Lässt sich Rehabilitation verordnen? Mag. Roman Pöschl, Geschäftsführer Berufliches Bildungs- und Rehabilitationszentrum (BBRZ) Österreich
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- Benjamin Fuchs
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1 Lässt sich Rehabilitation verordnen? Erfolgsfaktoren und Systemgrenzen mitwirkungspflichtiger Rehabilitationsprogramme im Kontext der aktuellen österreichischen Sozialrechtsreform Mag. Roman Pöschl, Geschäftsführer Berufliches Bildungs- und Rehabilitationszentrum (BBRZ) Österreich
2 Zur Rolle des BBRZ in diesem Kontext Generalprovider für Maßnahmen der Beruflichen Rehabilitation auf der Grundlage einer Rahmenvereinbarung zwischen dem Arbeitsmarktservice (AMS), der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger Seitens des AMS mit der Umsetzung der Pflichtrehabilitation im Rahmen des SRÄG (Sozialrechtsänderungsgesetz) betraut Seitens der Pensionsversicherungsanstalt mit dem Prognoseund Berufsfindungsverfahren betraut (Bescheid im Rahmen der Pflichtrehabilitation) 2
3 Rechtliche Grundlagen 1956: Inkrafttreten des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, welches den Versicherungsfall der Krankheit des Alters der geminderten Arbeitsfähigkeit des Arbeitsunfalls und der Berufskrankheit regelt Damals bereits wurde eine Mitwirkungspflicht im Rahmen des Heilverfahrens formuliert, jedoch nicht gelebt 3
4 Rechtliche Grundlagen 1977: 32. Novelle des ASVG Rehabilitation als Pflichtaufgabe der Pensionsversicherungsanstalt Erstmals Unterscheidung zwischen medizinischen, beruflichen und sozialen Maßnahmen der Rehabilitation Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit oder Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge zählen nicht zu den Aufgaben der Pensionsversicherungsanstalt Abgrenzung zu den Krankenkassen Während der medizinischen Rehabilitation tritt die PV in die Leistungen der Krankenkasse ein In diesen Zeitraum fällt die Entstehung des Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrums Mitwirkungspflicht des Rehabilitanden wird definiert, jedoch kaum gelebt 4
5 Rechtliche Grundlagen 1996: Strukturanpassungsgesetz im Rahmen des EU- Beitritts Verankerung des Grundsatzes Rehabilitation vor Pension Jeder Antrag auf Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension ist auch ein Antrag auf Leistungen der Rehabilitation Mitwirkungspflicht sowohl für medizinische als auch für berufliche Maßnahmen der Rehabilitation kam im Bereich der Medizinischen Rehabilitation nicht zur Anwendung! 5
6 Oktober 2008: Agenda Invalidität im Wandel Expertengremium im Auftrag des Sozialministeriums mit dem Ziel, Frühpensionierung durch geeignete Maßnahmen und verbesserte Zusammenarbeit abzuwenden Umsetzung erster Ergebnisse 2010 Gesundheitsstraße fit2work Jedoch ungelöstes Problem der Früherfassung 6
7 Sozialrechtsänderungsgesetz Stichtagsregelung für Personen, die ab dem geboren sind Vermeidung von Härtefällen und Vertrauensschutz laut Verfassung Abschaffung befristeter Berufsunfähigkeits- und Invaliditätspensionen für diese Gruppe ab Alle Betroffenen haben sich entweder medizinischen (Rehageld) oder beruflichen (Umschulungsgeld) Maßnahmen der Rehabilitation zu unterziehen. Gleichzeitig besteht Mitwirkungspflicht wie auch ein bescheidmäßiger Anspruch auf diese Maßnahmen 7
8 Aufgaben des BBRZ in diesem Zusammenhang Umsetzung aller Umschulungsgeldfälle Mitwirkung an der Bescheiderstellung im Rahmen des Prognose und Berufsfindungsverfahrens - Integrationsprognose - Rehabilitationsplan mit 3 Umschulungsoptionen - Dienstleistung an die Pensionsversicherung orientiert Die Einbindung des AMS im Bescheidverfahren ist gesetzlich verankert und erfolgt über das BBRZ!Es besteht absolute Mitwirkungspflicht für die Betroffenen! 8
9 Aufwendungen für Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation Aufwendungen in Mio. EUR 801 Mio. EUR Mio. EUR Mio. EUR Quelle: PVA Pensionsversicherungsanstalt 9
10 davon Entwicklung des Zugangsalters Kennzahlen im Überblick: Jänner bis Juni Veränd. Zugangsalter Eigenpensionen: 58,5 59,3 0,8 Alterspensionen: 61,1 61,2 0,1 BU/IV-Pensionen: 51,9 53,6 1,7 REHAB-Geld Zuerk.-Anzahl Durchschnittsalter: 40,7 - BU/IV-Pensionen inkl. REHAB-G. 51,9 52,1 0,2 Eigenpensionen inkl. REHAB-G. 58,5 58,7 0,2 Bei der Entwicklung des Zugangsalters von Jänner bis Juni 2014 im Vergleich zu Jänner bis Juni 2013 zeigt sich ein Anstieg um 0,8 Jahre. Bezieht man die fiktiven Zuerkennungen von REHAB-Geld, die aus einem Erstantrag kommen (ohne Weitergewährungsanträge) mit ein, so beträgt der Anstieg 0,2 Jahre. Quelle: PVA BU=Berufsunfähigkeit IV=Invalidität 10
