Platz für zwei Beifahrer mitsamt Gepäck. Murrays aktuelles Projekt ist vielleicht auf den ersten Blick nicht ganz so sexy und glamourös, dafür aber bahnbrechend. Der T27 ist das effizienteste Elektroauto der Welt. Doch damit nicht genug: Murray hat mit seinem Unternehmen Gordon Murray Design (GMD) auch einen revolutionären Fertigungsprozess entwickelt. Damit lassen sich in kürzerer Zeit mit weniger Energie und geringeren Investitionen leichtere und günstigere Fahrzeuge produzieren und die Zeit bis zur Markteinführung erheblich verkürzen. Die großen Hersteller der Automobilbranche zeigen bereits Interesse, und Murrays Erwartungen sind hoch:»ich habe das Hochleistungssegment verlassen und mich diesem neuen Projekt gewidmet, weil es eine neue Herausforderung darstellte. Eine Herausforderung, mit der wir etwas bewirken und wahrscheinlich gute Geschäfte machen können.«der MCLAREN F1 und der T27 sind zwar in vielerlei Hinsicht krasse Gegensätze, haben aber mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Da ist zunächst einmal die Sitzkonfiguration, bei dem der Fahrer in der Fahrzeugmitte und zwei Passagiere schräg hinter ihm sitzen. Barry Lett, Designchef bei GMD, erklärt, dass auch das Gepäckkonzept der beiden Wagen derselben Philosophie folgt:»der Ansatz für die effiziente Platzaufteilung für Personen und Gepäck war»gemeinsam mit Semcon haben wir kategorisch bewiesen, dass man kleine Autos sicher gestalten kann mit dem richtigen Design, den richtigen Materialien und dem richtigen Partner.«Gordon Murray, Geschäftsführer und Technischer Leiter bei GMD bereits bei der Entwicklung des McLaren F1 zu erkennen. Egal, ob man bei einem Supersportwagen durch eine kleine Fahrzeugfront maximale Aerodynamik erzielen möchte oder die äußere Form so klein wie möglich hält, um bessere Parkmöglichkeiten zu bieten die beiden Autos verfolgen dasselbe Ziel: eine Optimierung der Gesamteffizienz. Und je kleiner das Auto, desto einfacher ist nun mal die Gewichtsreduzierung.«Gordon Murrays legendärer McLaren F1 hat mit dem T27 mehr gemeinsam, als man denkt. GMD setzte auf leichtgewichtige Fahrzeuge und entwickelte ein Auto, das in der Ausführung T25 mit Benzinmotor mit seinen 575 kg exakt 200 kg leichter ist als der vergleichbar große Smart. Die Version mit Elektroantrieb, T27, wiegt auch gerade mal 680 kg. Das geringe Gewicht ist für die bemerkenswerte Kraftstoffeffizienz des T27 0,81 Liter auf 100 km entscheidend, aber bedeutet längst nicht alles. Laut Murray, der sich als Konstrukteur bei Brabham und McLaren einen Namen gemacht hat, spielt auch das Auge fürs Detail eine wichtige Rolle.»Aufgrund unserer Formel- 1-Vergangenheit haben wir Wert auf Radlager, Reifengröße und Räder mit geringem Trägheitsmoment gelegt. Somit ist der Ansatz ein anderer als bei einem großen Autohersteller, der erst die Räder entwerfen und dann von einem Stylisten bestimmen lässt, wie groß sie sein dürfen. Bei uns läuft es genau anders herum. Wir waren ewig damit beschäftigt, die Au- 28 FUTURE BY SEMCON

4 Prof. Gordon Murray (r.), hier zu sehen mit seinem Designchef Barry Lett, suchte nach den Jahren in der Formel 1 eine neue Herausforderung. Mit seinen E-Autos hofft er beweisen zu können, dass die Entwicklungsdauer verkürzt, neue Lösungen auf eine preiswerte Weise gefunden und Kleinstwagen sicher gemacht werden können. tofelgen so leicht wie möglich zu gestalten.«obwohl DAS DESIGN des T27 abgeschlossen ist und bereits Prototypen präsentiert wurden, plant Gordon Murray Design nicht, selbst mit dem Auto in Produktion zu gehen:»wir sind im Grunde ein Unternehmen, das immaterielle Werte schafft, kein Autohersteller. Wir haben einen neuen, hochvolumigen Herstellungsprozess für die Fahrzeugproduktion entwickelt und bis zur Industriereife geführt, und wir verkaufen so viele Lizenzen wie möglich an so viele Unternehmen wie möglich. T25 und T27 liegen als fertige Einheiten vor und sind funktionierende Muster für das, was wir uns markenrechtlich haben schützen lassen.