Finanz- und Versicherungsmathematik 1
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1 Finanz- und Versicherungsmathematik 1 Hansjörg Albrecher Institut für Mathematik B Technische Universität Graz Version: Februar 2006
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3 Inhaltsverzeichnis 1 Elementare Lebensversicherungsmathematik Zinseszins- und Rentenrechnung Effektive Zinsraten Nominelle Zinsraten Kontinuierliche Zahlungen Zins im voraus Ewige Renten Zeitrenten Rückzahlung einer Schuld Die zukünftige Lebensdauer eines x-jährigen Analytische Verteilungen für T Die gestutzte Lebenserwartung Sterbetafeln Einfache Kapitalversicherungen Todesfallversicherungen Erlebensfallversicherungen Gemischte Versicherungen Auszahlung unmittelbar nach dem Ableben Allgemeine Todesfallversicherungen Leibrenten und Kommutationszahlen Vorschüssige lebenslängliche Leibrenten Temporäre vorschüssige Leibrente Lebenslängliche nachschüssige Leibrente Aufgeschobene Leibrente Allgemeine Leibrente Kommutationszahlen Nettoprämien und Berücksichtigung der Kosten Todesfallversicherung mit lebenslänglicher Deckung Temporäre Todesfallversicherung Erlebensfallversicherung Gemischte Versicherung Berücksichtigung der Kosten Das Deckungskapital
4 4 Inhaltsverzeichnis Beispiele Rekursive Betrachtungen Deckungskapital zu einem unterjährigen Zeitpunkt Zur Umwandlung einer Versicherung Das kontinuierliche Modell Das ausreichende Deckungskapital Literatur Übungsaufgaben Risikomodelle Das individuelle Risikomodell Allgemeines Schadenshöhenverteilungen Das kollektive Risikomodell Allgemeines Modelle für die Verteilung von N Schadenshöhenverteilungen Bemerkung zum Individuellen Risikomodell Approximationen für S Die Normalapproximation Die verschobene Gamma-Approximation Die Edgeworth-Approximation Diskrete Schadenshöhen Literatur Übungsaufgaben Prämienkalkulation Nutzentheorie Prämienkalkulationsprinzipien Verteilung des Risikos durch Kooperation Rückversicherung Ein Beispiel Rückversicherung im kollektiven Modell Literatur Übungsaufgaben Das Cramér-Lundberg Modell Das Modell Der Anpassungskoeffizient Martingale und der Anpassungskoeffizient Ruinwahrscheinlichkeit ohne Startkapital Das erste Kapital unter dem Anfangskapital Literatur
5 Inhaltsverzeichnis Übungsaufgaben Optionspreistheorie Das No-Arbitrage-Prinzip Derivative Finanzprodukte Forwards und Futures Optionen Eigenschaften von Optionspreisen Allgemeines Berücksichtigung von Dividenden Handelsstrategien mit Optionen Das binomiale Optionspreismodell Optionspreismodell mit einer Periode Das Cox-Ross-Rubinstein-Binomialmodell Das Black-Scholes-Modell Die Formel von Black-Scholes Herleitung Diskussion Weitere Modelle Marktgleichgewicht und Derivate Marktgleichgewicht Preisbestimmung von Derivaten Literatur Übungsaufgaben Simulationstechniken Die Monte Carlo Methode Allgemeines Anwendungen in der Risikotheorie Quasi-Monte Carlo Methoden Ein Beispiel mit asiatischen Optionen Ein Beispiel mit Zinsraten-Derivaten Literatur A Symbolic Computation 131 A.1 RANDinsure A.1.1 Einführung in RANDinsure A.1.2 Nettoprämien A.2 Versicherungen auf mehrere Leben A.2.1 Der Zustand der verbundenen Leben A.2.2 Der Zustand des letzten Lebens A.2.3 Zumindest n der m Personen sind noch am Leben A.3 Literatur
6 6 Inhaltsverzeichnis B Sterbetafel 141 C Wahrscheinlichkeitstheorie 143 Literaturverzeichnis 149
