Online-TV und das Long Tail -Phänomen verändern die Grundlagen der Rundfunkordnung

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1 426 MMR 7/2007 Dierking/Möller: Online-TV LAURA DIERKING / SIMON MÖLLER Online-TV und das Long Tail -Phänomen verändern die Grundlagen der Rundfunkordnung ƒ x Q > fl " œ 7 > " G " fl " G ˆ Œ œ S G Q > x S G ˇ % 8 œ ı x L Œ G S " ı 6 > œ Œ G fi ı fl " œ ß G % ı ı " Œ 1 " ı ˆ Œ œ S G Q > x S G " œ " Œ Q > " Œ ı S " œ ı " S fl x 8 " Œ ı " ı W + % ı 1 7 x Œ L x œ! " S > " œ x 8 G 8 Œ L fl " ı fl w > w " Œ ı " ı ı " 8 " ı x œ! S fl " œ V % œ R Œ " 1 " ı fl x 8 G ƒ Œ G Q > " ı u œ % fl 8! S " ı " G S " > S w ƒ x Q > fi ı fl " œ G % ı œ! " ı ı S ı Œ G G " ı R Œ œ fl x 8 Q > C " œ ı G " > " ı Œ ı S " œ ı " S fl " ı W + % ı 1 7 x Œ L " œ G Q > L Œ " " ı 8 ı fl fl % œ S 1 x ı ı " 8 " fi 8 G x " x ı a œ % fl 8! S V Œ " L x L S > " œ x 8 G Œ L fl " ı w «" 1 " 1 " ı ß F " œ > x S fl x G n " œ G " Œ ı " ( % ı " u S Œ % ı fl " œ l 8 ı fl 8 ı! œ " Œ ß > " Œ S V % œ x L L " x ı fl Œ " W 4 % ı fl " œ G Œ S 8 x S Œ % ı fl " G l 8 ı fl 8 ı! G x ı 1 "! ı F u S fl Œ " G Œ Q > x 8 G S " Q > ı Œ G Q > " ı 8 ı fl R Œ œ S G Q > x S ß L Œ Q > " ı 1 u A G G " ı " œ 1 Œ S 8 ı fl 8 " Œ ı " x ı 1 " L x ı n Œ " L x L S F > œ S w «" œ " Œ S œ x 1 8 ı S " œ G 8 Q > S Œ ı R Œ " " œ ı fl Œ " G " 4 % ı fl " œ G Œ ß S 8 x S Œ % ı F œ ı L Œ ı " " fl Œ " ı " ı S A L L S 8 ı fl R " L Q > " C % L 1 " ı fl Œ " G > x " ı! J ı ı S " w I. Einleitung Online-TV ist anders als klassishes Fernsehen. So viel steht fest. Doh worin diese Andersartigkeit besteht und wie sie sih auf das bestehende Rundfunksystem auswirken wird, ist noh ungewiss. Helfen kann hier die für den Bereih der Internetökonomie aufgestellte These des Wirtshaftsjournalisten Chris Anderson zum Long Tail -Phänomen. Danah neigen Internetmärkte dazu, einen langen Rattenshwanz an inhaltliher Vielfalt hinter sih herzuziehen. Der renommierte Herausgeber des US-Magazins Wired mahte die Beobahtung, dass im Internet auh Laura Dierking, LL.M., ist wissenshaftlihe Mitarbeiterinam InstitutfürInformations-, Telekommunikations- und Medienreht (ITM zivilrehtlihe Abteilung) in Münster. Simon Möller, stud. iur., ist Absolvent der ITM-Zusatzausbildung.

