Klausurenkurs Verfassungsrecht

Transkript

1 Klausurenkurs Verfassungsrecht Gerald Zabukovec WS 2009/10 Auflösung 1. Klausur

2 An den V E R F A S S U N G S G E R I C H T S H O F Judenplatz Wien Beschwerdeführer: vertreten durch: belangte Behörde: Walter W, Unternehmer, Adresse RA Dr. Rita R, Adresse Rita R UVS Burgenland wegen: Bescheid vom , GZ SN-66/3/09, zugestellt am , mit dem die Berufung gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Gemeinde P vom abgewiesen und eine Geldstrafe in Höhe von 1.000,- verhängt wurde 2-fach Bescheidkopie (einfach) Gebührennachweis Vollmacht erteilt

3 B E S C H E I D B E S C H W E R D E gem Art 144 Abs 1 B-VG und den 82 ff VfGG 1. wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte des Beschwerdeführers auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art 2 StGG, Art 7 B-VG) den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) ein faires Verfahren (Art 6 EMRK) sowie 2.a. wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte des Beschwerdeführers auf Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG) Meinungsfreiheit (Art 10 EMRK, Art 13 StGG) Nichtbestrafung ohne Gesetz (Art 7 EMRK) Gleichheit vor dem Gesetz (Art 2 StGG, Art 7 B-VG) Unverletzlichkeit des Eigentums (Art 5 StGG, Art 1 1. ZP EMRK) sowie 2.b. wegen Verletzung des einfachgesetzlich gewährleisteten Rechts, nicht entgegen 1 Abs 1 VStG bestraft zu werden durch Anwendung des verfassungswidrigen Bundes-Naturschutzgesetzes sowie

4 A N T R Ä G E a. gemäß Art 144 Abs 3 B-VG und 87 Abs 3 VfGG auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH für den Fall der Abweisung oder Ablehnung; b. auf Kostenersatz gemäß 27 ivm 88 VfGG c. [auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß 85 Abs 2 VfGG?]

5 I. Relevanter Sachverhalt [ ] II. Da mich der angefochtene Bescheid des UVS Burgenland vom , GZ SN- 66/3/09, zugestellt am , a. in meinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf [siehe oben 1.] sowie b. wegen Anwendung des verfassungswidrigen Bundes-Naturschutzgesetzes (BGBl I 2009/61) - in meinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf [siehe oben 2.a.] sowie - in meinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht auf [siehe oben 2.b.] verletzt, erhebe ich in offener Frist durch meine bevollmächtigte Vertreterin gem Art 144 Abs 1 erste und zweite Alternative B-VG und den 82 ff VfGG B E S C H W E R D E an den Verfassungsgerichtshof und stelle die Anträge,

6 der VfGH möge gem 87 Abs 1 VfGG den angefochtenen Bescheid des UVS Burgenland vom , GZ [ ] wegen Verletzung verfassungsgesetzlicher Rechte aufheben; gem 87 Abs 1 VfGG den angefochtenen Bescheid des UVS Burgenland vom , GZ [ ] wegen Verletzung von Rechten durch Anwendung des verfassungswidrigen Bundes-Naturschutzgesetzes, BGBl I 2009/61, aufheben; gem 27 und 88 VfGG erkennen, [Kostenersatz] gem Art 144 Abs 3 B-VG und 87 Abs 3 VfGG die Beschwerde für den Fall der Abweisung oder Ablehnung dem Verwaltungsgerichtshof abtreten. Weiters ergeht die Anregung, der VfGH möge gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen das Bundes-Naturschutzgesetz, BGBl I 2009/61, prüfen und gemäß Art 140 Abs 3 B-VG und 64 Abs 1 VfGG zur Gänze als verfassungswidrig aufheben. [Eventualvorbringen]

7 III. Meine Anträge begründe ich im Einzelnen wie folgt: 1. Die Beschwerde ist zulässig und rechtzeitig. 2. Die Beschwerde ist auch begründet: A. Gleichheit vor dem Gesetz (Art 2 StGG, Art 7 B-VG) Bescheid verletzt Gleichheitssatz ua, wenn die Behörde Willkür übt Willkür: gravierende Verletzung von Verfahrensvorschriften oder schwerwiegende Begründungsmängel UVS führt kein Ermittlungsverfahren durch; keine adäquate Bescheidbegründung [Bescheid stützt sich auf gleichheitswidriges Gesetz und verstößt auch deshalb gegen des Gleichheitssatz]. B. Unverletzlichkeit des Eigentums (Art 5 StGG, Art 1 1. ZPEMRK) Geldstrafe ist Eingriff in den Schutzbereich Bescheidprüfungsformel: Verletzung ua, wenn sich Bescheid auf verfassungswidriges Gesetz stützt

8 C. Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) erstreckt sich auch auf Verwaltungsbehörden; verletzt, wenn Behörde ihr nicht zustehende Zuständigkeit in Anspruch nimmt sachlich zuständige Verwaltungsstrafbehörde I. Instanz ist Bezirksverwaltungsbehörde ( 26 VStG); Bgm sachlich unzuständig sachliche Unzuständigkeit der Unterbehörde heilt nicht, wenn in II. Instanz die sachlich zuständige Behörde entscheidet (hier: UVS) D. Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 EMRK) auf Verwaltungsstrafverfahren anwendbar ( strafrechtliche Anklage ) Gelegenheit zur Stellungnahme (rechtliches Gehör) zwingende Durchführung einer mündlichen Verhandlung

9 E. Verfassungswidrigkeit des Bundes-Naturschutzgesetzes a. Bundeskompetenz? Natur- und Landschaftsschutz Landesmaterie in Gesetzgebung und Vollziehung (Art 15 B-VG) b. Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG) Werbung zählt zur erwerbswirtschaftlichen Betätigung; Schutzbereich eröffnet Schutz und Pflege von Natur und Landschaft ( 1 BNatG) liegt im öffentlichen Interesse Verbot von Werbemaßnahmen in der freien Landschaft zur Zielerreichung geeignet Unverhältnismäßigkeit des umfassenden Werbeverbots unabhängig von konkreter Ausgestaltung und Auswirkung; Ausnahmebewilligung? [Bescheidprüfungsformel]

10 c. Meinungsfreiheit (Art 10 EMRK, Art 13 StGG) Meinungsfreiheit schützt auch kommerzielle Werbung Eingriff darf nur zum Schutz eines der Zwecke des Art 10 Abs 2 EMRK erfolgen und muss verhältnismäßig sein [Bescheidprüfungsformel] d. Gleichheit vor dem Gesetz (Art 2 StGG, Art 7 B-VG) gesetzliche Differenzierungen müssen aus Unterschieden im Tatsächlichen ableitbar sein BNatG bezweckt Schutz von Natur und Landschaft; insoweit kein Unterschied zwischen (erlaubter) Werbung eines Unternehmens im Eigentum von Gebietskörperschaften und (verbotener) Werbung sonstiger Unternehmen feststellbar Unsachlichkeit des absoluten Werbeverbots; keine Ausnahme im Einzelfall möglich

11 e. Nulla poena sine lege (Art 7 EMRK) Verbot rückwirkender strafrechtlicher Regelungen gilt auch im Verwaltungsstrafrecht Kundmachung BNatG erst nach Setzung der unter Strafe gestellten Handlung, aber rückwirkendes Inkrafttreten (auch) der Strafbestimmungen doppelte Bindung an Gemeinschaftsrecht und Verfassungsrecht f. Präjudizialität Gemeinde P, am 29. Oktober 2009 Walter W