7 1 Elementare Lebensversicherungsmathematik In der Lebensversicherungsmathematik kommen zwei fundamentale Kalküle zur Anwendung: die Zinsrechnung und die Wahrscheinlichkeitsrechnung. 1.1 Zinseszins- und Rentenrechnung Eine Verzinsung trägt der Tatsache Rechnung, dass der Besitz von Kapital zum jetzigen Zeitpunkt mehr wert ist als der Besitz des selben Geldbetrages zu einem späteren Zeitpunkt ( Kapital arbeitet ). Eine Zinsrate (bzw. ein Zinssatz ) bezieht sich immer auf eine bestimmte Zeiteinheit, beispielsweise spricht man von einer jährlichen Zinsrate von 6%. Die Konversionsperiode ist jenes Zeitintervall, an dessen Ende der Zins zum Kapital gutgeschrieben wird. Falls die Konversionsperiode mit der Zeiteinheit identisch ist, handelt es sich um eine effektive Zinsrate Effektive Zinsraten Sei i eine jährliche effektive, über den gesamten Zeitraum konstante, Zinsrate (andere Möglichkeiten wären etwa stochastische Zinsraten) und betrachten wir einen Fonds, der anfänglich F 0 beträgt, und auf den am Ende des Jahres k ein Betrag r k überwiesen wird (k = 1,...,n). Was ist dann der Stand des Fonds nach n Jahren? Es gilt F k = F k 1 + if k 1 + r k, (k = 1,...,n), (1.1) wobei F k den Stand des Fonds nach k Jahren bezeichnet. Daraus folgt F k (1 + i)f k 1 = r k. 7
8 8 Kapitel 1. Elementare Lebensversicherungsmathematik Wenn wir diese Gleichung mit (1 + i) n k multiplizieren und über k = 1,...,n summieren, dann ergibt sich F n = (1 + i) n F 0 + n (1 + i) n k r k. (1.2) Der Wert des Fonds setzt sich also aus dem aufgezinsten Anfangsstand und den aufgezinsten Einlagen zusammen. Schreibt man (1.1) als F k F k 1 = if k 1 + r k und summiert wieder über k = 1,...,n, so erhält man k=1 F n F 0 = n n if k 1 + r k. k=1 k=1 Der Zuwachs des Fonds besteht also (nicht überraschend) aus dem totalen Zinsertrag plus den Einlagen. Mit der Bezeichnung erhält man aus (1.2) v = i v n F n = F 0 + n v k r k. In dieser Gleichung ist also alles auf den Zeitpunkt 0 bezogen, es handelt sich um den sog. Barwert des Fonds (der Wert des Fonds nach n Jahren bezogen auf den Zeitpunkt 0). v wird der Abzinsungs- bzw. Diskontierungsfaktor genannt Nominelle Zinsraten Falls die Konversionsperiode nicht mit der Zeiteinheit identisch ist, handelt es sich um eine nominelle Zinsrate. k=1 Beispiel 1: Jährlicher Zinssatz 6%, Konversionsperiode 3 Monate (d.h. alle 3 Monate wird Zins 6% 1 = 1.5% gutgeschrieben). Nach einem Jahr ist ein 4 Kapital C somit auf (1.015) 4 C = C angewachsen. Daraus folgt, dass ein jährlicher Zinssatz von 6%, konvertierbar alle 3 Monate, äquivalent ist zu einem effektiven jährlichen Zinssatz von 6.136%. Sei allgemein i ein gegebener jährlicher effektiver Zinssatz und i (m) der nominelle Zinssatz, m-mal pro Jahr konvertierbar, der zu i äquivalent ist. Dann muss gelten: ) m (1 + i(m) = 1 + i m
9 1.1. Zinseszins- und Rentenrechnung 9 bzw. i (m) = m((1 + i) 1 (1 + i) 1 m (1 + i) 0 m 1) =. Der Grenzfall m entspricht stetiger Verzinsung: δ := lim m i(m) = lim h 0 (1 + i) h (1 + i) 0 h δ heißt die zu i gehörige Zinsintensität. Es gilt e δ = 1 + i. 1 m = d dx (1 + i)x x=0 = ln(1 + i) Kontinuierliche Zahlungen Nehmen wir nun an, dass kontinuierliche Zahlungen in einen Fonds stattfinden (mit Zahlungsintensität r(t)) und in diesem Fonds stetige Verzinsung mit Zinsintensität δ(t) (nicht notwendig konstant) erfolgt. Dann gilt für den Zuwachs im Fonds im Intervall dt df(t) = F(t)δ(t)dt + r(t)dt, wobei F(t) den Wert des Fonds zum Zeitpunkt t bezeichnet. Um die Differentialgleichung 1. Ordnung zu lösen, schreibt man sie wie folgt um: Integration über t von 0 bis h ergibt und somit F (t) = F(t)δ(t) + r(t) d [e R ] t 0 δ(s)ds F(t) = e R t 0 δ(s)ds r(t). dt e R h 0 δ(s)ds F(h) F(0) = h 0 e R t 0 δ(s)ds r(t)dt F(h) = e R h h 0 δ(s)ds F(0) + e R h t δ(s)ds r(t)dt. 0 Wieder setzt sich der Fondswert also aus dem aufgezinsten Anfangsstand und den aufgezinsten Einzahlungen zusammen. Falls δ(t) = δ konstant ist, ergeben sich wieder die Auf- und Abzinsungsfaktoren von vorhin.
