Umsetzung der Kennzeichnungsrichtlinie 2008/43/EG
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- Norbert Holzmann
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1 Umsetzung der Kennzeichnungsrichtlinie 2008/43/EG Taking into action of the traceability guideline 2008/43/EG von Manfred Dax und Jörg Rennert GESETZE/VERORDNUNGEN Mit der Richtlinie 2008/43/EG hat die EU festgelegt, dass spätestens ab 05. April 2012 gewerblich genutzte Explosivstoffe eine elektronisch lesbare Kennzeichnung tragen müssen. Beschrieben wird, wie diese Richtlinie in der Praxis umzusetzen ist. Die praktischen Probleme und Auswirkungen werden ausführlich erläutert. Dargestellt wird die Initiative des Deutschen Sprengverbandes zur Erstellung eines elektronischen Anwenderpaketes als Hilfe für Explosivstoff-Hersteller und -Händler. With the guideline 2008/43/EG the EU has determined that latest at April 5th 2012 commercial explosives must carry an electronically readable reference. It is explained how this guideline is to be transferred into practical use. The practical problems and effects are described in detail. The initiative of the German Blasters Association to assemble an electronic user package as assistance for explosives manufacturers and dealers is explained. 1 EU-Richtlinie 2008/43 Die Terroranschläge am 11. März 2004 in Madrid waren für die Europäische Union der Anlass, durch neue Vorschriften und Maßnahmen für den Umgang mit Explosivstoffen eine Verbesserung der öffentlichen Sicherheit zu erreichen. Eine wesentliche Neuerung war die Einführung einer europaweit einheitlichen Kennzeichnung von Explosivstoffen. Mit der Richtlinie 2008/43/EG hat die EU festgelegt, dass spätestens ab 5. April 2012 alle gewerblich genutzten Explosivstoffe (mit wenigen Ausnahmen wie z. B. Munition und am Bohrloch hergestellte Sprengstoffe) eine elektronisch lesbare Kennzeichnung tragen müssen. In deutsches Recht umgesetzt wurde diese Vorschrift im Rahmen des 4. Sprengstoffänderungsgesetzes (4. SprengÄndG), das zum 01. Okt in Kraft getreten ist. Die Vorschriften der europäischen Richtlinie wurden dabei unverändert in das deutsche Sprengstoffrecht übernommen. Eine Übergangsregelung für vor dem 05. April 2012 hergestellte Explosivstoffe wurde allerdings in Deutschland zusätzlich aufgenommen. Diese dürfen innerhalb von drei Jahren bis April 2015 weiter gelagert, befördert, abgegeben und verwendet werden, ohne dass die Bestimmungen der Kennzeichnungsrichtlinie Anwendung finden müssen. 1.1 Ausführung der Kennzeichnung Die Richtlinie 2008/43 - international als track and traceability directive, in Deutschland als Kennzeichnungsrichtlinie bezeichnet - sieht für die eindeutige Kennzeichnung von Explosivstoffen zwei Teile vor. Einmal einen menschlich lesbaren Teil mit folgenden Bestandteilen: der Name des Herstellers, ein fünfstelliger alphanumerischer Code für Mitgliedsland und Herstellungsstätte (z. B. AT023 oder DE088) - dieser Code wird in Deutschland von der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung vergeben; diese fünf Stellen gewährleisten die Eindeutigkeit des Identifizierungscodes und damit die Möglichkeit der Rückverfolgbarkeit, einem eindeutigen Produktcode und logistischen Informationen, die vom Hersteller selbst definiert werden. Bei Artikeln, die zu klein sind, den vollständigen Identifizierungscode aufzudrucken, kann der menschlich lesbare Teil auf den fünfstelligen Code für Mitgliedsland und Herstellungsstätte (z. B. AT023 oder DE088) verkürzt werden. Der zweite Teil des Identifizierungscodes besteht aus einem Strich- oder Matrixcode, der die