«bisher haben Unternehmen in 22 Ländern Interesse an dem Herstellungsprozess istream angemeldet.»aktuell sind wir in Verhandlung mit einem Konzern, der den T25 und den T27 in Großbritannien produzieren will das wäre für alle Beteiligten ein enormer Imagegewinn.«Würde der Vertrag noch heute unterzeichnet, könnten die Stromer in rund zwei Jahren auf der Straße rollen. MURRAY BEGANN IN den 90er Jahren damit, die Möglichkeiten einer effizienteren Automobilproduktion auszuloten.»damals ging es noch nicht um Abgase und Kraftstoffverbrauch. Ich fragte mich einfach, warum es so wenig Kleinstwagen gab. Aber wenn man für die Werkzeuge zur Herstellung eines kleinen Wagens 500 Mio. Euro ausgeben muss, kann Der Stromer T27 bietet Platz für drei Erwachsene sowie 750 Liter Stauraum und wiegt dabei gerade mal 680 kg. das ja niemals rentabel sein. Daher beschäftigt sich niemand damit.«istream zielt daher darauf ab, die Produktion von Kleinstwagen aus finanzieller Sicht vertretbar zu machen. Die Technik ist revolutionär. istream-anlagen kommen ohne Presswerk, Schweißanlage für unlackierte Karosserien und in einigen Fällen sogar ohne Farblackiererei aus. (istream steht für»stabilized Tube Reinforced Exoframe Advanced Manufacturing«.)»Exoframe ist ein Stahlrohr mit geringem Kohlenstoffgehalt. Es bietet an sich keine hohe Torsions-, Biegungs- oder Kollisionsfestigkeit, aber diese erzielen wir zuverlässig durch die Verstärkung mit einem preisgünstigen Verbundwerkstoff. Der Rest der unlackierten Karosserie ist eine Kombination aus nicht strukturellen Spritzguss-Kunststoffplatten und halb strukturellen Spritzguss- Elementen«, erklärt Murray. In Sachen Verkehrssicherheit herrschte bislang die allgemeine Ansicht: Größer ist si- FUTURE BY SEMCON

5 Q&A Gordon Murray über die Zukunftsaussichten des T27 Wie wird der T27 die Automobilindustrie verändern? Ich bezweifle, dass er alles verändern wird. Denn bei sehr großen Volumen ist Pressstahl aus finanzieller Sicht immer noch eine vernünftige Wahl. Aber in puncto Energie und Gewicht liegt istream auf jeden Fall vorn. VW, Audi und BMW setzen nun auch auf die Leichtgewichte, aber ihre Produktionsmethoden sind sehr kosten- und energieintensiv. Ganz im Gegensatz zu unseren. Welchen Herausforderungen sehen sich die Hersteller von Elektroautos gegenüber? Ein großes Hindernis stellt der Wiederverkaufspreis dar. Dieser steht in Relation zu den Batteriekosten. Dazu kommt der Kompromiss zwischen Kosten und Größe: Ein fünfsitziges Familienfahrzeug mit Batterieantrieb ist heute keine kluge Lösung. Die Handhabung des Batteriegewichts bei einer Kollision ist nicht einfach, außerdem gibt es Probleme bei der Ladeinfrastruktur. Welches Absatzpotenzial sehen Sie für den T27? Abgesehen vom Smart gibt es im Grunde keine Konkurrenten. Und der begrenzt als Zweisitzer mit extrem kleinem Kofferraum seinen Markt eigentlich selbst. Der T27 bietet Platz für drei Erwachsene und 750 Liter Stauraum. Daher sind wir der Meinung, dass unser Markt wesentlich größer ist. Wen sehen Sie als Käufer für den T27? Das größte Segment ist das der Zweit- oder Drittwagenbesitzer. Daneben gehören vor allem Studenten, Erstkäufer und Fahranfänger zur Zielgruppe des T27. Hinzu kommen noch Pendler und Städter. Welche Ideen und Konzepte aus der Formel 1 sind in den T27 eingeflossen? Bei jedem einzelnen Teil des T27 wurden Kosten, Gewicht und Funktionalität optimiert. Das haben Konstrukteure, die mal mit Rennwagen gearbeitet haben, einfach im Blut. cherer. GMD setzte sich jedoch zum Ziel, mit dem T27 bei den Euro NCAP-Crashtests mindestens vier Sterne zu erreichen. Designchef Lett:»Der T27 sollte ein E-Auto speziell für den Stadtverkehr sein, das jedoch dieselben Sicherheitsstandards erfüllt wie Autos, die für 110 km/h auf der Autobahn entwickelt wurden.«und Murray fügt hinzu:»da wir mit einer völlig anderen Struktur und Architektur gearbeitet haben, brauchten wir einen Partner, der genau wie wir über den Tellerrand schaut. Den fanden wir in Semcon.