10 10 Kapitel 1. Elementare Lebensversicherungsmathematik Zins im voraus Bis jetzt wurde immer angenommen, dass der Zins am Ende der jeweiligen Konversionsperiode gutgeschrieben wird. Oft ist es jedoch nützlich, dass der Zins bereits am Anfang der jeweiligen Konversionsperiode bezahlt wird. Sei d die jährliche effektive Vorauszinsrate. Ein Investor, der ein Kapital C investiert, erhält also den Zins von dc bereits am Anfang des Jahres und das ursprüngliche Kapital am Schluss des Jahres. Der Investor kann nun den Zins dc wieder investieren und erhält dafür den Zinseszins d 2 C am Anfang des Jahres plus eine Zahlung dc am Schluss des Jahres usw. Dieser Investor wird also am Schluss des Jahres C + dc + d 2 C +... = 1 1 d C erhalten. Falls i die äquivalente effektive Zinsrate im üblichen Sinne ist, muss somit gelten d = i i + 1. Falls also ein Kapital von 1 investiert wird, so ist d der diskontierte Wert des am Jahresende bezahlten Zinses i ( abgezinster Wert des Zinses ). Sei jetzt d (m) die äquivalente nominelle Vorauszinsrate, falls die Verzinsung m- mal jährlich stattfindet. Für ein Kapital C erhält ein Investor dann den Zins d (m) C zu Beginn und das Kapital C am Ende des m-tel Jahres. Gleichheit der m Aufzinsfaktoren für ein m-tel Jahr ergibt daher 1 1 d(m) m = 1 + i(m) m = (1 + i)1/m bzw. d (m) = m(1 (1 + i) 1/m ) = i(m) 1 + i(m) m und daraus ergibt sich eine einfache Beziehung zwischen i (m) und d (m) : Insbesondere folgt daraus für m 1 d = 1 (m) m + 1 i (m). (1.3) lim m d(m) = lim m i(m) = δ. Bei stetige Verzinsung wird also der Unterschied zwischen Vorausverzinsung und nachschüssiger Verzinsung hinfällig (was zu erwarten war).
11 1.1. Zinseszins- und Rentenrechnung Ewige Renten Betrachten wir als Beipiel einer ewigen Rente (engl. perpetuity) jährliche Zahlungen der Höhe 1. Falls die erste Zahlung zum Zeitpunkt 0 stattfindet, spricht man von einer vorschüssigen Rente. Ihr Barwert (d.h. Wert zum Zeitpunkt 0) wird mit ä bezeichnet. Es ist also ä = 1 + v + v = 1 1 v = 1 d. Findet die erste Zahlung erst am Ende des ersten Jahres (d.h. zum Zeitpunkt 1) statt, so handelt es sich um eine nachschüssige Rente. Ihr Barwert wird durch a symbolisiert und ist gegeben durch a = v + v = v 1 v = 1 i. Nun betrachten wir noch unterjährige ewige Renten, wo Zahlungen in der Höhe von 1/m in regelmäßigen Abständen (m mal pro Jahr) stattfinden. Der Barwert einer vorschüssigen unterjährigen ewigen Rente ist dann ä (m) = 1 m + 1 m v 1 1 m + m v 2 1 m +... = m 1 1 v 1 m = 1 d (m). (1.4) Dementsprechend ist der Barwert einer nachschüssigen unterjährigen ewigen Rente gegeben durch a (m) = 1 m v 1 1 m + m v 2 1 m +... = m v 1 m 1 v 1 m = 1 m((1 + i) 1 m 1) = 1 i (m). (1.5) Mit (1.4) und (1.5) lässt sich nun Formel (1.3) interpretieren: Da sich die vorund nachschüssigen Renten lediglich um die Zahlung 1/m im Zeitpunkt 0 unterscheiden, unterscheiden sich deren Barwerte um 1/m. Analog zu oben folgt nun noch für den Barwert einer kontinuierlichen ewigen Rente mit konstanter Intensität r(t) 1 ā = 0 e δt dt = 1 δ. ā stellt natürlich den Grenzwert für m von (1.4) und (1.5) dar Zeitrenten In der Praxis sind zeitlich befristete Renten natürlich häufiger als ewige Renten. Sei n die Dauer der Rente (gemessen in Jahren). Dann folgt für den Barwert einer vorschüssigen Zeitrente ä n = 1 + v v n 1.
