von ihnen begangenen Verbrechen auseinandersetzen zu müssen.

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1 Gruseln auf dem Garnisonsfriedhof Überall in Deutschland kommen jedes Jahr anlässlich des so genannten Volkstrauertages Tausende von Menschen unter ihnen zahlreiche Neonazis zusammen, um Kränze an Kriegerdenkmälern niederzulegen und auf Gedenkveranstaltungen ihre gefallenen Helden zu betrauern. Auch in Berlin versammeln sich mitten in Neukölln auf dem ehemaligen Garnisonsfriedhof am Columbiadamm seit Jahren zwei Sonntage vor dem ersten Advent im November aktive Bundeswehrsoldaten, ehemalige Wehrmachtsangehörige, soldatische Traditionsverbände, Burschenschaftler, Vertriebenenverbände, rechts konservative Politiker sowie alte und neue Nazis um den deutschen Gefallenen der beiden Weltkriege zu gedenken. Veranstaltet wird die alljährliche Gedenkveranstaltung vom Ring Deutscher Soldatenverbände Berlin, maßgeblich vertreten durch seinen Vizepräsidenten Armin Brenker. Im Rahmen der beschriebenen Veranstaltung wird bisher weitgehend ungestört am Columbiadamm eine nationalistische Traditionspflege zelebriert, die wir nun näher beleuchten werden. Volkstrauertag warum und Wem wird eigentlich gedacht? Der Volkstrauertag wurde in der Weimarer Republik eingeführt, um einen speziellen Tag zu schaffen, an dem den deutschen Opfern des 1. Weltkrieges gedacht wird. Die Nationalsozialisten benannten den Volkstrauertag um in Heldengedenktag und machten ihn zum staatlichen Feiertag. Bei den von der NSDAP und der Wehrmacht organsierten Gedenkveranstaltungen stand die Verehrung der als Helden gefeierten deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges im Vordergrund. Ihre Leistungen für die Volksgemeinschaft sollten gewürdigt werden, denn sie starben, auf das Deutschland lebe. Der Heldengedenktag hatte dabei die Funktion, nationalistisches und militaristisches Gedankengut in der Bevölkerung zu verankern. Und er sollte gleichzeitig dabei helfen, die nationalsozialistischen Kriegsvorhaben in der Gesellschaft auf eine breite Basis zu stellen. Nach 1945 wurde die alte Tradition des Volkstrauertages wieder aufgenommen. Zur Abgrenzung vom Heldengedenktag wurde der Volkstrauertag jedoch in den November verlegt. Jedes Jahr treffen sich im gesamten Bundesgebiet am Volkstrauertag Veteranen der Wehrmacht, Burschenschaftler, Alt und Neonazis, um gemeinsam mit Politikern der demokratischen Parteien ihren Helden zu gedenken und diese zu Opfern umzudeuten. Bei diesen Veranstaltungen wird durch eine unkritische Betrachtung der Wehrmacht die Beteiligung an den Verbechen des Nationalsozialismus schlicht ausgeblendet. So wird es beispielsweise den alten Herren der Burschenschaften ermöglicht, ihren gefallenen Kameraden zu gedenken, ohne sich dabei mit den

2 von ihnen begangenen Verbrechen auseinandersetzen zu müssen. Zur Geschichte des Friedhofs: Der Garnisonsfriedhof Columbiadamm verdankt seinen Namen der preußischen Berliner Garnison, deren Angehörige u.a. am Columbiadamm bestattet wurden. Das Gelände des Friedhofes am Columbiadamm schloss sich den Begräbnisplätzen an, die bereits seit den Befreiungskriegen ( ) gegen Napoleon existierten. EXKURS in die unmittelbare Nachbarschaft: Das Gelände des Columbiadamm als Gestapo Gefängnis und KZ Columbia von Nur 500 Meter vom Friedhof entfernt befand sich das sogenannten Columbia Haus, in dem bis 1933 ein Militärgefängnis untergebracht war. Die Gestapo machte daraus ein Gefängnis für politische Gefangene. Bereits im September 1933 waren über 400 politische Gegner der Nazis im Columbia Haus