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1 Sergei Lozman, Köln, und Jesko Mayer-Wegelin, Düsseldorf Im folgenden Beitrag geht es um das Risikomanagement der Kapitalanlagen auf Basis eines Berater- und eines Ratingansatzes für kleinere und mittlere Versicherungsunternehmen. Dabei ist zwischen einer internen Risikomanagementperspektive und einer externen Risikoanalyse mit expliziter Bewertung der Risikosituation zu unterscheiden. Dazu erfolgt ein Rechenbeispiel anhand von Assekurata gerateter Versicherungsunternehmen. Zum Schluss wird auf Analogien zu Solvency II sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Beratungs- und Ratingansatzes eingegangen. Beratungsansatz internes Risikomanagement Das Risikomanagement in einem Versicherungsunternehmen ist ein integrierter Prozess der Messung, Planung, Steuerung und Kontrolle der Risikoposition des Portfolios bzw. der Gesamtbilanz. Im primären Fokus der Steuerung liegt dabei die unerwartete Barwertveränderung des Nettovermögens bzw. der Risikotragfähigkeit der Gesellschaft. Ein gut funktionierendes Risikomanagement setzt auf einem methodischen Gerüst auf und wird auch organisatorisch durch eindeutige Zuständigkeiten sowie klare risikopolitische Anweisungsrichtlinien im Versicherungsunternehmen fest verankert. Im Bereich der Kapitalanlage fokussiert sich das Risikomanagement auf die Steuerung der Risiken, die systematisch vergütet werden, die so genannten Erfolgsrisiken der Kapitalanlage. Bei der Konzeption des Risikomanagements im Kapitalanlagebereich ist jedoch die Gestaltung des gesamten Risikosteuerungsprozesses des Unternehmens zu beachten, sodass die methodische Integration in einem Gesamtsteuerungsmodell möglich wird. Nicht selten ist in der Praxis jedoch zu beobachten, dass gerade im Kapitalanlagebereich methodische Grundlagen gelegt werden, die in Richtung der Gesamtsteuerung wichtige Impulse auslösen. Definition und Messung der Risiken im RMC-Modell Der Ausgangspunkt im Risikomanagement ist die Definition und die Messung der Risiken der Versicherungsgesellschaft. Neben den Risikoarten sind die Risikodimensionen zu definieren, die im primären Fokus der Steuerung stehen. Die hohen Aktienverluste der Jahre 2001 und 2002, das seit Jahren andauernde Niedrigzinsumfeld sowie regulatorische Weiterentwicklungen (Solvency II) haben ein systematisches, fest institutionalisiertes Risikomanagement der Kapitalanlagen immer mehr in den Fokus der Versicherungsbranche geführt. Risikomanagement wird dabei als Bestandteil eines gesamtheitlichen Asset-Liability-Management-Prozesses verstanden und entwickelt sich zu einer Grundvoraussetzung eines Versicherers. Bewertung von Kapitalanlagerisiken aus interner und externer Sicht Consulting und Rating des Risikomanagements anhand eines Beispiels gerateter Lebensversicherer Die unterschiedlichen externen Anforderungen an das Unternehmen, die von den Kapitalgebern, der Rechnungslegung und der Aufsicht ausgehen, führen zur Notwendigkeit der mehrdimensionalen Steuerung 1. Neben der betriebswirtschaftlichen Steuerungsdimension, d.h. dem Asset-Liability-Management (ALM), sind auch die bilanzwirtschaftliche (HGB oder IFRS) und die aufsichtsrechtliche Dimension (Solvabilität, Sicherungsvermögen) für ein Versicherungsunternehmen relevant. Die Einführung von IFRS und Solvency II führt zur Konvergenz der Steuerungsziele innerhalb der Dimensionen. Die vollständige Deckungsgleichheit wird aber vermutlich nicht erreicht. Die ratingrelevanten Anforderungen können von der Gesellschaft als zusätzliche Steuerungsdimension definiert und in der Risikosteuerung adressiert werden. Für die jeweilige Dimension sollten steuerungsrelevante Portfolios gebildet und für diese anschließend die Risiken gemessen werden. Zu den wichtigsten Risikoarten der Kapitalanlage zählen Marktpreisrisiken, Kreditausfallrisiken, spezifische Bewertungsrisiken der Immobilien und der Beteiligungen sowie Liquiditätsrisiken. Ferner sollten im Sinne der Gesamtrisikosteuerung auch versicherungstechnische sowie operationelle und rechtliche Risiken mitbedacht werden. Bei der Bewertung des Vermögens dem Ausgangspunkt der Risikomessung werden die Risikoeinflussquellen auf den Wert des Vermögens identifiziert. Das Ausmaß, in dem die Kapitalanlage einem bestimmten Risikoeinfluss ausgesetzt ist, wird als Exposure bezeichnet. In einem so genannten Exposure-Vektor werden die einzelnen Markteinflüsse aufgeführt und beschrieben, sodass deutlich wird, in welchem Ausmaß einzelne Risikoquellen für das Vermögen relevant sind. Die anschließende Gewichtung des Exposure-Vektors mit den jeweiligen Risikofaktoren führt zu einem undiversifizierten Risikoergebnis. Die Einbeziehung der Korrelationen zwischen den Anlageklassen bzw. den Risikoquellen führt zum diversifizierten Risikoergebnis, das auch als Value-at-Risk (VaR) bezeichnet wird. In der Messung der Risiken ist auf die angemessene Faktorisierung der Risikoquellen und die adäquate Wahl der