Informationen des menschlich lesbaren Teils in elektronisch lesbarer Form wiedergibt. Welcher elektronisch lesbare Code verwendet wird und welche Struktur die Produktinformation hat, wird von der Richtlinie nicht vorgegeben. Im Anhang zur Richtlinie ist ein Beispiel angegeben, das jedoch nicht verpflichtend ist. Der elektronisch lesbare Teil ist immer aufzubringen, auch auf sehr kleinen Artikeln. Abb. 1: Beispiel Identifizierungscode aus dem Anhang der Richtlinie 2008/43 Die EU-Richtlinie 2008/43 sieht vor, dass jeder Explosivstoff bzw. jeder Artikel eine eindeutige, unverwechselbare Nummer tragen muss: d. h., jede Patrone oder jeder Zünder müssen mit einem Identifizierungscode gekennzeichnet werden. Die Kennzeichnung kann entweder direkt aufgedruckt oder mittels eines Klebeetiketts aufgebracht werden. Bei Zündern sind aber auch an den Zünderdrähten oder -schläuchen angebrachte Etiketten möglich. 32. Informationstagung Sprengtechnik, Siegen April 2010 SPRENGINFO 32(2010)2 9
2 GESETZE/VERORDNUNGEN Bei Sprengschnüren ist der Identifizierungscode der jeweiligen Rolle auf dieser selbst und zusätzlich auf der Schnur alle fünf Meter anzubringen. Um kontrollieren zu können, ob Artikel aus einer Verpackung entnommen worden sind, müssen auch die kleinsten Verpackungseinheiten mit dazugehörigen Etiketten gekennzeichnet werden. Diese dazugehörigen Etiketten sind auch von den Unternehmen des Explosivstoffsektors aufzubringen, die Sprengmittel umverpacken bzw. neu zusammenstellen. 1.2 Pflichten der Unternehmen Anwenden müssen die Kennzeichnungsrichtlinie die Unternehmen des Explosivstoffsektors. Sie müssen u. a. folgende Pflichten erfüllen: Die Datenerfassung über die gesamte Lieferkette und den gesamten Lebenszyklus muss gewährleistet sein. Die Explosivstoffe können so zurückverfolgt werden, dass der Besitzer der Explosivstoffe jederzeit festgestellt werden kann. Sie führen ein Verzeichnis aller Kennzeichnungen mit allen zweckdienlichen Informationen einschließlich der Art des Explosivstoffs und des Unternehmens bzw. der Person, der er übergeben wurde. Sie verzeichnen den Standort aller Explosivstoffe solange bis sie an ein anderes Unternehmen übergeben wurden (bzw. verwendet wurden). Sie bewahren die erfassten Daten einschließlich der eindeutigen Kennzeichnungen über einen Zeitraum von zehn Jahren auf. Sie überprüfen das Datenerfassungsverfahren in regelmäßigen Abständen. Sie stellen den zuständigen Behörden auf Anfrage Informationen über Herkunft, Standort und Verbleib der Explosivstoffe zur Verfügung. Von den Unternehmen sind die Kontaktdaten einer Person zu benennen, die diese Informationen auch außerhalb der normalen Geschäftszeiten geben kann (24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche). Mit Schreiben vom 10. Mai 2010 hat die Europäische Kommission, Generaldirektion Unternehmen und Industrie, mitgeteilt, dass nichtgewerbliche Endanwender von Explosivstoffen wie Böllerschützen oder Wiederlader die Aufzeichnungspflichten der Richtlinie 2008/43 nicht anwenden müssen. 2 Standard des Verbands der Europäischen Sprengstoffhersteller FEEM Die Richtline 2008/43 schreibt nicht vor, wie der vom Hersteller aufzubringende Identifizierungscode genau aufgebaut ist bzw. welche Art von elektronisch lesbarem Code verwendet werden muss. Es gibt derzeit rund 400 verschiedene Strich- und Matrixcodes bzw. Varianten davon. Die Erfahrungen aus anderen Branchen (z. B. Einzelhandel, Automobilindustrie) zeigen, dass eine Standardisierung notwendig ist, sowohl, was die Festlegung eines Strich- bzw. Matrixcodes, als auch die Definition der Feldstruktur betrifft. Die