Prüfung der Gleisgeometrie mit dem Messsystem Krabbe

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1 Eisenbahnvermessung Prüfung der Gleisgeometrie mit dem Messsystem Krabbe Eine flexible Alternative zu den Messzügen der DB Netz AG. Abb. 1: Gleisgeometrische Prüfung Midi-Pyrénées, Frankreich Daniel Heußler Die Sicherheit im Schienenverkehr beginnt mit dem Wissen über mögliche Schwachstellen. Eine Schwachstelle stellt unter an- derem die Abnutzung des Gleisrostes aber auch sämtliche Alterserscheinungen am Oberbau dar. Um diese Schwachstellen frühzeitig kenntlich zu machen, werden Gleisanlagen zum Teil mit Messzügen und anderen Prüffahrzeugen befahren. Abb. 2: Zulassungsverfahren, Prüf- und Kalibrierstelle, Chemnitz 2 Der wirtschaftliche Einsatz von Messzügen zur Messung der Gleisgeometrie setzt eine große Messleistung bei einer vergleichsweise hohen Messgeschwindigkeit voraus. Für kurze Streckenabschnitte sind diese Systeme zu teuer und unflexibel. Zudem steigt der Planungs- und Koordinierungsaufwand mit der Anzahl zu messender Kurzstrecken erheblich an. Der Kleinmesswagen Krabbe wurde von der Firma KZV s.r.o in Prag als Ergänzung und als Ersatzmessung für Messzüge konzipiert und gemeinsam mit dem Ingenieur- und Vermessungsbüro Ruzicka GmbH (IVR GmbH) für den deutschen Markt sowie die Zulassung bei der DB Netz AG weiterentwickelt. Der Vorteil des Gerätes liegt insbesondere beim flexiblen und schnellen Einsatz sowie der einfachen Handhabung. Die geometrische Gleislage wird ohne umfangreiche Vorbereitungen auf anwenderfreundliche Art ermittelt und kann auch während der Zugpausen erfolgen (Abb. 1). Das Einsatzgebiet auf Hauptstrecken beschränkt sich derzeit überwiegend auf Ersatzmessungen nach Ausfall oder Fehlmes-

2 sungen von Messzügen. Auf Neben- und Bahnhofsgleisen können die Bahnanlagen entsprechend den gängigen Richtlinien der DB Netz AG oder Nebenbahnen aufgenommen und ausgewertet werden. Hierzu zählen auch Industrie- und Hafenanlagen. Entwicklung und Zulassung Die erste Idee zur Entwicklung eines anwenderfreundlichen und einfach zu handhabenden Kleinmesswagens für die Prüfung der inneren Gleisgeometrie entstand ca. im Jahr Ausschlaggebend waren die Grundlagenüberlegungen für die Herstellung mathematischer Algorithmen und Filter. Basierend auf der Wellentheorie [1], deren Einsatz die Abbildung der jeweiligen Gleisparameter als ein Gesamtsignal einzelner, zusammengesetzter, sinusförmiger Wellen möglich macht, erfolgte der Bau eines einfachen, kompakten Gerätes mit einer kleinen primären Messsehne. In der anschließenden Auswertung war es nun möglich die Messwerte auf die gewünschte bzw. geforderte Sehnenlänge entsprechend den Wünschen des jeweiligen Bahnbetreibers umzurechnen. Im Rahmen des Zulassungsverfahren in Deutschland (Abb. 2) wurde das Gerät an die Bedingungen der DB Netz AG angepasst und für den Einsatz auf deren Streckennetz vorbereitet. In verschiedenen Messungen wurde das Messsystem Krabbe etablierten Messsystemen wie Messzügen, Stopfmaschinen, aber auch Handmessungen gegenübergestellt und die Übereinstimmung mit dem geltenden Regelwerk geprüft (Abb. 3) erfolgte die DB-Anwenderfreigabe für die Ausführung Krabbe gem. Ril Oberbau inspizieren Prüfen der Gleisgeometrie mit Gleismessfahrzeugen und Ril Oberbauarbeiten beurteilen und abnehmen; Gleisneu- oder Gleisumbau abnehmen für den Bereich der DB Netz AG [2]. Abb. 3: Zulassungsverfahren, Gegenüberstellung Messverfahren, Enzberg Gemessene geometrische Größen Unterscheidbarkeit Genauigkeit Bereich2) Längshöhe (Wellenlänge 1 25 m) ± 0,7 mm mm Richtung (Wellenlänge 1 25 m) ±1,0 mm ±25 mm Spurweite ±0,5 mm1) mm Spurweite, Änderung auf 1 m ±0,5 mm - Überhöhung (relativer Wert für Vw) ±0,7 mm3) - Überhöhung (Absolutwert) 0,2 mm ±1,0 mm ±180 mm Verwindung (jede