Eindimensionale Fehlordnung (Versetzung) Wie lässt sich eine plastische Verformung von mehreren Prozent erzielen?
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- Ingrid Fiedler
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1 Eindimensionale Fehlordnung (Versetzung) Wie lässt sich eine plastische Verformung von mehreren Prozent erzielen? Warum verhält sich unter bestimmten Bedingungen ein duktiler Werkstoff spröde? Warum verändern sich die Festigkeitskennwerte in Abhängigkeit von der Temperatur unterschiedlich?... Für den Brückenschlag zwischen Werkstoffeigenschaften und den Mechanismen in Gefüge und Struktur werden bei Metallen die Versetzungen herangezogen werden. Die Versetzungen durchziehen als Linien den Kristall und bilden für die Werkstoffeigenschaften von Metallen entscheidende Instabilitäten. ==> Schlüsselstellung dieses Kapitels für das Verständnis der Verformung und Wärmebehandlung Theoretische und tatsächliche Schubfestigkeit Scherung γ γ tan γ = x/a Scherspannung τ im elastischen Fall gilt: τ = G γ Theoretischer Verlauf der Schubspannung bei Annahme eines sinusförmigen Verlaufs beim Abgleiten zwischen zwei als starr angenommenen Gitterebenen. 69
2 2 x Annahme: Sinusförmiger Spannungsverlauf: τ = c sin π für kleine Auslenkungen x ist: a τ c 2πx a mit der Definition des Schubmoduls G := τ/γ = τ a/x => τ = G x/a ==> c = G/(2 π) G/6 2 x somit ergibt sich τ(x) G/6 sin π und eine maximale Schubspannung bei x = a/4 zu: a τ max. theor. G/6 Verbesserte theoretische Ansätze, welche die interatomaren Kräfte besser berücksichtigen ergeben τ th G/30. Diese theoretischen Werte werden nur für nadelförmige Einkristalle (Whisker, Längen zu Durchmesserverhältnis von 100) erreicht. Ansonsten ergibt sich: Material Schubmodul [MPa] theoretische Schubfestigkeit τ th [MPa] gemessene Schubfestigkeit bei RT [MPa] Fe Al Whisker: Graphit Fe Die Unterschiede von mehreren Größenordnungen an realen Kristallen erklärt sich über die Störungen im Kristallaufbau, insbesondere über die Versetzungen. Es bewegt sich eine "Gleitwelle" über die Ebene. Dadurch erfolgt die Verschiebung der Atome nicht mehr gleichzeitig, sondern nacheinander. Im zeitlichen Ablauf sind nur die unmittelbar der Versetzungslinie benachbarten Atome beteiligt. 70
3 Entstehung einer Versetzung im Kugelmodell: a) ungestörter Aufbau; b) Entstehung der Versetzung am Ort x; c) Wanderung; d) ungestörter Aufbau mit der oberen Reihe gegen die untere um einen Abstand verschoben. 71
4 Ähnliche Modelle Versetzungen in kubisch-primitiver Struktur (Versetzungstypen) Entstehung einer Stufenversetzung. Die obere Hälfte des Kristalls steht unter Druckspannungen, die untere unter Zugspannungen. Das Ende der eingeschobenen Halbebene ist die Versetzungslinie. Neben der Versetzungslinie (Linienvektor) ist noch der Burgersvektor b einzuführen. Diese beiden Vektoren bestimmen die Versetzung vollständig. Der Burgersumlauf wird einmal im ungestörtem und einmal im gestörten Kristall durchgeführt. Der Verbindungsvektor zwischen Umlauf im gestörten und Umlauf im ungestörtem Kristall ist der Burgersvektor. Zur Vorzeichenkonvention gilt für eine Stufenversetzung: Die eingeschobene Halbebene liegt in 72
5 der Richtung in die der Vektor s x b zeigt (Schraubenversetzung: s b => right-handscrew RHS, s b => LHS). Konvention: fsrhbg (finish start, right hand, bad good) Burgersumlauf um eine Stufenversetzung. Der Winkel zwischen s und b beträgt 90. s zeigt in die Zeichenebene hinein. Modell zur Bildung einer Schraubenversetzung mit zugehörigem Burgersumlauf. s und b sind parallel. s (Pfeil in Bildmitte) zeigt nach vorne links. In Versetzungsknoten ergibt sich der Erhaltungssatz für die Burgersvektoren: b 1 + b 2 + b 3 = 0. Versetzungslinien können prinzipiell nur in Knoten, Fehlstellen (z.b. Ausscheidungen), Korngrenzen oder an der Oberfläche enden. Bewegungsrichtungen von Knoten können berechnet werden durch den Vergleich der Linienspannungen der angreifenden Versetzungen (siehe Glatzel, Forbes, Nix, Phil. Mag.). 73
6 Burgersumläufe (mit Linienvektoren vom Knoten wegführend) werden um die einzelnen Versetzungen sowie um die Versetzung 2 und 3 durchgeführt. Darstellung einer gemischten Versetzung. In A liegt eine RHS-Schraubenversetzung, in C eine Stufenversetzung (eingeschoben Halbebene nach oben). Offene Kreise sind die Atompositionen oberhalb der Gleitebene, schwarze Punkte die Positionen unterhalb der Gleitebene. Die Bewegung einer Versetzungslinie erfolgt in der Gleitebene, senkrecht zur Linie. Eine Versetzung kann im Kristall nicht enden! Das heißt die Versetzungslinie ist entweder im Kristall geschlossen, bildet Knoten oder endet an der Kristalloberfläche. 74
7 Direkte Abbildung einer Stufenversetzung in Silizium mit Hilfe der hochauflösenden Durchstrahlungselektronenmikroskopie. Helle Punkte entsprechen der Position von Atomsäulen in der dünnen Folie. Das untere Bild zeigt die Sicht unter einem flachen Winkel in Richtung der eingeschobenen Halbebene. Quergleiten einer reinen Schraubenversetzung vor einem Hindernis. Gleit- und Quergleitspuren in einem Kupfereinkristall. 75
8 Ausbreitung einer gemischten Versetzung mit der Bildung einer Gleitstufe. Versetzungsring. Breitet sich dieser Versetzungsring über den gesamten Kristall aus, d.h. er wandert bis zur Oberfläche, so entsteht eine Stufe vom Betrag und Richtung des Burgersvektors. Das obere Viertel des Kreises entspricht dem vorhergehenden Bild. Klettern einer Stufenversetzung durch Anlagerung von Leerstellen (L). Die Leerstellenanlagerung muss entlang der gesamten Versetzungslinie erfolgen. Die freiwerdenden Atome nehmen die Plätze der Leerstellen ein. 76
9 Entstehung von Sprüngen (engl. Kinks) durch lokales Versetzungsklettern einer Stufenversetzung Durch Leerstellenausscheidung entstandener Versetzungsring (Frank-Versetzung). Der Versetzungsring kollabiert im kfz-gitter zum Stapelfehler. Ist eine Quelle vorhanden, die ständig Versetzungsringe emittiert, so ergibt sich eine makroskopische Gleitstufe an den Austrittslinien der Gleitebene. Makroskopische Verformung und Versetzungslaufwege Die Scherung γ ist bei einer Kristallhöhe H gegeben zu: γ = b/h 77
