P. HARTWICH M. GRUBE Psychosen - Psychotherapie

Transkript

1 P. HARTWICH M. GRUBE Psychosen - Psychotherapie

2 Umschlaggestaltung unter Verwendung der Skulptur: "Spaltung" Marmor Bardiglio Italien, 1992 Bildhauer: Fritz Baack

3 PETER HARTWICH MICHAEL GRUBE Psychosen - Psychotherapie Psychodynamisches Handeln in Klinik und Praxis Zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage SPRINGER-VERLAG BERLIN (1 HElDELBERG GMBH JTJI

4 Prof. Dr. med. PETER HARTWICH Dr. med. MICHAEL GRUBE Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Städt. Kliniken Frankfurt a. M.-Höchst Akademisches Lehrkrankenhaus der J. W. Goethe-Universität Frankfurt a. M. Gotenstr. 6-8, Frankfurt a. M. ISBN ISBN (ebook) DOI / Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1999,2003 Ursprünglich erschienen bei SteinkopffVeriag Darmstadt 2003 Softcover reprint of the hardcover I st edition 2003 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg Redaktion: Dr. Maria Magdalene Nabbe Herstellung: K. Schwind Zeichnungen: Günther Hippmann, NÜfnberg SPIN / Gedruckt auf säurefreiem Papier

5 Vorbemerkung zur zweiten Auflage Das Interesse an unserem Buch war grober als erwartet; die erste Auflage ist vergriffen, sodass eine zweite Auflage angefragt wurde. Viele Anregungen und Buchrezensionen sind eingegangen, durch die eine Hille von DenkanstOBen, VorschHigen und neuen Gesichtspunkten eingearbeitet werden konnte. HEINZ KNAPP schrieb im "Deutschen Arzteblatt" in seiner Rezension, ein solches Buch werde dringend gebraucht, es helfe Wegsuchenden zu einem vertieften, in das personale Erleben einfiihlenden Verstandnis. Kritisch merkt KNAPP an, dass das theoretische Fundament stringenter herausgearbeitet werden konnte. Dies war uns ein wichtiger AnstoB, dem in der neuen Fassung vertieft nachgegangen wird. Hierbei ist uns wichtig den eigenen, aus der praktischen Erfahrung gewachsenen Standort scharfer zu definieren und im Rahmen anderer Psychotherapiekonzepte genauer zu positionieren. Nach wie vor hat uns dabei eine moglichst integrative Perspektive geleitet. In der Zeitschrift "International Forum of Psychoanalysis" fasst AXEL TRIEBEL unseren Standpunkt des Psychosenverstandnisses in seiner "book review" zusammen: "Facing the danger of fragmentation, the psychotic patient is trying to protect and to save the cohesion of his self with diverse symptoms and modes of behavior such as delusions, mutistic-autistic behavior and so on. All these fantasies and actions are named paraconstructions. This term combines somatic concepts with psychodynamic aspects and includes the cognitive disorders... Numerous typical case vignettes help us to get a vivid impression of the clinical and psychotherapeutic reality in treating psychotic patients from a psychodynamic and multidimensional view point". In der Zeitschrift "Analytische Psychologie" hebt VIKTOR ZIELEN in seiner Buchbesprechung hervor, dass das pragmatisch Machbare in der Begegnung mit Psychosekranken, insbesondere schwerst gestor ten Kranken, dargelegt wird. STAVROS MENTZOS schreibt in seiner Rezension im "Forum der Analytischen Psychosentherapie": "Das Buch, von zwei erfahrenen

6 VI Vorbemerkung zur zweiten Auflage Klinikern geschrieben, darf als etwas Neues und Originelles gelten, und zwar aus zwei Grunden: erstens wegen der grundsatzlichen Orientierung der Autoren an einer tiefenpsychologisch inspirierten Psychotherapie und zweitens wegen der betont praktischen Ausrichtung. Durch den Begriff Parakonstruktion wird versucht auf die Tatsache aufmerksam zu machen, dass ein grober Teil der psychotischen Symptomatik nicht passiv erlittene Storung ist, sondern Schutz und Stabilitat gebende Reaktion des psychischen Organismus, zum anderen aber deutet der Terminus Parakonstruktion an, dass man nicht so ohne Weiteres von Rekonstruktion der Realitat (wie es SIGMUND FREUD getan hat) sprechen kann, weil ja die neu entstehende psychotische Welt deutlich von der Realitat abweicht." Weiter fuhrt MENTZOS aus: "Man spurt die Intention und den Versuch der Autoren, allen klinischen Situationen nach Moglichkeit auch einen psychodynamischen Aspekt abzugewinnen; gleichzeitig sollte man das nicht mehr psychodynamisch Auflosbare als solches anerkennen. Wer mit der Realitat des psychischen Alltags vertraut ist, kann diesen,realismus' verstehen, das heibt diese Tendenz, nur dort eine auch unbewusste Prozesse implizierende Konzeptualisierung eindeutig zu vertreten, wo sie aufgrund der direkten klinischen Erfahrung unzweifelhaft berechtigt erscheint." Uns schien es wertvoll den Hinweisen, die in den Buchbesprechungen hervorgehoben wurden, weiter nachzugehen und sie zu vertiefen. Zusatzlich haben eine Reihe von Fachkollegen Anregungen gegeben. Unter ihnen regt CHRISTIAN SCHARFETTER, die Praxisrelevanz des Buches hervorhebend, an, das Selbsterleben als Kernstuck und die korperlichen Austragungsformen - sowie die diesen antwortenden Therapieformen - ausfuhrlicher darzustellen. WOLFGANG BLANKEN BURG sieht in der Gruppentherapie eine Chance den Perspektivenwechsel zu fordern, in dem Sinne der Betrachtung des Objektes aus verschiedenen Ebenen des Raumes. WOLFGANG KLAGES bemerkt in seiner humorvollen Art, dass "das handliche, praktische Buch fur den manchmal ratlosen Fachkollegen besonders geeignet" sei. Jungere Kollegen brachten ihr Anliegen zum Ausdruck, auf ein ubersichtliches Buch fur die Weiterbildungsinhalte zum Facharzt fur Psychiatrie und Psychotherapie zuruckgreifen zu konnen. Wir haben uns bemuht den Psychotherapieanteil aus der Weiterbildungsordnung, der sich heute wesentlich starker auf Psychosen beziehen sollte, fur diejenigen, die die tiefenpsychologischen Ansatze als Erst- oder Zweitverfahren wahlen, in Theorie und Praxis didaktisch eingangig darzustellen.

7 Vorbemerkung zur zweiten Auflage. VII I Danksagung. An dieser Stelle sei den arztlichen und psychologischen Mitarbeitern der hiesigen Klinik fiir Psychiatrie und Psychotherapie fiir ihre Anregungen bei der Durchsicht des Textes gedankt. Dankbar hervorgehoben sei der unermiidliche Einsatz von Frau EUGENIE BOIKE beim Schreiben und der formalen Gestaltung des neu gefassten Manuskripts. Besonderer Dank gilt auch der sehr sorgfaltig vorgenommenen Lektorierung durch Frau DOROTHEE GRUBE, mit der sich eine fruchtbare und bereichernde Zusammenarbeit ergeben hat. Frankfurt, im August 2003 PETER HARTWICH MICHAEL GRUBE

8 Vorwort zur ersten Auflage Die meisten Buchpublikationen uber das Thema der psychotherapeutischen Behandlung von Psychosen befassen sich mit Hypothesen der Ursachen und stellen oft umfangreiche Theoriengebaude dar. Oftmals wird sogar eine "neue Schule" propagiert. Wenn es konkret, anschaulich und beispielhaft wird, dienen die Fallbeispiele meist nur der Untermauerung von Theorien. Der suchende Leser vermisst Antworten und Vorschlage: "Wie kann ich denn konkret mit der einzelnen Problemsituation umgehen?" Wir legen ein Buch vor, das von dem fur manche verlockenden Ansatz spezieller Theoriengebaude gelost ist. Es vermittelt eine Fulle konkreter Beispiele und Erfahrungen aus der Praxis. Das gewachsene Erfahrungswissen wird so dargestellt, dass denjenigen, die mit Psychosekranken umgehen, etwas Konkretes, Anschauliches und in der Praxis Anwendbares an die Hand gegeben wird. Ein vollstandiges Werk, in dem, im Sinne eines Lehrbuches, die gesamte Psychotherapie der Psychosen dargestellt wird, existiert derzeit nicht und wird von den Autoren auch nicht angestrebt. Wir sind namlich der Auffassung, dass es eine zu eng "geschlossene" Darstellung von Psychotherapielehren fur Psychosen nicht geben sollte. Es liegt in der Natur dieser Erkrankungen mit ihren unendlich vielfaitigen Facettierungen, dass grundsatzlich "nur" fragmentarisch und jeweils bedurfnisangepasst eine Aneinanderreihung von Aspekten und ihre sinnvolle Verbindung dargestellt werden kann. Unter diesem Vorsatz haben wir die vorliegende Form der praktischen und an den Bedurfnissen der Patienten orientierten Darstellung gewahlt. An dieser Stelle sei Dank gesagt den Mitarbeitern der Klinik fur ihre Anregungen bei der Durchsicht des Manuskriptes und Fr. E. BOIKE, die sich beim Schreiben und bei der formalen Gestaltung des Textes unermudlich eingesetzt hat. Frankfurt, im August 1998 PETER HARTWICH MICHAEL GRUBE

9 Inhaltsverzeichnis, 1st psychotherapeutische Behandlung bei Psychosen wirksam? Welchen Anspruch verfolgen wit? Welche Effekte sind in der Psychotherapie der Psychosen bisher gefunden worden? Schizophrenien Affektive St6rungen Zum Stellenwert psychodynamischer Hypothesen in der Atiologieforschung Das somatopsychische Integral Defizit versus Konflikt? Hypothesen und Forschungen zu Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis Zur Entwicklung analytischer Hypothesen Zusammenfassende Oberlegungen zur Atiologie Zu den affektiven Psychosen: bipolare und monopolare Der Verlust der Vitalitat bei der psychotischen Depression 37 3 Zur Symptombildung bei Psychosen Desintegration und Symptombildung Historisches zum Desintegrationsbegriff Gegenregulation und Parakonstruktion Symptome der unmittelbaren Desintegration Parakonstruktion als kreativer Schutzversuch Kohasion und Antikohasion Herleitung des Parakonstruktionskonzeptes in der Psychiatriegeschichte... 55

10 XII Inhaltsverzeichnis 4.3 Abgrenzung der Parakonstruktion von der Abwehr Symptome, die eine Mischung darstellen... " Fallbeispiel fiir die genannten Symptombereiche Beispiele fiir Parakonstruktionen und ihre Bedeutung fiir die Therapie Weitere Beispiele zum Umgang mit der Parakonstruktion 71 5 Zur Psychodynamik schizoaffektiver Psychosen Zu Psychopathologie und Diagnostik schizoaffektiver Psychosen Welche Faktoren bewirken die Vorteile in Behandlung und Verlauf gegeniiber schizophrenen Psychosen? Die Besonderheiten der schizoaffektiven Parakonstruktion in der psychodynamischen Wechselwirkung der beiden Dimensionen Psychodynamische Wechselwirkung des schizodominanten Typs Psychodynamische Wechselwirkung des affektiv-dominanten depressiven Typs Psychodynamische Wechselwirkung des affektiv-dominanten maniformen Typs Die therapeutische Nutzung des Faktors, der vermutlich den Krankheitsverlauf giinstiger werden liisst Gibt es Parakonstruktionen bei organischen Psychosen? Allgemeine Gegenregulationsversuche Parakonstruktionen im eigentlichen Sinne Parakonstruktionen bei lebensverkiirzenden ZNS-beteiligenden Erkrankungen Gefahren und Grenzen der psychodynamisch orientierten und der analytischen Behandlung von Psychosekranken Was unterscheidet Psychosekranke von anderen psychischen Storungen? Gefahren bei unsachgema6er Psychotherapie Neurosepol versus Psychosepol Gegeniibertragung bei Psychosen

11 Inhaltsverzeichnis ' XIII Zum Problem der Wiederherstellung von Abwehrmechanismen Kognitive Storungen Zum psychodynamischen Umgang mit kognitiven Storungen Vorschlage fur den Therapeuten Zur Psychodynamik des Umgangs mit Psychopharmaka Arzt und Psychopharmaka Patienten und Psychopharmaka Angehorige und Psychopharmaka Gruppentherapie und Psychopharmaka Zum psychodynamischen Umgang mit speziellen Problemen der akuten Psychosen Zur Umweltorientierungsstorung am Beginn einer Psychose SelbstzerstOrerische Impulse Starke Emotionen Floride Symptome Ein Beispiel mit sensitivem Beziehungserleben und paranoiden Umdeutungen StimmenhOren "Nichten" und Gegenteilassoziationen Schizophasie - Formalismus - Objektzerfall Zum Umgang mit Wochenbettpsychosen Zum Umgang mit Aggressivitat Zum Umgang mit Problemen des postakuten Verlaufs aus psychodynamischer Sicht Antriebsstorungen Auseinandersetzung mit der reduzierten Leistungsfahigkeit Ruckzugsbedurfnisse..., Friihwarnsymptome Wiederannaherung an den Beruf Auswirkungen der Erkrankung und juristische Instanzen Zur Frage der meditativen Verfahren Benennung der Krankheit

12 XIV Inhaltsverzeichnis 13 Psychosekranke und Angehorige Zum Umgang mit AngehOrigen von schwer psychotisch Kranken Psychose und Partnerschaft Zum Umgang mit Traumen Traumerleben und Psychoseerleben Triiume in der Therapiesitzung , Was tragt die gruppendynamische Erfahrung zur Psychotherapie bei? Homogene oder inhomogene Gruppenzusammensetzung? Schizophrene und schizoaffektiv Erkrankte gemeinsam in der Gruppe Umgang mit Schilderungen von Psychoseerlebnissen Gruppe Der einzelne Patient in der Gruppe Therapeuten UnaussprechIiches wird doch in Worte gefasst..., Realitiitsverstiirkende Mechanismen der Gruppe , ~ Zum psychodynamischen Umgang mit affektiven Psychosen In der akuten Phase m Intervall..., Die priimorbid iiberangepasst-zwanghafte Personlichkeitsstruktur Die priimorbid narzisstische Personlichkeitsstruktur Die priimorbid depressive Struktur Zur Manie Pragmatische psychotherapeutische Ansiitze in der Behandlung der Manie Zum Umgang mit Suizidalitat

13 Inhaltsverzeichnis ' xv 18 Fur die Psychotherapie relevante epidemiologische Daten der affektiven Psychosen..., Epidemiologische Aspekte Biologische Aspekte Risikofaktoren Fur die Psychotherapie der schizophren Erkrankten relevante epidemiologische Daten und atiologische Konzepte Epidemiologische Aspekte Atiologische Konzepte der Schizophrenien Genetik Hirnorganische Hypothesen Biochemische Ansatze Soziale und kulturelle Faktoren Hypothesen zum Einfluss der Familienstruktur Fur das psychodynamische Verstandnis relevante Informationsprozessmodelle Integratives Verstandnis und Therapieanregungen l Literaturverzeichnis 273 Sachverzeichnis