Aufgabe, einen solchen gemeinsamen Standard zu schaffen, hat der Verband der Europäischen Sprengstoffhersteller (Federation of European Explosives Manufacturers FEEM) übernommen. Gegründet 1976, sind fast alle europäischen Hersteller von gewerblichen Sprengstoffen Mitglied in diesem Verband. Die FEEM organisiert u. a. Arbeitsgruppen für Arbeitssicherheit, öffentliche Sicherheit, Transport, Sprengpraxis und gibt technische Empfehlungen heraus. Nähere Informationen zur FEEM auf der Internetseite: Data Matrix Code ECC 200 Die FEEM hat sich beim elektronisch lesbaren Teil für den Data Matrix Code ECC 200 als Standard entschieden. Der Data Matrix ist ein zweidimensionaler Code im Gegensatz zum eindimensionalen Strichcode (wie er z. B. im Lebensmitteleinzelhandel Verwendung findet). Der Data Matrix Code kommt z. B. auch bei der Post (als elektronisch lesbare Briefmarke) und bei Fahrkarten der Deutschen Bahn zum Einsatz. Die Definition, was unter einem Unternehmen des Explosivstoffsektors zu verstehen ist, findet sich in der Richtlinie 93/15/EG, die das Inverkehrbringen von Explosivstoffen für zivile Zwecke regelt: jede juristische oder natürliche Person, die eine Erlaubnis oder Genehmigung für die Herstellung, die Lagerung, die Verwendung und die Verbringung von Explosivstoffen bzw. den Handel damit besitzt. Ob diese Definition auch auf natürliche Personen anzuwenden ist, die eine Erlaubnis nach 27 SprengG besitzen, geht aus der Formulierung nicht eindeutig hervor. Der Deutsche Sprengverband hat deshalb hierzu eine Anfrage an die EU-Kommission gerichtet und um eine Klärung gebeten. Ein zweidimensionaler Code, wie der Data Matrix, stellt höhere Anforderungen an die Lesegeräte. Beim eindimensionalen Strichcode erfolgt die elektronische Erfassung mit einem Laserscanner. Beim zweidimensionalen Matrixcode ist ein Sensor erforderlich, wie er auch in Digitalkameras Verwendung findet (Sensor-Scanner). Dem höheren Preis eines Sensor-Scanners gegenüber einem Laser-Scanner stehen aber einige bedeutende Vorteile der zweidimensionalen Codierung (z. B. als Data Matrix Code) gegenüber: Der Platzbedarf eines Data Matrix Codes ist deutlich geringer. In einem Strichcode lassen sich nur relativ wenige Zeichen unterbringen, in einem Data Matrix Code bis zu alphanumerische Zeichen und damit deutlich mehr Informationen über das Produkt und logistische Angaben. 10 SPRENGINFO 32(2010)2
3 Der Data Matrix ECC 200 ermöglicht einen Fehlerkorrekturalgorithmus (Reed Solomon), auch wenn Teile des Codes zerstört sind (bis zu 20 %, z. B. durch Verschmutzung), bleiben die Informationen noch lesbar. Der Data Matrix Code kann grundsätzlich in jeder Winkellage gelesen werden. Insbesondere die Datensicherheit und der Umfang der möglichen Zeichen gaben den Ausschlag für die Entscheidung zugunsten des Data Matrix ECC 200. Logistische Informationen, Chargen- oder Seriennummern sind in einem 13-stelligen Code aber nicht unterzubringen. In den neunziger Jahren wurde deshalb von EAN International (seit 2004 unter dem Namen Global Standards 1 GS1 firmierend) das System der Application Identifiers entwickelt. Ein Code wird in unterschiedliche Felder aufgeteilt und den einzelnen Feldern werden eindeutige Adressen zugeteilt. Die Felder können dabei in beliebiger Reihenfolge verwendet werden. Insgesamt sind über 100 verschiedene Felder definiert, die je nach Anforderung in der Lieferkette ausgewählt werden können. Damit lassen sich auch Informationen wie Gewicht, Seriennummer, Stückzahl, Rechnungsbetrag u. ä. elektronisch lesbar codieren und übermitteln. GESETZE/VERORDNUNGEN Abb 3: Data