10 Ist die Versetzung nur eine Strecke x im Kristall vorangeschritten ergibt sich δ = L x b. Für die makroskopisch meßbare Verformung gilt: n = δ n b und für die makroskopische Scherung: γ = = H H L i= 1 i = x i i= 1 Mit dem mittleren Laufweg x und der Zahl der Versetzungen n. b L n x i i= 1 b = x n H L Bildung einer Gleitstufe beim Durchlaufen einer Versetzung durch den Kristall. Proportionalität zwischen Versetzungslaufweg und Abgleitung beim Durchlaufen einer Versetzungslinie durch einen Teil des Kristalls 78
11 Definition der Versetzungsdichte als Linienlänge pro Volumen. Mit der Einheit m -2. Der mittlere Abstand zwischen den Versetzungen ist dann gegeben durch 1. ρ Die Zahl der Versetzungen (Versetzungsdurchstoßpunkte) pro Fläche entspricht der Versetzungsdichte: n ρ = ==> γ = ρ b x H L Genau genommen entspricht die Dichte ρ der Dichte der gleitenden Versetzungen. Da neben den gleitfähigen Versetzungen immer auch nichtgleitfähige Versetzungen vorhanden sind ergibt sich, dass ρ Ges. > ρ ist. Das heißt, das mit zunehmender Verformung auch die Versetzungsdichte zunehmen muß. Damit ergibt sich durch eine begrenzte Versetzungsdichte auch ein begrenztes Formänderungsvermögen. Versetzungsdichte [m -2 ] Material mittlerer Abstand zwischen den Versetzungen 10 7 sehr gute Einkristalle 300 µm Realkristalle 1 10 µm nach Kaltverformung 10 nm 79
12 unverformter Ausgangszustand, zweiphasige Nickelbasissuperlegierung CMSX-4, frei von Versetzungen. Versetzungsdichte ρ m -2 Nach 1h Kriechverformung bei 850 C, Spannung σ = 500 MPa bis zu einer Dehnung von 0.14%. ρ m -2 Lastachse Nach 230h Kriechverformung bei 850 C, σ = 500 MPa bis zu einer Dehnung von 0.6%. ρ m -2 Lastachse Abbildung des Verzerrungsfeldes um Versetzungen (schwarze Linien) mit Hilfe des Beugungskontrastes im Transmissionselektronenmikroskop (mittlere Vergrößerung mit ~ fach, d.h. immer noch ca. 30 mal höher vergrößert als beste Lichtmikroskopische Aufnahme). 80
13 81 Bei der Hochtemperaturverformung annihilieren sich die Versetzungen (löschen sich gegenseitig aus) auf Grund ihrer höheren Beweglichkeit und somit lassen sich höhere Verformungen erzielen als bei der Kaltverformung => Warmformgebung. Exakte 3-dimensionale Darstellung der Scherung durch Abgleiten auf einem Gleitsystem i: = ρ γ i i i i i i nˆ bˆ x b mit dem dyadischen oder tensoriellen Produkt (outer product): = i i n b n b n b n b n b n b n b n b n b n b Beanspruchungsgeschwindigkeit und -temperatur Entscheidend für die Dynamik der Verformung ist die Versetzungsgeschwindigkeit. Im Werkstoff können sich Spannungen nur bis zu einer Höhe aufbauen, bei der sie durch abgleitende Versetzungen, d.h. plastische Verformung wieder abgebaut werden. Daraus ergibt sich ein Zusammenhang zwischen Beweglichkeit der Versetzungen, Spannungszustand, Verformungs- und Bruchverhalten. Es gilt: γ = b ρ x mit der mittleren freien Weglänge x für die Bewegung einer Versetzung. Differenzieren nach der Zeit ergibt: t γ = γ = b ρ v Dies besagt, dass die erzielbare Verformungsgeschwindigkeit proportional zur Gleitversetzungsdichte, dem Betrag des Burgersvektors und der mittleren Versetzungsgeschwindigkeit v ist. Die einzelnen Größen der rechten Seite sind nicht unabhängig voneinander. Die theoretische Obergrenze für die Versetzungsgeschwindigkeit ist die Schallgeschwindigkeit (im Bereich von 3-5 km/s). Für eine Schraubenversetzung gilt: 2 z 2 z t u G u y x ρ = +
14 Hier ist ρ das spezifische Gewicht des Materials. Dies ist identisch mit der Wellengleichung für die Transversalwelle mit c = G 2 t. Dies ergibt bei einer Versetzungsdichte von m -2 ρ (Versetzungsdichte in Realkristallen) bis m -2 (kaltverformtes Material) ein γ max /s. von ca. Eine anschauliche Erklärung ist durch die Bewegung der Atome gegeben. Durchläuft eine Versetzung den Kristall, so müssen die Atome beschleunigt und gebremst werden. Dies führt zu Energieabstrahlung in Form von Gitterwellen. Die Kinetik ist stark vom Versetzungscharakter abhängig. => Es wird angenommen, dass eine Stufenversetzung ca schwächer gebremst wird als eine Schraubenversetzung, im Gegensatz dazu ist die Linienenergie einer Schraubenversetzung um ca. 50% geringer als die einer Stufenversetzung (siehe das übernächste Kapitel). In realen Werkstoffen ist die Versetzungsbeweglichkeit nochmals stark eingeschränkt. Die freie Weglänge zur Beschleunigung steht nicht zur Verfügung, andere Gitterbaufehler bremsen, bzw. behindern die Bewegung. Die Einflussgrößen auf die Versetzungsbeweglichkeit wirken nur in geringem Maße auf die Bindungskräfte zwischen den Atomen. Übersteigt die Streckgrenze (Beginn der Spannung, die den Beginn der Versetzungsbewegung kennzeichnet) die Bruchfestigkeit σ B, so ergibt sich sprödes Werkstoffverhalten. Stark vereinfachte Interpretation der Gleichung: ε = b ρ x Wird die Versetzungsbeweglichkeit stark behindert ( x 0), so verringert sich die Sicherheitsspanne, der Werkstoff hat kein Formänderungsvermögen mehr (da γ 0). Dadurch steigt zwar die Elastizitätsgrenze (σ 0.2 nimmt zu), aber der Werkstoff verhält sich spröde. => In der Regel haben festigkeitssteigernde Maßnahmen eine versprödende Wirkung, die sich in einer Zunahme der Kerbschlagempfindlichkeit äußern. 82
15 Spannungs-Dehnungs-Schaubilder für: Werkstoff mit plastischem Formänderungsverhalten (duktiler Werkstoff). Versetzungsverhalten (spröder Werkstoff). Bruch tritt vor Werkstoff ohne plastisches Formänderungsbewegung tritt ein, bevor σ B erreicht wird. der Versetzungsbewegung ein. In Einkristallen sehr hoher Reinheit können drei Bereiche im Zugversuch unterschieden werden. Die Verfestigung (Steigung im Spannungs-Dehnungsdiagramm) ist im Bereich gering (easy-glide Bereich). Sie ist im Bereich II größer und konstant. Die Versetzung behindern sich auf Grund der zunehmenden Dichte gegenseitig. Im Bereich III sind die Spannungen so groß, dass Hindernissen durch Quergleiten bei Schraubenversetzungen und Umklettern bei Stufenversetzungen umgangen werden können. Damit werden Gleitbehinderungen aufgehoben und die Verfestigung nimmt wieder ab. Auch gegenseitige Auslöschung ist möglich. 83
16 Schubspannungs-Abgleitungskurven von sehr reinen Einkristallen. In vielkristallinen, technischen Werkstoffen ergibt sich nach Überschreiten der Streckgrenze ein Verlauf, der dem Bereich III der Einkristallverformung ähnelt. Das Aufreißen der Bindungen zwischen den Atomen ergibt sich wenn das plastische Formänderungsvermögen erschöpft ist. Die plastische Verformung erfolgt über Versetzungsbewegungen. Diese Versetzungsbewegungen führen jedoch auch zu einer Versetzungsmultiplikation da die Wahrscheinlichkeit, dass Versetzungen sich sehr nahe kommen und dadurch eine Wechselwirkung auftritt steigt. Dies führt zu einer Zunahme der Versetzungsdichte, was in den nächsten Schaubildern veranschaulicht wird. Die Festigkeitssteigerung durch Kaltverformung beruht auf einer Erhöhung der Versetzungsdichte. 84