12 12 Kapitel 1. Elementare Lebensversicherungsmathematik Indem man diese Rente als Differenz zweier ewiger Renten betrachtet, wobei die eine zum Zeitpunkt 0 und die andere zur Zeit n beginnt, erhält man ä n = ä v n ä = 1 vn. (1.6) d Analog folgt mit den Formeln aus dem vorigen Abschnitt a n = 1 vn, ä (m) = 1 vn und a (m) = 1 vn. i n d (m) n i (m) Die Dauer n ist bei ä n und a n ganzzahlig, während sie bei ä (m) n Vielfaches von 1/m ist. und a (m) n Bei Zeitrenten interessiert man sich auch für den Schlusswert, also den Wert der Zahlungen am Ende der Dauer n. Dieser ergibt sich natürlich sofort aus dem jeweiligen Barwert und dem Aufzinsungsfaktor (1 + i) n zu und s n = (1 + i)n 1, s d n = (1 + i)n 1 i s (m) = (1 + i)n 1, s (m) = (1 + i)n 1. n d (m) n i (m) Rückzahlung einer Schuld Sei S eine Schuld zum Zeitpunkt 0, die durch Zahlungen r 1,...,r n am Ende der Jahre 1,..., n getilgt wird. Der Barwert dieser Zahlungen soll also S sein: ein S = vr 1 + v 2 r v n r n. (1.7) Für die Restschuld S k, die bleibt, nachdem die Zahlung r k getätigt wird, gilt bzw. anders geschrieben S k = (1 + i)s k 1 r k, k = 1,...,n (1.8) r k = is k 1 + (S k 1 S k ). Jede Zahlung setzt sich also aus zwei Komponenten zusammen, der Verzinsung der Restschuld des Vorjahres und der Amortisation der Restschuld. Vergleicht man (1.8) mit (1.1), so sieht man, dass die beiden Gleichungen äquivalent sind, wenn man F k = S k setzt. Man kann also alle Resultate von vorne übernehmen, z.b. die Darstellung k S k = (1 + i) k S (1 + i) k h r h, k = 1,...,n. (1.9) h=1 Insbesondere ist wegen (1.7) S n = 0. (1.9) nennt man die retrospektive Darstellung der Restschuld, im Gegensatz zur prospektiven Darstellung S k = vr k+1 + v 2 r k v n k r n.
13 1.2. Die zukünftige Lebensdauer eines x-jährigen Die zukünftige Lebensdauer eines x-jährigen Wir betrachten nun eine bestimmte Person mit Alter x. Ihre zukünftige Lebensdauer wird mit T(x) bezeichnet (diese Person wird also beim Tode das Alter x+t haben). Die Größe T ist eine Zufallsvariable mit Verteilungsfunktion G(t) = (T t). In der Folge wird die Verteilung von T als bekannt und als stetig vorausgesetzt; es gilt dann für die Dichte g(t) = G (t) g(t)dt = (t T t + dt). Folgende Notationen sind international üblich: tq x = G(t) ist die t-jährige Sterbewahrscheinlichkeit eines x-jährigen. Analog ist tp x = 1 G(t) die t-jährige Überlebenswahrscheinlichkeit des x-jährigen. Ferner ist s tq x = (s T s + t) = G(s + t) G(s) = s+t q x s q x die Wahrscheinlichkeit, dass der x-jährige die nächsten s Jahre überleben und dann innerhalb der nächsten t Jahre sterben wird. Die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass der x-jährige nach Erreichen des Alters x+s weitere t Jahre leben wird (gegeben dass er dieses Alter erreicht), ist gegeben durch 1 G(s + t) tp x+s = (T > s + t T > s) =. 1 G(s) Analog ist tq x+s = (T s + t T > s) = s t q x sp x die t-jährige Sterbewahrscheinlichkeit im Moment, wo der x-jährige das Alter x + s erreicht hat. Die Lebenserwartung eines x-jährigen wird üblicherweise mit dem Symbol e x bezeichnet und ist gegeben durch e x = E(T) = 0 tg(t) dt = 0 [1 G(t)]dt = 0 tp x dt. Außerdem sind noch die Abkürzungen p x := 1 p x und q x := 1 q x sowie s q x := s 1 q x üblich.
