266a StGB: Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt 1
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- Hansl Adenauer
- vor 8 Jahren
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1 266a StGB: Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt 1 - Sonderdelikt: - Täter nur Arbeitgeber (sowie ihm nach Abs. gleichgestellte Person - bei JP: Merkmalsüberwälzung nach 14 StGB 2! - drei Tatbestände: - Abs. 1 (untreuähnlich): Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers durch Arbeitgeber - Schutzgut: Interesse der Versichertengemeinschaft an Sicherstellung des Aufkommens der Mittel für Sozialversicherung 3 - Abs. 2 (betrugsähnlich): Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers durch Arbeitgeber - Schutzgut: wie bei Abs. 1 - Abs. 3 (untreueähnlich): Nichtabführung treuhänderisch einbehaltener Teile des Arbeitsentgelts 4 durch Arbeitgeber - Schutzgut: Vermögen des Arbeitnehmers 5 Ferner: - Abs. 4: Strafzumessung: bes. schwere Fälle (Regelbeispielsmethode 6 ) - Abs. 6: Absehen von Strafe bzw. persönlicher Strafaufhebungsgrund subj. Tatbestand: dolus eventualis erforderlich (aber ausreichend) 7 Rechtswidrigkeit: - Einwilligung des AN: für Abs. 1 und Abs. 2 bedeutungslos - rechtfertigende Pflichtenkollision 8 : 1 Hierzu: Wittig, 22; Hellmann/Beckemper, RN 829 ff. 2 Und damit ggf.: Problematik des faktischen Geschäftsführers! 3 Und nicht etwa das Vermögen des Arbeitnehmers (also dessen Einwilligung mangels Dispositionsbefugnis ohne Belang). 4 Arbeitsentgelt, dass AG infolge privatrechtl. oder ör Verpflichtung an Dritte zahlen muss (bspw. vermögenswirksame Leistungen, freiwillige Zahlung an Rentenkasse). 5 Also keine ReWi bei dessen Einwilligung (hm: Einverständnis)! 6 Vgl. 243 StGB! 7 Im Falle der omissio libera in causa (vgl. Beispielsfall) muss sich Vorsatz auch darauf beziehen, zum Fälligkeitszeitpunkt nicht Beiträge abführen zu können. 1
2 RFG nur bei gleichrangigen Pflichten 9 Zu Abs. 1: - Arbeitgeber (AG): akzessorisch zum Sozialversicherungsrecht = Dienstberechtigter nach 611 ff. BGB - Problem: Arbeitnehmerüberlassung (AÜ) - zulässige AÜ: nur Verleiher als AG - unzulässige AÜ 10 : Verleiher und Entleiher als AG - Problem: Scheinselbständigkeit = nichtselbständige Arbeit für AG entscheidend ist die tatsächliche Lage (und nicht die vertragliche Ausgestaltung) nichtselbständig bei persönlicher Abhängigkeit des AG 11 - bei mehrgliedriger Geschäftsleitung: Die grundsätzlich alle Leitungspersonen (bspw. GmbH-Geschäftsführer) treffende Abführungspflicht wandelt sich bei fehlender Ressortzuständigkeit in eine bloße Überwachungspflicht des nicht primär Zuständigen (+ Vertrauensgrundsatz 12 ) - Nichtabführen ( Vorenthalten ) der AN-Anteile: - Vorenthalten nur, sofern nach Sozialrecht geschuldet Sozialrechtsakzessorietät - also Abs. 1 (-), sofern nur AG Anteile zu tragen hat 13 - ggf. Einfluss von EU-Recht 14 - Nettolohnabrede mit AN 15 : unbeachtlich 8 Hierzu allgemein: Roxin, AT II 31/204; Sch/Sch-Lenckner/Sternberg-Lieben RN 71 ff. vor 32 9 Nach Aufassung der Rspr. Pflichten nur dann gleichrangig, wenn beide Pflichten strafbewehrt sind (also etwa bei Kollision mit Unterhaltspflicht isv 170 StGB, nicht aber bei bloß schuldrechtlichen Ansprüchen Dritter!). 10 Strafbar nach 15 AÜG; hierzu: Wittig, 34 RN 18 ff. 11 S. 7 I SGB IV; Indizien: örtliche, zeitliche und inhaltliche Weisungsgebundenheit sowie Eingliederung in den Betrieb (Arbeitsorganisation). 12 Also Pflicht zum Eingreifen, wenn Anhaltspunkte für Nichtabführung bestehen (insb. bei Unternehmenskrise). 13 Bspw. im Falle geringsfügiger ( 400 -Job ) Beschäftigung (s. 249 I 1 SGB IV). 14 ZB EU-Entsende-Bescheinigung: Sofern dort Versicherungspflicht im Ausland festgestellt ist Beitragsfreiheit in Deutschland; dies gilt auch dann, wenn die EU-Bescheinigung erschlichen worden war (BGHStE 51, 124); Nachw. zu sonstigen Entsendebescheinigungen bei Wittig, 22 RN Vereinbarung, dass Lohn ohne Abzug der Sozialabgaben gezahlt werden soll. S.a. 12 II 1 SGB IV: Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem 2