2 Dierking/Möller: Online-TV MMR 7/ Produkte mit geringer Nahfrage erfolgreih vermarktet werden können, weil ein Großteil der sonst üblihen Lager- und Vertriebskosten niht anfällt. Onlinehändler ershließen deshalb einen neuen Markt, der vollständig aus Nishenprodukten besteht: den Long Tail. Anderson beobahtet diese Entwiklung in ganz vershiedenen Bereihen aber in keinem Bereih so umfangreih wie beim Fernsehen, dem er ein ungeahntes Ausmaß an Pluralität prophezeit. Demgegenüber hat das BVerfG seine Interpretation der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG an ein bestimmtes Bild des Rundfunks angeknüpft: In seinen Urteilen 1 beshreibt es Fernsehen als eine Mediengattung, die in ihrer Vielfalt von hohen Herstellungs- und Vertriebskosten beshränkt ist und die gebunden an ein knappes Frequenzspektrum starken Konzentrationstendenzen unterworfen ist. Viele dieser Annahmen lassen sih auf den Onlinebereih jedoh niht übertragen. Die Form des Rundfunks, die das BVerfG in seinen Urteilen regelte, kannte keinen Long Tail -Effekt. Ausgehend von der Besonderheit des Onlinefernsehens muss daher das Rundfunkbild und mit ihm auh die Gestaltung einer effektiven Rundfunkordnung Veränderungen erfahren. II. Die Long Tail -Theorie Die Idee des Long Tail leitet sih aus Beobahtungen ab, die Anderson bei vershiedenen E-Commere-Unternehmen mahte: Viele dieser Konzerne erwirtshaften einen großen Teil ihres Gewinns mit Produkten, die von ihren Offline-Pendants niht angeboten werden. So sind z.b. etwa 25% der Büher, die der Internetbuhhändler Amazon verkauft, im herkömmlihen Buhhandel niht erhältlih. 2 Ähnlihes passiert bei Internethändlern aus allen Geshäftsfeldern. Online-Videotheken, Musikanbieter, das Onlineauktionshaus ebay: Alle generieren einen signifikanten Teil ihres Umsatzes mit Waren und Dienstleistungen, dieim herkömmlihen Offlinehandel niht erhältlih wären. Dies ist möglih, weil für digitale oder digital vermarktete (hybride) Waren kaum Lager- und Vertriebskosten entstehen; 3 so sinkt die Kostenshwelle, ab der ein Produkt noh gewinnbringend vermarktet werden kann. Onlinehändler können sih deshalb auf beides konzentrieren: die Bestseller auf der einen Seite die Nishenprodukte auf der anderen. All die Produkte, mit denen Onlinehändler Geld verdienen können, ihre Konkurrenten im analogen Bereih aber niht, nennt Anderson den Long Tail. III. Regeln des Long Tail -Marktes Der herkömmlihe Handel muss sih mit vielen Kosten auseinander setzen, die in digitalen oder hybriden Märkten niht bestehen: Transport- und Lagerkosten auf der 1) BVerfGE 12, 205; BVerfGE 31, 314; BVerfGE 57, 295; BVerfGE 73, 118; BVerfGE 74, 297; BVerfGE 83, 238; BVerfGE 87, 181; BVerfGE 90, 60; BVerfGE 92, ) Anderson, The Long Tail, 2007, S ) Anderson (o. Fußn. 2), S. 63 ff. 4) Anderson (o. Fußn. 2), S ) Anderson (o. Fußn. 2), S. 26; Amazon ist dabei als Beispiel noh zurükhaltend gewählt, vgl. ebd. 6) Anderson (o. Fußn. 2), S ) Anderson (o. Fußn. 2), S Anbieterseite, Suhkosten auf Kundenseite. Darüber hinaus begrenzen etwa die räumlihen