17 Verlauf von Festigkeit und Streckgrenze in Abhängigkeit der Höhe der Kaltverformung. Die Umwandlungshärtung (Martensithärtung) von Stahl bewirkt hohe innere Spannungen durch zwangsgelöste Kohlenstoffatome. In diesen Spannungsfeldern ist die Versetzungsbeweglichkeit erheblich eingeschränkt. Schematische Darstellung des Spannungs-Dehnungs-Diagramms eines Vergütungsstahls in Abhängigkeit von der Wärmebehandlung. gehärtet (martensitisch) vergütet (gehärtet und angelassen) normalgeglüht (weich) Metalle, die sich durch Aushärtung verfestigen lassen (z.b. Aluminiumlegierungen) gewinnen ihren Festigkeitszuwachs durch feindispers ausgeschiedene Zweitphasen. Auch diese blockieren bzw. behindern Gleitvorgänge. 85
18 Auch die Bauteilgeometrie kann mehrachsige Spannungszustände erzeugen, die sich auf die Versetzungsbewegung stark behindernd auswirken. Hierzu gehören z.b. auch Schweißnähte (metallurgische Kerben). Einfluss einer mehrachsigen Beanspruchung, z.b. durch Kerben oder Schweißeinflusszonen. Auch die Tieftemperaturversprödung lässt sich durch die Beweglichkeit von Versetzungen erklären. Versetzungen können Sprünge aufweisen. Durch diese Sprünge ist die Beweglichkeit stark von den nulldimensionalen Fehlstellen abhängig. Mit zunehmender Temperatur nimmt die Beweglichkeit der nulldimensionalen Fehlstellen (i.a. den Leerstellen) zu und somit können die Versetzungen kleine Hindernisse leichter überwinden. D.h. der Werkstoff wird mit zunehmender Temperatur duktiler, mit abnehmender Temperatur spröder. DBTT Abhängigkeit der Bruchspannung angerissener Teile von der Fehlergröße und der Temperatur 86
19 Dies wird als spröd-duktil Übergangstemperatur bezeichnet, im Englischen: ductile to brittle transition temperature, oder T DBTT. T < T DBTT mittlere Temperatur hohe Temperatur (Crack Arrest Temperature) auch ein rissfreies Bauteil erleidet einen verformungslosen Sprödbruch Spannungszustand in der Rissspitze bestimmt das Formänderungsverhalten ein sich ausbreitender Riss wird durch das hohe Formänderungsvermögen des Werkstoffs aufgefangen Kräfte und Spannungen an einer Versetzungslinie (Peach-Koehler Kraft) Die Peierlsspannung τ P ist nötig um eine Versetzung durch den Kristall zu bewegen. Sie läßt sich aus der periodischen Schwankung der potentiellen Energie der sich durch das Gitter bewegenden Versetzungslinie erklären. Der Körper stehe unter reiner Scherbeanspruchung, d.h. eine Kraft F wirkt parallel zur Grund- und Deckfläche eines quaderförmigen Volumenelementes. Es wirkt die Schubspannung: τ = F L T Schubspannung τ Die Verschiebung des Volumens ergibt sich zu: dw 1 = 87 d δ = b F d δ = τ L T dx L b dx dadurch wird die Arbeit L geleistet.
20 Diese Arbeit muß gleich sein einer Arbeit, die von einer virtuellen Kraft f auf die Versetzungslinie (d.h. Einheit von Kraft/Länge) zu leisten ist. dw 2 = f T dx Zur Herleitung der Peach-Koehler Kraft Es ergibt sich: f T dx = τ T b dx <==> f = τ b Aus einer vektoriellen Herleitung folgt die Kraft pro Versetzungslänge zu: F PK = - ŝ (σ b ) Als Peach-Koehler-Kraft. Die Peach-Koehler Kraft ist somit grundsätzlich senkrecht zur Versetzungslinie. Das ergibt einen konstanten Betrag der Gleitkraft in Richtung des Burgersvektors auf eine Versetzung (unabhängig von ihrem Linienvektor) auf Grund eines Spannungsfeldes σ (3x3 Matrix) zu: F G = nˆ σ b Für die Komponente der Kletterkraft gilt: F K = mit dem Stufenanteil des Burgersvektors b e. bˆ e σ b Aus dem Aufbau der Versetzungen ergibt sich außerhalb des Versetzungskernes eine elastische Verzerrung des Gitters. Die elastischen Dehnungen und Spannungen können über die linear elastische Theorie aus dem Verschiebungsfeld der Versetzungen berechnet werden. Das Verschiebungsfeld ergibt sich wiederum aus der Zylindersymmetrie und dem Burgersumlauf. 88
21 89 Spannungsfeld einer Versetzung Das Verzerrungsfeld einer Schraubenversetzung im isotropen Medium (Schubmodul G und Poissonkonstante ν) wird hergeleitet zu (right-hand-screw, d.h. Linienvektor und Burgersvektor parallel und in z-richtung): π = x y arctan b y,z) (x, u Schraube Das einer Stufe zu (Linienvektor z, Burgersvektor x): ( ) + ν ν + ν + + ν π = 0 y x log ) 4(1 2 1 ) y )(x 2(1 x x y arctan ) y )(x 2(1 xy 2 b z) y, (x, u Stufe Aus dem Verschiebungsfeld ergibt sich das lokale Dehnungsfeld (Tensor 2. Stufe) zu: ε ij = 2 1 ( j i x u + i j x u ) und das Spannungsfeld um eine Versetzung aus der linear elastischen Theorie. Sowohl für Schrauben- als auch für Stufenversetzungen lässt sich zeigen, dass das Spannungsfeld reziprok zum Abstand zur Versetzungslinie r = 2 2 y x + abfällt. π = σ 0 x y x 0 0 y 0 0 r 2 G b 2 Schraube oder in Zylinderkoordinaten:,z r, Schraube r 2 G b θ π = σ für eine Stufenversetzung: ν + ν π = σ Stufe r y ) y (x y ) y (x x 0 ) y (x x ) y (3x y r 1 ) (1 2 G b
22 In beiden Fällen sieht man, dass das Spannungsfeld mit 1/r abnimmt. Im isotropen Medium und mit dem Winkel α zwischen Linien- und Burgersvektor gilt, ohne Berücksichtigung der expliziten Richtungsabhängigkeiten: σ gemischte Versetzung σ Schraube 1 cosα + sinα 1 ν Zusammenhang zwischen Versetzungsdichte und äußerer Spannung Das Spannungsfeld einer Versetzung nimmt mit 1/r ab. Der mittlere Abstand zwischen den Versetzungen beträgt 1/ ρ, mit der Versetzungsdichte ρ. Somit kann ein Versetzungswald eine äußere Spannung neutralisieren, wenn die die Versetzungsdichte quadratisch mit der Spannung steigt: 1 1 σ ext. σ Vers. ~ = ρ r x mit Vorfaktoren: σ back stress = G b R ln 2 π r 0 1 G b R = ln x 2 π r 0 ρ G b ρ Taylor-Beziehung σ ρ G b (Bed.: Temperatur hoch genug um Gleichgewichtsabstand einzustellen) 2 Abhängigkeit der Versetzungsdichte von der Schubspannung für Kupfer bei Raumtemperatur. Die Taylor Beziehung ρ ~ σ 2 ist über einen weiten Bereich erfüllt. 90
