Wissenswert. Bio-Diesel: Holz als Quelle für Treibstoff? Von Frank Grotelüschen. Sendung: , Uhr, hr2-kultur

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1 Hessischer Rundfunk hr2-kultur Redaktion: Dr. Karl-Heinz Wellmann Thimm, Ulrich Wissenswert Regie: Utz Thimm : Olaf Pessler Bio-Diesel: Holz als Quelle für Treibstoff? Von Frank Grotelüschen Sendung: , Uhr, hr2-kultur Copyright Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (z.b. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks. 1

2 Atmo 1: Dieselmotor Wenn heute ein Dieselmotor startet, dann wird nicht nur Erdöl verbrannt. Ein Teil des Treibstoffs kommt vom Acker: Biodiesel, gewonnen aus Raps und aus anderen ölhaltigen Pflanzen. Ginge es nach der Bioenergie-Branche, sollte man künftig noch mehr Biodiesel nutzen das würde die CO 2 -Emissionen reduzieren und das Klima schonen, heißt es. Aber es gibt auch Kritiker, die sagen, man sollte Biodiesel möglichst bald verbieten durch ihn würden Nahrungsmittel verknappt und Regenwälder abgeholzt. Und ginge es nach einigen Wissenschaftlern und Ingenieuren, werden wir in Zukunft statt Raps eine neue Generation von Biokraftstoffen nutzen Biodiesel der 2. Generation, gewonnen aus Stroh, Holz und Pflanzenabfällen. Atmo 2: Feld & Wiese Deutschland im Mai. Auf vielen Feldern blüht leuchtend gelb der Raps bundesweit auf einer Anbaufläche von 1,6 Millionen Hektar. Der meiste Raps soll als Biodiesel in unsere Tankstellen wandern. Atmo 3: Traktor Im Juli folgt die Ernte, der Raps ist reif: grünliche Stängel mit schlanken, braunen Schoten. Darin die Frucht, der Rapssamen. O-Ton 1: Sieht fast aus wie Senfsamen kleine, schwarze Kügelchen, wie Schrotkugeln groß, sag ich mal... 2

3 berichtet Wilhelm Thywissen, der Präsident des Ölmühlen-Verbandes OVID, Berlin. Große Mühlen sind es, die das Öl aus den Rapssamen pressen. O-Ton 2: In diesem Samen sind etwa 40 Prozent Öl. Dieses Öl gewinnen wir. Und die 60 Prozent bleiben als proteinhaltiges Futtermittel über. Atmo 4: Ölmühle Das proteinhaltige Futtermittel heißt Rapsschrot oder auch Rapskuchen. Das Öl muss, bevor es an der Tankstelle landet, in Chemiefabriken weiterverarbeitet werden. Denn es enthält noch zwei störende Stoffe Lecithin und Glycerin. O-Ton 3: Dieses Öl wird gereinigt. Wir entziehen dem Öl das Lecithin, das wir für die Lebensmittelverwendung brauchen. Dann gibt es einen Katalysatorprozess, wo das Glycerin aus dem Öl abgespalten wird und gegen Methanol ersetzt wird. Das ist Bio-Diesel, was dann übrig bleibt. In Deutschland verbrauchen wir zweieinhalb Millionen Tonnen an Bio- Diesel. Das macht etwa sechs Prozent des Diesels, der an den Tankstellen ausgegeben wird. <Stimme oben> sagt Wilhelm Thywissen, und er ergänzt: Biodiesel sei klimafreundlich. Denn im Prinzip nehmen die Pflanzen beim Wachsen genauso viel Treibhausgas CO 2 auf wie später beim Verbrennen im Dieselmotor wieder frei wird. Doch hundertprozentig geht die Rechnung nicht auf. Schließlich wird bei der Bewirtschaftung der Felder Energie eingesetzt, ebenso bei der Verarbeitung der Pflanzen. Und auch Landverbrauch und Düngemitteleinsatz müssen berücksichtigt werden. Dennoch: Verglichen mit Dieselkraftstoff aus Erdöl sieht die Klimabilanz unterm Strich positiv aus, meint Wilhelm Thywissen. 3