Risikofaktoren zu achten. Die Exposure-Klassen sollten auf einem praktikablen Aggregationsniveau gewählt werden, das an der Situation des Vermögens ausgerichtet wird. Die Risikofaktoren sollten die Risikoquellen adäquat abbilden. Ferner ist die angemessene Wahl des Konfidenzniveaus und der Haltedauer von Bedeutung. Die Haltedauer orientiert sich an der Reaktionsgeschwindigkeit bei der Risikoveränderung, die vor allem durch die Liquidität der Anlage, aber auch durch die Dauer der Entscheidungsprozesse in der jeweiligen Organisation bestimmt wird. Die Marktpreisrisiken die Risiken der Wertveränderung einer Investition aufgrund der Preisbewegungen am Kapitalmarkt sind in dem überwiegenden Anteil der Kapitalanlage eines Versicherungsunternehmens gebunden. Deswegen ist deren adäquate Erfassung im Risikomanagement besonders essentiell. Bei der Faktorisierung der Marktpreisrisiken werden zunächst vier Haupt-Exposure-Klassen gebildet, wobei zwischen Aktien-, Zins-, Credit- Spread- und Währungsexposure unterschieden wird. Innerhalb der Klassen kann nach Regionen, Sektoren oder Laufzeiten verfeinert werden. Die entsprechenden Risikofaktoren werden über die geeigneten Marktindizes abgebildet. Des Weiteren können das Immobilien-Exposure sowie, bei größeren derivativen Beständen, zusätzlich die Volatilitätsveränderungsri- Versicherungswirtschaft Heft 3/

2 siken und auch die nicht-linearen Risiken erfasst werden. Parallel zu Marktpreisrisiken werden in individuellen Verfahren die Ausmaße sonstiger Risikoarten geschätzt und im nächsten Schritt zu einem Gesamtrisiko innerhalb der jeweiligen Steuerungsdimension aggregiert. Auch dabei können die Korrelationen berücksichtigt werden, wobei der rein statistische Zusammenhang vor dem Hintergrund des ökonomischen Aussagegehalts kritisch hinterfragt werden muss. Das gemessene Risikoergebnis beschreibt eine absolute Mindestkapitalanforderung, die ein Versicherungsunternehmen jederzeit erfüllen muss, um innerhalb der jeweiligen Risikodimension investierte Risiken kompensieren zu können, ohne die eigene Existenz zu gefährden. Das Risikoergebnis ist im Zusammenhang mit dem Rahmen für die Risikonahme zu sehen. Dieser Rahmen wird durch die Risikotragfähigkeit der Gesellschaft beschrieben. Die Risikotragfähigkeit setzt sich aus den verfügbaren Eigenmitteln, den Aktiv- und Passivreserven sowie dem laufenden Ergebnisüberschuss zusammen. Die einzelnen Schichten der Risikotragfähigkeit lassen sich nach ihrer Disponibilität für die Kompensation der Risiken kategorisieren, was vor allem im Rahmen der Bilanzsteuerung wichtig ist. Die Entscheidung über die Zuordnung ist dabei sowohl von der Liquidität, d.h. der tatsächlichen Verfügbarkeit, der jeweiligen Schicht als auch von den geschäftspolitischen und strategischen Zielen abhängig. Kritische Erfolgsfaktoren und Strategische Asset Allocation Nach der Definition und der Messung ist die Planung der Risiken der nächste folgerichtige Schritt. Der klassische Zielkonflikt der Kapitalanlage, der durch die optimale Gestaltung der Kapitalanlagestrategie gelöst werden soll, ist das Spannungsfeld zwischen dem Ertrag, der Rendite und der Liquidität der Kapitalanlage. Das Ziel der Liquidität stellt sich aufgrund der immer liquider werdenden Märkte eher als unkritisch dar. Deswegen fokussiert sich heute dieser Konflikt zunehmend auf die Abwägung des optimalen Verhältnisses zwischen dem erwarteten Ertrag und dem eingegangenen Risiko. Liquidität hat gleichwohl im ALM-Kontext eine Bedeutung im Hinblick auf Bestandsentwicklung oder Höhe der Rückkaufswerte. Die Frage nach der optimalen Lösung kann ex ante durch die Strategische Asset Allocation beantwortet werden. Die Planung und Ableitung der Strategischen Asset Allocation (SAA) im Kontext der Aktiv-/Passivsteuerung ist das Fundament des gesamten Kapitalanlageprozesses und die Grundlage des ALM einer Versicherung. Die SAA beschreibt die grundsätzliche und langfristig ausgelegte Aufteilung der Kapitalanlage auf die verschiedenen Anlageklassen und Marktsegmente. Im Prozess der strategischen Planung werden die unternehmensspezifischen Faktoren wie Struktur der Leistungsverpflichtungen (Passiva), Risikotragfähigkeit und Ergebnisziel den Ertragsmöglichkeiten am Kapitalmarkt gegenübergestellt. Bei der Ableitung der SAA sollte vor allem darauf verzichtet werden, die Preisgleichgewichte am Kapitalmarkt in Frage zu stellen, um die nachhaltige Qualität der Allokation zu bewahren. Vielmehr sucht die SAA die Basis ihrer Ergebniskraft in der Partizipation an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung und in der systematischen Abschöpfung der Risikoprämien am Kapitalmarkt. Um von vorneherein die Diskriminierung einzelner Anlageklassen zu vermeiden, wird in der strategischen Planung ex ante von der gleichen Risikoverzinsung aller Anlageklassen ausgegangen, was sich empirisch in der langfristigen Perspektive bestätigt. Das erste grundlegende Ergebnis der Allokationsplanung ist die Struktur