23 Natural Creep Law ("natürliches Kriechgesetz") Unter der Annahme, dass bei hohen Temperaturen die Versetzungsgeschwindigkeit proportional zur äußeren Spannung ist (Herleitung im nachfolgende Kapitel "Wechselwirkung von Versetzungen mit 0-dimensionalen Fehlstellen"): v ~ σ und der oben hergeleiteten Taylorbeziehung mit σ ρ G b ergibt sich mit ε = ρ b v die Kriechgeschwindigkeit ε zu: σ ε ~ G b b σ = σ b oder speziell die Abhängigkeit der Dehnrate von der außen anliegenden Spannungen zu: G 2 natural creep law ε ~ σ 3 Mit einem Spannungsexponent, oder Norton-Exponent von n = 3. Diese Abhängigkeit wird bei hohen Temperaturen im stationären Bereich der Kriechkurve bei vielen Materialien beobachtet (siehe Ashby und Frost, Deformation Mechanism Maps). Spannungsexponenten > 3 (bis zu bei oxiddispersionsverfestigten (ODS-) Materialien, Stichwort Schwellspannungskonzept) sind meist auf starke Behinderung der Versetzungsbewegungen zurück zu führen. Linienenergie einer Versetzung Aus der elastischen Verspannung des Gitters ergibt sich eine Linienenergie für die verschiedenen Versetzungstypen. Die Linienenergie wird berechnet indem man die Versetzung gedanklich halbiert und die eine Hälfte aus einem großen Abstand R 0 auf die andere Hälfte zu bewegt. Durch die Wechselwirkungskräfte (siehe unten) ergibt sich eine Kraft pro Länge, das Integral Kraft mal Weg von R 0 bis zum inneren Abschneideradius r 0 b ergibt eine Energie pro Versetzungslänge. Für isotropes Material und einem Winkel α zwischen dem Burgersvektor und der Versetzungslinie ergibt sich die Linienenergie zu: 91
24 U Lα = G b 4 π R ν ln 1+ sin r0 1 ν 2 2 α Die Abschneideradien R und r 0 sind nötig, da ansonsten die Linienenergie gegen unendlich gehen würde. Der obere Abschneideradius R entspricht dem mittleren Abstand zwischen den Versetzungen (mehrere µm), der untere r 0 dem Gitterparameter oder wenige b. Oft wird der Vorfaktor 1 R ln 4 π r0 = 1, gesetzt. Mit R = 73 µm, r 0 = 0,25 nm = a, ist 2 1 R ln = 1,00. 4 π r0 Wichtig ist die Abhängigkeit zu b 2 und, dass Stufenversetzungen um den Faktor 1/(1-ν) 3/2 größere Linienenergie als Schraubenversetzungen besitzen. Somit gilt für eine Schraubenversetzung: U L G b 2 Für Kupfer ergibt sich mit r 0 = 2, m, R = 10-4 m, G = 48 GPa und b = m für eine Schraubenversetzung: U Schraube L = 3, J/m. für eine Stufenversetzung mit ν = 0,34: U Stufe L = 4, J/m. Es ergeben sich Linienenergien von Versetzungen in der Größenordnung von 10-9 bis 10-8 J/m. Die Linienenergie einer Versetzung nimmt mit ihrer Bewegungsgeschwindigkeit im Kristall zu (vergleiche das Kapitel "Beanspruchungsgeschwindigkeit und -temperatur": L L0 v 1 c mit c t der transversalen Schallgeschwindigkeit des Materials. U = U 2 2 t 92
25 Versetzungen liegen, im Gegensatz zu Leerstellen, nur mit einer extrem geringen Dichte im thermodynamischen Gleichgewicht vor. Bildungsenergie einer Leerstelle Q L 1 ev, k T bei 1000 C ca. 0,11 ev Leerstellenkonzentration: c L Versetzungen, Beispiel Kupfer (Gitterebenenabstand a = 3, m, Linienenergie U L J/m): Für jedes Atom des Versetzungskernes (Abstand ist der Betrag des Burgersvektors b ), welches die eingeschobene Halbebene beendet, ergibt sich eine Energie von Q Vers.atom 5 ev. Und damit im thermodynamischen Gleichgewicht bei 1000 C eine Dichte von nur c Vers.atom ! Ein Kupfer-Einkristall der Größe von 1 m 3 enthält 4/(3, m) 3 = 8, Atome. Die Zahl der Versetzungsatome in 1 m 3 ist somit Atome. Diese aneinandergereiht ergibt eine Länge von 2 mm. Damit ergibt sich die Gleichgewichts-Versetzungsdichte zu m -2. In Realkristallen liegt die Versetzungsdichte im Bereich von bis m -2. Linienspannung Der Versetzungslinie kann neben ihrer Energie auch eine Linienspannung zugeordnet werden, vergleichbar einem Gummiband. Die Linienspannung ergibt sich aus dem Widerstand der Versetzung gegen einer Krümmung der Linie. Sie ergibt sich aus der Energie bei einer infinitesimalen Auslenkung θ zu 2 U T = U L + 2 θ L Im isotropen Material ergibt sich eine Linienspannung von (Seite 313, paper Phil. Mag. Glatzel, Forbes, Nix): b 4 π R r0 2 G 2 ν [ ] 1 ν T isotropic = ln 1 + sin θ + 2 cos( 2θ) Die Linienspannung hat dieselbe Einheit wie die Linienenergie und liegt auch betragsmäßig in derselben Größe. Eine Versetzung, die an zwei Punkten mit dem Abstand L verankert ist, wird sich durch die Einwirkung einer äußeren Kraft durchbiegen. Die Linienspannung versucht die Versetzung als Gerade beizubehalten. 93
26 L 2 r θ θ T sinθ T T r θ Die Durchbiegung ergibt sich anschaulich aus einer erhöhten Linienenergie auf Grund der Längenzunahme verursacht durch die Durchbiegung. Die gedachte Gegenkraft muss die Energie W extern = τ ext. b (2 r θ) aufbringen. Die Energiezunahme auf Grund der Durchbiegung beträgt W Durchb. = 2 T sinθ 2 T θ 2 U L θ. Somit ergibt sich der Radius der Durchbiegung zu: r = G b τ Falls die Spannung so groß ist, dass sich ein perfekter Halbkreis ergibt, kann das Hindernis überwunden werde. Es liegt dann 2 r = L vor und es ergibt sich die Orowan-Spannung τ Orowan im Kräftegleichgewicht bei genauer Berechnung des Kreisbogens: ext τ Or = 0.84 G b L G b L Die Orowan Spannung wird benötigt um eine Versetzung komplett zwischen zwei Hindernissen hindurch zu bewegen. Dies hat eine weitreichende Bedeutung. Je näher wir Hindernisse in einer Legierung zusammen bringen, umso höher die Festigkeit. Beispiel Nickelbasis-Superlegierung CMSx-4 nach Wärmebehandlung: γ' Volumenateil von ~ 70%, würfelförmige Ausscheidungen, Matrixkanalbreite nm. G ~ 95 GPa (Matrix bei 1000 C). b = 360 pm/ 2 = 255 pm, daraus folgt: τ Or 600 MPa für 40 nm Abstand zwischen den γ' Teilchen τ Or 240 MPa für 100 nm Abstand zwischen den γ' Teilchen Dies ist im Bereich der wirkenden Fliehkräfte in einer Gasturbinenschaufel. Durch Vergröberung der γ' Ausscheidungen mit der Zeit bei einer Temperatur ab 1000 C nimmt diese Spannung mit der Zeit ab. 94
27 Festigkeissteigerung durch Mischkristallverfestigung (Cu-Co gelöst), durch Ausscheidungsverfestigung (Cu-Co ausgeschieden) oder durch verfestigende Teilchen oder Dipersoide (Cu-BeO in Dispersion). Wir können die Fließspannung τ einer Kupferlegierung durch Mischkristallverfestigung steigern. Durch weitere Zugabe von Co, ergeben sich Co-Ausscheidungen (hcp), die aber noch von Versetzungen geschnitten werden können. Eine sehr effektive Festigkeitssteigerung ergibt sich, wenn die Hindernisse nicht von Versetzungen geschnitten werden können und die Hindernisse sehr fein dispergiert vorliegen (kleines L), wie z.b. bei dispersionsgehärteten Legierungen. Auch bei Nickelbasissuperlegierungen wirken die nah beieinander liegenden γ' Ausscheidungen als Hindernisse und die Versetzungen müssen sich durch die schmalen Matrixkanäle "quälen" (siehe mittleres Bild auf Seite 73 im Skript H2a). Versetzungsvervielfachung (Versetzungsquelle) Ist die außen anliegende Kraft groß genug so wirkt eine verankerte Versetzungslinie als Versetzungsquelle und emittiert immer weitere Versetzungsringe (Frank-Reed-Quelle), so lange, bis die Rückspannung durch aufgestaute Versetzungen so groß wird, dass eine Multiplikation verhindert wird. Siehe dazu die Animation von Versetzungsbewegungen, und auch zu Versetzungsquellen in: 95