Basis) ±0,7/ℓ3) ±13 mm 1 mm 1 unbeschränkt Strecke 1) enthält Einflüsse durch Temperatur 2) 3) Bereich der primären gemessenen Daten 3) Verwindungsarm Tab. 1: Gemessene geometrische Größen [3] Technik und Software Gemessene geometrische Größen Der Kleinmesswagen Krabbe ermöglicht die kontinuierliche Aufnahme und Auswertung von Spurweite, Gegenseitige Höhenlage, Verwindung, Gleisrichtung und Längshöhe des linken und rechten Schienenstranges (Tab. 1). Wagenkonstruktion Die Grundkonstruktion des Wagens ist im ausgeklappten Zustand T -förmig und besteht aus einer Aluminiumlegierung mit einzelnen Stahlelementen (Abb. 4). Die Sensoren zur Messung der jeweiligen geometrischen Größen sind an einer thermisch entkoppelten Teleskopachse angebracht. Für die hohe Beanspruchung der Radflä- Abb. 4: Kleinmesswagen im Gleis, Messung, Ettlingen 3

3 Eisenbahnvermessung chen wurden spezielle Wagenräder entwickelt, die über eine Edelstahl Lauffläche verfügen, gleichzeitig aber in sich elektrisch isoliert sind. Der Wagen ist zusammenklappbar und leicht transportabel (Abb. 5). Eine sichere Durchfahrt des Wagens durch die nicht geführte Stelle eines Herzstücks in der Weiche ist mit Hilfe einer Arretiervorrichtung möglich. Wesentliche Funktionsweise Abb. 5: Aufbau des Kleinmesswagens, Enzberg Beurteilungskriterien Bezugswert 2 bis 3 min Einrichten und Starten einer Messung bis 1 min Leistung in Schrittgeschwindigkeit 1000 m 8 bis 15 min1) Leistung Angehängt (15 bis 20km/h)3) 1000 m 4 bis 10 min1) Personaleinsatz / Handhabung Aus- Einsetzen des Kleinmesswagens 1) Zeitwert Auf- bzw. Abbau des Kleinmesswagens 2 Personen unter 10 sec2) Abhängig von der Eingabe von Ereignissen (Bezugspunkten) 2) Im Notfall unter 5 sec 3) Nicht bei DB Netz AG Tab. 2: Betriebsbedingungen Abb. 6: Messung Inselbahn 1000 mm, Insel Wangerooge 4 Die wesentliche Funktionsweise gliedert sich in zwei Bereiche. Zum einen erfolgt die Aufnahme der Daten mit dem Kleinmesswagen im Gleis. Hierbei werden die geometrischen Größen im Bezug auf die Wagengeometrie auf dem PDA gespeichert und während der Messung für den Anwender graphisch dargestellt. Somit ist es dem Anwender vor Ort möglich die Gleisgeometrie im Bezug zu den geltenden Toleranzwerten zu beurteilen. Im zweiten Schritt werden die aufgenommenen Daten auf einen PC übertragen und mit der hierfür entwickelten Software ausgewertet. Die Software ermöglicht die Berechnung und Darstellung der Messergebnisse entsprechend den gängigen Richtlinien bzw. den jeweiligen Kundenwünschen. Darüber hinaus bietet die Software weitere Möglichkeiten den gemessenen Streckenabschnitt zu bewerten. Hierzu gehören die Vergabe einer Qualitätsnote, die Darstellung des Streckenverlaufs im Aufriss mit graphischer Darstellung der Fehler, eine Einzelfehlerauswertung, den Vergleich von Messungen, etc. Durchführung der Messung und Betriebsbedingungen Die Durchführung der Messung erfolgt ohne umfangreiche Vorbereitungsmaßnahmen. Nach dem Aufklappen des Kleinmesswagens (Abb. 5) kann der Wagen bereits ins Gleis gesetzt werden. Die Flexibilität und die anwenderfreundliche Handhabung des Gerätes ermöglichen den Einsatz unter zeitlich begrenzten Rahmenbedingungen wie z. B. in Sperrzeiten bzw. während Zugpausen (Tab. 2). Vor Beginn jeder Messung muss in der Mess software die Fahrtrichtung des Wagens, der Anfangskilometer, die Richtung der Kilometrierung sowie eine Messbeschreibung mit Bezug zur Strecke eingegeben werden. Um die Messwerte vor Ort zu verfolgen, kann der Anwender während der Messung zwischen verschiedenen graphischen oder numerischen Anzeigen wählen. Hierbei führt das Messprogramm eine laufende Kontrolle der geometrischen Größen durch und gibt eine optische Warnung beim Überschreiten der vom gewählten Geschwindigkeitsbereich abhängigen, zulässigen Toleranzwertwerte.