Möglihkeiten eines Ladenlokals die Größe des Angebots. Im Ergebnis sind die Vermarktungskosten so hoh, dass nur ein sehr begrenzter Teil der tatsählih vorhandenen Produkte noh gewinnbringend abgesetzt werden kann. Produkte mit geringerer Nahfrage werden deshalb niht vermarktet. Aus diesen Vorbedingungen leitet sih die Regelmäßigkeit ab, wonah in fast allen Wirtshaftssparten 80% der Gewinne mit 20% der Produkte erwirtshaftet werden. Im Onlinehandel ist dies aber anders: Für rein digitale Produkte wie Musikdownloads entfallen die Distributionsund Lagerkosten fast völlig; bei hybriden Produkten sinken sie stark. Onlinehändler können also einen Markt ershließen, der hauptsählih aus Nishenprodukten besteht: den Long Tail. 4 Wirtshaftlih betrahtet führt dies zu einigen Neuentwiklungen, von denen hier nur die wihtigsten vorgestellt werden sollen: In einem Markt, in dem der Long Tail ershlossen wurde, ist das Angebot ungleih größer. Während z.b. eine herkömmlihe Buhhandlung etwa Büher führt, bietet der Internetbuhhändler Amazon a. 3,7 Mio. Titel an. 5 Long-Tail -Märkte sind Käufermärkte: Das Angebot übersteigt die Nahfrage deutlih. Die Preise liegen deshalb nah an den Kosten, die Gewinnmargen sind sehr gering. Trotzdem entstehen Marktlüken für Nishenanbieter: Mikro-Unternehmen, die ihren Umsatz nur mit Herstellung und Vertrieb oft nur eines einzigen hohspezialisierten Produkts generieren. Oft kann ein Nishenprodukt die Bedürfnisse eines Kunden besser befriedigen als das massentauglihe Produkt, das bisher als einziges erhältlih war. Daraus ergibt sih, dass die Nahfrage sih teilweise von der Spitze der Nahfragekurve zum Long Tail hin verlagert. Die Produzenten sind daher gezwungen, zumindest teilweise ihre Fixierung auf Bestseller aufzugeben. In einem Long-Tail -Markt zählen niht nur die einzelnen, sehr absatzstarken Produkte, sondern auh die Vielfalt des Angebots. Alles zusammen führt dazu, dass ein Long Tail -Markt ein Wirtshaftsbereih ist, der niht mehr von Vertriebsengpässen und -kosten verzerrt wird. Anderson definiert den Long Tail als Kultur, die niht von wirtshaftlihen Einshränkungen beeinflusst wurde. 6 Nah Andersons Ansiht hat kein Markt größeres Potenzial, seinen Long Tail zu ershließen als der Fernsehmarkt: 7 Das Fernsehen produziert mehr Inhalte als andere Medien und der Rest der Unterhaltungsindustrie. Jedes Jahr werden Originalprogramme in der Länge von geshätzten 31 Mio. Stunden produziert.... Darüber hinaus werden jedes Jahr 115 Mio. Videobänder für private Camorder verkauft. Die Menge der jedes Jahr produzierten Bildmedienprogramme ist shwindelerregend, aber nur ein winziger Teil ist uns zugänglih.... Nur ein winziger Prozentsatz der Sendungen wird an andere Sender weiterverkauft und ein noh geringerer Teil kommt später noh einmal als DVD in den Handel. Aus all diesen Gründen ist das Verhältnis zwishen produzierten Inhalten und verfügbaren Inhalten in der TV-Branhe höher als in jeder anderen Industrie. Andere Industrien produzieren vielleiht mehr Inhalte..., aber die sind dann auh viel leihter verfügbar.