3 - Schwarzlohnabrede mit AN 16 : unbeachtlich - Vorenthalten = (zumind. teilweises) Unterlassen der Abbführung an Einzugstellen bei Fälligkeit 17 - kein Vorenthalten. sofern Einverständnis der Einzugsstelle - unerheblich, ob tatsächlich Lohn ausbezahlt - bei zu geringer Gesamtzahlung des AG: anteilmäßige Anrechnung auf AN- und AG-Anteile (es sei denn: ausdrückliche Erklärung des AG: vorrangige Zahlung auf AN-Anteile 18 ) - als echtes Unterlassen - Grundsatz: [-] bei Unmöglichkeit der Abführung tats. Unmöglichkeit: bei Zahlungsunfähigkeit des AG oder Krankheit rechtl. Unmöglichkeit: ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens 19 - Ausnahme: omissio libera in causa 20 - fehlende Leistungsfähigekit unbeachtlich, wenn keine geeigneten und angemessenen Sicherungsvorkehrungen getroffen wurden 21 (Problem: Grenze unternehmerischer Freiheit? Zumutbarkeit?) - s. Beispielsfall Zusatzprobleme bei Insolvenzsituation (s.u.) gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Sind bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden, gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart. 28g S. 2 SGB IV: Der Arbeitgeber hat gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. 16 Vereinbarung, dass AG weder Lohnsteuer noch Sozialversicherungsbeiträge abführt. 17 Zur Fälligkeit s. 23 I 2 SGB IV: spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats. 18 Dann ggf. keine Strafbarkeit nach 266a I StGB. Und die vorenthaltenen AG-Anteile? 266a II StGB verlangt als Tathandlung mehr als bloßes Nichtabführen: AG muss unrichtige Angaben machen (Nr. 1) oder die Einzugstelle pflichtwidrig über bestimmte Tatsachen in Unkenntnis lassen (Nr. 2). 19 S. 80 f. InsO: keine Verfügungsbefugnis mehr ( 80 I InsO: Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. ; 81 I 1 InsO: Hat der Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Gegenstand der Insolvenzmasse verfügt, so ist diese Verfügung unwirksam. 20 Hierzu allgemein: Roxin, AT II, 31/103 ff. - Beispiel: Bademeister betrinkt sich während seines Dienstes derart, dass er zu einem erforderlich werdenden Rettungseinsatz objektiv nicht mehr in der Lage ist. 21 BGHStE 47, 318, 322; s.a. Wittig, 22 RN 37. 3
4 Beispielsfall 22 Die X-GmbH droht in Zahlungsunfähigkeit zu fallen. A erfüllt mit den letzten noch flüssigen Reserven am die Kaufpreisforderung des X, um diesen als Lieferanten für die (ungewisse) Zukunft nicht zu verprellen. Wie von ihm in Kauf genommen, konnte er deshalb die am fälligen (vgl. 23 I 2 SGB IV 23 ) Sozialversicherungsbeiträge der von der X-GmbH beschäftigten Arbeitnehmer ebensowenig abführen wie die Gehaltsansprüche der GmbH-Mitarbeiter befriedigen. Ein Insolvenzverfahren wird mangels Masse abgelehnt ( 26 InsO). 1) 266-TreubruchsTB: (-) - Pflicht zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge Vermögensbetreuungspflicht 24 - Vermögensnachteil bei Arbeitnehmern: (-) 25 Versicherungssschutz blieb erhalten / keine Pflicht zur Nachzahlung 2) 266a I: (-) - A = als GmbH-Geschäftsführer Arbeitgeber isv 266a ( Überwälzung von GmbH gem. 14 I Nr. 1!) - Vorenthalten : - bis zur Novellierung 2002 umstritten, ob wegen untreueähnlichen Charakters des 266a Strafbarkeit insoweit voraussetzte, dass es zur Auszahlung des um AN-Beitrags gekürzten Arbeitsentgelts kam 26 - ab 2002: vgl. Gesetzestext: unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird - Vorenthalten (Nicht-Abführen) = echtes Unterlassungsdelikt Möglichkeit, die Handlungspflicht zu erfüllen, als Voraussetzung: - am 27.3.: unmöglich; aber: - Anknüpfen an Vorverhalten, durch das A sich außer 22 Nachw. weiter Fälle bei Wittig, 22 Rn 68 (ae). 