4 Der Benutzer hat die Möglichkeit während der Messung Bezugspunkte zu verschiedenen Einbauten und Bauwerken Ereignisse wie z. B. Bahnübergang, Weichenanfang, Brücken, Mast, etc. zu definieren. Die Ereignisse können aus einer Liste entnommen werden oder nach Bedarf vor Ort definiert werden. Bei Bedarf hat der Anwender die Möglichkeit die Messfahrt (z. B. wegen durchfahrender Züge) zu unterbrechen und das System in die Betriebsart Pause mit Mindeststromverbrauch zu setzen. Anschließend kann die Messung an der gleichen Stelle fortgesetzt werden. Die Praxis Gemäß dem geltenden Regelwerk der DB Netz AG ist der Ist-Zustand der Oberbauanlagen durch Inspektionen festzustellen. So ist unter anderem im Rahmen der Inspektion des Oberbaus auch die Gleisgeometrie nach den in der Richtlinie festgelegten Prüfbedingungen zu prüfen [4]. Im Anlagenbereich von DB Netz kommt die Krabbe in Verbindung mit der Richtlinie 821 überwiegend bei Regelinspektionen und Ersatzmessungen zum Einsatz. Insbesondere in Bahnhöfen oder Rangieranlagen, wo auf ein- und ausfahrende Züge bzw. auf Rangierfahrten Rücksicht genommen werden muss, wird das Gerät eingesetzt, da es jederzeit für eine Durchfahrt ausgesetzt werden kann. Neben dem Einsatz auf Haupt- und Nebengleisen in Regelspur, können auch Sonderspurweiten befahren werden. Ein Beispiel hierfür ist die Inselbahn auf Wangerooge, die als einzige Bahn mit einer Spurweite von 1000 mm der DB Netz AG unterstellt ist (Abb. 6). Aufgrund des unproblematischen Transportes mit einem Pkw und der einfachen Überführung mit dem Schiff wird das Messsystem auf der Insel für die Regelinspektion eingesetzt. Im Zusammenhang mit der Abnahme von Gleisen nach Umbauarbeiten ist bei der DB Netz AG die Einhaltung der Abnahmebedingungen (Einhaltung der SR0-Werte) für die Gleisgeometrie gemäß Ril festzustellen [5]. In diesem Fall wird das Gerät zu Freigabemessungen unter Einbeziehung der Abnahmewerte hinzugezogen. Nach der Befahrung mit dem Gerät kann die Bauüberwachung anhand der Messdaten sofort vor Ort entscheiden ob die Gleise freigeben werden können. Durch die schnelle Bereitstellung der Messdaten steht mehr Zeit für die eigentliche Baumaßnahme, bzw. für eventuelle Korrekturen zur Verfügung. Bei Baumaßnahmen die im Einwirkungsbereich von Gleisanlagen liegen und Einfluss auf die Gleislage haben, ist die Gleisgeometrie regelmäßig zu überprüfen. Je nach Abb. 7: Messung während Baumaßnahme, Blankenberg Abb. 8: Messeinheit Saarbahn, Saarbrücken Abb. 9: Messung Ajaokuta Warri, Nigeria Quelle: KZV r.s.o; IVR GmbH 5

5 Eisenbahnvermessung Baumaßnahme und Intensität der Einwirkungen können die Nachweise mehrmals täglich gefordert werden. Die Ausfertigung dieser Nachweise mit herkömmlichen Mitteln wie der klassischen, terrestrischen Vermessung bindet Personal des ausführenden Bauunternehmens und ist sehr aufwendig. Abb. 7 zeigt ein Beispiel einer solchen Baumaßnahme in der zur Erhöhung der Standsicherheit von Dammschüttungen unter anderem Pfähle aus Geo textilsäcken hergestellt wurden. Hierzu wurden bis zu einer Tiefe von 20 m Stahlrohre im Dammbereich eingerammt und anschließend wieder gezogen. Sämtliche Arbeiten erfolgten bei einseitigem Bahnbetrieb. Die Rüttel- und Rammarbeiten hatten massiven Einfluss auf die Lage des Betriebsgleises, so dass von Seiten des Bauherrn umfangreiche Überwachungen