Rhetorik. Definition: Allgemeine Informationen: Entstehung:
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1 Rhetorik Definition: Der Begriff Rhetorik kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet Redekunst oder Kunst der Beredsamkeit. Die Rhetorik spielt in meinungsbildenden Prozessen eine große Rolle, da ihr Ziel in der Überzeugung des Zuhörers, besteht und es der Redekunst gegebenenfalls gelingt, den Hörer zu einer bestimmten Handlung zu bewegen, ohne dass er es merkt. Die Manipulation besteht aus dem Zusammenspiel von Rhetorik, Mimik und Gestik. Allgemeine Informationen: Nach dem griechischen Philosophen Aristoteles besteht die Erarbeitung der Rede aus 5 Bearbeitungsphasen: o Erfindung o Gliederung o Memorierung des Gedankens / der Idee o Sprachliche Darstellung Sprachrichtigkeit Schmuck (rhetorische Figuren wie z.b. Metapher, Hyperbel, Parallelismus, rhetorische Frage) Angemessenheit (Anlaß der Rede berücksichtigen!) o Vortrag der Rede Aufgaben eines Redners: o Logik ( = intellektuelle Einsicht ) Belehrung, Beweis o Ethos ( = Besänftigung ) Gewinnen, Erfreuen o Pathos ( = Erregung ) Bewegen, Aufstacheln Entstehung: Die Rhetorik entstand ca. 500 v. Chr in Griechenland zusammen mit der ersten und ältesten Demokratie. Sie war die Voraussetzung für die Schlichtungen von Streitigkeiten vor Gericht, was meistens Redner benötigte, die damals noch aus Politikern und Rechtsanwälten bestanden.
2 Entwicklung: Antike (ca. 800 v.chr. bis 600 n. Chr.) Bereits in der Entstehungsphase, 500 v. Chr., entstand die erste Fachliteratur, die von Philosophen wie Aristoteles, Korax, Platon und Cicero verfasst wurde und auch heute noch als Grundlage der Rhetorik dient. Zur gleichen Zeit brachen Redelehrer, sogenannte Sophisten, auf, um durch das Land zu ziehen, Schulen zu gründen und ihre Lehren an zukünftige Rhetoren (=Redner) zu verbreiten. Einer von ihnen war der Römer Cicero, der die Rhetorik im gesamten Römischen Reich verbreitete. Schon bei den Römern war sie die unumgängliche Basis jeder Erziehung und sehr wichtig für den sozialen Aufstieg. Außerdem erkannte man schon damals, während der römischen Kaiserzeit ( v. Chr), ihren großen Nutzen bei der Verbreitung der eigenen Meinung und zur Verteidigung vor Gericht. Markus Tullius Cicero ( 106 v. Chr. 43 v. Chr.) o Schriftsteller, Anwalt, Redner, Philosoph, Politiker o Verantwortlich für die Ausbreitung der Rhetorik im Römischen Reich o Herausragendster Redner der römischen Antike o Vor allem trat er mit der Gerichts - / Verteidigungsrede vor Gericht auf ( nur einmal als Kläger) o Bekannt für seine argumentative, stilistische Kunst und Anpassungsfähigkeit an seine Zuhörer o Mit seinem Tod ging die wahre Rhetorik unter, da seine Nachfolger sie nach ihren Vorstellungen änderten und kritisierten In seiner Rede im Senat, klagte er Lucius Sergius Catilina der Verschwörung gegen Rom an. Im Folgenden wird ein Auszug der Rede vorgestellt: Wie lange willst du eigentlich unsre Geduld noch missbrauchen, Catilina? Wie lange soll uns dein wahnwitziges Treiben noch zum Besten haben? Wie lange will sich deine zügellose Frechheit noch brüsten?(...) Merkst du nicht, dass deine Pläne klar zutage liegen, siehst du nicht, dass deine Verschwörung durch die Kenntnis aller Anwesenden bereits erdrosselt wird? Durch Parallelismen, Anaphern, rhetorische Fragen wird der Ausdruck der Empörung und die Dringlichkeit des Anliegens betont.
