Beitrag: Immer noch ungeklärt Neue Spuren zum Oktoberfest-Attentat

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1 Manuskript Beitrag: Immer noch ungeklärt Neue Spuren zum Oktoberfest-Attentat Sendung vom 25. März 2014 von Ulrich Stoll Anmoderation: Es war einer der schlimmsten Terroranschläge in der Bundesrepublik: 1980 als auf dem Münchner Oktoberfest eine Bombe explodiert. Und die Ermittler sich schnell festlegen auf ein Ergebnis: Ein Einzeltäter habe den Sprengsatz gezündet. Ein frustrierter, verwirrter Mann. Ende der Debatte, die für die Politik zur Unzeit kam: Neun Tage vor einer Bundestagswahl. Viele Beweismittel sind längst vernichtet. Aber entscheidende Fragen offen. Welche Drähte hatte jener Attentäter Gundolf Köhler zur rechtsextremen Szene? Oder damals aktiven Geheimkommandos? Ulrich Stoll konnte jetzt bisher geheime BND-Akten lesen. Text: Münchner Oktoberfest, 26. September Zehntausende Besucher drängen sich auf der Theresienwiese. Kurz nach 22 Uhr machen sich viele auf den Heimweg. Ich bin durch den Haupteingang rausgegangen und dann kam schon diese Druckwelle. Und das hat mich dann ein paar Meter weitergeworfen, wo ich dann zum Liegen kam. Um Uhr explodiert am Haupteingang eine Bombe. Sie tötet 13 Besucher des Oktoberfestes. Über 200 Menschen werden zum Teil schwer verletzt. Bombensplitter zerfetzen Fuß und Rücken von Renate Martinez. Durch die Druckwelle platzt das Trommelfell und dann hört man nur noch ein hohes Fiepen. Also, ich hatte keine Luft, weil da ein Splitter in der Lunge war und ich war natürlich auch sonst ziemlich bedeppert. Schnell ist klar: Es war ein rechtsextremer Anschlag mit

2 militärischem Profi-Sprengstoff. Die Bombe soll der bei der Explosion getötete Gundolf Köhler gezündet haben. Und er hatte wohl Helfer. O-Ton Kurt Rebmann, ehemaliger Generalbundesanwalt, am : Wir nehmen nicht an, beim gegenwärtigen Stand der Ermittlungen, dass Köhler als Alleintäter gehandelt hat. Die Ermittlungen haben ergeben, dass Köhler Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann war. Köhler, ein Neonazi mit Kontakten zur rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann. Die trainierte den bewaffneten Kampf gegen den Staat, verfügte über Waffen und Sprengstoff. Anfang 1980, im Jahr des Anschlags, wurde sie als verfassungsfeindlich verboten. Zeugen hatten Attentäter Köhler kurz vor dem Anschlag in München in Begleitung mehrerer Personen gesehen. Dennoch erklärten die Ermittler schon kurz nach dem Attentat die Zeugen für unglaubwürdig und Köhler nun plötzlich zum alleinigen Täter. O-Ton Werner Dietrich, Opferanwalt: Jedenfalls fallen diese Zeugenaussagen im Laufe der Ermittlungen unter den Tisch, ebenso der rechtsradikale Hintergrund. Und es bleibt Köhler der Einzeltäter, der aus privaten Motiven, Frust mit Mädchen, fehlgeleitetes Studium und so weiter, aus Weltschmerz nach München alleine reist und die Bombe dort legt. Werner Dietrich kämpft seit über 30 Jahren gegen die These von der Einzeltäterschaft Köhlers. Gab es Helfer im Umfeld von Karl- Heinz Hoffmann und der nach ihm benannten Wehrsportgruppe? Jetzt, nach über 30 Jahren, hat der Bundesnachrichtendienst erstmals Dokumente zum Oktoberfest-Attentat freigegeben. Danach sollen Hoffmann und seine Gruppe wenige Monate vor dem Anschlag in einem Terrorcamp der rechtsgerichteten christlichen Falange-Miliz im Libanon gewesen sein zusammen mit italienischen Neonazis. Eine BND-Quelle meldet im September 1980: Hoffmann und einige seiner Leute, ca , waren im Lager AQURA (vermutlich LIBANON). Zum gleichen Zeitpunkt waren im gleichen Lager italienische Rechtsextremisten. Es sei über mögliche Anschläge in der BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND und in ITALIEN gesprochen worden. Im August 1980 tötete eine Bombe über 80 Menschen auf dem Bahnhof von Bologna in Italien.