14 14 Kapitel 1. Elementare Lebensversicherungsmathematik Die Sterblichkeitsintensität des x-jährigen im Alter x + t ist definiert als µ x+t = g(t) 1 G(t) = d dt ln[1 G(t)] = d dt ln( tp x ). (1.10) Somit ergibt sich ein alternativer Ausdruck für die Wahrscheinlichkeit, dass ein x-jähriger zwischen den Zeitpunkten t und t + dt sterben wird: (t < T < t + dt) = t p x µ x+t dt Analytische Verteilungen für T Das Postulieren einer analytischen Verteilungsfunktion für die zukünftige Lebensdauer T ist nicht wirklich realistisch, jedoch liefert es oft brauchbare Modelle für Demonstrationszwecke. Wir wollen hier einige solche analytische Verteilungen (jeweils benannt nach dem Erfinder) betrachten: DeMoivre: (1724) ω... oberstes Alter. T ist dann gleichverteilt auf dem Intervall [0, ω x], d.h. g(t) = 1 für 0 < t < ω x ω x und Gompertz: (1824) µ x+t = 1 ω x t für 0 < t < ω x. µ x+t = Bc x+t t > 0 mit Konstanten B > 0, c > 1, d.h. hier wird exponentielles Wachstum von µ x+t postuliert (ist der Realität besser angepasst und braucht nicht die Annahme eines obersten Alters). Makeham: (1860) Weibull: (1939) mit Parametern k > 0, n > 0. µ x+t = A + Bc x+t t > 0. µ x+t = k(x + t) n, t > 0
15 1.2. Die zukünftige Lebensdauer eines x-jährigen Die gestutzte Lebenserwartung Sei K := [T] die ganzzahlig gestutzte zukünftige Lebensdauer des x-jährigen, d.h. (K = k) = (k < T < k + 1) = k p x q x+k (k = 0, 1,...) Der Erwartungswert von K heißt die gestutzte Lebenserwartung und ist gegeben durch e x := (K) = k (K = k) = k k p x q x+k k=1 k=1 bzw. wegen (K k) = (K = k) + (K = k + 1) +... auch durch e x = k=1 (K k) = k=1 kp x. Der Vorteil der gestutzten Lebenserwartung liegt darin, dass diese Formel leichter auszuwerten ist als jene für e x. Sei weiters S = {T }, d.h. T = K + S. S ist stetig verteilt in [0, 1]. Der Erwartungswert von S wird nun zu [S] 1 geschätzt und somit gilt 2 e x e x (1.11) Wichtiger Fall: K, S unabhängig. Dann ist die bedingte Verteilung von S unabhängig von K: (S u K = k) = u q x+k q x+k (1.12) ist dann eine von k unabhängige Verteilungsfunktion H(u), 0 u 1, d.h. uq x+k = H(u)q x+k. Im Spezialfall H(u) = u (Gleichverteilung) ist (1.11) exakt und aus T = K + S erhält man in diesem Fall Var(T) = Var(K) Sterbetafeln Eine Sterbetafel (engl. life table) ist im wesentlichen eine Tabelle von einjährigen Sterbewahrscheinlichkeiten, durch die dann die Verteilung von K definiert ist. Sterbetafeln werden mit statistischen Methoden aus realen Daten erstellt. Sie werden oft für verschiedene Bevölkerungsgruppen konstruiert (z.b. unterschieden nach Geschlecht, Generation, etc.). Eine aus den Jahren stammende Sterbetafel für Österreich kann in Anhang B gefunden werden. Wird bei einer Sterbetafel lediglich nach dem Alter eingestuft, so spricht man