3 (...) Hat wirklich ein hochangesehener Mann, P(ublius). Scipio, ein Pontifes maximus, den Tiberus Grachus auf eigene Faust erschlagen, weil er die Verfassung nur wenig ins Wanken brachte, und wir Konsuln wollen es dulden, dass Catilina, der die ganze Welt mit Feuer und Schwert verwüsten will, ungestraft bleibt? Durch eine Metapher und Hyperbel wird das Ausmaß der Verschwörung deutlich (...) Unter diesem Vorzeichen zieh in den ruchlosen Krieg, Catilina, zum Heile des Staates, zum Unheil und Verderben des Staates, zum Unheil und Verderben für dich, zum Untergang für alle, die sich mit dir zu lauter Verbrechen, zu Mord und Totschlag verbunden haben. Mithilfe von Antithese und Aufzählung wertet Cicero Catilina ab Die Redegattungen, die in der Antike entstanden, unterscheiden sich in ihrer Wirkung auf den Zuhörer. Es gibt es zum einem die Gerichtsrede, die vor Gericht gehalten wird, um ein Urteil zu fällen, wobei sie vergangenes Handeln analysiert. Der Redetypus ist die Beratungsrede, die bei Versammlungen gehalten wird und zukünftiges Handeln thematisiert. Die letzte Redegattung ist die Lobrede, die Gegenwärtiges behandelt und dem Hörer Genuss bereiten soll. Mittelalter bis Barock (600 bis 1770) Vor allem um ca. 1500, in der Zeit des Humanismus, wurden antike Werke aufgearbeitet. Daraufhin wurde die Rhetorik wieder zur Grundlage jeder Erziehung, da sie wichtig für den sozialen Aufstieg war. Mit der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert wurde die Verbreitung des Lehrmaterials erleichtert. Allerdings entwickelte sich die Redekunst unterschiedlich: Denn während im Süden damit vor allem die eigentliche Macht des Wortes und die daraus resultierende Leistung und Würde des Menschen hervorstach, wurde im Norden die Macht des Wort Gottes betont. So entstand die Predigt.
4 Eine weitere wichtige Entwicklung im Mittelalter war die Veröffentlichung von Schulbüchern um den Schülern nun die Rhetorik in umgekehrter Weise nahezubringen. Nun mussten sie keine Reden mehr verfassen, sondern die Reden mit Hilfe der rhetorischen und sprachlich stilistischen Mittel analysieren und interpretieren. Auch in der Poetik spielte die Rhetorik eine große Rolle. Natürlich entstanden noch weitere Redeformen, wie die Predigt zur Verbreitung der Botschaft Gottes, außerdem die Trauer- und Hochzeitsrede, die Mahnung, die Bitte, die Begrüßungsrede und die Gratulation. Martin Luther ( ) Theologieprofessor, Reformator, Prediger Studierte Rhetorik im Grundstudium Beherrschte Predigt, Verteidigungsrede u.a. Erschaffte kreative, ausdrucksstarke Neologismen (Wortneuschöpfungen) wie z.b. Kleingläubiger, Friedfertiger, Machtwort, Herzenslust Weil denn Eure allergnädigste Majestät und fürstlichen Gnaden eine einfache Antwort verlangen, will ich sie ohne Spitzfindigkeiten und unverfänglich erteilen, nämlich so:»werde ich nicht durch Zeugnisse der Schrift oder klare Vernunftgründe überzeugt, denn ich glaube weder dem Papst noch Konzilien allein, da es offenkundig ist, dass sie öfter geirrt haben, so bleibe ich überwunden durch die von mir angeführten Schriftstellen und mein Gewissen und gefangen durch Gottes Wort. Daher kann und will ich nichts widerrufen. Denn gegen das Gewissen zu handeln ist beschwerlich, unheilsam und gefährlich. Gott helfe mir, Amen!«Verteidigungsrede auf dem Reichstag zu Worms v. 18. April 1521 Der Reichstag forderte von Luther die Widerrufung seiner kritischen Ansichten gegenüber der katholischen Kirche, die er in Form von Büchern veröffentlichte. Seine Rede stimmt anfangs den Reichstag zufrieden und sie rechneten fest mit einer Widerrufung, doch er schloss seine Verteidigungsrede wieder Erwarten mit den obigen Worten. Das zeigt eine große Zivilcourage, die argumentativ abgesichert und ethisch fundiert ist. Die Rede gilt somit als Glanzleistung seiner rhetorischen Fähigkeiten. Während des 18. Jahrhunderts gerät die Rhetorik durch viel Kritik und Misstrauen der Leute in Vergessenheit.