23 Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, sind in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt; 24 Vgl. Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, 266a Rn S. Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, 266a Rn Vgl. Wittig, 22 RN 24 f. 4
5 Stande setzte, später seinen Handlungspflichten nachzukommen (sog. omissio libera in causa 27 {in Anlehnung an die sog. actio libera in causa bei Volltrunkenheit}) Vorwerfbarkeit des Vorverhaltens (hier: Befriedigung anderer Gläubiger), da Vorrang der (strafbewehrten!) AN-Sozialversicherungsbeiträge (str. 28 ) - in (bloßer 29 ) Insolvenzsituation: Vorrang der sozialversicherungsrechtl. Abführungspflicht 30 (ungeachtet späterer Anfechtbarkeit nach 129 I InsO 31 (!) - aber: Zahlungsverbot aus 64 I GmbHG 32? Nach BGH NJW 1997, 1237 (zu 64 II GmbHG af): Vorrang des strafrechtlichen Zahlungsgebots aus 266a StGB (Konsequenz: keine Ersatzpflicht aus 64 II GmbHG af) 33 : Kollisionslage zwischen strafrechtlichem Zahlungsgebot ( 266a StGB) und zivilrechtlichem Zahlungsverbot während der 3- Wochen-Insolvenzantragsfrist von 15a I InsO 34 (zur Massesicherung: Gläubigerschutz): Straflosigkeit 35 [ - Vorsatz: dolus eventualis z. Zt. des pflichtwidrigen Vorverhaltens 36 2) 266a II: (-) Hierzu allgemein: Schönke/Schröder-Stree/Eisele, Vor 13 Rn. 144, Kühl, AT, 18 Rn. 22; zur 266a-Konstellation: BGHStE 47, 318, 320; Schönke/Schröder-Lenckner/Perrron, 266a Rn Nw. bei Wittig, 22 RN Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens: Erfüllung der Abführungspflicht rechtlich unmöglich (o. FN 19). 30 BGHStE 47, 318, 321; 48, 307, I InsO: Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der 130 bis 146 anfechten I GmbHG: Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. 33 Zust. zb Hellmann, JZ 1997, 1005, 1006: anderenfalls hinge Strafbarkeit von Rechtsform des Unternehmens (GmbH oder Einzelkaufmann) ab; aa etwa Rönnau, wistra 1997, 13, a I 1 InsO: Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Insolvenzantrag zu stellen. 35 E sei denn, es wird in dieser Frist kein Insolvenzantrag gestellt (BGHStE 48, 307, 310). 36 Vgl. Hellmann, JZ 1997, 1005, Auch wenn A die Arbeitgeberanteile nicht abgeführt haben sollte, so fehlt es auf jeden Fall an einer Tathandlung isv Abs. 2. 5
6 3) 283 I Nr. 1: (-) 38 - Täterqualität: A = Schuldner ( Überwälzung auf Geschäftsführer gem. 14 I Nr. 1) - Tatsituation: Krise: (+) Überschuldung sowie eingetretene Zahlungsunfähigkeit - Tatobjekt: Bestandteile des Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören (s. 35, 36 InsO) - Tathandlung: Beiseiteschaffen = tatsächliche oder rechtliche Veränderung, die den Gläubigerzugriff erschwert (auch bei geschäftsüblicher Veräußerung etc.) - nach hm 39 muss dieses Verhalten aber den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechen (-) bei Weggabe gegen Empfang einer wirtschaftlich gleichwertigen Gegenleistung oder - so vorliegend - bei Erfüllen fälliger Verbindlichkeiten [- objektive Strafbarkeitsbedingung: Zusammenbruch isv 283 VI hätte vorgelegen!] 38 Hierzu: Hellmann/Beckemper, Rn. 250 ff.; Wittig, ZB BGHStE 30, 309, 310; Schönke/Schröder-Heine, 283 Rn. 4, NK-Kindhäuser, 283 Rn
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