16 16 Kapitel 1. Elementare Lebensversicherungsmathematik von einer Aggregattafel. Sie enthält dann also Werte q x für ganzzahlige x. Daraus können jetzt einige verwandte Größen berechnet werden: p x = 1 q x, kp x = p x p x+1 p x+2 p x+k 1, usw. Um daraus die Verteilung von T zu erhalten, muss man geeignete Annahmen über den Verlauf der unterjährigen Sterbewahrscheinlichkeiten u q x oder der Sterblichkeitsintensitäten µ x+u treffen (x, 0 u 1). Wir betrachten drei Fälle: a) Linearität von u q x : uq x = uq x. Wie wir im letzten Abschnitt gesehen haben, entspricht das dem Fall, wo K und S unabhängig sind und wo S gleichverteilt zwischen 0 und 1 ist. Es gilt hier up x = 1 uq x und µ x+u = q x 1 uq x. b) µ x+u ist konstant: Sei µ x+u := µ x+ 1 = ln p x konstant auf dem Einheitsintervall 0 < u < 1 2 (die letzte Äquivalenz folgt aus (1.10) mit t = 1). In diesem Fall gilt dann Da mit (1.12) up x = exp( uµ x+ 1) = p u x. 2 (S u K = k) = 1 pu x+k 1 p x+k, (1.13) sind die Zufallsvariablen K und S hier also nicht unabhängig. c) Linearität von 1 u q x+u : Daraus folgt und up x = 1 uq x+u = (1 u)q x. p x 1 up x+u = µ x+u = 1 q x 1 (1 u)q x q x 1 (1 u)q x. Auch hier sind S und K im allgemeinen nicht unabhängig. Bei allen drei Methoden hat die Sterblichkeitsintensität Unstetigkeiten an den ganzzahligen Argumenten. Für kleine Sterbewahrscheinlichkeiten ist S bei der zweiten und dritten Methode wenigstens annähernd gleichverteilt und annähernd unabhängig von K (vgl. z.b. (1.13) für q x+k 0).
17 1.3. Einfache Kapitalversicherungen Einfache Kapitalversicherungen Bei einer Kapitalversicherung besteht die vom Versicherer zu erbringende Leistung aus der Bezahlung einer einzelnen Summe, des Kapitals. Zeitpunkt und Höhe der Auszahlung können Funktionen der Zufallsvariablen T sein (sind also selbst Zufallsvariablen). Der Barwert dieses Kapitals sei Z. Dieser Barwert wird aufgrund eines gegebenen technischen Zinsfußes i berechnet. Der erwartete Barwert der Leistung (Z) wird als die sog. Nettoeinmalprämie (NEP) bezeichnet (im Gegensatz zur Bruttoprämie, die Aufwände der Versicherung (wie z.b. Verwaltungskosten) berücksichtigt) Todesfallversicherungen (engl. life insurance) Wir betrachten zuerst lebenslängliche Deckung (engl. whole life): Ein Kapital von 1 sei zahlbar am Ende des Jahres, in dem der Versicherte stirbt. In diesem Fall ist das Kapital also nicht zufällig, sehr wohl aber der Zeitpunkt der Auszahlung (nämlich K + 1). Der Barwert dieser Leistung ist Die Verteilung von Z ist gegeben durch Z = v K+1. (Z = v k+1 ) = (K = k) = k p x q x+k (k = 0, 1,...) Die NEP wird mit dem Symbol A x bezeichnet und ist also gegeben durch Wegen folgt die Rekursionsformel A x = [v K+1 ] = v k+1 kp x q x+k. k=0 [v K+1 ] = v (K = 0) + v [v K K 0] (K > 0) A x = v q x + va x+1 p x. Interpretation: Die NEP im Alter x ist der diskontierte Erwartungswert der NEP im Alter x + 1. Um die Varianz Var(Z) = [Z 2 ] A 2 x auszurechnen, brauchen wir einen Ausdruck für [Z 2 ]. Setzt man v = e δ, so folgt [Z 2 ] = [e 2δ(K+1) ], dies entspricht also der NEP bei Verdopplung der Zinsintensität und kann somit mit dem gleichen Rechenaufwand wie die NEP bestimmt werden.
