Online-Kompetenz für Migrantinnen und Migranten in Deutschland

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1 Gefördert vom Online-Kompetenz für Migrantinnen und Migranten in Deutschland - Ergebnisse der Bestandsaufnahme: - Internetnutzung in Deutschland - 2. Internetnutzung in Deutschland Internetnutzung von Migrantinnen und Migranten als Forschungsgegenstand Die Internetforschung beschäftigt sich mit der Messung und Bewertung der Internetnutzung. Die Kernfragen zur Messung von Nutzungsverhalten im Internet sind: Welche Bevölkerungsteile werden vom Internet erreicht? Wie intensiv wird das Medium genutzt? Welche Inhalte werden angesteuert? Wie beeinflusst das Internet die Mediennutzung? Die Internetnutzung wird über klassische Methoden der empirischen Sozialwirtschaft, z.b. über bevölkerungsrepräsentative Umfragen oder im qualitativen Bereich über Gruppendiskussionen ermittelt. Neue Verfahren, in dem das Internet selbst als Messinstrument genutzt wird, sind zu den klassischen Verfahren dazu gekommen (Fisch 2004). Aus der methodischen Perspektive ist das Internet zum einen Gegenstand der Forschung und zum anderen wird es immer häufiger als Erhebungsinstrument eingesetzt (Fisch 2004: 11). Onlineverfahren haben das Problem, dass die Bevölkerungsrepräsentativität fehlt, da ein großer Teil der Bevölkerung (Frauen, Ältere...) bisher nicht über das Internet erreicht werden. Somit ist kein bevölkerungsrepräsentatives Abbild gewährleistet (Fisch 2004: 12). Bei der Fragestellung, wie hoch die Internetnutzung von Migrantinnen und Migranten ist, besteht das Problem, dass in den Stichproben zwar Migrantinnen und Migranten enthalten sind. Es bleibt jedoch unklar, wie hoch der Anteil ist, wo sie sich in den Ergebnissen widerspiegeln und wie repräsentativ diese Gruppe im Vergleich zur Gesamtgruppe aller Migrantinnen und Migranten in Deutschland ist. Bei der Erhebung und bei der Frage der Repräsentativität besteht das Problem, dass es kein Verzeichnis gibt, in dem alle Migrantinnen und Migranten mit allen soziodemografischen Daten enthalten sind. Beispielsweise werden in den Telefonbefragungen alle Migrantinnen und Migranten erreicht, die über gute und sehr gute deutsche Sprachkompetenzen verfügen. Es fehlt jedoch ein Wert, der aussagt, wie hoch der Anteil der migrantischen Bevölkerung mit guten und sehr guten Sprachkompetenzen ist. Hinweise auf die deutschen Sprachkompetenzen finden sich in einzelnen Studien. Die Studie Migranten und Medien 2007 hat ermittelt, dass in den sechs untersuchten Gruppen 52,5 Prozent über sehr gute deutsche Sprachkompetenzen verfügen 1, 24,8 Prozent über durchschnittliche und 22,7 Prozent über geringe deutsche Sprachkompetenzen. Innerhalb der ethnischen Gruppen gibt es Schwankungen bei den sehr guten Sprachkompetenzen zwischen 67,5 Prozent (griechische Migrantinnen und Migranten) und 41,6 Prozent (türkische Migrantinnen und Migranten). Die Stiftung Zentrum für Türkeistudien hat für die aus Nordrhein-Westfalen kommenden türkischen Migrantinnen und Migranten ermittelt, dass 51 Prozent mit ihren Kenntnissen Deutsch sehr gut und gut verstehen. Ein Drittel gaben an Deutsch nur mittelmäßig und 15 Prozent nur sehr schlecht zu verstehen (Stiftung Zentrum für Türkeistudien 2007: 61f.). 1 Es handelt sich hier um eine Selbsteinschätzung der Befragten Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.v.