der aus der Sicht des jeweiligen Instituts risikofreien Disposition der Kapitalanlage. Die Struktur dieser risikofreien Disposition leitet sich aus der Struktur der Leistungsverpflichtungen des Versicherers ab und zielt auf die Schließung der potenziell vorhandenen Lücke zwischen Aktiva und Passiva, des so genannten Durationsgaps, ab. Dieses so genannte risikofreie Portfolio stellt die Benchmark für den Kapitalanlageprozess des Versicherers dar und ist durch die davon abweichenden Portfolios zu schlagen. Relativ zu dem risikofreien Portfolio wird deswegen im nächsten Schritt in einem Optimierungsprozess ein Portfolio aktiver Marktrisiken abgeleitet. Dieses Portfolio stellt aus der Sicht des Investors den effizientesten Risiko-Mix im Sinne einer optimalen Risikoverzinsung, ausgedrückt durch den RoRaC (Return on Risk adjusted Capital), dar. So werden in dem Kapitalanlageprozess vor allem die Marktpreisrisiken aktiv geplant. Diese zählen zu den so genannten Erfolgsrisiken, deren Eingehen am Kapitalmarkt systematisch vergütet wird. Im Rahmen der Gesamtsteuerungsmodelle in der wertorientierten Unternehmenssteuerung können auch sonstige Erfolgsrisiken, vor allem versicherungstechnische Risiken in ähnlicher Logik Optimierung der Risikoverzinsung (des RoRaC) unter Berücksichtigung der relevanten Korrelationen systematisch geplant werden. Das Ergebnisziel des Versicherungsunternehmens, das sich beispielsweise bei einem Lebensversicherer aus den Ansprüchen der Versicherten (Garantieverzinsung, Überschussbeteiligung), erwarteter Eigenkapitalrendite sowie eventueller sonstiger Erfordernisse orientiert, erhöht tendenziell den Anreiz, von der risikofreien Disposition abzuweichen und in höhere Risiken zu investieren. Andererseits wird die Möglichkeit der Risikonahme durch den Engpass Risikotragfähigkeit eingeschränkt. Risikobudgetorientierte Portfoliosteuerung Auf der Basis des verfügbaren bzw. festgelegten Risikobudgets wird eine Disposition des Portfolios im risikofreien Portfolio und im Marktrisikoportfolio im Sinne einer Two Fund -Separation festgelegt. Der Anteil der Investition in das Marktrisikoportfolio bestimmt das eingegangene Risikoniveau und soll durch das Risikobudget jederzeit gedeckt werden. Das Risikobudget leitet sich aus der Risikotragfähigkeit der Gesellschaft ab und sollte so gewählt werden, dass der Zwang zum prozyklischen Handeln vermieden wird. Das analytische Ergebnis wird dann durch die Definition der Benchmarks für die einzelnen Anlageklassen, Anlagerichtlinien für die Aufträge und nicht zuletzt durch die auf das Investitionsvolumen und sonstige Rahmenbedingungen abgestimmte Wahl entsprechender Anlagevehikel operationalisiert. Bei der Festlegung der Anlageaufträge kann auch ein Rahmen für taktische Abweichungen von der strategischen Positionierung definiert und z.b. in Form des maximal zulässigen Tracking Errors beschrieben werden. Die Fähigkeiten, den auf diese Weise formulierten Freiraum für die Erzielung des taktischen Ergebnisbeitrags auszunutzen, sind u.a. als zusätzliches Anforderungskriterium bei der Auswahl des für den Auftrag geeigneten Managers zu bedenken. Das Risikoniveau kann im Laufe der Zeit dynamisch in Abhängigkeit vom Risikobudget angepasst werden, indem die Disposition im Marktrisikoportfolio zugunsten oder zulasten des risikofreien Portfolios variiert wird, ohne die Struktur der beiden Portfolios zu verändern. Die Risikodispositionsentscheidungen sollten sich nach bestimmten Regeln wie die Zielvorgaben bezüglich der Auslastung des Risikobudgets orientieren und auf einer fundierten Informationsgrundlage, dem Risikobericht, basieren. Letzterer soll im Risikocontrolling konzipiert und auf regelmäßiger Basis idealerweise monatlich erstellt werden. Organisation des Risikocontrollings Im Mittelpunkt des Risikocontrollings in der RMC-Umsetzung steht der Soll-/Ist-Vergleich in Bezug auf die definierten Steuerungsdimensionen. Die einzelnen Risiken innerhalb der jeweiligen Steuerungsdimension werden gemessen, aggregiert und dem Risikobudget gegenübergestellt. Die so ermittelte Risikoauslastung ist innerhalb der geplanten Risikolimit- 186 Versicherungswirtschaft Heft 3/2006

3 konzeption und der Ampelsystematik durch das Management zu beurteilen. In der Abbildung 1 wird ein Beispiel für eine mehrdimensionale Ampelsystematik gezeigt. Der Prozess wird durch ein entsprechend aufzubauendes Berichtswesen unterstützt, das für die Entscheidungsträger die Transparenz bezüglich der Risikostruktur, Risikotragfähigkeitssituation sowie Auslastung der Risikolimite innerhalb der unterschiedlichen Steuerungsdimensionen darstellt. In einem Risikosteuerungsgremium werden die Maßnahmenpläne zur Risikosteuerung erarbeitet und beschlossen. Ratingansatz externe Sichtweise Im Gegensatz zum Berateransatz mit einer internen, vollständigen Risikobetrachtung bis auf die Einzeltitelebene und der direkten Verknüpfung mit dem Steuerungsprozess soll das Vorgehen im Ratingansatz eine