Predigtreihe Bibel und Märchen: Der Fischer und seine Frau und der Sündenfall (Predigt vom 15. November 2015)

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1 Predigtreihe Bibel und Märchen: Der Fischer und seine Frau und der Sündenfall (Predigt vom 15. November 2015) 1. Kurzfassung Der Fischer und seine Frau Es isch emal en Fischer und sini Frau gsii, wo im ene alte Topf glebt händ, nöch bim Meer. Dä Fischer isch jede Tag go fische und er hät gfisched und gfisched und gfisched er isch am Meer gsesse und gsesse und gsesse. Eines Tages hät er en Butt gfange. Dää Butt hät ufs Mal aagfange rede und hät gseit: Lass mich bitte frei, ich bin en verwunschene Prinz. Da hät ihn dä Fischer wieder frei glaa. Dä Butt isch dävo gschwumme und hät en lange Streife Bluet hinter sich her zoge. Dä Fischer isch wieder hei gange zu sinere Frau in alte Topf. Häsch nüt gfange, hät sini Frau Ilsebill fröged. Nei, ich han en Fisch gfange, wo gseit hät, er seigi en verwunschene Prinz, da han isch ihn wieder schwümme laa. Häsch dänn du dir nüüt gwünscht? Nei, hät dä Maa gantwortet, was söll ich mir dänn wünsche? Ach, das isch doch klar, es isch doch schlimm i däm alte, ecklige, stinkige Topf z wohne, du hättisch dir e chliini Hütte chöne wünsche Gang nomal hii und rüef dä Fisch und säg ihm, dass mir gern e chliini Hütte hetted. Ach, was söll ich daa no hiigah, hät dä Maa g antwortet. Er hät nöd welle gah, aber zum sinere Frau nöd z wider zsii isch der doch gange. Und so nimmt s Schicksal sin Lauf - wahrschinli kenned Sie ja diä Gschicht. Sechsmal gaht dä Maa zum Meer, jedesmal gege sin Wille, aber em Wunsch vo sinere Frau entsprechend und immer seit er di bekannte Wort: "Manntje' Manntje, Timpe Te, Buttje' Buttje in der See, Meine Frau, die Ilsebill, Will nicht so, wie ich gern will." Und jedesmal taucht dä Fisch uuf und frögt, was denn d Ilsebill wett. Jedesmal seit dä Fisch, er sölli nume z rugg gah, dä Wunsch seigi scho erfüllt. S erschtmal chömed sie tatsächlich e chliises Hüüsli mit eme Bänkli devor über, wo sie drinn chönd lebe. Dä Fischer isch sehr z friede demit: So söll s bliibe, seit er, jetzt wänd mier recht vergnüegt lebe. Nach eme Ziitli aber will d Ilsebill meh. Ihre wird das chline Paradies z eng und z chlii.

2 Und so üssered d Ilsebill di nächschte föif Mal, mal immer schneller, immer überstürzender ihri Wünsch, wo ihre Maa em Fisch söll vorbringe. Zerscht wott sie im ene Schloss lebe, dänn will sie König werde, dänn Kaiser, dänn Papst. Aber au mit dem isch d Frau nöd z friede. Sie denkt sich uus, wie s wäri, wenn sie chönti Sunne und Mond uufgah laa und so schickt sie ihre Maa es sechts Mal zum Butt und seit: Säg ihm, ich will werde wie Gott. Dä Fischer seit: Aber das gaht doch jetzt würkli nööd, das chan doch dä Butt nöd. Da raschtet d Ilsebill uus, wird zur Fuurie und tobed umenand. So gitt schliesslich dä Fischer au zum 6. Mal naa und gaht zum Fisch: Es 6. Mal seit er: "Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje' Buttje in der See, Meine Frau, die Ilsebill, Will nicht so, wie ich gern will." "Und, was will sie denn?" frögt dä Fisch. "Ach", seit dä Mann, "sie will werde wie dä liebi Gott." Da seit dä Fisch: Gah' nume hin, sie sitzt schon wieder im alten Topf." Deet sitzed di beide no bis uf dä hüttig Tag. 2. Predigt Liebe Gemeind Wie n ich aafangs scho aatönt ha, wett ich ei Frag is Zentrum stelle, wenn ich d Gschicht vo Adam und Eva und das Märli mitenand in Beziehig bringe. Nämli: Wärum nimmt d