3 Knapp zwei Monate später explodierte die Bombe auf dem Oktoberfest. Hatten sich italienische und deutsche Neonazis im Libanon verabredet, Attentate zu verüben? Der Gründer Wehrsportgruppe, Karl-Heinz Hoffmann, bestreitet die Angaben des BND. Er teilt mit: Ich kenne die Lager der libanesischen Falange nicht. Ich habe weder im Libanon noch anderswo mit Italienern Kontakt gehabt. Doch auch die linksgerichtete PLO, Gegenspieler der Falange- Miliz, behauptet, Rechtsextreme rund um Hoffmann und italienische Neonazis hätten im Camp der Falange trainiert. Abdallah Frangi war damals Vertreter der PLO in Bonn. O-Ton Abdallah Frangi, Palästinensische Befreiungsorganisation PLO: Der Chef unserer Sicherheitsorgane hat ja festgestellt, dass eine Zusammenarbeit zwischen den Nazis und den Falangisten in Aqura stattgefunden hat und dass sie einfach nur in den Ausbildungslagern der Falangisten ausgebildet waren und Schutz bekommen haben und Unterstützung. Kannten die Bundesanwälte in Karlsruhe die BND-Hinweise auf eine mögliche Verbindung zwischen italienischen und deutschen Neonazis? Der heutige Generalbundesanwalt gibt dazu keine Auskunft und erklärt, es gebe keine neuen Verdachtsmomente, die die These vom alleinigen Bombenleger Köhler in Frage stellen. Tatsächlich gibt es aber weitere Spuren, die nie konsequent verfolgt wurden. Am 27. September, einen Tag nach dem Anschlag in München, sagten zwei deutsche Rechtsextremisten bei der bayerischen Polizei aus. Sie wiesen auf einen Gleichgesinnten hin: auf Heinz Lembke, einen Förster aus Uelzen. Die Neonazis machten klare Angaben: Herr Lembke zeigte uns verschiedene Sprengstoffarten, Zünder, Lunten, Plastiksprengstoff und militärischen Sprengstoff. Er sagte uns, dass er mehrere Waffenverstecke im Wald habe. Diesen brisanten Hinweis auf Lembkes Waffenverstecke kannten auch die Ermittler der Soko Theresienwiese. Das hat Opferanwalt Dietrich festgestellt, der die Spurenakten zum Oktoberfest-Attentat jetzt, nach 34 Jahren, erstmals einsehen

4 konnte. O-Ton Werner Dietrich, Opferanwalt: Diese Informationen werden nach München gegeben, die Münchner machen aber nichts damit, sondern lassen das liegen. Die Spur Lembke ist dann zunächst erst mal beendet, ohne dass es von den Münchnern einen Ermittlungsauftrag gibt. Und insbesondere die Soko Theresienwiese fordert nichts an und bekommt natürlich auch nichts. Eine heiße Spur, die nicht weiterverfolgt wird. Auch nicht ein Jahr später, als im Oktober 1981, im Wald nahe der Försterei Lembke, 156 Kilo Sprengstoff und 33 Waffendepots entdeckt wurden. Nach seiner Verhaftung kündigte Lembke an, seine Hintermänner zu nennen. Doch dann fand man ihn erhängt in seiner Zelle. So wurde nie geklärt, ob Lembkes Sprengstoff mit der Oktoberfest- Bombe zu tun hatte. Der Generalbundesanwalt schloss die Ermittlungsakte und vermutete über Lembke, dass er von einer Furcht vor einem russischen Überfall durchdrungen und entschlossen war, den erwarteten Eindringlingen als Einzelkämpfer oder als Führer von Partisanen Widerstand entgegen zu setzen. Eine Erklärung, die den Journalisten Tobias von Heymann aufhorchen ließ. Er hat ein Buch über die Oktoberfest-Bombe geschrieben und bezweifelt, dass der Anschlag das Werk eines Einzeltäters war. O-Ton Tobias von Heymann, Journalist: Der Einstellungsbeschluss der Generalbundesanwaltschaft beinhaltet eine Formulierung oder mehrfach Formulierungen, die Lembke als eine Art Partisanenführer im Falle eines sowjetischen Angriffs beschreiben. Genau diese Art von Aufgabe wäre die Aufgabe gewesen von Stay Behind- und den Gladio-Truppen. Stay Behind oder Gladio das sind Decknamen für Partisanentrupps, die Geheimdienste in ganz Westeuropa während des Kalten Krieges aufgebaut hatten und die versteckte Waffendepots unterhielten. Gladio, die italienische Geheimorganisation, wird für den Bombenanschlag auf den Bahnhof von Bologna mitverantwortlich gemacht. In Deutschland hieß das Netzwerk im Untergrund Stay Behind. War eine Stay Behind-Truppe in das Oktoberfest-Attentat verstrickt? Von Regierungsseite wurde das immer bestritten.

5 Hatte der Rechtsextremist Heinz Lembke Zugang zu einem Stay Behind-Waffendepot? Fragen, auf deren Antwort die Opfer seit Jahren warten. Diese Einzeltäterthese mit dem Köhler, die haben wir ja nie geglaubt, Und es war für mich also auch ziemlich deprimierend zu sehen, dass die Ermittlungen da nicht weitergingen, dass die unterdrückt wurden, dass Zeugenbefragungen unterdrückt wurden. Der Oktoberfest-Anschlag, für die Ermittler bis heute die Tat eines verwirrten Einzelgängers. Die Überlebenden fordern jetzt die Wiederaufnahme der Ermittlungen. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.