3 428 MMR 7/2007 Dierking/Möller: Online-TV IV. Online-TV und das Rundfunkbild des Bundesverfassungsgerihts Bei der Frage, ob Online-TV als Rundfunk angesehen werden kann, ist zwishen dem in Art. 5 Abs. 1 GG vorausgesetzten verfassungsrehtlihen Rundfunkbegriff und dem einfahgesetzlihen Rundfunkbegriff etwa aus 2 RStV zu differenzieren. Dienste, die in massenkommunikativer Form Informationen an die Allgemeinheit übermitteln und dabei Einfluss auf die öffentlihe Meinungsbildung nehmen, unterfallen dem weiten verfassungsrehtlihen Rundfunkbegriff auh dann, wenn sie einfahgesetzlih kein Rundfunk sein sollten. 8 Demnah ist bei Internetmedien wie dem Onlinefernsehen die Rundfunkfreiheit anwendbar. 9 Die Rundfunkfreiheit ist in erster Linie als Programmautonomie der Rundfunkveranstalter zu verstehen. Gleihzeitig wird jedoh aus dem Grundreht die Pfliht des Staats abgeleitet, eine Rundfunkordnung zu gestalten, die eine freiheitlihe öffentlihe Meinungsbildung und dabei insbesondere Meinungsvielfalt garantieren kann. Dem liegt ein vom BVerfG immer weiter ausgeformtes Rundfunkbild zu Grunde, das vor allem durh historishe Erfahrungen mit Missbrauh und Bedeutung des Mediums sowie durh tehnishe Voraussetzungen geprägt wurde. Die zu shaffende Grundordnung hat demnah bestimmte Maximen zu befolgen: Staatsferne: Der Rundfunk ist als Mediengattung von staatlihen Einflussnahmen möglihst abzushirmen. 10 Pluralität: Der Rundfunk ist Medium und Faktor der öffentlihen Meinungsbildung, das wihtigste (Massen-) Kommunikationsinstrument im Staat. Er muss deshalb die Vielfalt der Meinungen möglihst hanengleih reflektieren. 11 Grundversorgung: Es ist unerlässlih, dass der Rundfunk eine umfassende Grundversorgung gewährleistet. Er muss deshalb das volle Themenspektrum einshließlih der Nishenthemen abdeken und dabei eine möglihst breite Bevölkerungsshiht erreihen. 12 Diese Vorgaben begründet das BVerfG mit folgenden Besonderheiten des Rundfunks: Frequenzknappheit: Der Rundfunk ist als Übertragungsmedium an ein knappes Frequenzspektrum gebunden, das die Anzahl der verbreiteten Programme stark limitiert. 13 Finanzieller Aufwand: Der Rundfunk ist ein Medium, das sowohl in Produktion als auh in Verbreitung einen hohen finanziellen Aufwand erfordert. Die Anzahl der Teilnehmer muss deshalb klein bleiben. 14 Konzentrationsgefahr: Der Rundfunk neigt wegen des hohen finanziellen Aufwands und wegen der Frequenzknappheit dazu, Mahtkonzentrationen herauszubilden. Dies ist insbesondere deshalb gefährlih, weil entstandene Mahtkonzentrationen sih nur sehr shwer wieder korrigieren lassen. 15 Missbrauhsgefahr: Der Rundfunk ist wegen seiner hohen Aktualität, Breitenwirkung und Suggestivkraft ein Medium, das besondere Sorgfalt im Umgang erfordert. 16 Das BVerfG hat immer wieder betont, dass die Rundfunkfreiheit in ihrer derzeitigen Konzeption niht an eine bestimmte Tehnologie oder eine bestimmteübertragungs- art geknüpft ist. 17 Aus den Beobahtungen Andersons ergibt sih aber, dass der Wehsel zu internetgebundenen Übertragungswegen niht nur eine rein tehnologishe Dimension hat, sondern dass auh wesentlihe Vorbedingungen, an die das BVerfG seine Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG anknüpfte, im Internet niht mehr vorliegen. V. Untershiede zwishen klassishem Rundfunk und Long-Tail -Märkten im Internet Online-TV hat kaum noh etwas mit dem Rundfunk zu tun, den das BVerfG in seinem 1. Rundfunkurteil 18 als Medium und Faktor beshrieb. Fernsehen im Internet hat sih im Wege der Medienkonvergenzen von einem rein linearen hin zu einem interaktiven Medium gewandelt. Text-, Audio- und Bildinhalte existieren symbiotish auf denselben Plattformen, Individual- und Massenkommunikation sind kaum noh trennbar. 