5 (...) Attacken gegen die Topikaus, also gegen den gedanklich argumentativen Teil der Rhetorik, der gerade auf völlig neue Grundlagen gestellt werden sollte.(...) Die Topik aber sei nicht nur überflüssig, sondern eine einzige Quelle von Übeln. (K.H. Göttert, Einführung in die Rhetorik) Die neue Rhetorik wolle nicht beredet machen, sondern biete (nur) einen Einblick in die menschliche Seele (...) ein Bereich (...) der Gefahren in sich birgt (...) um den Preis mangelhafter bzw. verkürzter Verständigung. (Bernard Lamy, Kunst zu reden, 1675) Moderne (20. Jahrhundert) In der Zeit der Moderne wurde die Rhetorik für Propaganda des nationalsozialistischen Systems missbraucht, um die Bürger zu manipulieren. Joseph Goebbels ( ) Einflußreicher Politiker (Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda)zur Zeit des Nationalsozialismus Enger Vertrauter von Adolf Hitler Berühmte Rede : Wollt ihr den totalen Krieg? im Berliner Sportpalast Welch eine Haltung deutschen Soldatentums in dieser großen Zeit! (...)Stalingrad war und ist der große Alarmruf des Schicksals an die deutsche Nation. Ein Volk, das die Stärke besitzt, ein solches Unglück zu ertragen und auch zu überwinden, ja, daraus noch zusätzliche Kraft zu schöpfen, ist unbesiegbar. Das Gedächtnis an die Helden von Stalingrad soll also auch heute bei meiner Rede vor Ihnen und vor dem deutschen Volke eine tiefe Verpflichtung mich und für uns alle sein.(...) Ich habe heute zu dieser Versammlung nun einen Ausschnitt des deutschen Volkes im besten Sinne des Wortes eingeladen. Vor mir sitzen reihenweise deutsche Verwundete von der Ostfront, Bein- und Armamputierte, mit zerschossenen Gliedern, Kriegsblinde, die mit ihren Rote-Kreuz-Schwestern gekommen sind, Männer in der Blüte ihrer Jahre, die vor sich ihre Krücken stehen haben. Dazwischen zähle ich (..) Soldaten aus der kämpfenden Wehrmacht, Ärzte, Wissenschaftler, Künstler, Ingenieure und Architekten, Lehrer, Beamte und Angestellte aus den Ämtern und Büros, eine stolze Vertreterschaft
6 unseres geistigen Lebens in all seinen Schichtungen, dem das Reich gerade jetzt im Kriege Wunder der Erfindung und des menschlichen Genies verdankt. Über das ganze Rund des Sportpalastes verteilt sehe ich Tausende von deutschen Frauen. Die Jugend ist hier vertreten und das Greisenalter. Kein Stand, kein Beruf und kein Lebensjahr blieb bei der Einladung unberücksichtigt. Ich kann also mit Fug und Recht sagen: Was hier vor mir sitzt, ist ein Ausschnitt aus dem ganzen deutschen Volk an der Front und in der Heimat. Stimmt das? Ja oder nein? Die Engländer behaupten, das deutsche Volk habe den Glauben an den Sieg verloren. Ich frage euch: Glaubt ihr mit dem Führer und mit uns an den endgültigen Sieg des deutschen Volkes? Ich frage euch: Seid ihr entschlossen, mit dem Führer in der Erkämpfung des Sieges durch dick und dünn und unter Aufnahme auch schwerster persönlicher Belastungen zu folgen? Zweitens: Die Engländer behaupten, das deutsche Volk ist des Kampfes müde. Ich frage euch: Seid ihr bereit, mit dem Führer als Phalanx der Heimat hinter der kämpfenden Wehrmacht stehend, diesen Kampf mit wilder Entschlossenheit und unbeirrt durch alle Schicksalsfügungen fortzusetzen, bis der Sieg in unseren Händen ist? Sportpalastrede am 18. Februar 1943 Übertragung im Radio Inhalt o Beschreibung der aktuellen Lage Niederlage bei Stalingrad o Bezwingung der Feinde: SU, England, Juden o Zweck: Aufmunterung nach Niederlage; Verstärkung des Vertrauen des Volkes in den Führer Sprache o Pronomen (ihr und euch), Wortwahl und rhetorische Mittel Volk als Einheit o 10 rhetorische Fragen Antwort der Zuhörer/Gäste: JA! Extreme emotionale Beeinflussung/Manipulation der Zuhörer o Aufzählung der Menschengruppen Taktik o Geladene Gäste im Sportpalast waren treue, prominente Anhänger positive Stimmung im Saal
7 o Anweisung an die Fotografen nur prominente Gäste bei positiver Zustimmung zu fotografieren Hintergrund o Rede war eigentlich überflüssig, da die Niederlage Deutschlands schon absehbar war o Goebbels bezeichnete später die Rede als Stunde der Idiotie Wenn ich den Leuten gesagt hätte, springt aus dem dritten Stock des Columbushauses, sie hätten es auch getan. o Er war sich seiner Manipulation bewusst!