11 Entwicklung der IV bzw. BU-Anträge Quelle: PVA Hochrechnung 2014 Neuanträge davon Zuerkennungen 11
12 Weitergewährungsanträge Quelle: PVA Weitergewährungsanträge davon Zuerkennungen 12
13 13
14 Von den Personen, die 2012 Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation in Anspruch genommen haben, haben diese zu 84,30% ordnungsgemäß/ erfolgreich absolviert 2,78% aus medizinischen Gründen vorzeitig beendet 12,92 % REHA-Prozess abgebrochen Quelle: PVA 14
15 Von den Personen, die 2012 die Maßnahme ordnungsgemäß/erfolgreich beendet haben, sind 69,35% in Beschäftigung 9,18% in fremdfinanzierten, weiterführenden Maßnahmen 12,73% weiterhin in Pension bzw. haben einen Pensionsantrag gestellt 8,74% in Vermittlung Quelle: PVA 15
16 16
17 Erfahrungen aus der Pflichtrehabilitation Einschränkende Bemerkungen: Alle Pflichtreha-Fälle basieren auf altem Recht Stichprobe für RvP umfasst nur 22 Personen, die Kontrollgruppe 183 Personen Statistiken sind deshalb lediglich als Explorationshilfsmittel interpretierbar 17
18 REHA-Prozesse Erstsprache: Deutsch/Nicht-Deutsch - Gesamt 100% 90% 80% 32% 43% 70% 60% 50% 40% 30% 68% 57% 20% 10% 0% Deutsch (DE) Andere n = 205 REHA-Prozess abgeschlossen REHA-Prozess nicht abgeschlossen 18
19 REHA-Prozesse Erstsprache: Deutsch/Nicht-Deutsch im Vergleich Pflichtreha Reha 45% 50% 30% 42% 55% 50% 70% 58% Deutsch (DE) andere Deutsch (DE) andere n = 22 n = 183 REHA-Prozess abgeschlossen REHA-Prozess nicht abgeschlossen 19
20 REHA-Prozesse Alter - Gesamt 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 24% 30% 56% 76% 70% 44% bis bis 45 ab 46 n = 205 REHA-Prozess abgeschlossen REHA-Prozess nicht abgeschlossen 20
21 REHA-Prozesse Alter im Vergleich Pflichtreha Reha 22% 29% 65% 24% 31% 49% 78% 71% 35% 76% 69% 51% bis bis 45 ab 46 bis bis 45 ab 46 n = 22 n = 183 REHA-Prozess abgeschlossen REHA-Prozess nicht abgeschlossen 21
22 REHA-Prozesse Geschlecht - Gesamt 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 32% 34% 68% 66% Männlich Weiblich n = 205 REHA-Prozess abgeschlossen REHA-Prozess nicht abgeschlossen 22
23 REHA-Prozesse Geschlecht im Vergleich Pflichtreha Reha 45% 50% 30% 33% 55% 50% 70% 67% Männlich Weiblich Männlich Weiblich n = 22 n = 183 REHA-Prozess abgeschlossen REHA-Prozess nicht abgeschlossen 23
24 REHA-Prozesse Personen mit stark chronifizierten Leidenszuständen - Gesamt 47% 53% Krankenstandsdauer vor Rehabilitation > 6 Monate n = 38 REHA-Prozess abgeschlossen REHA-Prozess nicht abgeschlossen 24
25 REHA-Prozesse Personen mit stark chronifizierten Leidenszuständen im Vergleich Pflichtreha Reha 67% 44% 33% 56% Krankenstandsdauer vor Rehabilitation > 6 Monate n = 6 REHA-Prozess abgeschlossen REHA-Prozess nicht abgeschlossen n = 32 25
26 26
27 Schlussfolgerungen und Bewertungen aus der Praxis Pflichtrehabilitation ist insgesamt etwas weniger erfolgreich als freiwillige Rehabilitation Alter und Leidenszustand (vor allem Schmerzen) haben jedoch einen wesentlich größeren Einfluss auf die Erfolgsaussichten, als der Status Freiwillig oder Pflicht Pflichtrehabilitation funktioniert letztlich nur dann, wenn sich der Betroffene dafür entscheidet kann nur zum Teil Aufgabe des Rehabilitationszentrums sein Entscheidend für den Erfolg ist es, den Betroffenen zum Chairman seines eigenen Rehabilitationsprozesses zu machen 27
28 Ist das Sozialrechtsänderungsgesetz die Lösung? In der derzeitigen Form nur sehr eingeschränkt, da vorläufig nur bei den Betroffenen angesetzt wird Reparaturphilosophie mit der Illusion der 100%igen Wiederherstellbarkeit Notwendige Maßnahmen auf Ebene des Arbeitsmarktes wie z.b. verpflichtendes Betriebliches Eingliederungsmanagement oder ein Anreizsystem zur Beschäftigung Älterer und Leistungsgewandelter sind (noch) nicht umgesetzt Rehabilitation ist eine notwendige jedoch keinesfalls eine hinreichende Bedingung für tatsächliche Wiedereingliederung für die Personengruppe
29 Abschließende Bewertung Das Pochen auf Mitwirkungspflicht ist weniger ein Lösungsansatz, als vielmehr eine notwendige Ultima Ratio im Rehabilitationshandeln Dort wo sie aktuell greift (angewendet wird), ist sie in mehrfacher Hinsicht problematisch Ihre eigentliche Bedeutung liegt in ihrer indirekten Wirkung auf das System, indem sie die Pensionsperspektive verschließt und somit zu früherer Rehabilitation motivieren kann 29
30 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Mag. Roman Pöschl Geschäftsführer BBRZ Berufliches Bildungs- und Rehabilitationszentrum Mail: 30
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