Matrix ECC Flexible Feldstruktur mit Application Identifiers Bereits in den siebziger Jahren wurden im Einzelhandel elektronisch lesbare Artikelkennzeichnungen (Europäische Artikelnummer EAN) mit 13- oder 8-stelligen Nummern eingeführt. Die Feldstruktur bestand aus drei Teilen: einer Unternehmensnummer, einer vom Unternehmen zu vergebenden Artikelnummer und einer Prüfziffer. Damit ließ sich (und lässt sich immer noch) ein Artikel (oder genauer gesagt eine Gruppe von gleichen Artikeln) eindeutig identifizieren. Die FEEM hat dieses System der Application Identifiers für den Identifizierungscode adaptiert. Damit können logistische Informationen wie z. B. Nettoexplosivstoffmasse, Anzahl Patronen in einer Versandeinheit, Bruttogewicht u. ä. übermittelt werden. Dieses System der Application Identifiers ermöglicht Anpassungen auch in Zukunft, wenn z. B. die gesetzlichen Vorschriften geändert werden sollten (Tab. 1). Ein wichtiger Vorteil der Application Identifiers liegt aber in der Möglichkeit, Verpackungen bzw. Versandeinheiten (Kisten, Paletten) zu kennzeichnen und in das logistische System mit einzubeziehen. Welche der Felder von den Firmen belegt werden, steht in deren freier Entscheidung. Nur die Felder (90) und (250) müssen in jedem Fall vorhanden sein. Tab. 1: Feldstruktur FEEM-Identifizierungscode SPRENGINFO 32(2010)2 11
4 GESETZE/VERORDNUNGEN Die Verpackung bekommt eine eigenständige Nummer und diesem Verpackungs-Identifizierungscode sind in einer Datei dann die enthaltenen Artikel-ID-Codes zugeordnet. Ohne Zugriffsmöglichkeit auf diese Datei besteht nur die Möglichkeit, die Anzahl der Artikel zu kontrollieren, aber das ist bisher auch schon möglich. Eine Zugriffsmöglichkeit auf die entsprechende Datei wird bei der Beförderung und in außerhalb gelegenen Lagern die Ausnahme darstellen. Händler oder Sprengunternehmer, die z. B. Zünder umverpacken, müssen ebenfalls ein dazugehöriges Etikett an der Verpackung anbringen. Bei diesem Etikett fehlen aber die fünf Stellen für Mitgliedsland und Herstellungsstätte, die nur an Hersteller vergeben werden. Für die Rückverfolgbarkeit dieser Verpackungs-Codes fehlt damit das Element, das den Ersteller eindeutig identifiziert. Abb. 2: Beispiel 1 Etikett Für Explosivstoffe auf Paletten ist eine Kennzeichnung der Palette mit einem Verpackungs-ID-Code nicht vorgeschrieben - Paletten werden aber durch die Hersteller mit einem entsprechenden Etikett versehen werden. Es ist einfacher, das Etikett einer Palette einzuscannen als z. B. 24 Karton- ID-Codes, die je nach Stapelung unter Umständen gar nicht sichtbar sind und in der Regel noch mit einer Stretchfolie umhüllt sind. 2.5 Übermittlung der Daten in der Lieferkette Abb. 3: Beispiel 2 Etikett 2.3 Rückverfolgbarkeit Nach dem FEEM-Standard ist die Übermittlung der Daten in der Lieferkette mittels XML-File vorgesehen (z. B. direkte Übergabe auf einem Speichermedium oder Übermittlung über eine Internetverbindung). Die Daten können dann vom Empfänger in sein eigenes Verzeichnis importiert werden. Wird ein Explosivstoff (Patrone, Zünder) z. B. von der Polizei gefunden, kann die Lieferkette über den Identifizierungscode zurückverfolgt werden. Ausgangspunkt ist dabei grundsätzlich die fünfstellige Bezeichnung der Herstellungsstätte (z. B. AT023), über die der Hersteller gefunden werden kann. Von diesem ausgehend, können die weiteren Stationen in der Lieferkette nacheinander ermittelt werden. Dies wird in der Regel telefonisch erfolgen. Dazu ist von jedem Unternehmen des Explosivstoffsektors eine Kontaktperson zu benennen, die auch außerhalb der normalen Geschäftszeiten