Spiritual Care eine gemeinsame Aufgabe in Krankenpflege, Medizin und Seelsorge
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- Heidi Bretz
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1 Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin Spiritual Care eine gemeinsame Aufgabe in Krankenpflege, Medizin und Seelsorge Eckhard Frick sj Facharzt für Psychosomatische Medizin Psychiater und Psychoanalytiker Ludwig-Maximilians-Universität und Hochschule für Philosophie der Jesuiten
2 Biblische Wurzeln 2/ 37
3 1. Orientierung im religiös-spirituellen Feld 2. Exemplarisch, nicht exklusiv : Palliative Care 3. Therapiezielwechsel 4. Spiritual Care ist eine Teamaufgabe 5. Vor die Therapie haben die Götter die Diagnose gestellt! 6. Authentizität t und Neutralität 7. Achtsamkeit und Selbstsorge 3/ 37
4 institutionell sozial implizit explizit modifiziert nach Leutwyler S (2005) Spiritualität und Wissenschaft individuell
5 institutionell sozial Kollektive Rituale Ordens- Spiritualitäten Übergangsriten Sakramente II I Zen implizit Einheitserfahrungen III IV Ignatianische Exerzitien explizit Erleuchtung Persönliches Gebet individuell
6 Anzahl der Publikationen* Definitionen von Spiritualität in ausgewählten empirischen Studien (mod. nach Vachon et al.: J Pall Med 2009) Glaube Sinnsuche Gemeinschaft Bewusstheit Selbst-Transzendenz Entwicklung/Dynamik Hoffnung * Zeitraum , N=946, ausgewählt n=71 6/ 37
7 Jung 1932 Unter all meinen Patienten jenseits der Lebensmitte, das heißt jenseits 35, ist nicht ein Einziger, dessen endgültiges Problem nicht das der religiösen Einstellung wäre. Ja, jeder krankt in letzter Linie daran, daß er das verloren hat, was lebendige Religionen ihren Gläubigen zu allen Zeiten gegeben haben, und keiner ist wirklich geheilt, der seine religiöse Einstellung nicht wieder erreicht, was mit Konfession oder Zugehörigkeit zu einer Kirche natürlich nichts zu tun hat (GW 11, 509). 7/ 37
8 Jaspers, Die Idee des Arztes (1953) Heute treten prominente Ärzte auf, die den Kranken zum Sinn seines Lebens führen wollen. Denn in aller Krankheit, ob es sich um Neurosen handelt oder Infektion oder Karzinom, sehen sie eine Symbolik. Diese zu verstehen und die durch sie kundgegebenen Probleme der kranken Seele zu lösen, das sei ärztliche Aufgabe. [...] 8/ 37
9 Jaspers, Die Idee des Arztes (Fortsetzung) Hier ist die Idee des Arztes überschritten und zugleich verloren. Psychotherapeutische Bewegungen, zwar auf ärztlichem Boden erwachsen, haben sich von ihm losgelöst und werden Glaubensbewegungen dieses ratlosen Zeitalters. Ärztliche Heilung ist nicht das Bringen des Seelenheils. Die Vermengung von Arzt und Seelsorger muß die Aufgabe beider verwirren. Eine Modernität leer gewordener Menschen läuft vergeblich Heilserwartungen nach, die solche Psychotherapeuten erwecken. Das ärztlich Mögliche wird versäumt, das seelisch Begehrte nicht erreicht. 9/ 37
10 1. Orientierung im religiös-spirituellen spirituellen Feld 2. Exemplarisch, nicht exklusiv : Palliative Care 3. Therapiezielwechsel 4. Spiritual Care ist eine Teamaufgabe 5. Vor die Therapie haben die Götter die Diagnose gestellt! 6. Authentizität t und Neutralität 7. Achtsamkeit und Selbstsorge 10 / 37
11 Cicely Saunders at the end of her first year as a nurse. Saunders C BMJ 1996;313: by British Medical Journal Publishing Group
12 total pain : a complex of physical, emotional, social, and spiritual elements. a need to find some meaning in the situation, some deeper reality in which to trust. Those who work in palliative care being challenged to face this dimension for themselves. Many, both helper and patient, live in a secularised society and have no religious language. Some will still be in touch with their religious roots. Others, however, will not. For them insensitive suggestions by well meaning practitioners will be unwelcome (Saunders 1996)
13 WHO-Definition der Palliativmedizin, 2002 Palliativmedizin dient der Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit einer lebens-bedrohlichen Erkrankung konfrontiert sind. Dies geschieht durch Vorbeugung und Linderung von Leiden mittels frühzeitiger Erkennung, hochqualifizierter Beurteilung und Behandlung von Schmerzen und anderen Problemen physischer, psychosozialer und spiritueller Natur. 13 / 37