19 Vor diesem Hintergrund stellt sih die Frage, ob das alte Rundfunkbild und mit ihm die darauf aufbauende Gestaltung des Rundfunkrehts weiterhin Bestand haben können Frequenzknappheit und Abkehr vom linearen Fernsehen Innerhalb des begrenzten terrestrishen Frequenzbands besteht eine Knappheit, die sih auf die Anzahl der verbreiteten Programme limitierend auswirkt. Dass diese Einshränkung im modernen, frequenzungebundenen Rundfunk kaum noh besteht, ist ausführlih diskutiert worden auh vom BVerfG selbst. 21 Das Geriht hat in diesem Zusammenhang bereits früh festgestellt, dass allein der Wegfall dieses Limits niht dazu führen könne, dass es seine rundfunkrehtlihe Konzeption aufgibt. Fernsehen über das Internet bedeutet aber niht nur das Ende der frequenzgebundenen Übertragung. Online-TV sorgt dafür, dass auh noh ein zweiter, ungleih engerer Flashenhals vershwindet: die lineare Programmgestaltung. Herkömmlihes Broadast-Fernsehen sendet seine Inhalte in linear arrangierten Programmblöken, maximal 24 Stunden am Tag. Der Konsument kann also nur aus den Inhalten auswählen, die aktuell gesendet werden, und dies auh nur bei den Sendern, die er tatsählih empfängt. 22 Demgegenüber kann ein Video-on-Demand-Anbieter niht nur immer den jeweils ablaufenden Programmblok zeigen, sondern sämtlihe verfügbaren Programminhalte gleihzeitig: Fernsehsender können so ihr gesamtes Arhiv verfügbar mahen, also Tausende Stunden an professionellproduziertem Programmmaterial, das den Long Tail des Rundfunkmarktes bildet. Aus dieser Auswahl stellen die Rezipienten dann ihr eigenes Programm zusammen, wobei sie nah eigenem Gusto populäre TV-Spots und Nisheninhalte kombinieren. 8) Jarass, AfP 1998, 133, ) BVerfGE 74, 297; so i. E. auh EuGH MMR 2005, 517, ) BVerfGE 12, 205, 260 ff.; BVerfGE 57, 295, ) BVerfGE 12, 205, 260 ff.; BVerfGE 57, 295; BVerfGE 83, 238, 302 f. 12) BVerfGE 73, 118, 155; BVerfGE 74, 297, ) BVerfGE 12, 205, 261; BVerfGE 31, 214, 326; zum Wegfall der Frequenzknappheit BVerfGE 57, 295, 321 f. 14) BVerfGE 73, 118, ) BVerfGE 73, 118, 172 ff. 16) BVerfGE 90, 60, 87 ff. 17) BVerfGE 83, 238, 302 f. m.w.nw. 18) BVerfGE 12, 205 ff. 19) Gersdorf, Der verfassungsrehtlihe Rundfunkbegriff im Lihte der Digitalisierung der Telekommunikation, S. 11 ff. 20) Statt vieler Ory, in: Neuordnung des Medienrehts, 2005, S. 66 ff. 21) BVerfGE 57, 295, ) Mit anderem Ergebnis Gersdorf (o. Fußn. 19), S. 66 ff.

4 Dierking/Möller: Online-TV MMR 7/ Finanzieller Aufwand Das BVerfG benannte den Rundfunk in seinen Entsheidungen als Medium, das sowohl in Herstellung als auh in Vertrieb einen außergewöhnlih hohen finanziellen Aufwand erfordere. 