komplette Analyse des zugrunde liegenden Risikomanagementprozesses sowie eine systematische Erfassung und Quantifizierung aller Unternehmensrisiken in verdichteter Form sicherstellen. Dabei stehen eine zusammengefasste Risikoquantifizierung sowie der Vergleich im Zeitablauf und mit anderen Unternehmen im Vordergrund. Zur Analyse der Kapitalanlageprozesse werden in großem Umfang auch interne Daten benötigt. Hierzu gehören z.b. Angaben zu den Marktwerten aller Kapitalanlagen und damit die Kenntnis der gesamten stillen Reserven, der Zinssensitivität der Anleihen in Basis Point Value oder als Modified Duration, der regionalen Diversifizierung, der Nutzung von Absicherungsmaßnahmen, der Ratingklasseneinteilung bei Anleihen sowie der möglicherweise vorhandenen Konzentrationen im Kapitalanlageportfolio. Die externe Rechnungslegung weist in Bezug auf die Marktwertbetrachtung und Durchrechnung der Kapitalanlagen nach tatsächlichen Risikoabhängigkeiten (Risikoexposures), unabhängig von der Art des Investments (Direktbestand versus Investmentfonds) und bilanzieller Zuordnung, große Lücken auf. Abbildung 1 Beispiel der Ampelsystematik Das Ergebnis des Ratingprozesses ist eine Beurteilung der Angemessenheit des Risikomanagementprozesses und der Sicherheitsmittelausstattung unter Berücksichtigung der unternehmensindividuellen Risikosituation. Allgemein erfolgt das Bewertungsvorgehen bei Assekurata in drei Schritten. 2 An erster Stelle steht eine quantitative Kennzahlenanalyse, in deren Rahmen Kennzahlen bereits aufgrund von Besonderheiten, z.b. im Bestandsmix oder einzelner Größen wie vermiedenen Abschreibungen, bereinigt werden. Die Analyse der Kennzahlen erfolgt dann im Zeitverlauf sowie im Vergleich zum Markt und vergleichbar aufgestellten Unternehmen. Diese Analyse versetzt den Ratinganalysten in die Lage, in Managementinterviews gezielte Fragen zu formulieren. In einem nächsten Schritt werden qualitative Aspekte, also die zugrunde liegenden Risikomanagementprozesse und -systeme, in der Systemprüfung untersucht. Zum Schluss folgt, unterstützt durch das Ratingkomitee, eine Einschätzung der aktuellen und zukünftigen Entwicklung in einer Potenzialanalyse. Die Aggregation dieser drei Beurteilungsschritte ergibt schließlich die Gesamtbewertung. Auch die Analyse des Kapitalanlagebereichs erfolgt zu Beginn anhand von Kennzahlen. 3 Kapitalanlagekennzahlen sind jedoch volatil sowie stark zufallsabhängig und damit schwer zu prognostizieren. Daher ist insbesondere bei der Analyse von Kapitalanlagerisiken die auf die Kennzahlenanalyse aufbauende qualitative Analyse der beständigeren Managementsysteme von entscheidender Bedeutung. Analyse des Risikomanagements der Kapitalanlagen Im Rahmen einer Risikobetrachtung erfolgt eine Analyse der außerordentlichen Kapitalanlageerträge unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Sicherheitsmittel, vorhandener Stresstests 4, der Solvabilitätsdeckungsgrade und der zu berechnenden RBCbzw. VaR-Kennzahlen wie des nachfolgend vorgestellten Modells. Auch auf vorhandene unternehmensinterne stochastische Simulationen wird dabei eingegangen. Die qualitative Analyse hierzu erfolgt im Rahmen der Systemprüfung. 5 Dabei wird das Risikomanagement der Kapitalanlagen, die Kapitalanlageorganisation sowie die Portfolio-Diversifikation erfasst, dazu gehört eine Analyse der strategischen und taktischen Asset Allocation, des Kapitalanlagecontrollings, des ALM, der internen Richtlinien sowie der Prozesse und Abläufe innerhalb des Kapitalanlagebereichs. Risikogewichtete Solvabilität im Assekurata-Rating Seit nunmehr gut einem Jahr setzt die Rating-Agentur Assekurata im Rahmen ihrer Ratingprozesse ein Risikomodell ein, das für den Kapitalanlagebereich auf einem in sich geschlossenen, parametrischen Value-at-Risk- Ansatz basiert. 6 Dieses Modell wurde zusammen mit der RMC Risk Management Consulting GmbH entwickelt. Besonderheit dieses und ähnlicher Konzepte 7 ist, dass auch die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Kapitalanlageklassen berücksichtigt werden können. Auf Basis von Renditeverteilungen einzelner Kapitalanlagen wird im Modell der Verlust ermittelt, der statistisch innerhalb eines Jahres nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit überschritten wird. Dieser mögliche Verlust ist mit Sicherheitsmitteln zu hinterlegen. Innerhalb der Kapitalanlagen werden bei Assekurata die Risiken von Zinsänderungen, von Credit-Spread-Änderungen, von Fremdwährungsverlusten, von Aktienverlusten sowie von Abschreibungen auf Beteiligungen und auf Immobilien berücksichtigt. Diese werden weiter nach Regionen und bei Rentenanlagen nach Ratingklassen unterteilt. Deren jeweilige Renditekorrelationen werden im Modell letztendlich berücksichtigt. Die Verwendung von Credit-Spread-Risiken, also des Risikos, dass sich die Bonität eines Schuldners verschlechtert, bezieht zusätzliche Kursrisiken mit ein, die einen hohen Anteil haben können und vom reinen Ausfallrisiko nicht erfasst werden. Zu diesen Risikoklassen kommen noch Untersuchungen zum Konzentrationsrisiko (der größten Emittenten im Bestand) und Garantie-/Wiederanlagerisiko (Auswirkung einer Zinssenkung anstatt einer Zinserhöhung) hinzu. Verwendet werden bei Rentenanlagen deren spezifische Duration und insbesondere bei Aktien Absicherungsmaßnahmen, um das tatsächliche Risiko des Portfolios zu ermitteln. Die einzelnen Kursrisiken werden auf Grundlage der Schwankungen der jeweiligen Kapitalanlagen berechnet und unter Verwendung der zwischen den Anlageklassen vorhandenen statistischen Zusammenhänge zu einem Gesamtrisiko addiert. Der mögliche Wertverlust aller Kapitalanlagen Versicherungswirtschaft Heft 3/