4 O-Ton 4: Das Bundesumweltministerium hat uns bestätigt, dass wir in 2012 mehr als 50 Prozent Einsparungen im Treibhausgas hatten. Es sind etwa 4,8 Millionen Tonnen CO 2. Das entspricht dem CO 2, das freigesetzt wird durch alle Kühlschränke, die in unseren Privathaushalten laufen. Das ist, glaube ich, eine erhebliche Menge. freut sich Wilhelm Thywissen, der Präsident des Ölmühlen- Verbandes OVID. Seit 2007 sind die Ölkonzerne gesetzlich verpflichtet, ihrem Diesel einen Anteil von bis zu sieben Prozent an Biodiesel beizumischen. Doch es gibt Probleme mit dem Treibstoff vom Acker: O-Ton 5: Die heimischen Anbauflächen reichen bei weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. <Stimme oben> berichtet Gesche Jürgens, die Waldexpertin von Greenpeace in Hamburg. Pro Jahr produzieren die deutschen Landwirte rund 1,5 Millionen Tonnen Rapsdiesel. Benötigt werden aber 2,5 Millionen Tonnen. O-Ton 6: Deswegen ist es ganz klar, dass zunehmend Importware eingesetzt wird, auch weil die im Vergleich natürlich deutlich billiger ist vor allem das Palmöl, und auch Kokosöl. Atmo 5: Regenwald (von Greenpeace, kurz hoch, dann unter O-Ton) O-Ton 7: Das Problem beim Palmöl ist, dass in den Anbauländern der größte Teil des Palmöl kommt aus Indonesien riesige Regenwaldflächen gerodet werden für den Anbau von neuen Ölpalm-Plantagen. Atmo 6: Kettensäge (von Greenpeace, kurz hoch, dann unter Text) 4

5 Wo eben noch ein alter, gewachsener Regenwald stand, sind kurze Zeit später nur noch karge Stümpfe zu sehen. Das Feld ist bereitet für riesige Monokulturen mit schier endlosen Reihen aus Ölpalmen. Dieser Biodiesel aus Palmöl sei, sagt Gesche Jürgens, ganz und gar nicht klimaschonend. O-Ton 8: Sobald Regenwald gerodet wird, sei es direkt oder indirekt für Bio- Diesel, ist die Treibhausbilanz im Eimer. Weil man so viel durch die Waldzerstörung an Treibhausgasen in die Atmosphäre entlässt, dass das, was im Vergleich zu dem fossilen Kraftstoff an Einsparungspotenzial da wäre, sofort zunichte gemacht wird. Doch findet sich Öl aus Palm-Plantagen tatsächlich an deutschen Zapfstellen? Um das herauszufinden, haben die Greenpeace-Aktivisten im Juli 2013 einen Test gemacht. O-Ton 9: Wir haben 15 Diesel-Proben an Tankstellen genommen in drei deutschen Städten, Berlin, München und Hamburg. Und haben die Beimischung an Pflanzenöl, die in Diesel gesetzlich vorgeschrieben ist, testen lassen. Und da hat das Labor rausgefunden, dass nur noch etwa die Hälfte der Beimischung aus Rapsöl hergestellt wurde, also aus heimischen Ölen, und die andere Hälfte aus Importware. und davon bestand, so das Resultat, die Hälfte aus Palmöl, dem billigsten Pflanzenöl auf dem Markt. O-Ton 10: Man muss dazu sagen, dass es eine Momentaufnahme war, dass wir nur 15 Proben genommen haben. Aber ein Industrieverband hat diese Proben ebenfalls testen lassen. Und die Ergebnisse waren sehr ähnlich. Auch da wurde in der Beimischung im Durchschnitt 25 Prozent Palmöl gefunden. Man kann daraus schließen, dass sich der Anteil an Importware insgesamt deutlich erhöht hat im Vergleich zu vorherigen Jahren, wo wir ebenfalls Tests durchgeführt haben. 5