«Das erste der drei T27-Projekte, an denen Semcon beteiligt war, war eine Machbarkeitsstudie, um das geeignete Airbag- und Gurtsystem für die außergewöhnliche Fahrzeugarchitektur des T27 zu finden. Nordine Chekaoui, Systems Group Manager bei Semcon Engineering in Großbritannien, berichtet:»im Grunde hatten wir völlig freie Hand, da für den T27 gänzlich andere Bedingungen gelten als für normale Autos. Ausgehend davon musste ein speziell an die Fahrzeugarchitektur angepasstes System entwickelt werden.«bei GMD war man mit dem Ergebnis der Machbarkeitsstudie zufrieden, und man bat Semcon, die Lösungen mittels virtueller Technik zu implementieren. Bei herkömmlichen Fahrzeugen sind in der Regel Seitenairbags in Sitze oder Türverkleidungen montiert. Vorhangairbags entlang der seitlichen Fensterfront bieten Seitenaufprallschutz.»In diesem Fall ist es aufgrund der zentralen Fahrerposition gar nicht so einfach, ein Airbagsystem zu entwickeln, das bei einem Seitenaufprall Körper und Kopf schützt. Seitliche Airbags müssen rechtzeitig aktiviert werden und auf jeden Fall so lange geöffnet bleiben, bis der Fahrer damit in Berührung kommt«, erklärt Chekaoui. Das zweite zu lösende Problem war, dass aufgrund der baldachinartigen Öffnung eine Montage von Vorhangairbags nicht möglich war. Die Lösung von Semcon bestand darin, einen Airbag an der B-Säule zu montieren, Nordine Chekaoui Position: Systems Group Manager Standort: Semcon Engineering, Großbritannien der sowohl Körper als auch Kopf schützt Auch der Fahrerairbag stellte eine Herausforderung dar. Wie sollte man in dem kleinen T27-Lenkrad einen Airbag unterbringen?»ein Airbag, der in das kleine Lenkrad passt und trotzdem groß genug ist, um Schutz zu bieten, ist nicht so leicht zu finden. Wir überdachten die Möglichkeiten und fanden eine angemessene Lösung für ein kleines Lenkrad, die dennoch bei Kollisionen effektiv ist.«der NÄCHSTE PUNKT WAR DAS GURTSYSTEM:»Das Problem der Gurtgeometrie war nicht einfach zu lösen. Normalerweise ist der Gurt an der B-Säule befestigt und wird über den Brustkorb 30 FUTURE BY SEMCON

6 Barry Lett Position: Designchef Standort: Gordon Murray Design, England Gordon Murray Position: Geschäftsführer und Technischer Leiter Standort: Gordon Murray Design, England gezogen. Beim T27 sitzt der Fahrer mitten im Fahrzeug und hat zwei Personen hinter sich, die ein- und aussteigen können müssen.«die Lösung: Der Gurtaufroller wird direkt hinter dem Sitz am Boden montiert. Semcon musste die Gurtfunktionen wie Dehnung und Kraftbegrenzung optimieren, um sie an den Fahrerairbag und die direkte Umgebung anzupassen. GMD bat die Ingenieure von Semcon auch um Mithilfe bei der Verbesserung des Verzögerungsprofils für den T27. Man wollte sicherstellen, dass die Insassen dieses sehr kleinen, starren Autos bei einem Unfall nicht allzu abrupt abgebremst werden.»durch Anpassen von Form und Stärke der Längsröhren in der Knautschzone konnten wir erreichen, dass diese wie gewünscht verformt werden und die Energie bestmöglich absorbieren«, berichtet Chekaoui. DER T27 MAG KLEIN sein, aber Murray, Lett und Chekaoui sind mit dem Sicherheitsstandard vollauf zufrieden, ebenso mit der zügigen Entwicklung und den relativ geringen Kosten. Chekaoui resümiert:»natürlich hätten wir auch völlig spektakuläre Lösungen entwickeln können. Die wären in der Praxis allerdings nicht anwendbar gewesen, da sie zu teuer sind. Unsere Lösungen sind Konzepte, die sich umsetzen lassen.«laut Murray werden sich die von den beiden Unternehmen entwickelten Sicherheitskonzepte nicht nur auf das T27-Projekt, sondern auf die gesamte Automobilindustrie auswirken:»die Sicherheit von Kleinstwagen ist mit einem enormen Stigma behaftet. Gemeinsam mit Semcon haben wir ein für alle Mal kategorisch bewiesen, dass man kleine Autos mit dem richtigen Design, den richtigen Materialien und dem richtigen Partner sicher gestalten kann. Unsere Analysen zeigen dies ebenso wie unsere Tests. Dies ist ein großer Schritt in der Entwicklung von Stadtautos.«1 FUTURE BY SEMCON