Die Säule 3a im Erbrecht: de lege lata und de lege ferenda
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1 Die Säule 3a im Erbrecht: de lege lata und de lege ferenda Prof. Dr. Alexandra Jungo
2 ÜBERSICHT I. Grundlagen II. III. Gebundene Selbstvorsorge in der güterrechtlichen Auseinandersetzung Gebundene Selbstvorsorge als Teil des Nachlasses? IV. Gebundene Selbstvorsorge im Erbrecht de lege ferenda
3 BEISPIEL Frau X zahlt im Rahmen ihrer Vorsorgevereinbarung mit der Bankstiftung Z jährlich CHF in ihre Säule 3a ein. Frau Y zahlt im Rahmen ihrer Vorsorgeversicherung bei der X Versicherung jährlich CHF in ihre Säule 3a ein. Sparkomponente 70%; Risikokomponente 30%
4 I. GRUNDLAGEN
5 GRUNDLAGEN 2. SÄULE Säule 2a Säule 2b obligatorische berufl. Vorsorge oblig. versicherter BVG-Lohn (sog. koordinierter Lohn) = über- und ausserobligatorische (freiwillige) berufl. Vorsorge Lohn < Lohn > Leistungen ausserhalb des Obligatoriums
6 EINHEIT VON SÄULE 2A UND SÄULE 2B Ø Faktisch können die meisten Arbeitnehmenden nicht wählen, ob sie zusätzlich überobligatorisch versichert sein wollen. Ø Für die Säule 2b gelten gewisse BVG-Bestimmungen zwingend: Siehe Katalog in 49 II Ziff BVG. Ø Alle Vorsorgeeinrichtungen richten obligatorische und ausserobligatorische Leistungen aus: keine Vorsorgeeinrichtungen bekannt, die ausschliesslich das Obligatorium anbieten. Fazit: Säule 2a und Säule 2b sind rechtlich und versicherungstechnisch miteinander verbunden funktionale Gleichstellung
7 ERBRECHTLICHE BEHANDLUNG VON SÄULE 2A UND SÄULE 2B Säule 2a Säule 2b 18 ff. BVG privater Vorsorgevertrag (78 VVG) Fazit: Beide Arten von Ansprüchen fallen nicht in den Nachlass. 476 ZGB ist nicht anwendbar!
8 GRUNDLAGEN SÄULE 3A UND SÄULE 3B Säule 3a Säule 3b steuerlich privilegierte, gebundene Vorsorge private, nicht gebundene Vorsorge Versicherte mit PK: Versicherte ohne PK: (max. 20% Nettoeinkommen) (z.b. Bankkonti, Lebensversicherung, Wertschriften, Wohneigentum) Freiwillige Selbstvorsorge = privatrechtlicher Vertrag
9 SÄULE 3A: VORSORGEVEREINBARUNG UND -VERSICHERUNG Säule 3a Vorsorgevereinbarung Vorsorgeversicherung Sparvertrag mit Bankstiftung Versicherungsvertrag mit Versicherungseinrichtung
10 VORSORGEVERSICHERUNG: GRUNDLAGEN Säule 3a Vorsorgevereinbarung Vorsorgeversicherung Vorsorgeversicherung reine Risikoversicherung kein Rückkaufswert keine Sparkomponente 476 ZGB nicht anwendbar Versicherung mit Sparkomponente Rückkaufswert variable Sparkomponente 476 ZGB anwendbar
11 VORSORGEVERSICHERUNG: FAZIT Säule 3a Vorsorgevereinbarung Vorsorgeversicherung Eine Vorsorgeversicherung mit grosser Sparkomponente (z.b. 90%) und kleiner Versicherungskomponente (z.b. 10%) kommt einer Vorsorgevereinbarung (Sparkomponente: 100%) sehr nahe.
