Gnade und Friede sei mit euch von dem, der da war, der da ist und der da kommt. Amen

Transkript

1 Datum / Sonntag Text/Thema Lk. 23, Besonderes Notizen Lieder Karfreitag 2017 Littenweiler NL 4 Aus der Tiefe , 1 Herr, stärke mich 97, 1-4 Holz auf Jesu NL 45 Gott, du gingst fort 85, 1-4 O Haupt voll Blut Lesung: Joh. 19, (anschließend Abräumen des Altars, Verlöschen der Kerzen) Autor Pfr. Jörg Wegner Auferstehungskirche Freiburg - Littenweiler Gnade und Friede sei mit euch von dem, der da war, der da ist und der da kommt. Amen TEXT: Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. 34 Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. 35 Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. 36 Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig 37 und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! 38 Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König. 39 Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! 40 Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? 41 Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. 42 Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! 43 Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. 44 Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, 45 und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. 46 Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und 1

2 als er das gesagt hatte, verschied er. 47 Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen! 48 Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. 49 Es standen aber alle seine Bekannten von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles. Liebe Gemeinde, Jesus stirbt in schlechter Gesellschaft. Rechts und links von ihm zwei Verbrecher. Um ihn herum die Soldaten, die - wie so oft nur ihre Pflicht tun. Und dann eine orientierungslose, manipulierte Masse. Seine Freunde stehen auf Distanz und schauen von ferne auf die sich krümmende blutende Gestalt am Kreuz. Von Mitleid und Entsetzen ist wenig die Rede. Aber mehrfach tauchen die Worte auf, die ich mit hämischen Gesichtern verbinde: spotten und lästern. Zynisch geradezu immer wieder dieses Hilf Dir selbst! Wenn Du der Sohn Gottes bist! Sieh zu, wie Du aus dem Schlamassel kommst! Die Menschen lassen ihn wortwörtlich hängen. Nur der ein oder andere sieht es anders und fühlt anders. Wie wäre es mir gegangen? Ich sehe mich eingehüllt in ein langes Gewand, das mich vor dem Staub und der Hitze Jerusalems schützen soll. Zu den Ärmsten gehöre ich nicht. Doch auch ich habe meine Fragen an das Leben und auch ich bin unzufrieden mit der Religion, die nur von wenigen interpretiert wird. Und ich habe mit hungrigem Herzen auf das gehört, was die Menschen von diesem Rabbi berichteten. Tränen flossen aus meinen Augen, als er ein Kind vom Tod zum Leben brachte. Und immer wenn er in die Nähe 2

3 unserer Dorfes kam, habe ich seinen Worte zugehört, die so verwirrend und beglückend anders waren. Ja, auch ich habe etwas Neues in mir gespürt. Habe eine Ahnung bekommen, dass dieses Neue nur mit ihm zu tun haben kann. Natürlich nehmen das auch die Neider und die Mächtigen wahr, die ihm mißtrauten und mit ihren traditionellen Argumenten in die Falle locken wollten. Aber dass sie es schaffen würden? Jetzt hängt er da als Verbrecher unter Verbrechern... Ich spotte nicht, aber ich denke auch: Du hast soviel Unglaubliches vollbracht. Warum kannst Du Dir nicht selbst helfen mit einem Wunder in eigener Sache? Warst Du eben doch einer von vielen religiösen Wirrköpfen, die selbstverliebt das Volk um sich scharen wollten? Ja, wenn ich mich so zurückversetze unter das Kreuz, was wären meine Gefühle und Gedanken gewesen? Hätte ich nicht sogar auch gelästert? Wir können nur sehr beschränkt nachvollziehen, was damals in den Menschen vorgegangen ist. Denn heute können wir all das ja anders einordnen. Wir kennen ja den Fortlauf der Geschichte und ihre Tragik und ihr österliches Ende. Wir können uns nur durch die Berichte der Bibel nähern. Die Nächsten sind im eigentlich die Verbrecher. Sie gehören zu den letzten, mit denen Jesus 3

4 geredet hat. Einer stimmt ein in den Spott. Verzweifelt versucht er noch für sich was raus zu holen. Er ist ein Todeskandidat, der nur seine Haut retten will. Sein Christusbekenntnis hat nur diesen Zweck: sich selbst. Wer wie jener aber nur sich selbst im Blick hat, wer nur um sich selbst kreist, ohne auf das zu schauen, was am Leben falsch war, der kann weder Heilung noch Heil finden. Anders ist es bei dem anderen. Er will sich den Christus nicht zu nutze machen. Er erkennt sein misslungenes Leben. Klar sieht er die dunklen Flecke darin. Und dagegen scheint ihm das Licht des Mannes in ihrer Mitte auf. Er will kein Wunder. Er will nur, dass sein Name nicht aus dem Gedächtnis des Christus gelöscht wird. Denn dann wird er nicht ins Nichts versinken. Jesus öffnet ihm weit die Tore des Paradieses. Fürchte dich nicht. Ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Die Worte aus dem Profeten Jesaja finden hier ihre Resonanz: Du wirst nicht vergessen. Du hast jetzt dein Leben wiedergefunden. Darum gibt es inmitten des seelischen Chaos der verwirrten Massen schon jetzt einen glücklichen Menschen, der im Frieden mit Gott und sich selbst sterben kann. Da bricht sich das neue Leben schon Bahn, bevor die Auferstehung stattgefunden hat. Dann aber bricht die Finsternis ein. Die Sonne verlor ihren Schein! Das menschliche Drama am Kreuz wird zum kosmischen Ereignis. Himmel und Erde drehen durch. Heil und Unheil ist nicht Sache des Menschen allein. Immer hängt die ganze Schöpfung mit drin. Wir sind eben nur Teil des Ganzen. Das Kreuz, das auf 4

5 Golgatha in die Erde gerammt steht, schlägt dort eine Wunde. Es steht da als Heils und Unheilszeichen für die ganze Schöpfung. Sie ist so wenig paradiesisch, wie die Menschen, die die letzten Paradiese ausrotten. Der Riss des Tempelvorhanges ist Sinnbild des Risses, der sich zwischen Gott und Mensch auftut. Das Kreuz ist der Endpunkt und markiert die Erde als Todesszone. Kein Licht, keine Liebe, keine Gerechtigkeit. Ist das die Karfreitags Bilanz? Nein denn mitten hinein kurz vor dem Ende, schreit einer seine Hoffnung hinaus: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist! Der Christus kann erst sterben, nachdem dieser Satz gesagt ist. Er sendet ihn als Lichtstrahl in die Dunkelheit hinaus: diese Welt stürzt nicht ins Nichts. Es gibt immer noch die Hände, die Gott austreckt, um alles zu halten. Weil er von diesem Vertrauen getragen wurde, konnte Jesus sein Leben leben und diesen Tod sterben. Es gibt einen Gott, der am Leben festhält. Ihm vertraue ich mich an und werde frei von meiner Angst vor dem Leben und vor dem Sterben. Der Geist, der sich in den Händen Gottes weiß, wird frei wie eine Taube des Friedens und des neuen Lebens. Das Kreuz und das Chaos ist nur das vorletzte Wort. Die Menschen schienen das damals zu spüren. Sie schlagen sich an die Brust und kehren um, gehen andere Wege, die wieder zum Leben führen sollen. 5

6 Das Kreuz markiert seither den Punkt, an dem Gotteswege und Menschenwege sich kreuzen. Mitten im Leid, im Dreck, im Verrat in der gähnenden Leere wird das Kreuz der Ort, an dem jeder von uns dieses Wort hören für immer in sein Herz aufnehmen darf.: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist! Amen 6