eingeknastet. Ab Dezember 1934 wurde das Gestapo Gefängnis in das Konzentrationslager Columbia umgewandelt und somit unter die Aufsicht der SS gestellt. Unter den etwa politischen Gefangenen, die während seines zwei jährigen Bestehens inhaftiert wurden, befanden sich vor allem Sozialdemokrat_innen und Kommunist_innen und nach 1935 viele Homosexuelle. Im November 1936 wurde dieses einzig eigenständige Berliner KZ geschlossen, die Häftlinge in das Konzentrationslager Sachsenhausen verlegt. Grund für die Schließung war der geplante Bau des Flughafens Tempelhof wurde das Gebäude abgerissen. Ein Denkmal, das den Insassen gedenkt, existiert erst seit 1994 an der Ecke Columbiadamm/ Golfenerstraße schräg gegenüber vom historischen Standort. Die Alliierten als Hoffnung auf die Zerstörung des Friedhofes? Von der alliierten Kontrollbehörde erging 1946 der Befehl, alle Denkmäler dahingehend zu prüfen, ob sie durch ihren Charakter einer den Militarismus verherrlichenden Traditionspflege oder Glorifizierung von nationalsozialistischen Organisationen dienen oder dienen könnten. Falls dies konstatiert wurde, sollten diese entfernt werden. Auf dem Friedhof am Columbiadamm war jedoch lediglich ein Denkmal betroffen: das 1936 eingeweihte Denkmal für die Gefallenen der Jugendwehren des 1. Weltkrieges. Welche Denkmäler blieben erhalten? 1. Denkmal für die gefallenen Soldaten des deutsch französischen Krieges (1870/71 ) 2. Denkmäler für die Opfer der Einigungskriege (1864,1866,1871) 3. Denkmal für die österreichisch ungarischen Gefallenen des 1. Weltkrieges

3 4. Zahlreiche Denkmäler mit denen Wehrmachtssoldaten gedacht wird: i) Gedenkplatte für Fallschirmjäger mit der Inschrift den unvergessenen Kameraden der deutschen Wehrmacht zum Gedenken 1 ii) Eine Statue, die einen knienden Soldaten mit den Fahnen verschiedener Divisionen der Wehrmacht zeigt. Mit der Sockel Inschrift Unseren Vätern, Söhnen, Enkeln und Erben (gewidmet ) 1 Kritik an den Denkmälern Die Denkmäler, die inmitten der Gräberfelder gefallener Soldaten des 1. und 2. Weltkriegs liegen, sollen offensichtlich Macht und Dominanz demonstrieren; diese ist vor allem im historischen Kontext kritikabel. Denn Denkmäler stellen keine Stätten individueller Trauer dar, sondern sind Meilensteine einer fast 200 jährigen Geschichte des deutschen Militarismus und der deutschen Nation. Von den so genannten Befreiungskriegen bis zu den Soldatengräbern des Zweiten Weltkrieges kennzeichnet der Friedhof alle wesentlichen Abschnitte deutscher Militärgeschichte. 2 Diese Denkmäler bzw. der Umgang mit ihnen in Deutschland können als charakteristisches Symbol für die Umdeutung deutscher Täter in Opfer betrachtet werden. Sie stehen für den konstruierten deutschen Opferstatus. Hier wird die Ehrhaftigkeit und die Opferbereitschaft der deutschen Soldaten gefeiert, die sich heldenhafterweise für Deutschland haben totschießen lassen. Deutsche werden auf diese Weise gleichberechtigt in eine Reihe mit anderen Opfern von Krieg und Gewalt gestellt. Im Falle der während der nationalsozialistischen Kriege gefallenen Soldaten, ist von ihren Verbrechen nicht mehr die Rede. Ofer sind irgendwie alle. Die von Deutschland ausgegangenen Verbrechen werden aus ihrem Kontext gerissen und zu einem Verbrechen unter vielen der singuläre Charakter geht verloren. Der Herero Stein auf dem Garnisonsfriedhof Columbiadamm Neben Ehrenmählern für NS Täter ist auf dem Friedhof am Columbiadamm auch eine Erinnerungsstätte mit Kolonialbezug zu finden. Ein Findling, der laut Inschrift an die gefallenen Helden des Südwestafrika Feldzuges ( ) erinnern soll. Dieser Gedenkstein stand ursprünglich auf einem Kasernengelände in Kreuzberg und wurde 1973 auf Initiative der Afrika Kameradschaft Berlin restauriert und an seinen jetzigen Standort auf dem Garnisonsfriedhof verlegt worden. Dieser Ortswechsel wurde genutzt, um einen weiteren Gedenkstein zu errichten, der den in Afrika gefallenen deutschen Soldaten gewidmet war. Damit wurde das Gedenken von den während der Kolonialzeit in Afrika gefallenen deutschen Soldaten, auf alle in Afrika gefallenen 1 Redebeitrag der Gruppe Subcutan, November Redebeitrag der Gruppe Subcutan, November 2006

4 deutschen Soldaten ausgeweitet also auch auf die während des 1. und des 2. Weltkrieges auf afrikanischen Boden gestorbenen deutschen Soldaten. Zumindest dieser Stein ist 2005 von einer antimilitaristischen Gruppe entfernt worden. Doch auch der verbliebene, sogenannte Hererostein ist schon schlimm genug: Der oben erwähnte Südwestafrika Feldzug war ein Rachefeldzug, als Reaktion auf den Aufstand der Herero gegen die deutschen Kolonialherren. Während des als Völkermord zu bezeichnenden Feldzugs wurden mehr als Herero und Nam von deutschen Truppen ermordet. Die Verfolgung der indigenen Bevölkerung durch deutsche Soldaten dauerte insgesamt 11 Jahre bis 1915 an. Bis zum heutigen Tag wird auf dem Friedhof am Columbiadamm somit unkommentiert und ungestört den Mördern von mehr als Menschen gedacht. Eine neben dem Stein aufgestellte Gedenktafel wurde kurz nach ihrer Installation von Unbekannten entwendet. Die Bundesregierung weigert sich beharrlich und lehnt jede Verantwortung für die während der Kolonialzeit unter deutscher Regie begangenen Verbrechen oder gar Entschädigungszahlungen an die Opfer strikt ab. Bis heute gibt es in ganz Berlin keine einzige offizielle Gedenkstätte, welche an die deutsche Kolonialverbrechen erinnert. Wer organisiert die Veranstaltung am Volkstrauertag? Die folgenden sechs Organisationen haben in den letzten Jahren die Feierlichkeiten zum sogenannten Heldengedenken organisiert und/oder stellten die Mehrheit der Teilnehmer_innen: a) Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e.v.: Der Reservistenverband wurde 1960 gegründet und führt im Auftrag des Bundestages die beorderungsabhängige, freiwillige Reservistenarbeit durch. Zur Erfüllung dieser Aufgabe erhält der Verband jährlich 14 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt. Die Mitglieder des Verbandes sind in über 2600 Reservistenkameradschaften organsiert. Trotz eines offiziellen Kontaktverbotes durch das Bundesverteidigungsministerium, unterhält der Verband enge Kontakte zu Vereinigungen, wie der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen SS e.v. (dazu gleich mehr) und der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger (dazu gleich mehr). An den Veranstaltungen des Verbandes nehmen auch NPD und DVU Mitglieder teil. Der stellvertretende Vorsitzende des Berliner Landesverbandes der Reservisten Oberstleutnant a.d. Armin Brenker (ebenfalls Vizevorsitzender des veranstaltenden Ring deutscher Soldatenverbände Berlin ) ist genauso wie der erste Vorsitzende Hans Jürgen Malirs Autor der rechtsextremen Wochenzeitung Junge Freiheit. Auf der Internetseite des Landesverbandes gibt es links der Kameradenkreis der Gebirgstruppe der über engen Kontakt zu ehemaligen Mitgliedern