14 physisches psychosoziales LEIDEN spirituelles
15 1. Orientierung im religiös-spirituellen spirituellen Feld 2. Exemplarisch, nicht exklusiv : Palliative Care 3. Therapiezielwechsel 4. Spiritual Care ist eine Teamaufgabe 5. Vor die Therapie haben die Götter die Diagnose gestellt! 6. Authentizität t und Neutralität 7. Achtsamkeit und Selbstsorge 15 / 37
16 Nachuntersuchungen und unterstützende (supportive) Behandlung 3a 4a Xa Erfolgreiche Behandlung 1 Behandlung mit dem Ziel der Heilung 2 Tod Krebsdiagnose
17 Nachuntersuchungen und unterstützende (supportive) Behandlung 3a 4a Xa Erfolgreiche Behandlung 1 Behandlung mit dem Ziel der Heilung 2 Tod Krebsdiagnose Fortschreitende Erkrankung 3b 4b Xb Palliative Care: -physisch -psychosozial -spirituell
18 Nachuntersuchungen und unterstützende (supportive) Behandlung 3a 4a Xa Erfolgreiche Behandlung 1 Behandlung mit dem Ziel der Heilung 2 Rückfall (Rezidiv) Tod Krebsdiagnose Fortschreitende Erkrankung 3b 4b Xb Palliative Behandlung mit den Zielen Linderung, Symptomkontrolle, Verbesserung der Lebensqualität
19 to cure Nachuntersuchungen und unterstützende (supportive) Behandlung 3a 4a Xa Erfolgreiche Behandlung 1 Behandlung mit dem Ziel der Heilung 2 Rückfall (Rezidiv) Tod Krebsdiagnose Fortschreitende Erkrankung to heal 3b 4b Xb Palliative Behandlung mit den Zielen Linderung, Symptomkontrolle, Verbesserung der Lebensqualität
20 Kontexte, Situationen Der Gesunde: erlebt Krankheit als Unterbrechung, Einklammerung der Normalität, Heilung als returning to normalcy Der Chirurg: Functio laesa, Intervention, Restitutio ad integrum: z.b. Bewegungsapparat (Prothetik, Frakturen) Der chronisch Kranke: hat es gelernt, mit der Krankheit zu leben, aber: Sucht Heilung Der religiöse / spirituelle Mensch: Versteht Zeichen anders, im Hinblick auf Sinn, Hoffnung, Transzendenz Der Sterbende: Zwischen Verleugnung / Allmachtsfantasie und Heilung von der Krankheit zum Tode
21 1. Orientierung im religiös-spirituellen spirituellen Feld 2. Exemplarisch, nicht exklusiv : Palliative Care 3. Therapiezielwechsel 4. Spiritual Care ist eine Teamaufgabe 5. Vor die Therapie haben die Götter die Diagnose gestellt! 6. Authentizität t und Neutralität 7. Achtsamkeit und Selbstsorge 21 / 37
22 PHILOSOPHIE Sinnfrage/ gelungenes Leben Todes-Begriff Diskurs-Analyse Ethik MEDIZIN UND PFLEGE Palliativmedizin Psychoonkologie Geriatrie Pädiatrie Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Praktische Th. / Seelsorge Systematische Th. Historische Th. Interreligiöser Dialog Spiritual Care Testverfahren Religionspsychologie Coping-Forschung Sozialpsychologie PSYCHOLOGIE THEOLOGIEN
23 Vorarbeiten Arbeitskreis Medizin und Spiritualität an der LMU (seit 2000) Erstpublikation zu SPIR (2006) Roser T: Spiritual Care. Stuttgart 2007 Gemeinsame Herausgabe des Bandes Medizin und Spiritualität: Gemeinsame Sorge für den kranken Menschen (2009) (2010) 23 / 37
24 Hanson et al.: Providers and types of spiritual care during serious illness (J Pall Med 2008) 17% 7% 7% 40% Familie/Freunde Gesundheitsberufe Seelsorge Gott/höhere Macht 29% andere 24 / 37
25 25 / 37
26 *** *** Spiritualität: Unterrichtsstoff für alle Studierenden der Medizin (n=848) *** *** *** vor Kurs nach Kurs nach 3 Semestern 1 0 Haltung Fähigkeiten Wissen Wasner, Roser, Fittkau- Tönnesmann, Borasio, 2008 Dt Ärztbl 105(13), A / 37
27 1. Orientierung im religiös-spirituellen spirituellen Feld 2. Exemplarisch, nicht exklusiv : Palliative Care 3. Therapiezielwechsel 4. Spiritual Care ist eine Teamaufgabe 5. Vor die Therapie haben die Götter die Diagnose gestellt! 6. Authentizität t und Neutralität 7. Achtsamkeit und Selbstsorge 27 / 37
28 28 / 37
29 Spiritual Care as a Dimension of Palliative Care: Consensus Conference (J Pall Med 2009) 1. Spiritualität als integralen Bestandteil von Krankheit und Heilung erkennen. 2. Spirituelle Diagnostik muss patienten-zentriert, vertraulich und respektvoll sein. 3. Spirituelle Sorgen, Themen, Bedürfnisse, Optionen verstehen 4. Wie beschreibt Pat. Glaubensüberzeigungen, Praktiken, Werte, Sinn, Beziehungen? 5. Patienten-Autonomie: will er Spiritualität thematisieren oder nicht? 29 / 37