6 O-Ton 11: Die Beprobung von Greenpeace kann nicht als besonders repräsentativ gewertet werden. Meint Wilhelm Thywissen vom Ölmühlen-Verband. O-Ton 12: Wenn, gibt es Palmöl überhaupt nur im Sommer. Im Winter geht es nicht, ist es nicht einsetzbar. Wenn Greenpeace im Sommer Proben zieht, dann wird man vielleicht auch etwas stärker Palmöl finden... doch dass für Ölplantagen beträchtliche Flächen an Regenwäldern abgeholzt werden, gibt auch Thywissen zu. Allerdings würden Zertifikate dafür sorgen, dass ausschließlich Öl von älteren, bestehenden Flächen zu Biodiesel verarbeitet wird. Das Öl von den abgeholzten Flächen lande auf dem Lebensmittelmarkt, vor allem in Asien. O-Ton 13: Da wird nicht gefragt, von welchen Flächen es stammt. Das machen wir ausschließlich für Biokraftstoffe. Wenn überhaupt Palmöl durch Importe eingesetzt wird, ist es zertifizierte Ware. Durch die Zertifikate ist sichergestellt, dass kein Palmöl von gerodeten Flächen nach Europa kommt und dennoch ist Thywissen gegen die Palmöl-Importe und zwar aus wirtschaftlichen Gründen. Denn Länder wie Indonesien drücken ihren Palmöl-Diesel mithilfe massiver Subventionen in den Markt. O-Ton 14: Das hat uns enorm geschadet. Wir sind bestimmt nicht diejenigen, die dafür sind, dass Palmöl eingesetzt wird. Aber das sind natürlich Sachen, die international durch die Märkte bestimmt werden, die wir nicht steuern können. 6

7 Das Image der Biokraftstoffe ist gleichwohl angekratzt. Sie scheinen doch nicht so umwelt- und klimaschonend zu sein, wie erhofft. Darauf reagiert mittlerweile auch die Politik. Jahrelang hatte die EU darauf gedrängt, den Biosprit-Anteil in Diesel und Benzin immer weiter zu erhöhen. Jetzt schlägt sie einen neuen Kurs ein, sagt Gesche Jürgens. O-Ton 15: Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hat gerade beschlossen, den Anteil der Biokraftstoffe auf 5,5 Prozent zu begrenzen. Vor dem Hintergrund, dass es einen enormen Druck aus der Industrie gab, den Anteil noch deutlich zu erhöhen, ist das ein guter Schritt. O-Ton 16: Ich finde das bedauerlich. Ich halte das überhaupt nicht für sinnvoll. Wir müssen einfach sehen, dass wir mit diesem Raps eine Landwirtschaft in der EU gebildet haben, die marktfähig ist. Doch vielleicht liegt die Zukunft ja auch in einer neuen Technologie, in einer besseren Alternative zu Raps und Palmöl. Im Biodiesel der zweiten Generation, wie er schon vor Jahren erforscht wurde. Atmo 7: Silos, Sägegeräusche, Halle Freiberg in Sachsen, im Jahr In einer Werkhalle am Ortsrand drängen sich Kessel und Metallzylinder, verbunden durch ein Labyrinth aus Röhren und Ventilen. Die Technik einer Großindustrie. Das einzige, was überhaupt nicht passt, ist der Geruch: Lagerfeuerromantik liegt in der Luft; es riecht nach verkohltem Holz. O-Ton 17: Ziel des Unternehmens ist, aus Biomasse hochwertigen Kraftstoff zu machen. 7

8 Matthias Rudloff, er war damals Ingenieur bei Choren [sprich Koreen], dem ehemaligen Betreiber der Anlage. O-Ton 18: Man kann sagen: BTL wird als der Biokraftstoff der Zukunft gesehen. BTL, das steht für Biomass-to-Liquid, wörtlich: "von Biomasse zu Flüssigkeit". Bei dieser Technik wird nicht nur ein kleiner Teil der Pflanze genutzt, wie etwa heute der Rapssamen. Stattdessen soll die gesamte Pflanze zu Diesel verarbeitet werden was im Prinzip deutlich effektiver sein sollte. O-Ton 19: Wir können Holz, Stroh, Baum- und Strauchschnitt und ähnliche Dinge einsetzen, haben damit eine extrem breite Rohstoffbasis. Die Potenziale sind viel höher, als wir das von den klassischen Biokraftstoffen kennen, die ja im Wesentlichen auf Nahrungs- und Futtermitteln aufgebaut sind. Theoretisch könnte ein Hektar Anbaufläche einen Jahresertrag von 4000 Litern Kraftstoff liefern fast drei Mal so viel wie beim Rapsdiesel. Hochgerechnet würde das bedeuten: O-Ton 20: Sie können in Deutschland davon ausgehen, dass Sie % des Gesamtkraftstoffbedarfs mit BTL decken können. Und da haben Sie noch kein Problem mit Nahrungsmittelproduktion und auch kein Problem damit, dass bestimmte Biomassemengen auch für Wärmeund Stromerzeugungszwecke weggehen. Also % in Deutschland. In Europa %, und weltweit könnte man noch darüber denken. Atmo 8: Schritte 8