Eva vo dere Frucht, obwohl s ihre so sunneklar isch, dass Gott das nöd wott, sie ja sogar mit ihrne eigete Wort das Verbot no verstärkt? Fanged mer bi dä beide Uusgangslage vom Määrli vom Fischer und sinere Frau und vo dä Gschicht vo Adam und Eva aa. Uf der erschti Blick sind diä Uusgangslage sehr verschiede: S Fischerehepaar lebt im ene alte Topf - Adam und Eva lebed im Paradies. Das isch uf dä erschti Blick nöd s Gliiche. Mer chönti aber au säge: Beide Päärli lebed i überschaubare Verhältnis, i dene alles schön g ordnet isch. Dä Alltag isch schön brav greglet, aber au es bitzeli erreignislos, zum nöd säge langwillig. So immer im Paradies umehocke, wo eim alles gliefered wird, das mag ja es Ziitli lang schön sii, aber mit diä Jahre doch echli eitönig?! Eitönig isch au em Fischer sini Tätigkeit. Im Määrli heisst s wörtlich: Er angelte und angelte, er sass und sass. Eso uuffallendi Wiederholige lönd ufhorche:

3 Das tönt nach eme ziemlich matte Lebe, nach Ziit Totschlah, nach eme ziemlich erstarrte Dasii. Es passiert nüüt im Lebe, es passiert nüüt i dä Beziehig. Das schiint d Uusgangslaag vo Adam und Eva und au vom Fischer und sinere Frau z sii. Bis plötzlich es Tier, es sprechends Tier, beides mal, uuftaucht! E Schlange bi Adam und Eva, en Butt im Määrli. Und das Tier veränderet s Lebe, veränderet d Beziehig vo dä Beteiligte. Wie söll mer das Uuftauche vo dene Tier düüte? Was hät s mit dene Tier uf sich? Symbolisch betrachtet, begegnet dä Eva und em Fischer mit dem Tier en Teil vo sich selber, vo ihrem eigete Wese: En Aateil a ihne, wo ihne bis jetzt nöd bewusst gsii isch. So wie n e bisher-verborgeni-inneri Stimm, wo jetzt plötzlich nach usse projiziert wird und sich z Wort meldet. Bim Fischer seit diä Stimm: Ich bin en verwunschene Prinz. Mier chönd das ganz wörtlich nää: Dä Fisch staht für öppis, wo bisher tüüf im seelische Untergrund, Urwasser gsii isch, und jetzt a d Oberflächi vom Bewusstsii, a d Wasseroberflächi uufstiigt. Verwunsche heisst ja wörtlich: öppis, wo n ich bis jetzt immer weggwünscht, weggschobe, mir selber verbote, mir selber nöd iigestande han und das meldet sich jetzt. Will heisse: Dä Fischer würkt nume so wunschlos glücklich, well er sich i sim bisherige Lebe all sini Wünsch nach Glück verbote, verwünscht hät. Plötzlich stönd ihm sini Träum, sini unglebte Möglichkeite, sini Sehnsücht vor Auge. Bis jetzt hät er kei Ahnig ghaa devo, well er sie immer tüüf im Abgrund vo sinere Seel abedrängt hät. Du bisch zu meh bestimmt, als dä ganzi Taag da sitze und sitze und fische und fische. Du dörfsch din Horizont erwiitere, du dörfsch Nöis uusprobiere, seit diä Stimm. Was macht dä Fischer mit dere Stimm? Er schickt sie deethin zrugg, wo sie her cho isch. Er unterdrückt grad wieder alles, wo sich da i ihm gregt hät. Dä Fisch schwümmt i d Tüüfi und zieht en lange Streife Bluet hinter sich her. Was isch ächt mit dem lange Streife Bluet gmeint? Das Unterdrücke vo dere Stimm, wo sich meldet, isch öppis ziemli Gwaltsams. Viellicht isch es tatsächlich öppis typisch Männlichs, dass Manne mit so Regige i sich selber, sehr härt chönd sii. Ja kei Gfühl zeige, streng sii mit sich selber. Dä Fischer isch quasi dä Prototyp vo Manne, wo mit Angscht, mit Abwehr, mit Disziplin, mit gwaltsamer Unterdrückig uf das reagiered, wo ihne bewusst wird, wo i ihne wott lebe. Wer sich i dä Männerforschig echli uuskennt, wird dem zuestimme, dass das vieli Manne mached nöd alli - und es gitt au Fraue, wo so mit sich umghönd...!