5 der Waffen SS verfügt und die alljährlich zu Pfingsten stattfindenden Gedenkfeiern in Mittenwald ausrichtet und der Kyffhäuserbund (dazu gleich mehr) verlinkt. Armin Brenker trat darüberhinaus bereits als Referent bei der rechtsextremen Burschenschaft Gothia auf (dazu gleich mehr). b) Verband deutscher Soldaten e.v. und Ring deutscher Soldatenverbände e.v. Der Verband deutscher Soldaten (VdS) wurde im September 1951 in Bonn von Vertretern verschiedener Soldatenbünde gegründet. Die wichtigsten Vereinigungen, die sich hier zusammengeschlossen haben, waren: Bund ehemaliger deutscher Fallschirmjäger, Verband deutscher Afrikacorps, Traditionsgemeinschaft Großdeutschland, der Stahlhelm (dazu gleich mehr). Mit dabei waren auch Vertreter der Waffen SS schloss sich darüberhinaus der Kyffhäuserbund an. Mit dem Ziel der weiteren Vereinheitlichung der Verbände wurde 1957 der Ring deutscher Soldatenverbände (RDS) gegründet. Beide Verbände pflegen offene Kontakte zu neo faschistischen Personen und Organisationen. Der Bundesvorsitzende des Verbandes deutscher Soldaten, Generalmajor a.d. Jürgen Schreiber, ist unter anderem Verfasser von Büchern mit dem Titel Waren wir Täter? Gegen die Volksverdummung in unserer Zeit und Nicht Auschwitz, aber Stalingrad und Dresden. VdS und RDS agitierten zudem erbittert gegen die Wehrmachtsaustellung Der Ring deutscher Soldatenverbände wurde 2005 auf Bundesebene aufgelöst, das Bundesamt für Verfassungsschutz bescheinigte seiner Zeit dem RdS tatsächliche Anhaltspunkte für einen rechtsextremistischen Hintergrund. Wie sie auf eine entsprechende Anfrage der Fraktion Die Linke mitteilte, hat die Bundesregierung keine Bedenken hinsichtlich der Kontakte zwischen Bundeswehr und Ring deutscher Soldatenverbände Berlin. 3 c) Der Stahlhelm e.v. Kampfbund für Europa Der Stahlhelm Bund der Frontsoldaten war ein 1918 gegründeter paramilitärisch organsierter Wehrverband. Er galt als bewaffneter Arm der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). Der Stahlhelm und seine Mitglieder waren entschiedene Gegner des politischen Systems der Weimarer Republik; Juden waren von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Der Stahlhelm verstand sich als Reserve der nach dem Versailler Vertrag auf eine Stärke von Mann beschränkten Reichswehr. Er entwickelte sich zum größten paramilitärischen Verband im Deutschen Reich und zählte Mitglieder wurde der Stahlhelm als Traditionsverband aufgelöst und als Nationalsozialistischer Deutscher Frontkämpferbund der SA angegliedert wurde die Organisation als 3

6 Stahlhelm Kampfbund für Europa neugegründet. Die Zeitschrift des Bundes Der Frontsoldat leugnet die deutsche Schuld an den beiden Weltkriegen und fordert die Wiederherstellung des Deutschen Reiches in den Grenzen von Die Texte sind durchdrungen von Antisemitismus und gipfeln in der Leugnung des Holocausts. d) Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger des Eisernen Kreuzes e.v. Die 1954 gegründete Ordensgemeinschaft war zunächst ein Traditionsverband für Träger des Ritterkreuzes, der höchsten Auszeichnung des 2. Weltkrieges. Bis zum offiziellen Kontaktverbot 1999 bestanden enge Kontakte zur Bundeswehr. Die OdR nimmt mittlerweile auch Mitglieder ohne Ritterkreuz auf und hat sich in den letzten zwanzig Jahren zu einem Sammelbecken von jungen Neonazis entwickelt, die sich dort der Pflege von soldatischen Tugenden, wie Pflichtbewusstsein, Opferbereitschaft und Kameradschaft widmen können. In der Publikation der OdR Das Ritterkreuz, wird regelmäßig für rechtsextreme Verlage, wie den FZ Verlag des DVU Vorsitzenden Gerhard Frey geworben; ebenso werden Angehörige der Waffen SS gewürdigt. e) Kyffhäuserbund e.v. Der Kyffhäuser Bund wurde im Jahre 1900 als Dachverband deutscher Kriegervereine gegründet und hatte den ursprünglichen Zweck, ehemaligen Soldaten