4 Abbildung 3 Risikoergebnis ohne passivseitig-kongruente Kapitalanlagen Abbildung 2 Ergebnis Das Assekurata-Risikomodell: Von den Inputdaten bis zum wird dabei in drei Schritten ermittelt (s. Abbildung 2): Als Erstes erfolgt eine Einteilung des Kapitalanlageportfolios in echte Risikoklassen (Exposure-Klassen). Das heißt, alle Kapitalanlagen mit z.b. Aktienrisiken werden der Risikoklasse Aktien, unterteilt in entsprechende Regionen, zugeordnet, unabhängig ob es sich hierbei um direkte oder indirekte (Fonds) Aktieninvestments handelt. In einem zweiten Schritt ermittelt das Modell für jede einzelne Risikoklasse auf Grundlage der individuellen Volatilitäten den möglichen Wertverlust bis zum nächsten Bilanzstichtag. Dabei bezieht Assekurata die tatsächliche Wertentwicklung der letzten fünf Jahre ein und ermittelt so den Verlust, der sich bei einem Sicherheitsniveau von 99,5 Prozent und einer Haltedauer von zwölf Monaten ergibt. Drittens werden alle Einzelwertverluste zum Gesamtportfolioverlust zusammengefasst. Dabei wird berücksichtigt, dass die Kapitalanlagen unterschiedliche Diversifikationseffekte aufweisen, also sich Wertschwankungen unterschiedlich stark gegenseitig ausgleichen können. Zu Bewertungszwecken werden in einem vereinfachten ALM-Ansatz verbindlichkeitskongruente Kapitalanlagen herausgerechnet. Hinzu kommen hingegen Anforderungen für operative und versicherungstechnische Risiken. Die Summe aller Risikoanforderungen wird mit den vorhandenen Sicherheitsmitteln verglichen und so einer Ratingkategorie zugeordnet. Berechnungsbeispiel Nachfolgend wird die dargestellte Berechnung der risikogewichteten Solvabilität im Rating von Assekurata an einem Aggregat von Assekurata gerateter Lebensversicherer demonstriert. In dieses Aggregat fließen die Daten von 13 Gesellschaften ein, welche im Jahr 2005 durch Assekurata geratet wurden. Diese Lebensversicherungsunternehmen repräsentieren nach gebuchten Bruttoprämien gut 15 Prozent des Lebensversicherungsmarkts in Deutschland und verfügen über ein Kapitalanlagenvolumen von rund 100 Mrd Euro. Eine Betrachtung der Kapitalanlagen zu Marktwerten, aufgegliedert nach Investmentarten, zeigt den hohen Anteil direkt gehaltener festverzinslicher Wertpapiere. Über 70 Prozent der Kapitalanlagen der untersuchten Lebensversicherer sind in dieser Assetklasse investiert. Hinzu kommen Rentenfonds, die mehr als 10 Prozent zu den Kapitalanlagen beitragen. Die Quote der stillen Reserven über alle Kapitalanlagen liegt bei 6,3 Prozent 8. Nach dieser investmentartbezogenen Betrachtung folgt der erste Schritt im Rahmen des VaR-Modells: Die Kapitalanlagen eines Versicherers werden nach den zugrunde liegenden Risikoexposures aufgeteilt. In der Abbildung 3 lässt sich eine durchgerechnete Aktienquote von 3,4 Prozent 9 nach Absicherungsmaßnahmen (inklusive Beteiligungen ergibt sich ein Wert von 5,1%; ohne Absicherungsmaßnahmen von 4,4%) erkennen. 85,6 Prozent der Kapitalanlagen der untersuchten Lebensversicherer unterliegen dem Zinsänderungsrisiko. Die Zinssensitivität der Rentenpapiere liegt im Durchschnitt bei einer Modified Duration von 5,7 10. Die sonstigen Anlagen (im Beispiel 5,3% der Kapitalanlagen) unterliegen einer qualitativen Analyse und werden im Modell nicht weiter berücksichtigt. Dazu gehören verbundene Unternehmen, Fest-/Tagesgelder, das sonstige Vermögen sowie die Restposten innerhalb von Investmentfonds 11. Die Nichtberücksichtigung der verbundenen Unternehmen beruht auf deren Abhängigkeit von geschäftspolitischen Entscheidungen und schweren Veräußerbarkeit. Verbundene Unternehmen sind adäquat nur über eine qualitative Betrachtung zu beurteilen. Zudem werden im Modell auch die stillen Reserven auf Anlagen in verbundenen Unternehmen (Anteil am Gesamtvermögen: 2,4%) nicht als Sicherheitsmittel anerkannt. Diese stillen Reserven liegen im dargestellten Beispiel bei 17,2 Prozent der Marktwerte. Insgesamt gut 50 Prozent aller Rentenpapiere wiederum werden als kongruent zur Passivseite betrachtet und damit als risikofrei angesehen. 