ständig erreichbar sein muss, was in der Regel nur über ein Mobiltelefon möglich sein wird. 2.4 Kennzeichnung von Verpackungseinheiten Die Richtlinie 2008/43 schreibt vor, dass Verpackungseinheiten mit einem dazugehörigen Etikett versehen werden müssen (Kisten mit Patronen, Zünderkartons usw.). Eine fehlende Patrone oder ein fehlender Zünder sollen damit erkannt werden können, so zumindest die Überlegungen des Gesetzgebers. Aus dem Etikett der Verpackung ist allerdings nicht unmittelbar erkennbar, wie viele und welche Artikel-Identifizierungs-Codes sich innerhalb der Verpackung befinden. Abb. 4: Beispiel XML-Filestruktur Die Alternative zum Datenimport wäre die direkte Erfassung mittels eines Lesegeräts (Scanner) direkt von den einzelnen Artikeln bzw. den Verpackungen. Nachteil ist zum einen der Zeitbedarf für das Einlesen, da dann jede einzelne Patrone, jeder einzelne Zünder erfasst werden muss. Zum anderen müssen zur Erfassung alle Verpackungen geöffnet werden und zusätzlich die Ladungssicherung bei Paletten (Stretchfolie) entfernt werden. 12 SPRENGINFO 32(2010)2
5 Den Umgang mit offenen Explosivstoffen außerhalb der Versandverpackung will man bei Beförderung und Lagerung aber aus Gründen der Arbeitssicherheit grundsätzlich vermeiden. 3 Auswirkungen der Richtlinie 3.1 Kosten Die Kosten für die Einführung und den laufenden Betrieb dieses neuen Kennzeichnungssystems sind enorm. Die bisher im Einsatz befindlichen Beschriftungs- und Bedruckungssysteme der Explosivstoffhersteller können normalerweise nicht weiter verwendet und müssen komplett ausgetauscht werden. An laufenden Kosten für die Aufbringung der Kennzeichnung rechnet der Verband der Europäischen Sprengstoffhersteller mit rund 20 Cent je Artikel (Patrone, Zünder usw.). Bei rund 200 Millionen Artikeln, die in Europa jährlich auf den Markt kommen, ergeben sich Gesamtkosten von rund 40 Millionen Euro jährlich. Dazu kommen zusätzlich die Kosten bei den Vertriebslägern und den Anwendern, die sich Lesetechnik und Software beschaffen müssen und ebenfalls laufende Kosten und einen nicht unerheblichen zeitlichen Mehraufwand haben. 3.2 Zeitaufwand Für die Ermittlung des Zeitaufwands wurden einige Tests durchgeführt, bei denen die Artikel-ID-Codes einzeln erfasst wurden. Bei patronierten Sprengstoffen kann man etwa 400 bis 500 Artikel-ID-Codes je Stunde erfassen. Bei Zündern zwischen 250 und 400 und bei ANFO in Säcken oder Kartons etwa 300 bis 400 ID-Codes pro Stunde. Eine für süddeutsche Verhältnisse durchschnittliche Lieferung von 2 Paletten großkalibriger Patronen, 4 Paletten ANFO, Sprengschnur und Zündern benötigt dann rund 2 Stunden für die Erfassung. Für Untertagebetriebe mit hohen Stückzahlen an Zündern und kleinkalibrigen Patronen können dann 16 bis 20 Stunden erforderlich werden. Diese Zeiten gelten aber nur, wenn die ID-Codes jedes einzelnen Artikels erfasst werden. Sie verkürzen sich deutlich, wenn statt der einzelnen Artikel die dazugehörigen Etiketten der Verpackungen (Kartons oder Paletten) erfasst werden. Bei einem Import der Daten über XML-Files reduziert sich die Zeit dann noch weiter. Ein entscheidender Punkt in der Umsetzung der Richtlinie in der Praxis wird deshalb die Kennzeichnung der Verpackungen sein, um den Zeitaufwand in der Praxis in vertretbarem Umfang zu halten. Für die Hersteller oder Verpacker bedeutet dies aber, über ein entsprechendes Verfahren zu verfügen, um sicherzustellen, dass die Zuordnung der in einer Verpackung enthaltenen Artikel-ID-Codes zum richtigen Verpackungs-ID-Code gewährleistet ist. Der Empfänger von Explosivstoffen sollte sich durch Stichproben vergewissern, dass die per XML- File elektronisch übermittelten ID-Codes mit den tatsächlich gelieferten übereinstimmen. 