2 Wenn davon ausgegangen werden kann, dass etwa jede zweite Person mit Migrationshintergrund über sehr gute oder gute Sprachkompetenzen verfügt, dann müssten etwa die Hälfte der 15,1 Mio. Migrantinnen und Migranten in den Stichproben enthalten sein. Von den 25 untersuchten Studien zur Internetnutzung gab es nur eine Sekundärstudie, die auf Menschen mit Migrationshintergrund eingeht. Die Studie e-inclusion legt eine Bestandsaufnahme der aktuellen E-Government-Entwicklung in Deutschland vor, um die Potenziale aus Erfahrungen nationaler und internationaler E-Inclusion-Projekte auszumachen. Dabei wurde festgestellt, dass Personen mit Migrationshintergrund sich selten auf Web- Seiten von Verwaltungen informieren. Daher haben sie häufig keine Kenntnisse von den Möglichkeiten, die E-Government-Dienstleistungen für sie bieten könnten. Um dem entgegen zu wirken, müssen sich E-Government-Angebote stärker an den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Kundinnen und Kunden orientieren. Als Barriere für Personen mit Migrationshintergrund wurde die schwer verständliche Fachsprache der Verwaltungen als eine große Hürde beim Zugriff auf Verwaltungsdienstleistungen ausgemacht. Menschen mit Migrationshintergrund haben trotz vorhandener Deutschkenntnisse Probleme mit der deutschen Fach-, Amts- und Formularsprache. Dies führt dazu, dass Online-Angebote seltener wahrgenommen werden als von deutschen Bevölkerungsgruppen. Schwächen in der deutschen Sprache wurden vor allem in der ersten Generation sowie bei älteren Frauen festgestellt. Internetnutzung in Deutschland In den letzten Jahren ist ein kontinuierlicher leichter Anstieg der Internetnutung auf bestehendem hohem Niveau festzustellen. Der (N)ONLINER Atlas 2008 ermittelt einen starken Zuwachs von fast fünf Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. In realen Zahlen ist dies ein Zuwachs von drei Mio. Menschen (Anstieg im Vorjahr: 1,4 Mio.). Danach sind 42,2 Mio. Personen in Deutschland über 14 Jahren online. Die Offliner, die das Internet nicht nutzen und es auch in Zukunft nicht planen, sind unter die 30-Prozent-Grenze gefallen. Mehrheitlich sind die Offliner weiterhin eher weiblichen Geschlechts, haben formal eine vergleichbar geringere Bildung sowie ein niedrigeres Einkommen. Die Schere zwischen Männern und Frauen hat sich im Gegensatz zu den Entwicklungen in den Vorjahren wieder leicht geöffnet. Die Differenz bei den weiblichen und männlichen Onlinern beträgt 14,1 Prozentpunkte zugunsten der Männer. Der Frauenanteil der Onliner beträgt 46,2 Prozent (Kampmann 2008). In der ARD/ZDF-Offline-Studie 2007 gab es 2007 eine Verringerung der Differenz zwischen Männern und Frauen, jedoch ist das Geschlecht ein wesentliches Merkmal der digitalen Spaltung. 60 Prozent der Frauen und 40 Prozent der Männer bilden die Gruppe der Offliner. Ein weiteres Merkmal der digitalen Spaltung ist das Alter. 63 Prozent aller Offliner sind 60 Jahre und älter, obwohl in der Offline-Studie 2007 und auch in der ARD/ZDF-Online-Studie 2008 die höchsten Zuwächse bei den älteren Männern und Frauen zu verzeichnen sind. Die Bildung entscheidet maßgeblich über die Internetnutzung. Laut ARD/ZDF-Online-Studie 2008 sind 56 Prozent aller Personen mit Volksschul- und Hauptschulabschluss offline, während es bei Personen mit Abitur nur 10 Prozent sind. Laut Entwicklung der Informationsgesellschaft, IKT in Deutschland 2007 sehen 60,4 Prozent der Offliner keinen Bedarf für einen Zugang zum Internet. Weitere Gründe sind man- Seite 11 von 55