ein ehrenvolles Geleit zu geben übernahm der NS Reichskriegerbund Kyffhäuser e.v. die Alleinvertretung aller ehemaligen Soldaten. Nachdem der Bund nach dem Krieg verboten worden war, gründete General a.d. Wilhelm Reinhard, Träger des Goldenen Parteiabzeichens der NDSAP und SS Obergruppenführer, diesen 1951 neu. Bis heute ist es dem Kyffhäuserbund so möglich unter seiner traditionellen Losung Treu Deutsch den 2. Weltkrieg als notwendige Verteidigung des Vaterlandes gegen den Bolschewismus zu rechtfertigen und ungestört militaristische Traditionen und großdeutschen Nationalismus zu propagieren. f) Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen SS e.v. (HIAG) Die HIAG wurde 1951 als Traditionsverband gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern zählten Otto Krumm, der letzte Kommandeur der Leibstandarte Adolf Hitler, Reinhard Schulze Kossens, Adjutant Adolf Hitlers und der SS General Felix Steiner, Kommandeur des III. Germanischen Panzercorps. Ziel der Hilfsgemeinschaft war es, die Gleichstellung von Angehörigen der Waffen SS mit Wehrmachtssoldaten zu erreichen und die ehemaligen Waffen SS Mitglieder zu rehabilitieren. Bis Mitte der 1960er Jahre waren Vertreter der

7 HIAG in allen maßgeblichen Parteien präsent; bspw. war auch Helmut Schmidt Referent auf HIAG Veranstaltungen. Erst in den 1980er Jahren zogen sich die letzten CDU Abgeordneten aus der Hilfsgemeinschaft zurück löste sich der HIAG Dachverband auf, die Landes und Regionalgliederungen bestehen aber weiterhin. Bis heute wird monatlich die Zeitschrift Der Freiwillige veröffentlicht; wesentliche Inhalte: die Verharmlosung von NS Verbrechen, die Hervorhebung der positiven Seiten des Nationalsozialismus sowie die Propagierung der Aufrechnungstheorie. Unter der Aufrechnungstheorie versteht man die Verrechnung der Opferzahlen von NS Verbrechen mit den Opferzahlen von beispielsweise der Bombardierung von Dresden, der Vertreibung von Deutschen und bolschewistischen Verbrechen. Wer tritt auf/versammelt sich sonst noch? Im Jahr 2006 nahmen in Berlin ca. 200 Besucher am Volkstrauertag teil, darunter: a) Vertreter_innen der DVU, der Republikaner und der NPD b) Angehörige der Berliner Kameradschaftsszene Kränze wurden u. a. von: a) Stahlhelm b) Bund der Mitteldeutschen c) Bund der Vertrieben d) Reservistenverband der Bundeswehr e) Bund der Fallschirmjäger f) Neuköllner Bezirksverband der FDP g) Berliner Burschenschaft Gothia niedergelegt. Organisiert wird die Gedenkveranstaltung am Columbiadamm vom Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr. Der Verband hat dabei keine Probleme mit der Anwesenheit von Funktionären von Parteien wie der NPD oder der DVU und Aktivisten rechtsextremer Kameradschaften. Im Gespräch mit der Presse bedient sich der Verband der Ausrede, man habe die Rechtsextremen nicht eingeladen, könne sie aber auch nicht daran hindern, Kränze oder Blumen niederzulegen. 4 Auch die Teilnahme von Waffen SS Veteranen Vereinigungen, verteidigt der Sprecher des Reservistenverbandes mit den Worten: Die Bundeswehr ist schließlich auch von mehreren hundert Waffen SS Mitgliedern mit aufgebaut worden. 5 4 junge Welt vom 20.November