30 6. Spirituelle Selbst-Sorge / cura sui der Helfenden. 7. Interdisziplinäre Zusammenarbeit. 8. Kompetenz und compassion in spiritual care. 9. Partnerschaftlich Spiritualität, Medizin, Pflege weiterentwickeln und erforschen. 10. Grenzen beachten: eigene Qualifikation, gesetzliche Vorschriften, Berufsethik 30 / 37
31 31 / 37
32 Beispiele für Patientenäußerungen S Bin im weitesten Sinne gläubig. Ob s hilft, weiß ich nicht. Wenn s nicht hilft, hab ich Pech gehabt. Während der Krankheit habe ich spirituelle Erfahrungen gemacht. Kirche ist für mich keine Kraftquelle. Aber der Glaube an die Kräfte des Universums. P Ich finde in meinem Glauben Kraft. Dann komme ich mir nicht so allein vor. Starke Menschen werden von Gott ausersehen, die Krankheit leichter zu tragen. Ich glaube an mich, will mit mir ins Reine kommen. Ich erarbeite langsam, was das Leben für einen Sinn hat. 32 / 37
33 Beispiele für Patientenäußerungen - 2 I Obwohl streng religiös erzogen, habe ich nichts mit institutioneller Kirche am Hut. Was in der Kirche gesagt wird, glaube ich nicht immer. Als Kind war ich oft in der Kirche. Irgendwo ist der Kontakt zur Kirche immer geblieben. R Ich freue mich, dass sich jemand für solche persönlichen Themen interessiert. Der Arzt soll Spiritualität nur bei den Gläubigen ansprechen. Ich möchte lieber, dass Sie [Arzt] mir diese Fragen stellen, weil Sie objektiver damit umgehen. 33 / 37
34 Spirituelles Interview: Einwände Für so was haben wir keine Zeit! In so kurzer Zeit kann / darf man nicht über derart intime Dinge sprechen Das überlassen wir der Seelsorge, die ist dafür besser ausgebildet und hat mehr Zeit Wir haben genug damit zu tun, unsere Patienten / Bewohner ausreichend zu versorgen Meine Spiritualität ist meine Privatsache, die niemanden etwas angeht. 34 / 37
35 (Frick et al., Eur J Cancer Care, 2006) "Do you consider SPIR being...?"... burdensome... helpful N = 30; p = Physician Patient 35 / 37
36 1. Orientierung im religiös-spirituellen spirituellen Feld 2. Exemplarisch, nicht exklusiv : Palliative Care 3. Therapiezielwechsel 4. Spiritual Care ist eine Teamaufgabe 5. Vor die Therapie haben die Götter die Diagnose gestellt! 6. Authentizität und Neutralität 7. Achtsamkeit und Selbstsorge 36 / 37
37 Spirituelle Kommunikation (Nassehi 2009) [...] dann ist Spiritualität jene Form, die auf noch weniger Bestimmtheit setzt und sich ganz auf die Authentizität des Sprechers verlässt. Spiritualität wäre dann eine religiöse Form, die anschlussfähig wird, wenn religiöse Inhalte selbst zum Problem werden, d.h. wenn selbst die religiöse/konfessionelle/kirchliche/rituelle Form der Kommunikation von Unbestimmtheit noch zu viel Bestimmtheit enthält dann bleibt tatsächlich nur Authentizität als Form. Authentizität wäre dann als eine kommunikative Form zu verstehen, die nicht in erster Linie auf gute Gründe setzt, sondern auf den Sprecher selbst. 37 / 37
38 1. Orientierung im religiös-spirituellen spirituellen Feld 2. Exemplarisch, nicht exklusiv : Palliative Care 3. Therapiezielwechsel 4. Spiritual Care ist eine Teamaufgabe 5. Vor die Therapie haben die Götter die Diagnose gestellt! 6. Authentizität t und Neutralität 7. Achtsamkeit und Selbstsorge 38 / 37
39 Achtsamkeits-Übung: Die Hand an der Türklinke 39 / 37
40 Spiritualität der therapeutischen Berufe eine post-säkulare Suche Institutionalisierte Religion und Privatsache Religion Spirituelle Wanderer Wohlwollende Neutralität statt verdeckter Normativität Cura sui statt Pastoralmacht (M. Foucault) Authentizität (Ch. Taylor, A. Nassehi) 40 / 37
41 Chiron oder: Die zwei Wirkprinzipien der Heilung (Michael Kearney, 1996) Heroischer Kampf: Der Halbgott Chiron kann nicht sterben, die Wunde durch den giftigen Pfeil des Herakles heilt nicht. Er sucht nach Heilung für andere und lehrt Asklepios die Heilkunst 41 / 37
42 Chiron oder: Die zwei Wirkprinzipien der Heilung (Michael Kearney, 1996) Verzicht auf Unsterblichkeit: Um Prometheus zu erlösen, steigt Chiron in die Unterwelt hinab. Zeus erhebt ihn zum Stern-Bild. 42 / 37
43 43 / 37
44 44 / 37
45 Konsensprozess Symposion 6. bis München Internationale Gesellschaft für Gesundheit und Spiritualität Spiritual Care Zeitschrift für Spiritualität in den Gesundheitsberufen 45 / 37
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