4 Dä Fisch, bzw. d Schlange bi Adam und Eva isch ja oft au als Personifizierig vom Tüüfel düütet worde. Diä Düütig isch sowohl biblisch als auch rein sachlich schlicht falsch. Das Vertüüfle vo dä Schlange isch minere Meinig naa irrefüerend, bzw. es isch genau dä gliichi Vorgang, wie dää, wo n ich grad beschriebe han. S Geheimnisvolle, s Reizvolle, aber au s Beängstigende z dämonisiere, z vertüüfle, das isch genau wieder diä Abwehrreaktion. Und das isch viel eifacher als sich dem stelle und sich mit ihm usenandzsetze. Wenn mer gnauer anelueged, dänn lügt nämli d Schlange nöd. Sie seit haargenau d Wahrheit, chan genau voruussäge, was wird passiere. Sie isch kei tüüflischi Figur. Und wenn eifach dä Tüüfel dä Urheber vo allem Böse i dä Welt wäri, dänn würdet mir s öis echli gar eifach mache. Dä Mensch wäri dänn chli gar eifach us em Schniider. Es würdi ihn kei Verantwortig treffe er chönti immer säge: D Schlange, dä Tüüfel isch d Schuld, ich chan nüüt defür. Sooo eifach chönd mier s öis nöd mache! Ebeso wiä dä Butt ein Wesensaateil vom Fischer isch, so isch d Schlange en Wesensaateil vo dä Eva. Am Baum vo dä Erkenntnis füehrt sie also en Art es Selbstgspräch. Sie fangt aa über ungahnti Handligsmöglichkeite, über unglebti Spielrüüm i ihrem Lebe naaz denke. Aber kehred mer z rugg zum Fischer. Dä Fischer verzellt sinere Frau vo dä Begegnig mit em Butt. Im Vergliich zu ihm, wo sich mit sim ereignislose Daasii z friede gitt, regt sich i sinere Frau öppis. D Ilsebill hät Träum, Phantasie, Idee, wie s Lebe anderscht chönti uusgseh. Sie forderet eigentlich genau das ii, wo n er ebeno grad erfolgriich verdrängt hät. Am Fischer muess es vorchoo, als würdi dä sprechendi Fisch ihm in Gstalt vo sinere eigete Frau scho wieder gegenübersta! Und wie gaht dä Fischer mit dä Wünsch vo sinere Frau um? Er wendet wieder di gliichi Strategie aa wie i dä Begegnig mit em Fisch: nämli Vogelstrauss-Politik, Scheuklappen-Politik. Z erscht will er nüüt devo wüsse, nomal zum Fisch z rugg z gah: Vogelstrauss-Politik, Stufe 1. Wo n er aber merkt, dass sini Frau hartnäckig isch, gitt er naa em Friede z lieb. Er isch nöd bereit, in en Dialog mit sinere Frau z trete, Er isch so willensschwach, dass er immer wieder naagitt. Im Märli heisst s wörtlich: Er wollte nicht, er sagt zu sich selbst: das ist nicht recht, ging aber doch. Vogelstrauss-Politik, Stufe 2. Lieber em Konflikt us em Weg gah. Interessanterwiis hät dä Fischer im Vergliich zu sinere Frau im Määrli kein Name. Das isch wohl chuum en Zuefall. Es isch en Maa, mit chuum ere eigete Identität, chuum eme eigete Wille, eme eigete Charakter. Echli härt gseit isch er en Feigling.

5 Er mag en guete Fischer, en guete Ernährer sii, en brave Maa si. Aber öppis isch er gwüss nöd: en gliichwertige Partner für sini Frau. Genau das isch es wahrschinli, wo sich d Ilsebill am allermeischte wünscht: En echte Partner! Sie wott meh vom Lebe als immer nume i dem alte Topf hocke. Aber sie wott v.a. en Maa, wo ihre standhalte tuet, wo sini Träum und Wünsch vom Lebe ernscht nimmt, wo au ihri Träum ernscht nimmt. Wer sini eigeni inneri Stimm so gwaltsam unterdrückt, dä unterdrückt au d Träum und d Wünsch von sim Partner! Schlimmer no: Er seit ja i dem Määrli immer wieder notorisch: Jetzt wänd mier aber zfriede sii, es söll so bliibe, jetzt wänd mier öis aber nüüt meh wünsche. Dur das notorische Bremse, provoziert dä Fischer sini Frau erscht recht. Sini absoluti Wunschlosigkeit stachlet ihri Wunschphantasie nume immer no meh aa. Sini völligi Identitätlosigkeit füehrt uf dä Siite vo sinere Frau dezue, dass diä e Super-Identität wott uufbaue, wott wie Gott werde. Beidi mached en