23 Das war damals auh korrekt: Die Herstellung eines massentauglihen Fernsehprogramms erforderte die Bezahlung von Journalisten, Moderatoren und Shauspielern, die Einrihtung eines ausgestatteten Produktionsstudios einshließlih der Einrihtungen für Aufnahme, Shnitt und Produktion und der hohqualifizierten Arbeitskräfte, diese zu bedienen. Für die Verbreitung fielen außerdem Kosten für Aufbau und Unterhalt der Sendeanlagen und die Miete für die Funkfrequenz an. Die Fernsehlandshaft, die im Internet entsteht, ist jedoh eine andere. Hier belegen zwar die auf den Massengeshmak abgestimmten Produkte weiterhin Marktanteile. Zusätzlih gibt es aber auh eine Vielzahl von professionellen, semi-professionellen oder auh unprofessionellen TV-Angeboten. Mit z.t. einfahstenmittelnwerdenin diesen Bereihen weniger hohwertige, aber spartenspezifishe Angebote hergestellt. Anderson begründet diese Entwiklung, deren Tendenz in den Kommunikationswissenshaften nahgewiesen ist, 24 mitzweibeobahtungen: 25 Die Demokratisierung der Produktionsmittel : Die Produktionskosten für TV-Inhalte sind durh preiswerte Aufnahmetehnik und Shnittprogramme deutlih gesunken. Bestimmte Premium-Inhalte sind zwar weiterhin sehr teuer in der Produktion, aber andere Fernsehinhalte wie Comedy oder Spartennahrihten lassen sih heute auh problemlos mit einer Handkamera und einem Laptop produzieren. 26 Die Demokratisierung des Vertriebs : Wer bei der Distribution seiner Inhalte auf das Internet zurükgreift und als Marketinginstrument die dynamishen Strukturen des Web2.0 nutzt, benötigt auh für den Vertrieb fast kein Kapital mehr. Das einfahe Anmieten eines Webservers reiht hierzu aus. In Deutshland zeigt sih beim Online-TV ein Bild, das dem beshriebenen Long Tail -Phänomen entspriht: Neben den Angeboten der herkömmlihen Fernsehsender (z.b. der ZDF-Mediathek ) existieren Streaming-Angebote wie Zatoo, Video-Communities wie Youtube und Sevenload, dazu gibt es zahlreihe Textmedien, die ihr Angebot um bewegte Bilder ergänzen, wie etwa das Nahrihtenportal Spiegel Online. Neben den professionellen TV-Anbietern hat sih außerdem eine wahsende Zahl von Videoastern daran gemaht, eigene selbstproduzierte TV-Magazine für das Netz zu erstellen. 23) BVerfGE 12, 205, 260 ff.; BVerfGE 57, 295; BVerfGE 83, 238, 302 f. 24) Neuberger, in: Das Ende des Gatekeeper-Zeitalters, 2005, S. 205 ff. 25) Anderson (o. Fußn. 2), S. 63 f. 26) Vgl. die Anleitung auf 27) Am Ausführlihsten hierzu BVerfGE 73, 118, 171 ff. 28) Zimmerlih/Aufderheide, Herausforderungen für das Wettbewerbsreht durh die Internetökonomie, Arbeitsberiht Nr. 4 des Kompetenzzentrums Internetökonomie und Hybridität Münster, ) BVerfGE 57, 295, ) BVerfGE 57, 295, 2. Ls. 31) BVerfGE 57, 295, ) BVerfGE 90, 60, ) A.A. Gersdorf (o. Fußn. 19), S. 77 ff., der vornehmlih über die Rezipientenreihweite abgrenzen will. 34) Anderson (o. Fußn. 2), S. 63 ff. 35) Vgl. aber zu sog. viralen Effekten Gladwell, Der Tipping Point, Konzentrationsgefahr Das BVerfG sieht den Rundfunk als besonders konzentrationsgefährdete Mediengattung an. 27 Dies zeigt sih auh in der Praxis: Der deutshe TV-Markt wird im Wesentlihen dominiert von der Verlagsgruppe Bertelsmann, der RTL-Gruppe und dem Konzern, der gerade um die ProSiebenSat 1 AG neu geformt wird. Allerdings zeigen sih ähnlihe Konzentrationstendenzen auh in anderen Mediengattungen, z.b. der Presse. Das Fernsehen nimmt hier also niht unbedingt eine Sonderstellung ein. Ob sih diese Konzentrationsentwiklung im Internet fortsetzen wird, ist derzeit noh niht absehbar. Die Internetökonomie folgt anderen Gesetzmäßigkeiten, 28 die noh niht ershöpfend erforsht sind. Empirish zeigt sih aber, dass sih unter Medienangeboten im Internet selten eine vielfältige Marktstruktur herausbildet: So wird z.b. der Markt für Musikdownloads klar von Apple In. kontrolliert (itunes), den Markt für Büher beherrsht der Anbieter Amazon, unter den Suhmashinen ist Google dominierend. Ob sih unter den Internetrundfunkanbietern ein stabiler Meinungswettbewerb herausbilden wird, bleibt daher eher fraglih. 