3.3 Fehlende visuelle Kontrolle Bereits bisher wurden in den meisten Ländern der Europäischen Union die Explosivstoffe gekennzeichnet. In Deutschland tragen Patronen und Kisten fortlaufende Nummern, mit denen eine Rückverfolgbarkeit gewährleistet war und ist. Dieses System hat einen entscheidenden Vorteil. Beim Transportvorgang und bei der Übergabe waren die Nummern sehr einfach mit dem Auge zu kontrollieren. Bei Paletten war etwa der Sprung der Nummern von Palette zu Palette (in der Regel 20 oder 24 Nummern) sehr leicht zu kontrollieren und Fehler sehr einfach festzustellen. Patronennummern bezogen sich auf die Nummerierung der Kiste, dies war praxisgerecht, da Explosivstoffe überwiegend kistenweise und nicht als Einzelpatronen abgegeben werden. Falsche oder fehlende Kistennummern konnten so in der Regel leicht festgestellt werden. Der menschlich lesbare Teil des Identifizierungscodes wird in der Regel mindestens 30 bis 40 Stellen umfassen. Auf kleinen Gegenständen wie Zündern wird nur der elektronisch lesbare Matrixcode aufgedruckt sein. Eine Kontrolle der Codes auf Übereinstimmung mit den Beförderungsdokumenten ist dann ohne technische Hilfsmittel nicht mehr möglich und darüber hinaus zeitaufwendig. Dies ist sicher einer der schwerwiegendsten Nachteile gegenüber dem bisherigen System. 4 Softwareprojekt des Deutschen Sprengverbandes Die Richtlinie schreibt vor, dass die Unternehmen des Explosivstoffsektors ein Verzeichnis führen müssen. Dabei ist letztlich nur eine elektronische Verzeichnisführung sinnvoll. Grundsätzlich könnte ein handelsübliches Datenbankoder ein Tabellenkalkulationsprogramm verwendet werden, in das die ID-Codes mittels Lesegerät oder Datenimport übertragen werden. Verwendung bzw. Ausgang könnten ähnlich erfasst werden. Für den normalen Anwender von Explosivstoffen ohne umfangreiche EDV-Kenntnisse dürfte dies aber wohl keine Lösung sein, abgesehen vom Problem der Datensicherheit. Der Idealfall wäre ein einfach zu bedienendes, übersichtliches Programm, mit dem der Zeitaufwand für Erfassung und Verwaltung der Daten so gering wie möglich gehalten werden kann und das die hohen Ansprüche an Datensicherheit erfüllt. Der Deutsche Sprengverband hat hier die Initiative ergriffen und mit verschiedenen EDV-Firmen Gespräche geführt, um einen Kooperationspartner zu finden, der eine geeignete Software auf dem Markt anbietet. Bei der Erarbeitung des Programm-Konzepts wird der Deutsche Sprengverband entsprechende Unterstützung leisten und die Vorgaben der Praxis einbringen. 4.1 Programmfunktionen Erfassung von 2D-Identifizierungscodes mit handelsüblichen Scannern GESETZE/VERORDNUNGEN SPRENGINFO 32(2010)2 13
6 GESETZE/VERORDNUNGEN Import von Identifizierungscodes über XML-Files Artikelstammdaten, Lieferantenstammdaten, Verwenderstammdaten, Empfängerstammdaten (Eingabe der Stammdaten und Pflege durch den Softwarebenutzer) Anzeige am Bildschirm (Listenfunktion), Druckfunktion für Listenausgabe Sortieren nach ausgewählten Feldern (z. B. Artikel, Standort, verwendet, abgegeben) Suchfunktion nach ID-Codes oder Teilen davon Schnittstelle für Datenabfrage von außerhalb (Auskunftspflicht außerhalb der Geschäftszeiten), Absicherung der Schnittstelle Datensicherungsfunktion Damit sollen die Anforderungen der Richtlinie 2008/43 erfüllt werden. Das deutsche Sprengstoffrecht schreibt für die Verzeichnisführung (Lagerbuch) allerdings noch zusätzliche Anforderungen vor. Neben einer Grundversion soll deshalb auch eine Lagerbuchversion