8 Auch uniformierte und somit aktive Mitglieder der Bundeswehr waren in den Vorjahren bei der Veranstaltung anwesend. Dies änderte sich erst 2007: Letztes Jahr untersagte das Standortkommando der Bundeswehr in Berlin, aktiven Soldaten der Bundeswehr an den Feierlichkeiten auf dem Friedhof am Columbiadamm teilzunehmen. Außerdem wurde Reservisten das Tragen ihrer Uniformen verboten. Traditionspflege in der Bundeswehr Parallelen zwischen Wehrmacht und Bundeswehr Die Bundeswehr wurde zu großen Teilen von ehemaligen Generälen und Offizieren der Wehrmacht aufgebaut. Der ehemalige Wehrmachtsgeneral Hans Speidel gehörte in den 50er und 60er Jahren zu den ersten Befehlshabern der Bundeswehr. Das gleiche gilt für Adolf Heusinger, der 1957 erster Generalinspekteur wurde und unter dessen Kommando zahlreiche ehemalige Mitglieder der Waffen SS und der Wehrmacht, zum Teil in ihrem alten Dienstgrad, wiedereingestellt wurden waren Offiziere der Bundeswehr ehemalige Wehrmachtsangehörige. 6 Mythos Wehrmacht Schon während des 2. Weltkrieges versuchte die Wehrmacht sich von der Mitschuld an den Verbrechen der Nazis reinzuwaschen. So wurden Befehle nur mündlich weitergegeben um keine Spuren zu hinterlassen. Verbrechen wie Massaker an der Zivilbevölkerung wurden im Militärjargon als Partisanenbekämpfung deklariert. Bereits vor der Kapitulation am 8.Mai 1945 wurde eifrig an dem Mythos der sauberen Wehrmacht gewerkelt. Diese hätten immer im Dienste und zum Wohl des Volkes gehandelt und ihre Soldaten hätten stets ihr Möglichstes getan, um ihren Eid, an den sie gebunden waren, zu erfüllen. Die große Akzeptanz der Wehrmacht und ihrer Taten auch nach dem Krieg zeigt auch die so genannte Ehrenerklärung von Bundeskanzler Adenauer 1951, als er den Soldaten der Wehrmacht bescheinigte, sie hätten sich nichts zu Schulden kommen lassen. 7 Noch 1997 sprach der Bundestag die meisten Soldaten von ihrer Schuld frei. 8 Diese Geschichtsbetrachtung bildete für lange Zeit den gesellschaftlichen Konsens in Deutschland, der erstmals 1995 fundamental hinterfragt wurde: mit der der Ausstellung Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht. Entsprechend heftig die Reaktionen: Die Bundeswehr verbot ihren Angehörigen als Referenten oder Diskussionsteilnehmer am Rahmenprogramm der Ausstellung mitzuwirken. Ein breites Bündnis aus Teilen der CDU/CSU, Soldatenverbänden und der NPD sowie Wette, Wolfram: Die Wehrmacht.Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden, Frankfurt/Main 2005, S. 232ff. 8 Deutscher Bundestag: Drucksache 13/7162 vom

9 anderen rechtsextremen Gruppen trugen dann auch den öffentlichen Protest gegen die Ausstellung. Traditionsverständnis der Bundeswehr Nach außen hin und in der offiziellen Wahrnehmung haben sich beim Aufbau der Bundeswehr die Reformer durchgesetzt. Jenseits der Oberfläche ähnelte die Konzeption der Bundeswehr im Wesentlichen derjenigen der Wehrmacht; auch durch die personelle Kontinuität. Soldatische Traditionsverbände die offen ein rechtsextremes Erbe pflegten wurden bzw. blieben zugelassen. An dem bestehenden Traditionsbild innerhalb der Bundeswehr änderten auch zahlreiche rechtsextreme Vorfälle in der Truppe bzw. entsprechende Äußerungen hoher Offiziere nichts. Auch die Politik der 1998 neu gewählten rot grünen Bundesregierung blieb weitgehend folgenlos. Sie hatte 1999 vollmundig erklärt, sie werde eine Erneuerung des Geschichtsbildes der Bundeswehr und eine klare Distanzierung von der Tradition der Wehrmacht voranteiben. So sollten etwa alle Kasernen, die noch Namen von Wehrmachtsgenerälen trugen, umbenannt werden. Stattdessen wurde fleißig an einer Umwandlung der Bundeswehr von einer vorgeblichen Verteidigungsstreitmacht in eine moderne Interventionsarmee gearbeitet. Eine Armee, die zunehmend auch in die Öffentlichkeit drängt. Seit 1996 wird alljährlich, teilweise gegen massive Proteste, ein öffentliches Rekrutengelöbnis der Bundeswehr durchgesetzt. Seit 1999 findet das Massenspektakel am 20. Juli, dem Tag des