9 Die Technik hinter BTL aber ist kompliziert: Rudloff zeigt das Herz der Anlage einen Komplex aus wuchtigen Tonnen, einige von ihnen groß wie ein Haus. Gespeist werden sie mit fingerdicken Holzschnitzeln. Atmo 9: Anlage O-Ton 21: Wir befinden uns hier unter dem Niedertemperaturvergaser. In diesem Niedertemperaturvergaser wird das Holz verschwelt und aufgespalten in Schwelgas und Holzkohle. Und hier unten sehen Sie die Luftzufuhr in dieses System. Holzkohle und Schwelgas kommen in einen zweiten Vergaser. O-Ton 22: Das ist der Hochtemperaturvergaser. Der ist im Durchmesser etwa 2,5 Meter und in der Länge nach unten hin 8 Meter. Die gemahlene Holzkohle wirbelt durch ein heißes Fegefeuer. Dabei entsteht ein hochreaktives Gas aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Dieses Gas strömt durch ein Labyrinth aus Röhren ein chemischer Reaktor. Darin bilden sich Ketten aus Kohlenwasserstoff. Sie werden gereinigt und destilliert der Diesel ist fertig. Atmo 9: Anlage (ausblenden) Im Prinzip funktioniert das Konzept. Das hatte Choren mit einer kleinen Pilotanlage demonstrieren können. Deshalb waren die Erwartungen riesig, als im April 2008 eine größere Versuchsanlage eingeweiht wurde eine Anlage fast schon im Industriemaßstab. Den Startschuss gab Bundeskanzlerin Merkel, als Gesellschafter waren VW, Mercedes und Shell an Bord. Doch dann die Ernüchterung: Mal hakten Förderbänder und Ventile, dann streikte die Software, und auch das Sicherheits- 9

10 konzept musste überarbeitet werden. Die Inbetriebnahme der Anlage verschob sich ein ums andere Mal, die Investoren verloren die Geduld stieg Shell aus, die letzten Geldgeber zogen sich 2011 zurück. Choren war pleite. Bis zu 180 Millionen Euro soll das Projekt verschlungen haben, darunter 30 Millionen öffentliche Fördergelder. Der Grund für das Scheitern: Choren, so Wilhelm Thywissen, hat die Komplexität der Anlage unterschätzt. O-Ton 23: Weil die Verfahren sehr viel komplizierter sind, der Brennstoff, der rauskommt, erst motorengerecht entwickelt werden muss. Und da man viel, viel Geld in die Hand nehmen muss, um in diese Felder zu investieren, wird man da im Moment kaum Fortschritte sehen. Weil das Vertrauen durch das Beispiel Biodiesel sehr gestört worden ist. Ob und wann Dieselkraftstoff aus Holzschnitzeln zu konkurrenzfähigen Preisen auf den Markt kommen wird, das ist also ziemlich ungewiss. Allerdings hat sich Anfang 2012 die Firma Linde AG die Rechte an der Technologie von Choren gesichert, man will das High-Tech-Verfahren nun in aller Ruhe weiterentwickeln. Gleichwohl setzen Skeptiker wie Gesche Jürgens von Greenpeace auf andere Möglichkeiten. O-Ton 24: Die Alternativen liegen sicherlich darin, dass man sich überlegen muss, wie man zu neuen Mobilitätskonzepten gelangt. Das heißt weniger Spritschlucker, also weniger Autos, die enorme Mengen an Kraftstoff verbrauchen, hin zu effizienteren Autos. Aber auch hin zu mehr Elektromobilität, zu mehr öffentlichem Nahverkehr. Gerade im städtischen Bereich brauchen wir wirklich nicht so viele Autos. Und auch darin, dass man Verkehr auf die Schiene verlagert, der dann mit erneuerbaren Energien angetrieben wird. Atmo 10: Flugzeug 10

11 Bleibt nur die Frage, womit Flugzeuge und Schiffe in Zukunft fahren bzw. fliegen sollen. Für sie dürften Elektroantriebe und Batterien wohl kaum taugen. Wollte man auf fossile Kraftstoffe komplett verzichten, müsste man für Flugzeuge und Schiffe wohl doch zu Biokraftstoffen greifen, mit all ihren Nachteilen und Risiken. Atmo 10: Flugzeug (ausblenden) 11