12 II. GEBUNDENE SELBSTVORSORGE IN DER GÜTERRECHTLICHEN AUSEINANDERSETZUNG
13 GÜTERRECHTLICHE AUSEINANDERSETZUNG Säule 3a Vorsorgevereinbarung Vorsorgeversicherung Ø fester Anspruch auf das Kapital Ø keine blosse Anwartschaft Ø wie freies Vermögen Auflösung durch Tod Direktanspruch der Hinterbliebenen (78 VVG) Auflösung durch Scheidung Ø reine Risikoversicherung: blosse Anwartschaft Ø Vers. mit Sparkomponente: Rückkaufswert der Versicherung ist zu berücksichtigen (in der Regel: Errungenschaft)
14 III. GEBUNDENE SELBSTVORSORGE ALS TEIL DES NACHLASSES?
15 HISTORISCHE AUSLEGUNG Verordnungsgeber für die BVV3 erachtete 3a-Säule-Vorsorgekapital gesamthaft NICHT als Teil des Nachlasses Gemäss Bundesgericht fällt Vorsorgekapital aus der Säule 3a (wie die Säule 2a und 2b) nicht in den Nachlass. BGE 140 V 57 f. = BGer 9C_523/2013 vom 28. Januar 2014, E. 4.1
16 ERBRECHTLICHE BEHANDLUNG DER SÄULE 3A DE LEGE LATA Säule 3a Vorsorgevereinbarung Vorsorgeversicherung Ansprüche fallen wie anderes freiwilliges, privatrechtliches Sparen in den Nachlass Ø Direktanspruch gestützt auf 78 VVG Ø Direktanspruch gestützt auf 563 II ZGB Bedeutung der Begünstigtenordnung von 2 BVV3? Ø Rechtsgeschäft unter Lebenden? Ø Verfügung von Todes wegen? Sind 476 und 529 ZGB anwendbar?
17 VORSORGEVERSICHERUNG DE LEGE LATA Säule 3a Vorsorgevereinbarung Vorsorgeversicherung Pro Memoria: Ansprüche nicht Teil des Nachlasses Ø Direktanspruch nach 78 VVG oder 563 II ZGB Hinzurechnung und Herabsetzung (476 und 529 ZGB)? Direktanspruch entzieht dem Nachlass Vermögenswert! => Hinzurechnung! Hinzurechnungswert? Rückkaufswert: 476 ZGB Versicherungssumme: 563 II ZGB?
18 VORSORGEVEREINBARUNG DE LEGE LATA Säule 3a Vorsorgevereinbarung Vorsorgeversicherung Pro Memoria: Ansprüche Teil des Nachlasses Ø 2 BVV3 begründet keinen Direktanspruch (vgl. fehlende Kompetenz in 82 BVG) Rechtsgeschäftliche Verfügung über Vorsorgevereinbarung? Ø Begünstigung der Hinterbliebenen belastet Nachlass Ø Rechtsgeschäftlich folglich nur durch Verfügung von Todes wegen; auch als Schenkung: Form der Vf.v.T.w. Ø Abschluss Vorsorgevereinbarung mit Übernahme Begünstigtenordnung? Verfügung von Todes wegen kein animus testandi Auch mit animus testandi Verfügung formungültig (vgl. 520, 520a ZGB)
19 VORSORGEVEREINBARUNG DE LEGE LATA Fazit: Begünstigtenordnung hat erbrechtlich keine Bedeutung, sondern ist bloss für die steuerrechtliche Privilegierung relevant. Risiko der Doppelzahlung für Bank!
20 IV. GEBUNDENE SELBSTVORSORGE IM ERBRECHT DE LEGE FERENDA
21 ERBRECHTLICHE BEHANDLUNG DER SÄULE 3A DE LEGE FERENDA Gleichstellung von Vorsorgevereinbarung und Vorsorgeversicherung. Zwei mögliche Lösungen: Vorsorgekapital fällt nicht in Nachlass: Direktanspruch und Hinzurechnung Vorsorgekapital fällt in Nachlass und wird von gesetzlicher und gewillkürter Erbfolge beherrscht
22 VORSORGEVERSICHERUNG DE LEGE FERENDA Säule 3a Vorsorgevereinbarung Vorsorgeversicherung Ø Direktanspruch durch Verfügung von Todes wegen (563 II ZGB) durch Zuwendung unter Lebenden (78 VVG) Ø Hinzurechnung Rückkaufswert? Versicherungssumme bei fälliger Versicherungsleistung? Pro: 537 ZGB, 630 ZGB Contra: Aus Sicht des Nachlasses wird nur die Sparprämie entzogen, nicht die gesamte Versicherungsleistung!