gescheiterten Hitler Attentates von 1944, statt. Hiermit wird der Versuch unternommen, die Bundeswehr in eine nicht einmal vorhandene humanistische Tradition des Widerstandes zu stellen und ihr somit eine angebliche antifaschistische Legitimation zu verschaffen. Ein Versuch die Bundeswehr zumindest nach außen hin endgültig von ihrer dunklen Tradition reinzuwaschen. Dass diese angebliche antifaschistische Legitimation regelmäßig von der Realität ad absurdum geführt wurde, beweist ein kleines Beispiel von vielen aus dem August 2006: Aktivisten des verbotenen Neo Nazi Netzwerkes Blood & Honor absolvierten zusammen mit Bundeswehrreservisten militärische Übungen in einem paramilitärischen Survivalcamp. Reinhard Günzel; Aussagen eines Brigadegenerals Ein Beispiel für rechte Tendenzen in der heutigen Bundeswehr Anlässlich der Verleihung des Kommandoabzeichens verglich der Kommandeur der Kommando Spezialkräfte (KSK) Reinhard Günzel 2001 die KSK Angehörigen mit Soldaten der Wehrmacht: Denn so, wie auch das Ritterkreuz nur auf Grund der beispiellosen Leistungen unserer Väter von einem schlichten Stückchen Blech zu einem weltweit höchst geachteten Symbol geworden ist, so liegt es bei den Männern des KSK, welches Ansehen mit diesen Abzeichen verbunden werden

10 wird. 9 Dass diese beispiellosen Leistungen die Verbrechen von SS und Wehrmacht waren, erwähnt der KSK Kommandeur nicht wurde Reinhard Günzel nach seiner Solidaritätsbekundung für Martin Hohmann aus der Bundeswehr entlassen. Martin Hohmann, damals CDU Bundestagsabgeordneter, hatte in einer Rede die Juden als Tätervolk bezeichnet, um die Verbrechen der Deutschen zu relativieren gab Reinhard Günzel ein Buch mit dem Titel: Geheime Krieger. Drei Deutsche Kommandoverbände im Bild heraus. Unter anderem gemeinsam mit einem ehemaligen Kommandeur der Anti Terroreinheit GSG9. Das Buch erschien im rechtsextremen Verlag Pour le Mérite. Die Autoren bezeichnen darin die Wehrmachtsdivision Brandenburg als Vorbild für die von ihnen ehemals geleiteten Spezialeinheiten. Burschenschaftler und der Volkstrauertag Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges meldeten sich viele Burschis freiwillig zur Armee, viele von ihnen kamen ums Leben. Nach dem Krieg traten zahlreiche Burschenschaftler paramilitärischen Verbänden, wie den Freikorps, bei oder versuchten auf anderem Wege die Verpflichtungen des Versailler Vertrages zu unterlaufen. Höhepunkt dieser Bestrebungen: Der Kapp Putsch 1920 ein rechtsgerichteter Putsch gegen die Regierung der Weimarer Republik wurde der Volkstrauertag ins Leben gerufen und mit einer Gedenkstunde im Reichstag erstmals begangen. Dabei schwenkten Mitglieder von studentischen Korporationen die Fahnen der Berliner Regimente. Der Volkstrauertag kennzeichnet den Zusammenschluss von Militär, Burschis und Politik. Das Volkstrauertaggedenken sollte die Erinnerung an Kaiserreich und Armee wachhalten und stand von Beginn an in einer anti demokratischen Tradition, die sich bewusst auf die Ablehnung der Weimarer Republik und der Alliierten stützte. Die Berliner Burschenschaft Gothia Die Burschenschaft Gothia, die jedes Jahr an der Kranzniederlegung für die gefallenen Soldaten aller Waffengattungen teilnimmt, ist eine der aktivsten studentischen Verbindungen in Berlin. Sie ist eine Schlagende Verbindung, daher werden von ihr auch alte Bräuche, wie die Mensur praktiziert. Gemäß der sexistischen Grundeinstellung der Burschenschaften steht auch die Gothia nur männlichen Studenten offen. Außerdem müssen die Mitglieder ihren Grundwehrdienst in der Bundeswehr bzw. in der Österreichischen oder Schweizer Armee abgeleistet haben. Demnach sind auch Studenten nichtdeutscher Herkunft von einer Mitgliedschaft ausgeschlossen. Die Rolle der 9 kassel.de/fb5/frieden/themen/bundeswehr/tradition2.html