12 An dieser Stelle wird keine Laufzeitkongruenz unterstellt. Eine Analyse des Durationsgaps zwischen Aktiva und Passiva erfolgt innerhalb der Betrachtung qualitativer Aspekte in der Systemprüfung des Assekurata-Ratings. Im zweiten Schritt wird je Assetklasse der VaR bzw. der Abschlag ermittelt (s. ebenfalls Abbildung 3, hier nach Abzug der passivseitigkongruenten Kapitalanlagen). Anschließend werden im dritten Schritt Diversifikationseffekte zwischen den Risikoklassen berücksichtigt, die zu einer Reduktion der einzelnen Abschläge führen. Das Credit-Spread-Risiko durch Investition in niedrigere Bonitätsklassen sowie das Fremdwährungsrisiko können nach Diversifikation sogar in einem negativen Beitrag zum gesamten Portfolio-VaR resultieren. Investments mit diesen Risikoarten sind jedoch nicht als kongruent zu den Verpflichtungen eines Lebensversicherungsunternehmens anzusehen. Damit werden diese auch nicht aus dem Modell herausgerechnet und es greift hier z.b. das Zinsänderungsrisiko. In unserer Beispielrechnung verringert sich der Abschlag aus dem VaR-Modell von 9,0 Prozent (bezogen auf das Gesamtvermögen) durch Diversifikationseffekte um ca. 40,0 Prozent. Diese Werte hängen von der spezifischen Portfoliostruktur ab und sind somit für jedes Unternehmen unterschiedlich. Wird der Anteil einer Risikoklasse variiert, ändern sich die diversifizierten Abschläge aller Risikoklassen. Ein Konzentrationsrisiko bei Anleihen wird unterstellt, sobald ein einzelner Emittent (mit einem Rating schlechter als AA-) im Bestand eines Versicherers gewisse, nach Rating 188 Versicherungswirtschaft Heft 3/2006

5 gestaffelte, Grenzwerte überschreitet, da hier bei einem Ausfall erhebliche Auswirkungen auf das Kapitalanlageergebnis entstehen würden sowie die Diversifikation im Rentenbestand reduziert ist. Dabei werden sonstige Bedeckungen sowie Gewährträgerhaftungen/Anstaltslasten berücksichtigt. In unserem Beispiel ergibt die Untersuchung der Konzentrationsrisiken bei einzelnen Versicherern Emittenten im Bestand, die ein schlechteres Rating als AAaufweisen und mehr als 2 Prozent der Kapitalanlagen ausmachen. Insbesondere bei kleineren Versicherern kann es zu diesem Konzentrationsrisiko kommen. In unserem Beispiel ist der Einfluss auf die Höhe des Gesamtrisikos über alle betrachteten Unternehmen jedoch gering. Als Wiederanlagerisiko wird das Absinken des Zinsniveaus auf das 0,5%-Quantil der Zins- Verteilung betrachtet. Dargestellt wird das Wiederanlagerisiko der nächsten vier Jahre im Modell, indem das in Abhängigkeit der Neuund Wiederanlagequote sowie des Ausgangszinsniveaus (bei den gerateten Lebensversicherern: 5,0%) absinkende Zinsniveau mit dem zu leistenden Rechnungszins (hier: 3,8% bezogen auf alle Rentenpapiere) verglichen wird. Über alle aktuell von Assekurata gerateten Lebensversicherer ist das Wiederanlagerisiko in einer kurzfristigen, bilanziellen Sichtweise niedriger als der Wertverlust bzw. die Abschreibungsrisiken infolge einer Zinssteigerung. Daher ergibt sich aus dem Garantierisiko keine weitere Kapitalanforderung. Zum Schluss folgt die Bewertung der Risikolage des Versicherers. An dieser Stelle werden zu den Kapitalanlagerisiken versicherungstechnische und operative Risiken hinzuaddiert und diese den vorhandenen Sicherheitsmitteln gegenübergestellt. Wie in Abbildung 4 zu erkennen ist, erreicht der Durchschnitt des berücksichtigen Aggregats an gerateten Lebensversicherern ein Deckungsverhältnis von vorhandenem Risikokapital zur Kapitalanforderung in Höhe von 129,8 Prozent. Dies ist ein als sicher einzuschätzender Wert, der in einer reinen Kennzahlenbeurteilung zwischen der Ratingklasse gut und sehr gut liegt. 13 Insgesamt erreichen Personenversicherer Werte zwischen 75 Prozent und 200 Prozent. Gut zu erkennen ist dabei auch, dass die beiden bedeutendsten Sicherheitsmittelquellen die freien RfB sowie die liquiden stillen Reserven 14 sind. Aber auch das Eigenkapital sowie der Beitrag aus Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), der aus der erwarteten Veränderung des Eigenkapitals und der freien RfB sowie dem erwarteten Bilanzgewinn besteht, tragen signifikant zu den Sicherheitsmitteln bei. Mit diesem Verfahren ist nach Ansicht von Assekurata ein standardisierter, aber dennoch realitätsnaher Ansatz gegeben, der alle wichtigen Besonderheiten einzelner Unternehmen berücksichtigt. Auch von Versichererseite wird das Modell als realitätsnah angesehen. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass die Auswirkungen von Veränderungen, z.b. der Portfoliostruktur, ähnliche Konsequenzen zeigen, wie bei den von Versicherern intern verwendeten Modellen. Nutzen für Versicherer, Makler und Kunden Das Modell stellt einen in sich geschlossenen VaR-Ansatz dar und bildet das Kernstück der Teilqualität Sicherheit im Assekurata-Rating. Zudem ist das Modell ein wichtiges Analyseinstrument. So lassen sich Sensitivitäts- und Szenarioanalysen durchführen, in deren Verlauf die Auswirkungen verschiedenster Unternehmensentscheidungen beurteilt werden können. Solche Analysen stellen für Ratingagenturen ein wichtiges Instrument zur Bestimmung der jeweiligen unternehmensinternen Risikokonstellation dar. Welchen Nutzen