28 Ausbreitung einer verankerten Versetzungslinie. Die von der Versetzungslinie überschrittene Fläche ist abgeglitten. Frank Read Quelle in Silizium, Dash (1957). Lichtmikroskopische Aufnahme, Versetzung wurde durch die Dekorationstechnik sichtbar gemacht: Fremdatome lagern sich an den Versetzungskern an und verändern den Brechungsindex. 96
29 Konzentrische Ringe um eine Versetzungsquelle in Al3.5Mg, TEM-Aufnahme (1962) Wechselwirkung zwischen Versetzungen und Nulldimensionalen Fehlstellen (Cottrell- Wolken) Eine Wechselwirkung ergibt sich aus der Anlagerung von Fremdatomen in dem Spannungsfeld von Versetzungen. Dies findet insbesondere durch bewegliche Zwischengitteratome mit kleinerem Atomradius als derjenigen der Matrixatome statt (z.b. Stickstoffatome in unlegierten Stählen mit niedrigem Kohlenstoffgehalt, in Tiefziehblechen). Durch Cottrell-Wolken blockierte Versetzungen in einem gealterten Stahl Durch Vorverformung (Dressieren) von den Cottrell-Wolken gelöste Versetzungen Während der Glühung haben sich Stickstoffatome in der Nähe der Versetzungskerne angelagert. Sie setzen somit die Spannungsfelder um die Versetzungslinien herab. Wird das Material verformt muß eine höhere obere Streckgrenze σ eh überwunden werden, so dass sich 97
30 die Versetzungen von den Cottrell-Wolken lösen. Die nun freien Versetzungen bewegen sich unter einer niedrigeren Spannung, der unteren Streckgrenze σ el. Die Verformung ist somit lokalisiert in Bereichen einer lokalen Spannungserhöhung. Es entstehen sog. Lüders-Bänder, die sich durch die Probe hindurch bewegen. Gealterter (bei hohen Temperaturen ausgelagerter) Werkstoff mit oberer und unterer Streckgrenze Ungealterter Werkstoff mit kontinuierlichem Übergang vom elastischen in den plastischen Bereich Inhomogene Verformung durch Bildung von Lüders-Bändern bei der Zugbeanspruchung eines gealterten Stahls. Wechselwirkung zwischen Versetzungen und Nulldimensionalen Fehlstellen (Versetzungsklettern) Eine große Bedeutung spielt die Wechselwirkung von Versetzungen mit Leerstellen bei hohen homologen Temperaturen (T > 0.4 T Schmelzpunkt ). Es ist dann möglich, dass sich 98
31 Stufenversetzungen, bzw. Versetzungen mit Stufenanteil auch senkrecht zu ihrer Gleitebene bewegen. Dies führt ebenfalls zu einer plastischen Verformung. Schematische Darstellung des Kletterprozesses über den Mechanismus der Diffusion, z.b. hervorgerufen durch eine horizontal angelegte Druckkraft. Die Kletterkraft einer reinen Stufenversetzung (bei einer Schraubenversetzung beinhaltet der nachfolgende Ausdruck zudem noch den Gleitanteil) ergibt sich durch Projektion der Peach- Köhler-Kraft auf die Gleitebene zu: [ ] nˆ F K = F PK n = ŝ ( σ b) = bˆ e σ b Wird nun eine Leerstellen entsprechend der Abbildung oben eingebaut, so ergibt sich ein Energiegewinn von: W = F K b 2 da F K die Kraft pro Versetzungslänge ist, F K b die Kraft auf die Fläche b 2 darstellt. Somit ergibt sich in skalaren Größen (strenggenommen ist hier mit σ nur der Kletteranteil des Spannungstensors gemeint): W = σ b 3 = σ Ω mit dem Atomvolumen Ω = b 3. Analog zur Herleitung der Leerstellendichte ergibt sich bei einer außen anliegenden Spannung eine Absenkung, bzw. Anreicherung der Leerstellenkonzentration von: c - = c 0 e c + = c 0 e σb 3 kt +σb 3 kt Versetzung klettert nach oben (eingeschobene Halbebene verkleinert sich), z.b. horizontale Druckkräfte im Bild oben Versetzung klettert nach unten (eingeschobene Halbebene vergrößert sich), z.b. horizontale Zugkräfte im Bild oben Diese unterschiedlichen Leerstellenkonzentrationen ober-, bzw. unterhalb der Versetzungen im Vergleich zur Gleichgewichtsleerstellenkonzentration ergeben einen Fluss von Leerstellen 99
32 hin zum Versetzungskern im Fall einer horizontalen Druckkraft (die Versetzung ist eine Leerstellensenke) weg von der Versetzung im Fall einer horizontalen Zugkraft (die Versetzung ist eine Leerstellenquelle) Der Leerstellenfluss ist proportional dem Konzentrationsunterschied (erstes Fick'sches Gesetz J = D c ). Im Allgemeinen spielt der Fluss von Substitutionsatomen beim Versetzungsklettern eine stark untergeordnete Rolle, da deren Beweglichkeit im Vergleich zu den Leerstellen deutlich eingeschränkt ist. Es lässt sich zeigen, dass die Geschwindigkeit der Versetzungskletterbewegung proportional zu der Differenz der Leerstellenkonzentration ist, z.b.: v + c ~ D V (c + - c 0 ) = D V c 0 Für kleine Spannungen (100 MPa) ist σ b 3 = 0,01 ev << k T = 0,11 ev (bei 1000 C) und die Exponentialfunktion lässt sich linearisieren zu: v + σ b 3 c ~ D V c 0 k T Die Klettergeschwindigkeit der Versetzung ist somit proportional zur Spannung und steigt exponentiell mit der Temperatur und der Aktivierungsenergie der Selbstdiffusion an: v + c ~ D V σ = D 0 e Q kt 3 σ b e kt Selbstdiffusion σ 1 Somit gibt sich das "natural creep law" (siehe das eigene Kapitel vorher)über Versetzungsklettern mit einem Spannungsexponenten n von 3 und einer Aktivierungsenergie der Selbstdiffusion: ε ~ σ 3 e Q Selbstdiffusion kt Wechselwirkungen von Versetzungen miteinander Mit den oben angegebenen Spannungsfeldern von Versetzungen lassen sich Wechselwirkungskräfte einer Versetzung auf die andere über den Peach-Köhler Formalismus berechnen. Prinzipiell fallen die Wechselwirkungskräfte mit 1/r ab. 100