4. Missbrauhsgefahr Das BVerfG hat an vershiedener Stelle Vorshriften über den Umgang mit Rundfunk gemaht, die die Vermeidung von Missbrauh zum Ziel haben. So shreibt es vor, dass eine Zulassung für Rundfunkveranstalter nur bei wirtshaftliher und nihtwirtshaftliher Zuverlässigkeit zu erteilen sei, 29 undforderteinmindestmaßanausgewogenheit, Sahlihkeit und gegenseitiger Ahtung. 30 Das Geriht begründet diese Vorgaben damit, dass der Rundfunk gegenüber anderen Medienformen eine herausragende Bedeutung habe. 31 Eine missbräuhlihe Verwendung zum Zweke der Einflussnahme auf die öffentlihe Meinung wäre daher deutlih durhshlagender als in anderen Medien. Diesen Gedanken hat das BVerfG in einer späteren Entsheidung weiter konkretisiert, als es den Rundfunk als Medium von besonderer Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft beshrieb. 32 Daneben muss aber auh beahtet werden, wie stark konzentrationsgefährdet ein Rundfunkangebot ist und ob die Umgebung des Angebots auh ohne staatlihes Eingreifen zu Vielfalt tendiert. 33 Beim Online-TV sind wegen der gesunkenen Produktionsund Vertriebskosten kaum noh Marktzutrittsshwellen vorhanden. Welhe Medienangebote erfolgreih sein können (und damit Breitenwirkung erhalten), hängt also weniger davon ab, wie viel Kapital der Medienmaher einsetzt, maßgebend ist vielmehr der Geshmak des Publikums. 34 In einem Markt, der diesen Long Tail ershlossen hat, ist damit der Wettbewerb deutlih hanengleiher. Zur Frage der Missbrauhsgefahr von Rundfunk lässt sih daraus ableiten, dass Fernsehen auh in seinen neuen Ersheinungsformen zwar immer noh die gleihe Suggestivität und Aktualität besitzt wie zuvor, seine Breitenwirkung aber deutlih gesunken ist. 35 VI. Aktualität der Ziele für eine Rundfunkordnung Mit den veränderten Voraussetzungen beim Online-TV gegenüber dem herkömmlihen Rundfunk sind auh die Ziele, denen eine Rundfunkordnung dienen soll, einer Überprüfung auf Aktualität zu unterziehen.

5 430 MMR 7/2007 Dierking/Möller: Online-TV 1. Staatsferne des Rundfunks Indem der geringe Produktionsaufwand die Anzahl der TV-Angebote im Internet explodieren ließ, ist eine staatlihe Einflussnahme i.s.e. Staatsfernsehens undenkbar geworden. Angebote von staatliher Seite, wie z.b. der Video- Podast mit Angela Merkel, 36 werden lediglih als ein Programm unter vielen wahrgenommen. Weiterhin trägt die zunehmende Interaktivität im Internet dazu bei, dass es mangels Linearität kaum noh einseitig beeinflusst werden kann. Staatlihe Manipulation, wie sie etwa durh die Propaganda des Dritten Reihes stattfand, ist damit im Internet undenkbar. Das Gebot der Staatsferne ist also für Onlinemedien vollumfänglih verwirkliht. 