der Gleislage gefordert wurden. Im Rahmen dieser Überwachung wurde das Messsys tem Krabbe eingesetzt. Auf Grundlage der Messergebnisse konnten Veränderungen der Gleislage in kürzester Zeit direkt dargestellt und dokumentiert werden, um so ggf. Maßnahmen zur Korrektur der Gleislage treffen zu können. Der Einsatz im Bereich der privaten und kommunalen Bahnbetreiber erfolgt in gleicher Weise wie bei der DB Netz AG. Hier sind es überwiegend Straßenbahnen sowie Regional- und Museumsbahnen bei denen der Kleinmesswagen Verwendung findet. Der öffentliche Personennahverkehr erfordert zusätzliche Anpassungen an das Gerät. Insbesondere die engen städtischen Verhältnisse mit den kleinen Radien, sowie andere Schienenformen müssen in der Gerätekonstruktion berücksichtigt werden. Darüber hinaus kommen Sonderkonstruktionen wie z. B. bei der Saarbahn in Saarbrücken zum Einsatz, wo das Gerät mit einem Zweiwegefahrzeug geschoben wird (Abb. 8). Die offene Software ermöglicht es sich leicht auf die Belange und Richtlinien des jeweiligen Netzbetreibers einzustellen. Insbesondere die Europäische Normung [6] [7] wurde in der Programmierung eingearbeitet. Zusammen mit der einfachen Logistik ist auch der problemlose Einsatz des Gerätes im Ausland möglich. Ein Beispiel hierfür war die Prüfung von ca. 250 km Gleisanlagen in Nigeria. Hierfür wurde der Kleinmesswagen im angehängten Zustand mit ca. 15 km/h gezogen (Abb. 9). Zusammenfassung und Ausblick Prüfgeräte zur Erfassung der geometrischen Gleislage wie der Kleinmesswagen Krabbe leisten ihren Beitrag zur Instandhaltung von Gleisanlagen. Fünf Jahre Einsatz bei der DB Netz AG haben gezeigt, dass die erwartete hohe Beanspruchung der Technik aufgrund der regelmäßigen Einsätze an unterschiedlichen Orten durch die robuste Ausfertigung der Geräte sehr gut bewältigt wird. Die Zuverlässigkeit und Wiederholgenauigkeit sowie die anwenderfreundliche Handhabung haben in der Praxis überzeugt. Neben den Messzügen steht nun ein System zur Verfügung, welches auf einfache Weise die geometrische Gleislage in Abstimmung mit den Prüfbedingungen der gängigen Richtlinien überprüft. Auch in Zukunft werden zur Erfassung un- Summary terschiedlichster Parameter einfache und handliche Geräte gefordert sein. Hierzu ist die neuste Generation des Kleinmesswagen Krabbe als Plattform zur Kombination verschiedener Mess- und Prüfeinheiten ausgelegt. Welche Einheiten sinnvoll kombiniert werden, wird in enger Zusammenarbeit mit der Praxis geschehen, um weiterhin ein anwenderfreundliches und einfaches Gerät anbieten zu können. Literatur [1]: KZV s.r.o., IVR GmbH: I. Theoretische Grundlagen, in: Technische Dokumentation Kleinmesswagen Krabbe [2]: Deutsche Bahn AG/DB Systemtechnik: Messtechnische Typfreigabe, in: Mobility Networks Logistics [3]: KZV s.r.o., IVR GmbH: II. Bedienung und Instandhaltung, in: Technische Dokumentation Kleinmesswagen Krabbe [4]: DB Konzern: Oberbau inspizieren, in: Ril 821 der DB Netz AG [5]: DB Konzern: Oberbauarbeiten durchführen, in: Ril 824 der DB Netz AG [6]: European Standard: EN 13231, in: Railway applications - Track Acceptance of works [7]: European Standard: EN 13848, in: Railway applications / Track Track geometry quality part 1 and part 2 Dipl.-Ing. (FH) Daniel Heußler Geschäftsführer Ingenieur- & Vermessungsbüro Ruzicka GmbH, Malsch daniel.heussler@ivr-gmbh.de 6