Studieren oder probieren?

Transkript

1 Prof. Dr. Klaus Merten V234.A Studieren oder probieren? Wie wichtig ist ein Studium für die PR-Karriere? Vortrag Careers Day Münster Meine Damen und Herren, Studierende von heute sind die Manager von morgen. Und: Studierende sind hellwach. Deswegen ist das nachfolgend zu skizzierende Stück zum Thema Studium der PR in 3 Akten unter Studierenden nicht unbekannt. Erster Akt: Wie bekannt, hatte die Deutschen Public Relations-Gesellschaft nach einer langen Anlaufphase die Bedeutung der PR-Ausbildung im 3. Jahrtausend neu entdeckt, Denn die althergebrachte und längst widerlegte These vom Begabungsberuf blockierte lange Zeit eine effektive Auseinandersetzung über PR-Ausbildungskonzepte - wie auch im Journalismus.

2 2 Dann meldete sich der Knall war nicht zu überhören im SPIEGEL-ONLI- NE 1 vom 27. Januar 2003 zum Thema PR der seinerzeitige Präsident der DPRG mit der These Wichtiger als ein Kommunikationsstudium seien Praktika. Denn PR sei letztlich ein Kunsthandwerk und nicht wissenschaftlich zu erlernen, zu Wort. Oi weh! Während die DPRG gerade ihr Herz für die PR-Ausbildung entdeckt hatte wird Präsident der DPRG sozusagen rückfällig und denunziert PR als einen Begabungsberuf. Wir wissen längst, dass die Praktiker zwar eine gewisse persönliche Eignung zum Beruf fordern, dass sie aber immer stärker auf eine gute, möglichst wissenschaftliche Ausbildung setzen: Die Einrichtung von PR-Lehrstühlen an den Universitäten Leipzig und Münster und an den Fachhochschulen Gelsenkirchen, Göttingen, Hannover und Osnabrück, die Gründung der International University in Bruchsal und der Zeppelin University in Friedrichshafen mit einem Schwerpunkt Kommunikationsmanagement zeigen ganz klar, wo es langgehen wird. Nichts gegen das Handwerk. Aber handwerkliches Tun wird, wie bekannt, mit den Händen ausgeführt. Das Hobeln von Türen gehört dazu, auch das Zählen von Banknoten beispielsweise. PR-Praktiker sehen aber die wichtigste PR-Kompetenz darin sich blitzschnell in eine Sache hineinzudenken. Doch Denken ist kein Handwerk, sondern man lernt es in der Schule und im Studium, selten beim großen Guru, meist im täglichen téte á téte mit den Hinterhältigkeiten des wissenschaftlichen Tagesgeschäfts. Wie sagte man uns damals: Latein putzt die Köpfe! 1 Siehe

3 3 Eine schnelle Klarstellung hätte also Not getan, die akademische PR schäumte überbordend: Die Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK), Frau Prof. Fröhlich, versuchte verzweifelt, den DPRG-Präsidenten zur Rücknahme dieses unsäglichen Statements zu bewegen. Doch dieser erklärte ihr ungerührt, im Zweifelsfall würde er diese Aussage jederzeit wiederholen. Ich hätte heulen können, sagt Frau Fröhlich mir später. Zweiter Akt: Am 24. Juli 2004 findet der erste Careers Day der deutschen PR hier in Münster statt. Auch der Herr Präsident kommt. Auf der Podiumsveranstaltung wird er auf sein Statement PR sei letztlich ein Kunsthandwerk und nicht wissenschaftlich zu erlernen angesprochen. Nun passiert das Unsägliche: Der Präsident redet sich heraus, er sei falsch verstanden worden. Falsch verstanden?? Das ist zunächst eine ungute Ausrede, denn schwarz auf weiß ist ja ist belegt, was jetzt nicht mehr gelten soll. Aber noch schlimmer: Zu den wenigen Sätzen, die ein PR-Manager nie sagen darf, gehört der Satz, man sei falsch verstanden worden. Denn er muss wissen zumindest wenn er die basics akademischer PR-Ausbildung absolviert hat dass Missverständnisse immer möglich sind und muss daher gelernt haben, seine Kommunikation so abzufassen, seine Argumente so zu setzen, dass ein Missverständnis definitiv ausgeschlossen ist: Wer das nicht gelernt hat, sollte nicht PR-Manager werden. Der Herr Präsident hat mit dieser Einlassung die Absenz kommunikativer Kompetenz öffentlich unter Beweis gestellt. Und eine erkleckliche Anzahl von PR-Studenten der Universität Münster die ja laut Hochschul-Ranking