33 Parallele Versetzungen mit Burgersvektor gleichen Vorzeichens stoßen sich ab, mit verschiedenem Vorzeichen ziehen sich an: U L1 G b 2 1, U L2 G b 2 2 2, U L,ges G b 1 + b 2 = G 2 (b1 + b b 1 b 2 cosα) Dies ergibt, dass parallele Versetzungen mit Burgersvektoren, die einen Winkel < 90 zueinander bilden sich anziehen, und bei > 90 sich abstoßen. Für Stufenversetzungen ergeben sich die Kräfte zu (schwarz: negative Kräfte, weiß: positive Kräfte): y 5 5 F G F K x Gleitkräfte Kletterkräfte Wichtig sind hierbei die sog. Spiegelkräfte. Liegt eine Versetzung in der Nähe einer freien Oberfläche, so sind die Randbedingungen an der Oberfläche σ xz = σ yz = σ zz = 0 zu befriedigen. Diese Randbedingungen lassen sich durch die Einführung einer an der freien Oberfläche gespiegelten Versetzung mit entgegengesetztem Vorzeichen erzielen. Das bedeutet, dass eine Versetzung von einer freien Oberfläche angezogen wird. Schrauben- und Stufenversetzung im Abstand d von einer freien Oberfläche. Liegt die Versetzung in der Nähe eines Übergangs zu einem unendlich steifen Medium sind die Randbedingungen ε xz = ε yz = ε zz = 0 zu erfüllen. Dies erfolgt durch eine Spiegelversetzung mit gleichem Vorzeichen. Die Versetzung wird von dieser Grenzfläche abgestoßen. 101
34 Temperaturabhängigkeit der Auswirkung der Versetzungswechselwirkungen: Im Spannungs-Dehnungsdiagramm bei niedrigen Temperaturen ergibt sich im Allgemeinen eine Verfestigung: σ σ > 0 bzw. > 0 ε t Die Versetzungsdichte ρ steigt kontinuierlich an (dρ +, hardening h). Bei hohen Temperaturen sind die Versetzungen so beweglich (Stichwort: "klettern", "nichtkonservative Bewegung", "Quergleiten"), dass energetisch günstige Konfigurationen eingenommen werden können und/oder sich Versetzungen gegenseitig auslöschen (annihilieren) können. Da Versetzungen nicht im thermodynamischen Gleichgewicht sind, werden die Linienenergien bei genügend hohen Temperaturen und Zeiten abgebaut. Im Material findet somit ein Abbau der inneren Spannungen oder eine Entfestigung statt: σ < 0 t,bzw. die Versetzungsdichte nimmt ab (dρ -, recovery r). Die Versetzungsdichte verringert sich zeitabhängig ( t) über gegenseitige Auslöschung, Wanderung zu Oberflächen (siehe Spiegelkräfte) oder zu Korngrenzen. Die durch die Verformung (abhängig von der Dehnungsänderung ε) erhöhte Versetzungsdichte ρ ε wird durch die Umordnung infolge von diffusionsgesteuerten Prozessen durch Erholung wieder vermindert. Erzeugung und Verminderung der Versetzungsdichte unter thermischer Einwirkung ergibt dann einen stationären Zustand, d.h bei einer von außen vorgegebenen konstanten Spannung ergibt sich eine konstante Dehngeschwindigkeit ε (oder die Dehngeschwindigkeit ist vorgegeben und es stellt sich eine konstante Spannung ein). Analog nimmt die Versetzungsdichte einen stationären Wert an (wichtig: nur bei genügend hohen Temperaturen). Das heißt Verfestigung und Entfestigung sind betragsmäßig gleich groß: 102
35 ρ dρ = 0 => stationärer Zustand ρ 0 Verfestigung überwiegt t oder ε Das totale Differential der Versetzungsdichte ergibt sich zu: ρ dρ total = t dt + ρ dε ε = r dt + h dε Im stationären Zustand ergibt sich eine konstante Versetzungsdichte und somit: dε r dρ total = 0 = r dt + h dε -r dt = h dε = - dt h bzw.: r ε steady state = - = const. > 0 h Dies erklärt über die, für den Kletterprozess notwendige, Diffusion auch die Temperaturabhängigkeit: ε Q n k T ss ( σ,t) = ε 0 σ e mit der Aktivierungsenergie Q Kriechen Q Selbstdiffusion und einem Spannungsexponenten von ca. 3, je nach Abhängigkeit der Geschwindigkeit des Versetzungskletterns von der Spannung (siehe "Wechselwirkung von Versetzungen mit 0-dimensionalen Fehlstellen"). Durch die bei höheren Temperaturen stärker ermöglichten Diffusionsvorgänge mit einer Temperaturabhängigkeit wie k T e Q SD Kriechen wird auch die Beweglichkeit der Versetzungen gesteigert. Um zu einer höheren Warmfestigkeit zu gelangen muss somit die Versetzungsbeweglichkeit vermindert werden (Ausscheidungen einer zweiten Phase => Nickelbasissuperlegierungen). Schneiden sich zwei Versetzungen entstehen Sprünge in den Versetzungslinien. 103
36 Schneidprozeß zwischen zwei Stufenversetzungen, deren Burgersvektoren einen rechten Winkel zueinander bilden. Die Versetzungslinie X-Y ist in sich selbst um den Betrag des Burgersvektor der Linie A-B verschoben. Schneidprozeß zwischen zwei Stufenversetzungen mit parallelem Burgersvektor. Die Sprünge der Versetzungslinien haben Schraubencharakter. Schneiden sich zwei Schraubenversetzungen so entstehen Sprünge mit Stufencharakter. Diese Sprünge können nun nicht mehr in der in der ursprünglichen Gleitebene der Schrauben gleiten. Die eingeschobene Halbebene muß sich verlängern oder verkürzen. diese Bewegung wird als nicht konservative Bewegung bezeichnet und ist nur durch Erzeugung oder Vernichtung von Leerstellen, bzw. Zwischengitteratomen möglich. Bei zunehmender Zahl von Schneidvorgängen entstehen immer mehr schwer bewegliche Versetzungsabschnitte (nicht bewegliche kinks) => Verfestigung des Werkstoffes. 104
37 Versetzungsaufstau Eine Versetzungskonfiguration, die häufig nach plastischer Verformung beobachtet wird ist ein Aufstau von Versetzungen. Er wird hervorgerufen durch die Emission von Versetzungen auf einer Gleitebene ausgehend von einer Versetzungsquelle. Trifft die führende Versetzung auf ein Hindernis (z.b. Korn- oder Phasengrenze) so stauen sich die nachfolgenden Versetzungen auf. Auf Grund der abstoßenden Kräfte der gleichsinnigen Versetzungen tritt keine Rekombination ein. Die elastischen Spannungsfelder der Versetzungen Wechselwirken miteinander. Der Abstand zwischen den Versetzungen wird kleiner je kleiner der Abstand zum Hindernis ist. Lineare Anordnung eines Aufstaus von Stufenversetzungen vor einem Hindernis unter einer von außen anliegenden Schubspannung τ. Versetzungsaufstau an einer γ'/matrix-phasengrenze in einer Nickelbasissuperlegierung (Übersicht und Ausschnittvergrößerung, Dr.-Arbeit Uwe Glatzel, TU-Berlin 1990) Die Spannung τ 1 auf die führende Versetzung 1 ergibt sich durch die von außen angelegte Schubspannung τ ext. plus die von jeder der (n-1) verbleibenden Versetzungen wirkende 105