angeboten werden, um eine doppelte Verzeichnisführung zu vermeiden. Nach deutschem Sprengstoffrecht wäre es aber auch möglich, weiter wie bisher ein handgeschriebenes Lagerbuch und daneben ein elektronisches Verzeichnis für die Erfassung der ID-Codes zu führen. In der Praxis wird diese Lösung aber wohl die Ausnahme bleiben. Die Lagerbuchversion soll zusätzlich u. a. folgende Anforderungen erfüllen: Keine nachträglichen Veränderungen ermöglichen und somit die Anforderungen nach 239 HGB erfüllen, Unterteilung nach Art der Explosivstoffe bzw. Zündmittel möglich, Monatlicher bzw. täglicher (Bergrecht) Abschluss möglich mit Bestätigungsvermerk über die Überprüfung der Übereinstimmung des tatsächlichen mit dem buchmäßig vorhandenen Bestand, Dokumentation der Unterschrift des Empfängers bzw. des Empfangsdokuments (z. B. fotografische Erfassung des Lieferscheins), Bezeichnung des Betriebes und des Namens der Person und ihres/ihrer Stellvertreter, die das Verzeichnis führen (Möglichkeit Zugangsberechtigung zu vergeben, Passwortschutz), Art und Menge der Explosivstoffe, entweder aus den Artikelstammdaten bzw. die Menge aus Feld (310n), bei Sprengschnur die Länge aus Feld (311n), Name und Anschrift des Lieferers, Neben Name und Anschrift des Empfängers auch Angaben zur Erlaubnis bzw. zum Befähigungsschein bei Abgabe an betriebsfremde Personen, Möglichkeit der Erfassung von Teil- und Restmengen bei einzelnen ID-Codes (Sprengschnur, lose Sprengstoffe). Auch diese Verpackungen sind mit einem Etikett entsprechend der Richtlinie 2008/43 zu versehen. Insbesondere Zünder müssen im Lauf der Lieferkette in der Regel mit entsprechendem Aufwand mehrmals umgepackt werden. Eine zusätzliche Händlerversion sollte deshalb besonders die Funktion beherrschen: Neuzusammenstellung von Lieferungen, Neuverpacken von logistischen Einheiten, Druck von Etiketten für logistische Einheiten (Kartons, Paletten), Druck von Etiketten für Artikel-ID-Codes (für Importe), Export von XML-Files für die Empfänger, Mobile Druckmöglichkeit von Etiketten z. B. für Außenlager. 4.3 Anwenderpaket Neben einer Software für die Erfassung und Speicherung der Daten wird in der Regel auch ein Gerät für das Einlesen von ID-Codes benötigt. Die Anzahl von Scannern auf dem Markt ist groß und Anwender von Explosivstoffen sind normalerweise keine Spezialisten in Sachen Lesetechnik. Wir werden deshalb vom Deutschen Sprengverband mit der Firma, die die Software erstellt auch ein Paket mit Software und einem geeigneten Scanner anbieten (oder auch einer Auswahl aus verschiedenen Geräten, je nach Einsatzzweck). Die Praxistauglichkeit der Scanner im rauen Außeneinsatz wird dabei berücksichtigt werden. Zur nächsten Informationstagung in Siegen sollen die Software und geeignete Lesegeräte (evtl. auch im Rahmen eines Workshops) vorgestellt werden. Der Vertrieb wird direkt über die EDV-Firma erfolgen. Für Mitglieder des Deutschen Sprengverbands wird es Sonderkonditionen geben. Besondere Aufmerksamkeit wird bei Auswahl der EDV-Firma auf das Angebot einer Hotline gelegt werden, damit bei Fragen und Problemen kurzfristig ein Ansprechpartner zur Verfügung steht. Anschrift der Autoren: Manfred Dax sprewa Sprengmittel GmbH Johannes-Weinberger-Straße Nördlingen Jörg Rennert Dresdner Sprengschule GmbH Heidenschanze Dresden 4.2 Umverpacken von Explosivstoffen - Händlerversion Händler, Vertriebsstellen, aber auch Sprengunternehmer, die z. B. Sprengmittel für Baustellen zusammenstellen, müssen Sprengstoffe und vor allem Zünder neu verpacken. 14 SPRENGINFO 32(2010)2
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