8 Auch Adolf Hitler verstand es, sich mit der Redekunst ins richtige Licht zu rücken: Die folgende Rede hielt er vor der Hitler-Jugend anläßlich des Parteitags Deutsche Jugend! (...) Das Ideal des Mannes auch in unserem Volk ist nicht immer gleich gesehen worden. Es gab Zeiten, sie liegen scheinbar weit zurück und sind uns fast unverständlich, da galt als Ideal des jungen deutschen Menschen der sogenannte bier- und trinkfeste Bursche. Heute, da sehen wir mit Freude nicht mehr den bier und trinkfesten, sondern den wetterfesten jungen Mann, den harten jungen Mann. Denn nicht nur darauf kommt es an, wie viel Glas Bier er zu trinken vermag, sondern darauf, wie viel Schläge er aushalten, nicht darauf, wie viele Nächte er durchbummeln vermag, sondern darauf wie viele Kilometer er marschieren kann. Wir sehen heute nicht mehr im damaligen Bierspießer das Ideal des deutschen Volkes, sondern in Männern und Mädchen, die kerngesund sind, die straff sind. Was wir von unserer deutschen Jugend wünschen, ist etwas anderes, als es die Vergangenheit gewünscht hat. In unseen Augen, da muss der deutsche Junge der Zukunft schlank und rank sein, flink wie die Windhunde, zäh wir Leder und hart wie Kruppstahl. Wir müssen einen neuen Menschen erziehen, auf dass unser Volk nicht an den Degenerationserscheinungen der Zeit zugrunde geht. Antithese als Mittel der Vereinfachung; Zwang des Zuhörers sich zu entscheiden; Auf- und Abwertung durch Adjektive und bildhafte Vergleiche Die NS-Propaganda nutzte viele verschiedene Elemente der Manipulation. Zum einen waren die Reden für ein niedriges Niveau formuliert und ein Appell an Gefühle. Auch wurde durch Fahnen und Kapellen eine feierliche Atmosphäre geschaffen, die ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt und den Verstand betäubte. Um die manipulative Wirkung noch zusätzlich zu verstärken wurde gezielt Gestik, Mimik, rhetorischer Finesse und der Modulation der Stimme eingesetzt.
9 Heute: In der heutigen Zeit werden Reden vor allem in der Politik, bei Gericht, zu besonderen Anlässen und gelegentlich für die Werbung genutzt. Auch im Alltag werden die Grundlagen aus der Antike im Deutschunterricht vermittelt. Doch man ist wegen den vielen negativen Erfahrungen in der Vergangenheit, vor allem während des Zweiten Weltkriegs, sehr vorsichtig geworden und sich der Wirkung der Redekunst wohl bewusst. Vergleich Zweck Redearten Antike gezielte Überredung mit Hilfe der Rede Literatur zur Erarbeitung der Rede (Sprache, stilistische Mittel) Gerichtsrede, Lobrede, Beratungsrede Heute Rede, um zu informieren Literatur, um mit Hilfe der rhetorischen Mittel der Antike Reden und Texte zu interpretieren Gerichtsrede, Lobrede, Beratungsrede, Poetik, Kanzleibrief, Predigt, Hochzeits- und Trauerrede, Begrüßungsrede, Gratulationen, Bitten, Mahnungen usw.
10 Redner Ausgebildete Rhetoren Jedermann Funktion Vor allem vor Gericht Lange Reden nur noch zu besonderen Anlässen Quellen: Sekundärliteratur: Götter, Karl-Heinz: Einführung in die Rhetorik, München: 1991 (UTB) Uedung, Gerd: Deutsche Reden von Luther bis zur Gegenwart. Frankfurt am Main und Leipzig, 1999 Johannes Diekhans, Einfach Deutsch; Unterrichtsmodell Rhetorik, erarbeitet von Jürgen Möller Internetseiten: am am Rede-WolltIhrDenTotalenKrieg194315S._djvu.txt am am am am am px-Cicero.PNG am am am
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