18 18 Kapitel 1. Elementare Lebensversicherungsmathematik Bei einer temporären Todesfallversicherung (engl. term insurance) der Dauer n wird das Kapital von 1 nur ausbezahlt (am Ende des Jahres, in dem der Tod eintritt), falls der Tod in den ersten n Jahren eintritt. Somit ist v K+1 für K = 0, 1,..., n 1 Z = 0 für K = n, n + 1,... Die NEP wird hier mit A 1 x n bezeichnet und ergibt sich zu n 1 A 1 x n = v k+1 kp x q x+k. k= Erlebensfallversicherungen (engl. pure endowment) Bei einer Dauer von n Jahren wird das Kapital 1 im Erlebensfall (und nichts bei vorzeitigem Ableben) des Versicherten ausbezahlt: 0 für K = 0, 1,...,n 1 Z = v n für K = n, n + 1,... Die mit A x 1 n bezeichnete NEP beträgt in diesem Fall A x 1 n = vn np x Gemischte Versicherungen (engl. endowment) Das Kapital 1 wird am Ende des Todesjahres ausbezahlt, wenn der Tod in den ersten n Jahren stattfindet, und andernfalls nach Ablauf der Dauer n. v K+1 für K = 0, 1,..., n 1 Z = v n für K = n, n + 1,... Es gilt also Z = Z 1 + Z 2, wobei Z 1 eine Ablebens- und Z 2 eine Erlebensversicherung ist. Die NEP beträgt demnach A x n = A 1 x n + A x 1 n Für eine um m Jahre aufgeschobene Versicherung (versichertes Kapital 1, unbegrenzte Dauer) gilt 0 für K = 0, 1,..., m 1 Z = v K+1 für K = m, m + 1,...
19 1.3. Einfache Kapitalversicherungen 19 Die NEP m A x ist hier m A x = m p x v m A x+m = A x A 1 x m Auszahlung unmittelbar nach dem Ableben Bisher wurde angenommen, dass die Auszahlung jeweils am Ende des Todesjahres erfolgt. Wir wollen nun annehmen, dass das Kapital zum Zeitpunkt des Todes, also zur Zeit T, ausbezahlt wird: Für eine lebenslängliche Todesfallversicherung gilt dann und für die entsprechende NEP Ā x = 0 Z = v T v t tp x µ x+t dt. Unter der Annahme a) aus Abschnitt gilt wegen und der Unabhängigkeit von K und S: T = K + S = (K + 1) (1 S) Ā x = [v K+1 ] [(1 + i) 1 S ] = [v K+1 ] 1 0 (1 + i) u du = [v K+1 ] s 1 = i δ A x. Die Berechnung von Āx ist hier also auf einfache Weise auf die Berechnung von A x zurückgeführt. Für eine temporäre Todesfallversicherung gilt entsprechend Ā x n = Ā1 x n + A x 1 n = i δ A1 x n + A x 1 n = A x n Allgemeine Todesfallversicherungen ( i δ 1 ) A 1 x n. Hier kann das versicherte Kapital von Jahr zu Jahr variieren und wird am Ende des Todesjahres ausbezahlt. Sei c j das im j-ten Versicherungsjahr versicherte Kapital, so ist Z = c K+1 v K+1 und die NEP [Z] = c k+1 v k+1 kp x q x+k = c 1 A x + (c 2 c 1 ) 1 A x + (c 3 c 2 ) 2 A x +..., k=0
20 20 Kapitel 1. Elementare Lebensversicherungsmathematik denn eine solche Deckung kann aufgefasst werden als eine Kombination von aufgeschobenen Versicherungen mit konstanter Deckung. Ist die Deckung auf n Jahre beschränkt (d.h. c n+1 = c n+2 =... = 0), kann sie auch aufgefasst werden als eine Kombination von temporären sofort beginnenden Versicherungen. So gilt [Z] = c n A 1 x n + (c n 1 c n )A 1 x: n 1 + (c n 2 c n 1 )A 1 x: n Leibrenten und Kommutationszahlen Eine Leibrente ist eine Reihe von Zahlungen, die erfolgen, solange eine bestimmte Person (mit Anfangsalter x) lebt. Eine Leibrente ist also eine Zeitrente, deren Dauer von T abhängt, und somit eine Zufallsvariable. Der Barwert einer Leibrente, der somit auch eine Zufallsvariable ist, wird mit Y bezeichnet; die NEP einer Leibrente ist ihr erwarteter Barwert [Y ]. Leibrenten treten einerseits als Versicherungsleistungen auf, andererseits kann die periodische Bezahlung von Prämien auch als eine Leibrente interpretiert werden (natürlich mit umgekehrtem Vorzeichen) Vorschüssige lebenslängliche Leibrenten Wir betrachten eine vorschüssige lebenslängliche