2. Pluralität Das BVerfG fordert vom Rundfunk als Medium und Faktor die bestmöglihe Vermittlung der Meinungen und kulturellen Strömungen im Staat. Da anders als etwa im Bereih der Presse nah dem althergebrahten Rundfunkbild des BVerfG eine Außenpluralität niht existiert, werden binnenplurale Organisationsformen für erforderlih gehalten, um Meinungsvielfalt und Chanengleihheit unter den Meinungsvertretern zu sihern. Jenseits von Frequenzknappheit und Marktzutrittsshranken zeigt ein Long-Tail -Markt im Internet jedoh das volle Meinungsspektrum und eine Vielzahl von Anbietern. Allein die Möglihkeit, ohne größeren finanziellen Aufwand etwa einen Video-Podast zu erstellen, sihert bereits die Chanengleihheit auf medialen Ausdruk. Shließlih sind die Bürger damit niht mehr darauf angewiesen, dass ihre Meinungen von fremden Rundfunkanbietern aufgenommen und wiedergegeben werden. Sie werden vielmehr selbst zu Rundfunkanbietern. Damit behält der Rundfunk im Onlinebereih seine Rolle als Medium. Ob er zusätzlih auh noh Faktor sein muss, der fremde Meinungen aufgreift und ihnen potenzielle Wirkung verleiht, darf kritish hinterfragt werden Grundversorgung Aufgabe des Rundfunks ist es, ein weites Themenspektrum abzudeken und dabei breite Bevölkerungsshihten zu erreihen. Dies könne dem alten Rundfunkbild zufolge nur gewährleistet werden, indem der Staat selbst zum Rundfunkanbieter wird, weil private Rundfunkanbieter wegen der Finanzierung über Werbegelder dazu neigen, sih auf massenattraktive Inhalte zu konzentrieren und Nishenthemen auszublenden. 38 Im Long-Tail -Markt gelten Nishenthemen dagegen niht mehr als wirtshaftlihes Übel, das allenfalls öffentlih-rehtlihe Anstalten auf sih nehmen. Vielmehr erhält das Besetzen inhaltliher Nishen auh ohne staatlihen Eingriff eine deutlihe Attraktivität. Die mit der Grundversorgung anvisierte Themenweite ist im Internetbereih damit von allein erfüllt. Gleihzeitig hat das BVerfG selbst festgestellt, dass auh der Grundversorgungsauftrag niht auf einem einmal erreihten Stand der Tehnik eingefroren werden kann. 39 Deshalb sollte auh die Nutzung neuer Übertragungsformen wie Online-TV von der Gewährleistung der Grundversorgung mit umfasst werden. 40 VII. Fazit Online-TV als Teil des Rundfunks im verfassungsrehtlihen Sinne verändert die Voraussetzungen für eine Rundfunkordnung, die eine freiheitlihe öffentlihe Meinungsbildung durh Rundfunk sihern will. Indem der Rundfunkmarkt im Internet einen Long Tail ausbildet und mit der Abdekung sämtliher Programmnishen per se eine inhaltlihe Vielfalt bietet, maht er staatlihe Maßnahmen zur Vielfaltssiherung niht nur überflüssig etwaige Quotenregelungen oder andere Instrumente der bisherigen Vielfaltssiherung würden die natürlihe Vielfalt sogar einshränken. Niedrige Marktzutrittsshranken führen im Internet zu einer unübersehbaren Vielzahl an Angeboten, deren Interaktivität eine staatlihe Einflussnahme unmöglih mahen. Siherungsmaßnahmen zur Staatsferne erweisen sih damit als nutzlos. Dagegen erweisen sih einige Annahmen des BVerfG zum Rundfunkbild als beständig. Die Gefahr einer Konzentration im Medienbereih kann auh das Internet niht bannen, sodass eine Konzentrationskontrolle beizubehalten ist. Auh die Gefahr eines Missbrauhs durh die besondere Wirkung des Mediums besteht fort, selbst wenn das Fehlen einer Breitenwirkung diese im Internet zu mindern vermag. Dem Auftrag einer adäquaten Rundfunkordnung kann folglih nur nahgekommen werden, indem entweder Online-TV eigenen, den veränderten Voraussetzungen angepassten Regelungen unterworfen wird oderindemdie Rundfunkordnung insgesamt einem neuen Rundfunkbild entsprehend neu ausgestaltet wird. 36) Podast/video-podast.html. 37) Habermas, Politial Communiation in Media Soiety, Keynote Speeh, in: Der Standard v. 10./ ; als MP3 abrufbar unter: 2vkv. 38) BVerfGE 73, 118, 155 f. 39) BVerfGE 83, 238, ) Hesse, BayVBl 1997, 132, 138.