38 Spannung τ n, mit n 1. Bewegt sich die führende Versetzung um δx, so rücken auch alle nachfolgenden Versetzungen um δx auf. Dies ergibt eine verrichtete Arbeit W = n b τ ext. δx. Das Hindernis (z.b. die Korngrenze) wirkt mit einer Gegenkraft τ crit. auf die führende Versetzung. Dies ergibt bei Bewegung um δx eine Energieänderung von W * = b τ crit. δx. Im Gleichgewicht sind die beiden Energiebeiträge gleich groß und somit ist: τ 1 = N τ ext. Durch einen Versetzungsaufstau lässt sich somit die Spannung auf die führende Versetzung deutlich erhöhen. Die Quelle wird weiterhin Versetzungen emittieren, solange die Rückspannung der letzten Versetzung kleiner ist als τ. Der Abstand zwischen Versetzung i und (i-1) verhält sich wie 1 b G 1 1 x i = ~ (für eine große Anzahl von Versetzungen im Aufstau) (N i + 1) 2π τ i ext. Die Zahl der Versetzungen ergibt sich aus dem Abstand der Quelle zum Hindernis und ist hier ohne Herleitung gegeben (siehe Hirth & Lothe, p. 767ff). Im Fall, dass die Quelle sich im Zentrum des Kornes befindet, ist dies d/2 (bei Korndurchmesser d). N = d τ ext. G b ==> τ crit. = d τ 2 ext. G b bzw.: τ ext. = τ crit. G b d Bei Annahme einer konstanten Korngrenzenfestigkeit τ crit. = τ KG, ergibt sich: τ ext. ~ 1 d Somit ist über einen Versetzungsaufstau eine Herleitung für den Zusammenhang zwischen Korngröße und Streckgrenze gegeben (Hall-Petch). Korngrößeneinfluss (Hall-Petch-Beziehung) Aus der obigen Herleitung lässt sich das makroskopische Verformungsverhalten als Funktion der Korngröße ableiten. Der mittlere Laufweg ist von der Korngröße abhängig. Das heißt ein grobkörnigerer Werkstoff hat zu Beginn der Verformung eine größere mittlere freie Weglänge für Versetzungen, bzw. die Möglichkeit mehr Versetzungen aufzustauen, bevor sie auf ein 106
39 Hindernis (die Korngrenze) treffen. Damit hat der grobkörnige Werkstoff eine geringere Streckgrenze. Der freie Laufweg von Versetzung abhängig von der Größe eines Kristallits und von Versetzungshindernissen (z.b. feindispers ausgeschiedene Zweitphase). Für hinreichend große Korndurchmesser lautet die empirisch ermittelte Hall-Petch- Beziehung: k σ 0.2 = σ 0 + n d Mit dem Korndurchmesser d, einer Reibungsspannung σ 0 und der Korngrenzenhärte k als Konstanten (die τ crit. beinhaltet), n ist 2. Für technische Metalle ist die Hall-Petch Beziehung nur bedingt gültig, da Ausscheidungen die mittleren Laufwege zusätzlich erheblich verkürzen können. Für sehr kleine Korndurchmesser ist ein Versetzungsaufstau nicht mehr möglich und die Hall-Petch-Beziehung bricht zusammen. 107
40 σ σ 0 k 25 nm m nm d m nm m -2 1 d Abweichung von der Hall-Petch Beziehung für Korngrößen kleiner nm. von Mises Kriterium: Für eine beliebige Veränderung eines Volumenelementes benötigen wir 6 voneinander unabhängige Dehnungsgrößen: ε xx, ε yy, ε zz, ε yz, ε xz, ε xy. Bei plastischer Verformung gehen wir jedoch von einer Volumenkonstanz aus, d.h. für eine beliebige plastische Verformung genügen 5 Dehnungsgrößen um diese zu beschreiben, da ε xx + ε yy + ε zz = 0. Für die Abgleiten auf einem Gleitsystem ergibt sich eine plastische Verformung von: mit pˆ ( b n) ε ' = γ Mit der Transformationsmatrix b1 R = b2 b3 n n n bˆ,nˆ,pˆ p1 p2 p 3 ergibt sich die Dehnung im kartesischen Koordinatensystem zu: ε = R 1 ε' R Wenn die Burgersvektoren und Gleitebenen jeweils voneinander abhängig sind (als Linearkombinationen darstellbar) sind die Gleitsysteme voneinander abhängig. Für eine beliebige plastische Verformung auf Grund von Gleitprozessen benötigen wir 5 voneinander unabhängige Gleitsysteme. Es kann nicht mehr als 5 voneinander unabhängige Gleitsysteme 108
41 in einem Kristall geben, da durch Gleitprozesse keine Volumenänderung möglich ist (bei Phasenumwandlungen mit Volumenänderungen kommt ein zusätzlicher Freiheitsgrad hinzu). fcc bcc hcp Gleitbenenen <111> <110> und/oder <112> Basalebene [0001] Burgersvektor a/2 <110> a/2 <111> a/3 <11 2 0> Anzahl der Gleitsysteme oder mehr 3 Zahl voneinander unabhängigen Gleitsysteme Mechanische duktil, geringe Eigenschaften Festigkeit duktil, hohe Festigkeit spröde Beispiele Ni, Cu, Pb Fe, Mo, Ta Mg, Be, Ti Zusammenfassung: Bedeutung der Versetzungen (zum 1. Mal) Versetzungsmechanismen beeinflussen das plastische Formänderungsvermögen über den gesamten Temperaturbereich ( ε = ρ b v): - T < T DBTT : Versetzungen eventuell nicht beweglich, bzw. zu langsam Sprödbruch - 0 < T < 0,4 T m : Versetzungsgleiten: je nach Kristallsystem stehen Gleitsysteme zur Verfügung (siehe auch von Mises Kriterium später) die zu einer plastischen Verformung beitragen. - T > 0,4 T m : Weitere Gleitsysteme werden aktiviert (krz) und Wechselwirkung mit Leerstellen erhöht die Beweglichkeit der Versetzungen drastisch (gleiten + Versetzungsklettern) zeitabhängige plastische Verformung (Kriechen). Technisch bedeutsam bis T m. - Reine Diffusionsprozesse durch Leerstellenbewegung spielen für die plastische Verformung keine Bedeutung (jedoch für Konzentrationsverschiebungen, Diffusion von der Oberfläche,... ). Spannungsfeld um eine Versetzung: σ Vers G b/r (Langreichweitig). Linienenergie: U L G b 2 ( Linienspannung) für elastisch isotrope Materialien. σ bei hohen Temp.: Taylor-Beziehung ρ G b mit Hindernissen: Orowanspannung: σ Orowan G b/l k σ Hall-Petch = σ 0 + d 2 und natural creep law ε ~ σ 3, da v ~ σ 109
42 Zweidimensionale Fehlordnungen Korngrenzen Der Grenzbereich von einem Korn zum anderen ist näherungsweise ein flächenhafter Fehler. Man unterscheidet zwischen Klein- (< 5 ) und Großwinkelkorngrenze ( 5 ), dann weiter in Dreh- und Kippgrenzen. Im Allgemeinen Fall ist jedoch die Korngrenze eine Kombination aus Dreh- und Kippgrenze. Zur exakten Definition einer Korngrenze benötigt man die Flächennormale der Grenzfläche n, die Drehachse t und den Drehwinkel θ zwischen den beiden Kristallen. Bei einer Drehgrenze ist die Drehachse parallel zur Grenzflächennormalen, bei einer Kippgrenze senkrecht dazu. Kippgrenze Drehgrenze durch Netzwerk aus parallelen Schraubenversetzungen Bildung einer Kleinwinkelkorngrenze durch Ordnung vorher ungeordneter Versetzungen 110
43 b tan θ = d Beziehung zwischen Kippwinkel θ einer Kleinwinkelkorngrenze und dem Versetzungsabstand Die Korngrenze hat somit 5 Freiheitsgrade. Es gilt: N b = r ˆ t i i i θ ( ) 2 sin 2 mit einem beliebigen Vektor r, der in der Grenzfläche liegt. N i ist die Zahl der Versetzungen mit Burgersvektor b i, die von r geschnitten werden. Die Frank'sche Regel kann direkt aus dem Burgersumlauf abgeleitet werden. Streng gültig ist diese Regel nur für Kleinwinkelkorngrenzen: (a) planar, (b) weiter Abstand zwischen den Versetzungen, (c) kleine Winkel θ und (d) alle Versetzungen gerade, konstanter Abstand und parallel zueinander. Es können jedoch mehrere Schlüsse gezogen werden: Im Allgemeinen benötigen wir drei verschiedene, voneinander linear unabhängige Burgersvektoren um eine beliebige Korngrenze zu bilden Durch Verformung des Ausgangsmaterials (Walzen, Schmieden, Kaltverformung,... ) kann die ursprünglich ungeordnete Anordnung der Korngrenzen ausgerichtet werden (=> Texturen). Die Verteilung der Korngrenzen bestimmen das mechanische Verhalten entscheidend (siehe u.a. Hall-Petch Beziehung σ 0.2 = σ 0 + k/ d ). 111