11 Frauen innerhalb einer Burschenschaft beschränkt sich auf die Funktion, als schmückendes Beiwerk auf öffentlichen Veranstaltungen zu dienen. Die Gothia ist eng verbunden mit der rechtsextremen Wochenzeitung Junge Freiheit und bietet darüber hinaus bekennenden Neonazis, wie zum Beispiel Horst Mahler, die Möglichkeit im Verbindungshaus über den Lebenskampf dieses Volkes zu schwadronieren. Als explizit politische Verbindung hat sich die Die Gothia als Ziel gesetzt, für ein vermeintliches Recht jedes Volksteils auf seine Heimat einzutreten. Dies bezieht sich vor allem auf die sogenannten Heimatvertriebenen, die nach 1945 aus den ehemaligen so genannten Ostgebieten des Deutschen Reiches in die BRD bzw. DDR umgesiedelt wurden. Diese Vertriebenen sind bis heute Speerspitze geschichts revisionistischer Tendenzen in der deutschen Politik. Die Burschenschaft Gothia bedient sich dabei einer Blut und Boden Ideologie, wenn sie im Einklang mit den Vertriebenenverbänden die Auffassung vertritt, überall dort, wo Deutsche wohnen Deutschland zu sein vermag und so deutsche Ansprüche auf Gebiete, wie Österreich, Polen oder Italien herbeihalluziniert. Die Gothia ist nur ein Beispiel für die 120 im Dachverband Deutscher Burschenschaften zusammengeschlossenen Verbindungen, die Werten, wie Einsatz für ein deutsches Vaterland, Tradition und Ehre über Individualität und persönliche Verantwortung stellt. Proteste Warum wird protestiert? Am Volkstrauertag werden die deutschen Täter zu Opfern stilisiert. Diesen Opfern, Soldaten der Wehrmacht, wird offen gedacht, es werden also NS Täter geehrt. Bis vor zwei Jahren gab es kaum Proteste, obwohl der Friedhof mitten in Neukölln liegt. Ohne große Aufmerksamkeit zu erregen, konnte hier ungestört Traditionspflege betrieben und Einheiten der Wehrmacht, wie die Afrika Corps, wurden mit Gedenktafeln geehrt. Aktionen 2006 und Am beteiligten sich ca. 100 Antifaschist_innen an einer Protestkundgebung gegen den geschichts revisionistischen Charakter der Gedenkveranstaltung. Als Erfolg der Gegenkundgebung kann zweierlei genannt werden: Die Veranstaltung konnte nur unter massivem Polizeischutz stattfinden und die Besucher_innen mussten sich einer Zugangskontrolle unterziehen. Zu bemerken ist jedoch, dass vermeintliche Gegner_innen der Veranstaltung bzw. kritische Beobachter_innen der Zutritt unter Verweis auf die fehlende Einladung verwehrt wurde. Vertreter der NPD und DVU

12 konnten das Gelände unbehelligt betreten obwohl sie laut Veranstalter angeblich nicht eingeladen waren. Die Berliner Polizei nutze an diesem Tag nicht nur die Einlasskontrolle am Friedhofstor um protestierende Antifaschist_innen zu schikanieren und ihre offensichtliche Positionierung zu Gunsten der Nationalisten, Militaristen und Neonazis zu demonstrieren. Im Verlauf der gesamten Protestkundgebung wurden Teilnehmer_innen von den Beamten verbal und körperlich angegangen fand eine Woche vor dem Volkstrauertag ein Informationsspaziergang über den ehemaligen Garnisonsfriedhof am Columbiadamm statt an dem ca. 50 Menschen teilnahmen. Aufgerufen hatte das Bündnis gegen Geschichtsrevisionismus. Am Volkstrauertag 2007, dem 18.November, veranstaltete das Berliner Bündnis gegen Geschichtsrevisionismus eine Gegenkundgebung von der aus die reaktionäre Zusammenkunft zum deutschen Heldengedenken zumindest akustisch gestört werden konnte.