3 gelnde Medienkenntnisse (33,4 Prozent), zu hohe Anschaffungskosten (30,9 Prozent) und keine Möglichkeit von einem anderen Ort auf das Internet zuzugreifen (23 Prozent). Neben der kontinuierlichen Steigerung der Internetnutzung ist auch die Intensivierung der Nutzungsfrequenz zu beobachten. Laut Acta 2007 nutzen 39 Prozent der User das Internet täglich. Das Statische Bundesamt hat Unterschiede zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen in ihrer Untersuchung Freizeitaktivitäten und Mediennutzung festgestellt. Die Daten wurden im Jahr 2004 erhoben und danach sind 20 Prozent der Westdeutschen und 14 Prozent der Ostdeutschen täglich online. In der Studie Private Haushalte in der Informationsgesellschaft Nutzung von Informationsund Kommunikationstechnologien (IKT) 2008 haben 68,2 Prozent in den letzten drei Monaten das Internet genutzt. Es sind deutlich häufiger Personen mit hohem Bildungsstand (85,2 Prozent) online als Personen mit einem niedrigen Bildungsstand (59,3 Prozent). Die Ausstattung der Haushalte mit Computern liegt nach der Untersuchung Private Haushalte in der Informationsgesellschaft bei 72,2 Prozent. 64,9 Prozent verfügen über einen Internetzugang. In den Unternehmen arbeiten 58 Prozent der Beschäftigten mit einem Computer und 46 Prozent haben dort auch einen Internetzugang, so das Ergebnis Informationsgesellschaft Statistisches Jahrbuch Laut Acta 2007 spielt das Internet mit 14 Prozent noch eine untergeordnete Rolle bei tagesaktuellen Informationen. Bei Produktinformationen und Preisvergleichen nutzen jedoch 53 Prozent das Internet und die Anzahl der Online-Käufe ist seit 2000 von 9,7 Prozent auf 58,8 Prozent gestiegen. Mode wird hierbei mit 17 Prozent am häufigsten erworben. Das Statistische Bundesamt hat in der Studie Private Haushalte in der Informationsgesellschaft Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) 2008 Bücher, Magazine und Zeitung als Top-Favoriten mit 50,6 Prozent bei der Bestellung von Waren und Dienstleistungen ausgemacht. 51 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer des Internet wickeln ihre Bankgeschäfte online ab und 54 Prozent bilden sich mit dem Internet weiter laut der Erhebung Informations- und Kommunikationstechnologie in privaten Haushalten Ergebnisse der Erhebung Die w3b Studie 2007 hat bei den Anwendungen festgestellt, dass das Hören von Podcasts stark an Bedeutung gewonnen hat. Zudem wird digitale Musik von der Mehrheit der Internet- Nutzenden rege genutzt. Was jedoch bei den Internetnutzenden nicht so eingeschlagen hat, wie vermutet werden könnte, ist die virtuelle Welt Second Life. Obwohl 70 Prozent der deutschsprachigen Internet-Nutzenden Second Life kennen, sind die meisten neugierigen Nutzenden nach einem ersten Besuch von der virtuellen Welt enttäuscht. Nur ein Prozent der Internetuser sind aktive Second-Life-Nutzende. Dagegen haben Weblogs, die einen Bekanntheitsgrad von 77 Prozent unter den Internetusern haben, einen wöchentlichen Nutzerkreis von 15 Prozent und weitere 45 Prozent, die sie gelegentlich aufsuchen (w3b 2007). Die ARD/ZDF-Online-Studie 2008 sieht eine rasante Entwicklung der Internetnutzung durch die steigende Nachfrage nach multimedialen Anwendungen im Netz. 55 Prozent aller Internetuser rufen Videos zum Beispiel über Videoportale oder Mediatheken ab und schauen live oder zeitversetzt Fernsehsendungen im Internet. Audiofiles wie Musikdateien, Podcasts und Radiosendungen nutzen 35 Prozent. Das steigende Interesse an Videos spiegelt sich in der Verbindungstechnik der Internetuser wider. Mittlerweile verfügen 70 Prozent der Onlinenutzer über einen DSL-Breitband-Anschluss (Zuwachs zu PP). Laut TimeBudget 12, Seite 12 von 55

