AG zum Grundkurs Zivilrecht I

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1 Josef Wittmann Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Unternehmensrecht (Prof. Veil) AG zum Grundkurs Zivilrecht I Fragen und Anregungen jederzeit gerne an: josef.wittmann@jura.uni-muenchen.de

2 Einheit 8 Gliederung der heutigen AG I. Wiederholungen zu Einheit 7 II. Besprechung Fall 15 1

3 Einheit 8 I. Wiederholung zu Einheit 7 (P) Das formbedürftige Scheingeschäft (Fall 13) Das Scheingeschäft ist nichtig nach 117 Abs. 1 BGB Nichtigkeit des verdeckten Geschäfts nach 125 i.v.m. 311b Abs. 1 S. 1 BGB (P) Zugang bei nicht verkörperter Erklärung (Fall 14) e.a.: strenge Vernehmungstheorie h.m.: eingeschränkte Vernehmungstheorie (P) Mangelhafter Geschäftswille (Fall 14) Willenserklärung wirksam ABER: Anfechtungsmöglichkeit nach 119 BGB 2

4 Einheit 8 II. Fall 15 Der günstige Ring Karl will dieses Jahr seiner Ehefrau zum Hochzeitstag einen Ring schenken. Er begibt sich daher zum Juwelier Jonas, bei dem er bekannt und Stammkunde ist. Dort sieht er in einem Schaukasten ein Exemplar, das ihm gefällt und bittet Jonas, das Schmuckstück, an dem sich kein Preisschild befindet, aus dem Kasten herauszuholen. Von Karl nach dem Preis gefragt, nennt Jonas einen Betrag von 200,. Dabei will Jonas eigentlich den zutreffenden Preis von 2.000, nennen. In der Vorfreude auf das gute Geschäft verspricht er sich aber. Karl sagt sofort, dass er den Ring für diesen Preis nehme. Daraufhin streckt er Jonas seine offene Hand entgegen, in welche Jonas den Ring legt. Dann steckt Karl den Ring ein, legt 200, auf den Ladentisch und verlässt dankend das Geschäft. Erst in diesem Moment wird Jonas klar, dass soeben etwas gewaltig schief gelaufen ist. Er stürmt Karl hinterher und kann ihn gerade noch aufhalten, bevor er in die Straßenbahn einsteigt. Noch ganz außer Puste erklärt Jonas dem Karl: Die Geschäfte von soeben kann ich nicht gelten lassen; der Preis für den Ring beträgt 2.000,, nicht 200,. Ich habe mich versprochen. Karl gibt entrüstet zurück: Gekauft ist gekauft, und den Ring behalte ich. 3

5 Einheit 8 II. Fall 15 Der günstige Ring 1. Liegt ein wirksamer Kaufvertrag zwischen Jonas (J) und Karl (K) vor? 2. Kann Jonas (J) von Karl (K) die Herausgabe des Rings verlangen? 3. (Variante): Karl erklärt dem Jonas, ihm sei das Geschenk auch 2000, wert. Jonas glaubt inzwischen, den Ring noch teurer veräußern zu können und will am Geschäft auf jeden Fall nicht mehr festhalten. Kann Karl (K) den Ring gegen Zahlung von insgesamt 2000, behalten? 4

6 Einheit 8 Frage 1 Liegt ein wirksamer Kaufvertrag vor? I. Einigung 1. Angebot, vgl. 145 BGB a) Angebot des J durch Auslage des Ringes (-) essentialia negotii, ggf. invitatio ad offerendum b) Angebot des K durch Bitte, den Ring aus dem Schaufenster zu holen (-) essentialia negotii c) Angebot des J durch Nennung des Preises i.h.v. 200 aa) Tatbestand i. Objektiver Tatbestand, 133, 157 BGB ii. Subjektiver Tatbestand Handlungswille (+) Erklärungsbewusstsein (+) Geschäftswille (-) Geschäftswille kein konstitutives Merkmal einer WE Rechtsfolge: Anfechtbarkeit bb) Wirksamwerden i. Abgabe ii. Zugang, 130 I 1 BGB analog cc) Zwischenergebnis 6

7 Einheit 8 Frage 1 Liegt ein wirksamer Kaufvertrag vor? I. Einigung 1. Angebot, vgl. 145 BGB 2. Rechtzeitige Annahme, 147 I 1 BGB 3. Zwischenergebnis II. Nichtigkeit ex tunc gem. 142 I BGB 1. Anfechtungsgrund 119 ff. BGB a) Beachtlicher Irrtum Irrtum = Unbewusstes Auseinanderfallen von objektiv Erklärtem und subjektiv Gewolltem im Zeitpunkt der Abgabe der WE Inhaltsirrtum, 119 I Alt. 1 BGB (-) Erklärungsirrtum, 119 I Alt. 2 BGB (+) Objektive und subjektive Kausalität/Erheblichkeit des Irrtums, 119 I BGB a.e. b) Zwischenergebnis ex tunc : von Anfang an ex nunc : ab jetzt 7

8 Einheit 8 Frage 1 Liegt ein wirksamer Kaufvertrag vor? I. Einigung II. