Carlo Collodi PINOCCHIO. assung von Natalia Conde, Ortrud Brandes, Philippe Besson

Transkript

1 Carlo Collodi PINOCCHIO assung von Natalia Conde, Ortrud Brandes, Philippe Besson 1

2 henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 1995 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. 2 F1

3 PERSONEN Fassung für 6 Schauspieler Rabe Grille II Grille III Kutscher Fee Mann Romeo Polizist 2. Fisch Eule Kater Clown Frau 1. Fisch Fuchs Trommler Grille I Grille IV 3

4 1. Szene Straße. Der tritt auf mit einem Stück Holz. Kichern. Was ist das für eine Stimme? Wo kommt diese Stimme her? Ich bin doch alleine hier. Oder ist mir jemand aus dem Gasthof nachgeschlichen? Zwei Gläschen Wein ich bin doch nicht betrunken. Und an Gespenster glaub ich auch nicht. (Kichern.) Das Holz!? Es ist das Holz! Das Holz spricht! Will wohl kein Tisch werden. (Kichern.) Holz, das spricht. Ich laß mir doch nicht von einem Stück Holz ins Handwerk pfuschen. Was soll ich mit ihm tun?... Dort hinten wohnt. Ihm werd ich dieses Holz bringen. 2. Szene Im Haus von.! He,! Was ist? Wer stört mich? ( kommt ins Haus.) Wie kannst du mich nur so erschrecken? N Abend,. Ich wollte dir was bringen, hier, schau mal, ein schönes Stück Holz. Für dich! Du? Für mich? Du kannst damit machen, was du willst, denn es hat keine Lust, ein Tisch zu werden. Lorenzo... Ein schönes Stück Holz würdest du niemals aus den Händen geben! Alter Geizkragen! Aber ich schaus mir mal an... ( schaut sich das Holz an.) Du bist ungerecht, ich bin ein armer, wie du! (Freundlich drohend.) Ja! Ja! Ja!... Es ist tatsächlich ein schönes Stück Holz, eine feine Maserung... ohne Zweifel wunderbar zu bearbeiten..., aber einen Tisch kannst du daraus nicht machen... (Spielt auf die Größe des Holzes an, undefinierbare Stimme des Holzes ertönt.) Was war das? 5

5 (Scheinheilig.) Ich habe nichts gehört... Aber ich... Vielleicht ist das Holz ja verzaubert?... Naja, ich muß jetzt wieder... meine Frau ist immer so streng, wenn ich zu spät zum Essen komme,... alsdann, viel Spaß mit dem verzauberten Holz! Machs gut! Wiedersehen! (Ab.) Verzaubertes Holz? Ich glaube, der hat ein bißchen zu tief ins Glas geguckt!... Was mach ich mit einem Stück Holz, was der nicht will? Ich könnt mir einen Löffel schnitzen. Oder ein neues Stuhlbein. Vielleicht mache ich mir ein Feuer. Ich habs! Ich mache das, was ich schon immer machen wollte: ich schnitz mir eine Holzpuppe, die tanzen und springen kann. Mit ihr werde ich auf dem Jahrmarkt auftreten, und vielleicht verdiene ich auch etwas Geld dabei. Alsdann, an die Arbeit,! (Bringt das Holz ins Haus, beginnt zu schnitzen, Holz beschwert sich glucksend, kichernd.) Da ist es wieder... Kneif mich mal, das ist doch eine Stimme... Wo ist diese Stimme? (Sucht an verschiedenen Stellen, schnitzt weiter, sucht wieder, Holz kichert.) Die Stimme ist im Holz. (Dunkel.) 3. Szene Zuhause. Nächster Morgen, steht in einem Haufen Sägespäne, arbeitet an der Fertigstellung der Puppe. hält einen Pantoffel in der Hand, schmeißt ihn durchs Zimmer, wundert sich. zieht die Perücke vom Kopf, wundert sich. nimmt einen Strumpf in die Hand, bereit zu schlagen. Ja aber,... das ist doch wohl... Ich schlage mir die Nacht um die Ohren, arbeite und schnitze an einem trockenem Stück Holz! Und dann ist tatsächlich ein richtiger Kopf entstanden, mit zwei fröhlichen Augen, einer wohlgeformten Stirn, einer Nase... und vor allem einem großen Mund, der mich angrinst! Und zu allem Überfluß auch noch die Zunge rausstreckt! Ein richtig freches Balg bist du, hast du gehört? ( schmeißt den Strumpf.) Jesses, Maria und Josef! Womit habe ich das verdient? 6

6 Jesses Maria und Josef und Maria und Josef und Jesses... Wie du sprechen kannst! Du redest wie ein Wasserfall! Ha, reden macht Spaß! Zunge raus, Ü-ber-fluß-Kokosnuß, Überfluß, Kokosnuß... sprichst du immer mit dir selber? Ja aber... nein! Ich spreche doch mit dir. (Schaut sich um.) Mit wem? Na mit dir! Ach du meine Güte! Natürlich, du hast ja noch keinen Namen! Ja, wie heißt du denn? Niemand! Ich heiße Niemand und deshalb kannst du mir auch nichts sagen! ( streckt die Zunge raus.) Ach was! Niemand heißt Niemand! Warte mal... Ich werde dich P, P, P, Pepetto..., Popolino..., nennen! Pi-no-cchi-o! Ein schöner Name!? Ein blöder Name! Gefällt mir nicht. Will ich nicht! Ich will einen anderen Namen haben!... Ich finde, er klingt gut! Du wirst dich daran gewöhnen müssen und basta! Du denkst wohl, daß du alles bestimmen kannst, was? Nein. Aber ich bin dein Vater und ein Vater gibt seinem Kind einen Namen. Ich will einen anderen Vater. Weißt du, was ein anderer Vater längst mit dir gemacht hätte? Schrei mich nicht an! Oder ich schreie zurück oder ich haue dich oder ich, ich laufe ganz weit weg! ( versucht aufzustehen und fällt hin.), wenn du ganz weit weg laufen möchtest, dann solltest du erst einmal etwas lernen! Zum Beispiel Laufen! ( will helfen.) Laß mich! Ich kann das alleine! Schade! (Macht einen ersten hilflosen Schritt.) Schade, fade, Schokolade... 7

7 ...! (Bekommt Spaß am Reim.) Auf der Mauer sitzt ne Made...! Und ein Krokodil im Bade! (Reißt seine Perücke vom Kopf.) Ich warne dich! Reg dich nicht auf? (Greift wieder nach s Perücke.) Himmelherrgottsakrazwiebelnase! Ich und aufregen! Wo ist der Besen? Tu mir nichts, bitte tu mir nichts... Au, au, au... (Beruhigend.) Sch, sch, sch! Aber ich habe dir doch gar nichts getan! Du wolltest mich hauen... ich habs genau gesehen... Das war doch nur zum Spaß! Nur so zum Spaß hauen? Das ist ja noch viel schlimmer! Dafür mußt du mir jetzt helfen! Na los, ich will stehen! Aha, dann komm mal her: und hopp? ( fällt wieder hin und heult.), nicht weinen, so kommst du nicht weiter. Du mußt es immer wieder versuchen, dann lernst du es auch. Komm! Will nicht lernen. ( hilft ihm.) Laß mich! Ich kann das alleine. ( macht ein paar Schritte.) Siehst du? Guck mal, guck mal! Siehst du? (Läuft zur Tür hinaus.) Fang mich doch, fang mich doch... Bist du langsam! Kannst mich nicht fangen, was? Traust dich wohl nicht! (Rennt davon, hinterher.), komm zurück, du holst dir nen Husten, und Schnupfen und vielleicht sogar Grippe! Du hast nichts an und es ist kalt! Komm zurück! Zu dir? Die Welt ist groß, ich kann überall hingehen, warum sollte ich wieder zu dir zurückkommen? 8

8 Aber ich bin doch dein Vater! Halt, stop, bleib hier!! So warte doch! Du bist doch mein Kind! Hält es denn niemand auf? 4. Szene Straße. Polizist Polizist Nun mal ganz langsam! Wo solls denn hingehen? Da, da kommt er schon. Ich muß weg, schnell. Er will mich packen und dann schreit er mich wieder an und verhauen tut er mich auch. Nun mal ganz langsam. Wer verhaut was, wen, wie, wo und warum? Rennt als ob der Teufel hinter ihm her wäre! Erst hat er mir die Zunge herausgestreckt und dann, aus der Tür und weg. Ohne Jacke, bei der Kälte! Polizist Nun mal ganz langsam... Polizist Gleich schlägt er mich wieder! Ich seh es ihm an, er sieht dann immer ganz wild aus! Guck mal, guck mal, wie ihm die Augäpfel hervorstehen und wie ihm die Hände zucken..., das ist doch gar nicht wahr! Du lügst ja! Du lügst, ich lüge nicht. (s Nase wächst.) Schlagen nützt gar nichts, das sollten sie doch wohl wissen! Aussprechen muß man sich, das ist wichtig! Sie! Sie werden doch wohl noch mit einem so lieben, netten, kleinen Wesen reden können? Oder etwa nicht? Klein ja, aber lieb und nett? (Zu.)... Gleich schlägt er mich,... au, au, au! ( läßt sich zu Boden fallen.) Jetzt stell dich nicht so an! Komm, steh auf! Du sollst aufstehen, habe ich gesagt! (Er versucht hochzuziehen, der tritt wild um sich. Ehepaar tritt auf.) 9