23 VORSORGEVEREINBARUNG DE LEGE FERENDA Säule 3a Vorsorgevereinbarung Vorsorgeversicherung Ø Direktanspruch durch Verfügung von Todes wegen (563 Abs. 2 ZGB) durch Zuwendung unter Lebenden, der sich gemäss Entwurf unmittelbar aus 82 Abs. 4 BVG ergibt. Ø Hinzurechnung Zugewiesenes Kapital
24 ENTWURF DES BUNDESRATES VOM 29. AUGUST 2018 Art. 82 BVG Gleichstellung anderer Vorsorgeformen 1 Arbeitnehmer und Selbständigerwerbende können auch Beiträge für die folgenden, ausschliesslich und unwiderruflich der beruflichen Vorsorge dienenden, anerkannten Vorsorgeformen abziehen: a. die gebundene Selbstvorsorge bei Versicherungseinrichtungen; b. die gebundene Selbstvorsorge bei Bankstiftungen. 2 3 Er regelt die Einzelheiten der anerkannten Vorsorgeformen, insbesondere bestimmt er den Kreis und die Reihenfolge der Begünstigten. Er legt fest, inwieweit der Vorsorgenehmer die Reihenfolge der Begünstigten ändern und deren Ansprüche näher bezeichnen kann; die vom Vorsorgenehmer getroffenen Anordnungen bedürfen der Schriftform. 4 Die aus einer anerkannten Vorsorgeform Begünstigten haben einen eigenen Anspruch auf die ihnen daraus zugewiesene Leistung. Die Versicherungseinrichtung oder die Bankstiftung zahlt diese den Begünstigten aus.
25 ENTWURF DES BUNDESRATES VOM 29. AUGUST 2018 G Art. 476 ZGB 3. Versicherung und gebundene Selbstvorsorge 1 Ist ein auf den Tod des Erblassers gestellter Versicherungsanspruch, einschliesslich eines solchen Anspruchs aus der gebundenen Selbstvorsorge, mit Verfügung unter Lebenden oder von Todes wegen zugunsten eines Dritten begründet oder bei Lebzeiten des Erblassers unentgeltlich auf einen Dritten übertragen worden, so wird der Rückkaufswert des Versicherungsanspruchs im Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu dessen Vermögen hinzugerechnet. 2 Ebenfalls zum Vermögen des Erblassers hinzugerechnet werden Ansprüche von Begünstigten aus der gebundenen Selbstvorsorge des Erblassers bei einer Bankstiftung.
26 ENTWURF DES BUNDESRATES VOM 29. AUGUST 2018 Art. 529 ZGB 3. Versicherung und gebundene Selbstvorsorge 1 Versicherungsansprüche auf den Tod des Erblassers, einschliesslich solcher Ansprüche aus der gebundenen Selbstvorsorge, die durch Verfügung unter Lebenden oder von Todes wegen zugunsten eines Dritten begründet oder bei Lebzeiten des Erblassers unentgeltlich auf einen Dritten übertragen worden sind, unterliegen der Herabsetzung mit ihrem Rückkaufswert. 2 Ebenfalls der Herabsetzung unterliegen Ansprüche von Begünstigten aus der gebundenen Selbstvorsorge des Erblassers bei einer Bankstiftung.
27 BERECHNUNGSBEISPIEL: VORSORGEVERSICHERUNG Anna und Bruno sind verheiratet und haben ein gemeinsames Kind, Claudia. Beim Tod von Bruno beträgt dessen Nachlass Daneben verfügte er im Eigengut über eine Vorsorgeversicherung mit einem Rückkaufswert von Anna hat von der Versicherungseinrichtung eine Versicherungssumme von erhalten. Sind Pflichtteile von Claudia verletzt? Pflichtteilsberechnungsmasse = (Rückkaufswert) Pflichtteile von Claudia = ¼ = Im Nachlass sind Der Anspruch von Anna wird daher um herabgesetzt, um den Pflichtteil von Claudia herzustellen.
28 BERECHNUNGSBEISPIEL: VORSORGEVEREINBARUNG Anna und Bruno sind verheiratet und haben ein gemeinsames Kind, Claudia. Beim Tod von Bruno beträgt dessen Nachlass Daneben verfügte er Im Eigengut über eine Vorsorgevereinbarung mit einem Sparkapital von Anna hat von der Bankstiftung ein Kapital von erhalten. Sind Pflichtteile von Claudia verletzt? Pflichtteilsberechnungsmasse = Pflichtteile von Claudia = ¼ = Im Nachlass sind Der Anspruch von Anna wird daher um herabgesetzt, um den Pflichtteil von Claudia herzustellen.
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30 VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT!
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