44 Großwinkelkorngrenzen haben eine Dicke von 2-5 Atomlagen und es besteht keine Kohärenzbeziehung zwischen den Körnern. Die Großwinkelkorngrenze kann eine amorphe (Flüssigkeitsähnliche) Struktur annehmen. D.h. bei hohen Temperaturen das Material an den Korngrenzen aufschmilzt und Gleitvorgänge in den Korngrenzen und nicht mehr innerhalb des Gitters auf definierten Gleitebenen stattfindet. Die Rissbildung ist durch das Aufreißen von Korngrenzen gekennzeichnet. => gerichtete Erstarrung, Einkristalle zur Anwendung bei extrem hohen Temperaturen. Fehlordnung in den Korngrenzen führt zur Anreicherung von Fremdatomen (z.b. Beigabe von Hafnium, Bildung von Karbiden an Korngrenzen, Wasserstoffversprödung). Stapelfehler Die hexagonal dichteste Kugelpackung weist eine Stapelfolge der (0001) Ebenen nach dem Muster... ABABABAB... auf. Im kfz-gitter sind die {111} Ebenen entsprechend... ABCABCABCABC.. angeordnet. Störungen dieser Ordnung werden als Stapelfehler bezeichnet. Sie können während der Kristallisation im Abkühlvorgang eingewachsen sein oder werden durch Abgleitung von Teilversetzungen erzeugt. Eine vollständige a/2 <110> Versetzung im kfz-gitter kann aufspalten in zwei Versetzungen vom Typ a/6 <211> unter Bildung eines Stapelfehlers zwischen diesen Teilversetzungen. Metall Stapelfehlerenergie [mj/m 2 ] Schubmodul G [GPa] Abstand der Shockley Partials [nm] Al ,1 1 Ni ,9 Cu 78 48,3 3,2 Au 45 27,0 4 Ag 22 30,3 9 Stapelfehlerenergien schwanken stark für verschiedene Materialien: Einen großen Einfluss haben auch Legierungsbestandteile. In der Regel reduzieren zusätzliche Legierungselemente die Stapelfehlerenergie (in Bronzelegierungen ist SFE geringer als für Cu, Al-Legierungen haben geringere SFE als Al). 112
45 Kurze Stapelfehlersegmente in austenitischem Stahl. V2A-Stahl, X10CrNi18-8, bzw. Werkstoffnummer Aufspaltung der vollständigen Versetzung mit b = a/2 [110] in b 1 = a/6 [211] und b = a/6 [12 1 ] in der ( 1 11) Ebene des kfz Gitters
46 Schnitt einer ( 1 10) Ebene des kfz Gitters mit einer aufgespalteten Stufenversetzung, die einen Stapelfehler begrenzt. Das kfz-gitter weist in <110>-Richtung eine ABABAB Stapelfolge auf. Eine vollständige Versetzung kann ohne der Störung der Stapelfolge nur durch den Einschub zweier AB Ebenen erfolgen. Es liegen zwei gleichsinnige Teilversetzungen nebeneinander, die zwischen sich einen Stapelfehler bilden. Versetzungslinien und Burgersvektoren liegen schräg zur Papierebene. Antiphasengrenzen Legierungen mit geordneter Atomverteilung (intermetallischen Phasen) erzeugt das Abgleiten eine im Grundgitter vollständige Versetzung nun eine Störung der Ordnung, die Antiphasengrenze. Sind die Atome abwechselnd angeordnet (... oxoxoxox... ), so ist die Antiphasengrenze eine Störung dieser Ordnung (... oxox xoxoxox... ). Die Antiphasengrenzenergien liegen in der Größenordnung von 100 mj/m
47 Antiphasengrenze im kfz Gitter Zwillingsgrenzen Zwillingsgrenzen sind Großwinkelkorngrenzen mit ungestörtem Gitteraufbau und besonders niederer Energie. Die Zwillingsebene spiegelt den Kristall von einer zur anderen Seite. Aus der Ebenenabfolge (... ABCABCABCABC... ) wird (... ABCABC BACBACBA... ). Die Energie der Zwillingsgrenze entspricht der Hälfte der Stapelfehlerenergie. Zwillinge treten somit bevorzugt in Materialien geringer Stapelfehlerenergie auf (Cu, Messing, austenitischen Stählen). 115
48 (112) Zwillingsgrenze im krz Gitter Phasengrenzen In mehrphasigen Werkstoffen ergeben können sich kohärente (jede Gitterebene der Matrix findet ihre Fortsetzung in der Ausscheidung oder teilkohärente (die Gitterebenen der Matrix finden zum Teil ihre Fortsetzung in der Ausscheidung) Phasengrenzen. Im Fall der teilkohärenten Phasengrenzflächen ergeben sich Fehlpassungsnetzwerke (Netzwerke von Versetzungen mit Stufenanteil). Vollständig inkohärente Grenzflächen ergeben sich äußerst selten. kohärent teilkohärent Schematische Darstellung von Phasengrenzen 116
49 Versetzungen in Realstrukturen unter Berücksichtigung möglicher Fehlerflächen Prinzipiell: - Linienenergie einer Versetzung ist proportional b 2 => eine Aufspaltung der Versetzung unter Winkeln < 90 verringert die Gesamtenergie, es können dann aber zusätzliche Flächenfehler auftreten. - von Mises Kriterium: bei plastischer Verformung bleibt das Volumen erhalten => 5 voneinander unabhängige Dehnungsgrößen (6 Dehungsgrößen im Tensor minus 1 durch Volumenkonstanz) müssen variiert werden um eine beliebige plastische Verformung zu ermöglichen => mindestens 5 voneinander unabhängige Gleitsysteme werden für eine beliebige plastische Verformung benötigt. - Gleitebene: Ebene mit höchster Atom-Flächendichte. - Burgersvektor: kürzester Verbindungsvektor zwischen zwei Atomen. - Nur in sehr seltenen Spezialfällen liegt der kürzeste Verbindungsvektor nicht in der Gleitebene. - Aufspaltung schränkt die Bewegungsmöglichkeit ein (Quergleiten von Schraubenversetzungen nicht mehr möglich). - Bei erhöhten Temperaturen auch nichtkonservative Versetzungsbewegung möglich (klettern) => Duktilität nimmt zu, Festigkeit ab. Kubisch-flächenzentriertes Gitter (z.b. Al, Ni, aust. Stähle (Cr-Ni-Stähle), Cu, Ag, Au) Legierungen dieses Kristallgitters zeigen eine gute Umformbarkeit aber auch eine hohe Verfestigungsrate bei der plastischen Verformung. Die Festigkeit lässt sich durch Ausscheidungshärtung beträchtlich erhöhen. Kennzeichnend für dieses Kristallgitter ist die Aufspaltung von Versetzung (in Shockley-Partialversetzungen) und damit die Bildung von Stapelfehlern: a/2 [110] = a/6 [211] + a/6 [12 1 ] Da die Linienenergie einer Versetzung ~ b 2 ist, ergibt sich eine Reduzierung der Gesamtlinienenergie. Je nach Stapelfehlenergie ist der Prozess dann begünstigt oder nicht, bzw. die Aufspaltungsweiten groß oder gering. Durch diese Aufspaltung sind die {111}- Ebenen in der sich der Stapelfehler befindet, als Gleitebenen festgelegt. Die Flächenenergie des Stapelfehlers ist eine entscheidende Größe der kfz-gitter. Der Abstand zwischen den Shockley-Partialversetzungen wird über die Stapelfehlerenergie bestimmt. Die Versetzungen stoßen sich durch Wechselwirkung ihrer elastischen Felder mit 117
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