bietet dieses Modell, eingebettet in das Assekurata-Rating? Allgemein bietet ein Rating einen offensichtlichen, externen (Marketing-)Nutzen für das Versicherungsunternehmen in der Außendarstellung gegenüber Kunden, Maklern und der interessierten Öffentlichkeit sowie einen internen Nutzen unter dem Stichwort Stärken-/Schwächenanalyse und Benchmarking. Das Assekurata-Risikomodell selbst leistet dabei einen Beitrag zur Sensibilisierung und Vorbereitung der Versicherer auf zukünftige Solvabilitätsstandards. Dies kann auch im Unternehmen begonnene Maßnahmen unterstützen und beschleunigen helfen. Insbesondere kleinere und mittlere Versicherungsgesellschaften in Deutschland können davon profitieren. Für kleinere Versicherungsvereine ist es aus Kostengründen und begrenzten Personalkapazitäten schwierig, den gestiegenen externen Anforderungen zeitnah gerecht zu werden. Durch den Ratingprozess erfährt der Versicherer schließlich, wie dieser beim Risikomanagement im Vergleich zu anderen Versicherern aufgestellt ist. Daraus lässt sich ableiten, welche Maßnahmen zukünftig erfolgen sollten. Dem Kunden geben Ratings letztlich die Sicherheit, dass sein Unternehmen im Hinblick auf die zukünftigen Entwicklungen der Solvabilitätsvorschriften gut vorbereitet ist und seine Verpflichtungen auch mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhaft wird erfüllen können. Dieses wiederum dürfte für Makler Haftungsrisiken, die die EU-Vermittlerrichtlinie mit sich bringen, reduzieren helfen und bietet zudem Orientierung bei der aus Kundensicht immer komplexer werdenden Auswahl von Versicherern. Welche Ähnlichkeiten gibt es zwischen den Anforderungen eines Ratings und denen durch Solvency II? Solvency II besteht aus drei Säulen. Erstens erfolgt eine Festlegung des notwendigen Sicherheitskapitals, zweitens erfolgt eine stärkere Aufsicht über Risikomanagementprozesse und drittens soll eine gesteigerte Marktdisziplin über erhöhte Transparenz erreicht werden. Jeden dieser drei Punkte greift ein interaktives Rating auf und bietet damit Ansatzpunkte zur Erfüllung der Solvency II-Anforderungen: Ein Rating untersucht die Kapitalausstattung unter Berücksichtigung der Risiken und dokumentiert dieses. Ein Rating beurteilt die Risikomanagementprozesse eines Versicherers und macht diese vergleichbar mit anderen Versicherern. Ein Rating liefert schließlich Transparenz und Vergleichbarkeit in einem immer komplizierter werdenden Markt für Versicherungen. Vergleich des Beratungsund des Ratingansatzes Beratung und Rating schließen sich nicht gegenseitig aus, sind jedoch zwei unterschiedliche Ansätze, die zu trennen sind. In Komplexität und Detaillierungsgrad geht der Beratungsansatz über den Ratingansatz hinaus, da Ersterer die interne Risikosteuerung, individuell auf die Bedürfnisse eines Unternehmens zugeschnitten, ermöglicht. Die Risikomanagementberatung beinhaltet dabei eine mehrdimensionale Betrachtungsweise unter Berücksichtigung bilanzieller, betriebswirtschaftlicher und solvabilitätsbezogener Aspekte. Der Ratingansatz zielt dagegen auf eine ausreichend detaillierte und dafür insbesondere standardisierte Analyse der Risikosituation im Verhältnis zu den Sicherheitsmitteln ab, wobei bilanzielle und betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte verbunden werden. Dies ermöglicht den Vergleich mit anderen Unternehmen und damit ein Benchmarking der Risikolage eines Versicherungsunternehmens. Hinzu kommt, dass für eine Ratingagentur die Objektivität der Bewertung und die Unabhängigkeit des Modellaufbaus von einzelnen Unternehmen von herausragender Bedeutung sind. So lassen sich als Gemeinsamkeiten zwischen dem Beratungs- und dem Ratingansatz ableiten, dass die Kapitalanlagen strikt barwertorientiert und risikobasiert betrachtet werden. Entscheidend sind also die tatsächlich zugrunde liegenden Risiken, die im ersten Schritt über das Risikomapping beschrieben werden. Gemeinsam ist den beiden hier vorgestellten Ansätzen ebenso eine ALM-Sichtweise. Darunter verstehen wir, dass die Aktivseite der Bilanz im Hinblick auf die Passivseite der Bilanz und damit der Verpflichtungsstruktur betrachtet wird. Bei- Versicherungswirtschaft Heft 3/

6 de Ansätze erfüllen insgesamt ein grundsätzliches Informationsbedürfnis, allerdings von unterschiedlichen Adressaten. Im Beratungsprozess bzw. durch die eingeführten Risikomanagementsysteme erhält das Management eines Versicherers wertvolle Informationen über die Entwicklung der Risikosituation. Dagegen bietet ein Rating zwar auch einen internen Nutzen für den Versicherer, dabei werden jedoch keine Handlungsoptionen empfohlen. Im Vordergrund steht so auch, ein Informationsangebot für Unternehmensexterne wie Makler, Kunden und die interessierte Öffentlichkeit, aber auch andere Versicherer zu erbringen. Damit erhöhen Ratings die Markttransparenz. Man kann daher von einem ähnlichen Grundansatz der Beratung und des Ratings sprechen. Die Vorgehensweise in einem Beratungsprozess und