4 4 der ZEIT ( ) nicht zufällig bundesweit als Ort der besten Kommunikationsausbildung ausgelobt wurde haben sich dann richtig gewundert. Dritter Akt: Im PR-Report Nr. 8/2005, S.40 lässt sich der abgewählte Präsident in Bild und Text feiern: Wir reiben uns verdutzt die Augen, denn wir erfahren dort, dass selbiger ein dickes Lob des Wissenschaftsministers für die Initiative zur Einführung eines neuen [PR]-Studienganges an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz kassiert hat. Oi weh! Ohne Not, nur für ein paar Zeilen publicity, diskreditiert der Präsident damit öffentlich alles, was er vorher so felsenfest behauptet hatte. Nicht zu fassen! das war der einhellige studentische Kommentar - und sie fragen seitdem nicht mehr, ob man etwa der DPRG beitreten sollte. Das SPIEGEL-Interview und seine Weiterungen haben also treffsicher nicht nur die Glaubwürdigkeit des Ex-Präsidenten demontiert, sondern auch die der DPRG beschädigt. Man kann diesen Fall aber auch ganz anders sehen, nämlich als Saulus- Paulus-Lehrstück: Da lernt jemand noch im fortgeschrittenen Alter binnen zwei Jahren, dass nicht die PR-Begabung, sondern das PR-Studium entscheidend ist. Das ist ein Fortschritt! Wir wollen hier diese zweite Alternative als zutreffend ansehen, denn in der Substanz ist sie richtig. Warum ist sie richtig? Dafür gibt es mindestens 5 Gründe: These 1: PR ist ein Beruf, der vor allem schnelles und intelligentes Denken erfordert.

5 5 Denkwerkzeug aber lernt man im Studium: Theorien und Methoden, Regel und Ausnahme, Parádoxa und den Maxwell schen Daimon. Deswegen ist der Begriff Öffentlichkeitsarbeit auch so missverständlich und so ungeeignet, um das, was PR ausmacht, zu beschreiben. Denn PR ist natürlich nicht Handwerk, sondern intelligentes Differenzmanagement von Wirklichkeit durch Kommunikation über Kommunikation These 2: Für PR benötigt man vier Kernkompetenzen, nämlich 1) Kommunikationskompetenz, 2) Redaktionskompetenz, 3)Konzeptionskompetenz und 4) Managementkompetenz. In jeder einzelnen Kompetenz kann man einen akademischen Abschluss machen. Wie sollte man, wenn alle vier Kompetenzen gefordert werden, dann ohne Abschluss auskommen? These 3: Die Funktion von Theorie liegt in der Ordnung der Erfahrung. Praktiker verweisen oft und gern darauf, dass nicht die Theorie, sondern die Praxis entscheidend sei. Recht haben sie. Erfahrung ist unersetzlich. Aber wer theoretisch vorgebildet ist, kann seine Erfahrungen viel besser ordnen, kann viel besser daraus lernen. Was sagte doch Kurt Lewin: Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie. These 4: PR ist ein gefährlicher Beruf, der Sie oft zwingt, Sachen zu tun, die Sie gar nicht tun wollen, beispielsweise zu lügen. Da ist es ganz besonders wichtig, dass man lernt genaue Grenzen zu setzen und auch, diese einzuhalten. Gerade das setzt eines voraus: Denken. These 5: PR heisst auch: aus Niemand muss man Jemand machen. Was dabei den intellektuellen Besatz angeht, so lernt man diesen wie schon gesagt im Studium. Und was den intelligenten Besitz, nämlich einen Titel angeht, so ist er nirgendwo so wichtig wie beim Impression Management. Viel Spaß also beim Promovieren!