Leibrente, die aus jährlichen Zahlungen von je 1 besteht. Der Barwert dieser Rente ist Y = 1 + v + v v K = ä K+1 = v k I {K k}, (1.14) k=0 wobei I A den Indikator des Ereignisses A bezeichnet. Die NEP ist hier ä x = [Y ] = (K = k)ä k+1 = ä k+1 kp x q x+k (1.15) k=0 k=0 bzw., wenn wir direkt den Erwartungswert des obigen Ausdrucks mit den Indikatoren bilden, ä x = v k kp x. (1.16) k=0 Wir haben also zwei Ausdrücke für die NEP gefunden. (1.15) ist natürlich, wenn man die Rente ganzheitlich auffasst; (1.16) ist naheliegend, wenn man sich die
21 1.4. Leibrenten und Kommutationszahlen 21 Rente als eine Summe von Erlebensfallversicherungen vorstellt. Wegen Formel (1.6) kann man Y hier auch als Y = 1 vk+1 d = 1 Z d schreiben. Der Erwartungswert hiervon ergibt ä x = 1 A x. d Wenn wir diese Identität umschreiben als 1 = d ä x + A x, so kann sie interpretiert werden anhand einer Schuld von 1, welche am Anfang jedes Jahres verzinst wird, verbunden mit einer letzten Zahlung von 1 am Ende des Todesjahres Temporäre vorschüssige Leibrente Bei der entsprechenden temporären vorschüssigen Leibrente mit Dauer n ist Die NEP ergibt sich hier zu ä K+1 für K = 0, 1,..., n 1 Y = ä n für K = n, n + 1,... n 1 n 1 ä x n = ä k+1 kp x q x+k + ä n np x = v k kp x. k=0 k=0 Jetzt ist und somit folgt d.h. Y = 1 Z d ä x n = 1 A x n, d 1 = d ä x n + A x n.
22 22 Kapitel 1. Elementare Lebensversicherungsmathematik Lebenslängliche nachschüssige Leibrente Hier gilt Y = v + v v K = a K und dieser Barwert unterscheidet sich von (1.14) nur um die Konstante 1, woraus für die NEP sofort a x = ä x 1 folgt. Weiters gilt hier 1 = i a x + (1 + i) A x Aufgeschobene Leibrente Bei einer um m Jahre aufgeschobenen Leibrente mit jährlichen Einheitszahlungen gilt 0 für K = 0, 1,..., m 1 Y = v m + v m v K für K = m, m + 1,... Die NEP kann dann aus erhalten werden. m ä x = m p x v m ä x+m = ä x ä x m Allgemeine Leibrente Hiermit ist eine Leibrente gemeint, die Zahlungen r 0, r 1,... zu den Zeitpunkten 0, 1,..., K vorsieht: Y = v k r k I {K k}. Es gilt demnach k=0 [Y ] = Kommutationszahlen v k r k k p x. k=0 Kommutationszahlen sind tabellarisch erfasste Hilfsgrößen. Sei l x die Zahl der Lebenden (einer vorgegebenen Bevölkerungsgruppe), die das Alter x erreichen. Dann ist d x = l x l x+1 die Zahl derer, die zwischen Alter x
23 1.4. Leibrenten und Kommutationszahlen 23 und x + 1 sterben. Wir können also schreiben tp x = l x+t l x q x = d x l x e x = l x l x Wenn wir nun in Formel (1.16) t p x durch l x+t l x ersetzen, so erhalten wir bzw. ä x = l x + vl x+1 + v 2 l x l x l x ä x = l x + vl x+1 + v 2 l x , die sogenannte Äquivalenzgleichung. Sie kann wie folgt interpretiert werden: Wenn man sich vorstellt, dass jede der im Alter x lebenden Personen gegen eine einmalige Prämie von ä x eine Rente vom oben beschriebenen Typ kauft, besagt die Äquivalenzgleichung, dass die Summe aller Prämien (links) gleich dem Barwert aller Leistungen (rechts) ist. Einfaches Erweitern der obigen Gleichung liefert Mit den Notationen gilt dann also die einfache Formel ä x = vx l x + v x+1 l x+1 + v x+2 l x v x l x. D x = v x l x, N x = D x + D x ä x = N x D x. Die Kommutationszahlen D x (die diskontierte Zahl der Lebenden ) und N x liegen in einer Sterbetafel tabellarisch vor und erleichterten vor allem vor den Zeiten leistungsfähiger Computer die Berechnung von ä x wesentlich. Weiters gilt ä x n = N x N x+n D x und a x = N x+1 D x. Im Falle von Kapitalversicherungen werden beispielsweise durch Einführung der Kommutationszahlen C x = v x+1 d x, M x = C x + C x
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