4 2005 surfen Besitzende eines DSL-Anschluss mit 116 Minuten doppelt so lange online wie der durchschnittliche Internetnutzende. Im Jahr 2015 wird eine Verbreitung von 80 Prozent aller deutschen Haushalte mit Breitband-Anschlüssen erwartet, so ein Ergebnis aus Deutschland Online Zukünftig wird ein mobiler Breitband-Internet-Zugang selbstverständlich und allgegenwärtig sein. Die Nutzung von mobilen Breitband-Internet- Anwendungen ist dann für viele Konsumenten Ausdruck eines modernen und innovativen Lebensstils. Jüngere Internetuser bevorzugen die Unterhaltungsfunktionen der Medien in stärkerem Maße als User über 35 Jahre, so die NetObserver-Studie Danach wird das Internet von den deutschen Internetusern im Alter von Jahren zu 77 Prozent zur Unterhaltung und zu 68 Prozent für Informationen genutzt, während in der Altersgruppe 35 und älter das Internet zu 54 Prozent zur Unterhaltung und zu 71 Prozent für Informationen genutzt wird. Die jüngeren Internetuser in Europa zwischen 16 und 24 Jahren verbringen 2007 mehr Zeit im Internet als mit dem Fernseher laut den Ergebnissen der Mediascope Europe Es wird immer mehr Zeit mit Medien verbracht. Waren es 1999 noch 6,5 Stunden, so sind es im Jahr 2005 acht Stunden. Wenn auch der Löwenanteil auf Fernsehen und Radio entfallen, so ist der große Gewinner das Internet. Die Deutschen sind 2005 sechs Mal so lange online wie im Jahr Die Zeit, die im Internet verbracht wird, ist nach TimeBudget 12, 2005 zusätzliche Medienzeit und verdrängt nicht die klassischen Medien Fernsehen, Radio, und Zeitung. Durch die Zunahme von multimedialen Anwendungen im Internet wird das Medium immer wichtiger und übernimmt Anwendungen, die bisher mit anderen klassischen Medien genutzt wurden. In der Meinungsumfrage: Internet oder Fernsehen 2007, die von w3b durchgeführt wurde, gaben 61 Prozent der Befragten an, lieber auf das Fernsehen als auf das Internet verzichten zu wollen. Dagegen konnten nur 15 Prozent der Internetuser sich vorstellen, zukünftig ohne das Internet auszukommen. Ergebnisse Insgesamt hat sich die Internetnutzung kontinuierlich gesteigert. Zu den Internetusern zählen 65 % der deutschsprachigen Bevölkerung (NONLINER Atlas 2008). In den Untersuchungen werden folgende Merkmale der digitalen Spaltung ausgemacht: Alter, Bildung, Geschlecht und Einkommen. Hohe Zuwachsraten hat es in den letzten Jahren insbesondere bei den Älteren über 50 Jahre gegeben. Die beliebtesten Anwendungen im Internet sind Suchen, sowie Kommunikation durch soziale Netzwerkseiten. In den letzten Jahren haben multimediale Anwendungen stark zugenommen. Die rasante Entwicklung bei Audiofiles und Videos verändern Zugangswege und haben Einfluss auf die Mediennutzung im Netz. Das Internet wird im Vergleich zu anderen Medien immer wichtiger. Die Untersuchungen zeigen die Bedeutung des Internet für die deutschsprachige Bevölkerung im gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben. Da in den Stichproben Migrantinnen und Migranten enthalten sind, bleiben die Fragen offen: - Wie viele Migranten und Migrantinnen sind in den Stichproben enthalten? - Wo sind diejenigen zu finden, die in den Stichproben erfasst wurden? Seite 13 von 55

5 - Treffen auf die migrantische Bevölkerung die gleichen Merkmale der digitalen Spaltung zu wie sie bei der deutschsprachigen Bevölkerung zu finden sind? Seite 14 von 55