entscheidene Fehler, ohnis z merke. Öpperem immer alles welle recht mache, isch mängisch genau s Falsche das isch siin Fehler. Und ihre Fehler isch: Anstatt ihre Maa zur Reed z stelle und ihm emal is Gsicht z säge, was sie eigentlich von ihm will, verlagered sie ihri Sehnsucht i allerlei Üsserlichkeite, i materielli Wünsch. Nüüt isch eifacher, als e Beziehigsleeri z übertünche mit Konsumruusch! Statt menschlicher Erfüllig strebt d Ilsebill nach göttlichem Gehabe. Hinter dä Ilsebill ihrere Gier steckt nöd dä Tüüfel, sondern sie isch im ene Tüüfelschreis, sie beidi sind im ene Tüüfelschreis gfange: Wer kei Wünsch as Lebe und an e Partnerschaft hät, isch genauso verantwortlich wie dää- oder diejenig, wo z viel erwartet. Für mich isch genau dää Tüüfelskreis dä Schlüssel, zum Verstaa, was im Garten Eden mit dä Eva passiert, was mit de beide Mensche passiert, zum uf mini Uusgangsfrag zruggz cho. Au im Garte Eden isch dä Adam, ähnlich wiä dä Fischer ohni Name, sehr konturelos. Er redt chum. Wo d Eva ihm die Frucht aabüütet, heisst eifach: Und er ass. Ich stell mir vor: Wie n es Chind, wo brav isst, was s Mami ihm uf dä Teller setzt: Wortlos, fraglos, wunschlos. Dä Adam schwigt, er macht, was frau ihm unter d Nase hebt. I dem Verhalte erkennt mer em Fischer sis Gebahre wieder. Es typisches Verhalte, wo vieli Mensche, tendenziell eher Manne, an Tag leged, ich red us eigeter Erfahrig, es söll sich niemer aagriffe fühle. Nume nöd z viel rede, suscht gitt s wo möglich no Striit mit dä Frau. Am beste, ihre alles recht mache, dänn isch sie z friede g stellt und es gitt kein Grund für sie, sich z beklage...! Debi wetti d Frau, d Ilsebill, d Eva, jedi Frau, nume öppis: EIN grosse Herzenswunsch hät d Frau:

6 Sie wetti i vo ihrem Maa i dä Tüüfi vo ihrer Person bejaht und anerchennt werde. Bis en Partner für mich. Bekenn dich zu dir selber, unterdrück nöd ständig, was du eigentlich bisch und chasch. Du muesch nöd eifach das mache, was ich dir säge, du muesch nöd alles is Muul stopfe, was ich dir i d Hand drucke. Was bruuchts damit di beide, Maa und Frau, wo beidi i ihrem Muster gfange sind, beidi uf ihri Art mitverantwortlich sind, us dem sich gegensiitig aatriebende Tüüfelschreis chönd uusstige? D Lösig i dä Bible isch d Vertriibig us em Paradies. Normalerwiis lueged mier das als öppis Schlimms aa. Ich glaube, es isch s Beschte wo Gott hät chöne mache. Im Paradies wäred Adam und Eva chuum motiviert gsii, zum en gmeinsame Entwickligsschritt zmache. Nume usserhalb vom Paradies gits so öppis wie Wachstum oder Wiiterentwicklig. Zu dem Lebe usserhalb vom Paradies git s zwei chliini, aber sehr tröschtlichi Randnotize und da demit chum ich zum Schluss: 1. Gott staht au usserhalb vom Paradies zu dä Mensche, er laat sie nöd eifach g heie. Er macht de beide e passendi Chleidig, Fell und Röck zieht er ihne aa. Er stattet sie quasi uus mit Profichleidig - vorher händ sie ja nume Fiigeblätter ghaa, zum sich bedecke. Das isch doch sehr fürsorglich, d Mensche chönd also au uf d Zuewendig vo Gott usserhalb vom Paradies hoffe. Das isch doch sehr tröschtlich: mier sind uusgrüstet für das Lebe usserhalb vom Paradies, Gott gitt öis, was mier bruuched! 2. Und no e zweiti Randnotiz gitt Aalass zur Hoffnig. Im erschte Vers vo dä Bible, wo vom Lebe usserhalb vom Paradies handlet, heisst s: Adam erkannte seine Frau. Es chunt also so, wie s d Schlange versproche hät. Das isch kein Betrug oder so. Es isch im Grund gno genau das, wo d Eva sich gwünscht hät. Endlich g seht er sie, nimmt er sie wahr, chan uf sie iigah. Er fangt aa, Partner für sie z sii. D Vertriibig us em Paradies isch e Chance au für öis, hüt no. AMEN