in einem Ratingverfahren unterscheidet sich aber auch in einigen Punkten. Im Beratungsansatz steht die Konzeption des Risikomanagements, angepasst auf die spezifischen Gegebenheiten eines Versicherers, sowie die Ableitung von Handlungsnotwendigkeiten und -alternativen an erster Stelle. Dafür ist eine fortlaufende Risikobetrachtung notwendig. Im Gegensatz dazu stellt das Rating auf die Überprüfung der Ausfallsicherheit der Verpflichtungen ab. Dies macht nur Sinn, wenn die Sicherheitslage eines Unternehmens im Kontext der Sicherheitslage anderer Unternehmen sowie im Zeitverlauf gesehen wird. Anderenfalls ist eine zweckmäßige Bewertung nicht möglich. Aus Vergleichsgründen sind Ratingagenturen auf die Verwendung standardisierter Modelle und Verfahren angewiesen. Die Ratingagentur hat hier zwar den Nachteil einer im Vergleich zum Berater nicht so tief gehenden Untersuchung, dafür aber den Vorteil des Vergleichs zwischen Unternehmen und daher des Marktüberblicks. Der zusätzliche Rückgriff auf interne Modelle zur Verifizierung des Ratingergebnisses fördert darüber hinaus eine sachgerechte Bewertung. Aus Gründen der nicht-ständigen Datenverfügbarkeit und der reduzierten Modellkomplexität wird eine Untersuchung der Sicherheitslage in der Regel einmal jährlich durchgeführt. 15 So kann die Risikosituation nicht in der Tiefe und Regelmäßigkeit eines internen Ansatzes beurteilt werden. Die Versicherungsaufsicht steht vor einer ähnlichen Aufgabe wie die Ratingagenturen. Die Möglichkeit der Verwendung interner Modelle im Rahmen von Solvency II hat jedoch den Vorteil, dass alle unternehmensspezifischen Eigenschaften berücksichtigt werden können. Damit werden Versicherer noch stärker dazu bewegt, sich mit den Risikomanagement-Themen auseinander zu setzen. Nachteilig sind die eingeschränkte Vergleichbarkeit der Ergebnisse und die reduzierte Risikoanalyse bei der Aufsicht selbst sowie der hohe Aufwand Abbildung 4 für die Überprüfung der verschiedensten Modellansätze auf ihre Zweckmäßigkeit. Die Autoren: Sergei Lozman ist Senior-Consultant bei RMC Risk Management Consulting; Jesko Mayer-Wegelin war bis Ende 2005 Senior-Analyst bei der auf das Rating von Versicherungsunternehmen spezialisierten Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH in Köln. Anmerkungen 1 Die unterschiedlichen Wertmaßstäbe im ALM, in der Bilanzierung und im Aufsichtsrecht erfordern die simultane Betrachtung der Steuerungsdimensionen. 2 Zum Ratingverfahren von Assekurata und den einzelnen Teilqualitäten s. 3 Kapitalanlagekennzahlen haben im Assekurata- Rating einen direkten Anteil an der Kennzahlenbeurteilung der Teilqualität Erfolg sowie der Teilqualität Sicherheit von jeweils 25 Prozent. An der gesamten Ratingnote liegt der Anteil der Kapitalanlagekennzahlen bei gut 20 Prozent. Diese Werte beinhalten nicht die Bewertungen innerhalb der qualitativen Systemprüfung. Hinzu kommt ein indirekter Einfluss z.b. über Rohüberschusskennzahlen. 4 Dies können interne Stresstests des Versicherers, aber auch der Stresstest der BaFin sein. Zur Aussagekraft des BaFin-Stresstests siehe Hein/Mayer- Wegelin, Stresstest im Test, VW 15/2003, S. 908 ff. 5 Innerhalb der Systemprüfung untersucht Assekurata in der Teilqualität Sicherheit das Management der Kapitalanlagerisiken sowie in der Teilqualität Erfolg die Kapitalanlagestrategie, die Erfolgspotenziale aus laufenden Erträgen, die Erfolgspotenziale aus Wertentwicklung/Risikotragfähigkeit und das Kapitalanlagecontrolling. 6 Das Modell von Assekurata stellt einen analytischen Varianz-Kovarianz-Ansatz dar. 7 So z.b. der GDV-Vorschlag für ein Solvency II- Standardmodell. Siehe Schubert/Grießmann, Solvency II: Das Standardmodell gewinnt Kontur, VW 21/2005, S ff. 8 Stille Reserven bezogen auf den Marktwert der Kapitalanlagen sowie korrigiert um Disagios und Agios bei Namenspapieren und Schuldscheindarlehen. 9 Ohne verbundene Unternehmen, Private Equity (PE), Hedge Fonds (HF) und sonstige nicht börsennotierte Beteiligungen. 10 Strukturierte Produkte (insbes. kündbare Anleihen) sind hier mit ihrer durchschnittlichen Restlaufzeit berücksichtigt. 11 Hierbei kann es sich z.b. um Optionen, Marginoder Stückzinskonten handeln. 12 Unter passivseitig-kongruenten Kapitalanlagen werden direkt gehaltene Rentenpapiere mit AAA- AA Rating verstanden, die in Euro notiert sind. 13 Die positive Bewertung dieses Durchschnittswerts liegt auch in der, aufgrund der Freiwilligkeit eines interaktiven Ratings gegebenen, positiven Auswahl überdurchschnittlicher Versicherungsunternehmen begründet. 14 Dies sind die gesamten stillen Reserven abzüglich der Reserven auf verbundenen Unternehmen und passivseitig-kongruenten Kapitalanlagen, welche im Modell nicht behandelt werden, sowie aus Liquiditätsgründen nur die hälftigen stillen Reserven auf Immobilien und Hypothekendarlehen. 15 Es besteht das Recht zur Prüfung des Ratingurteils in besonderen Unternehmens- und Marktsituationen. 190 Versicherungswirtschaft Heft 3/2006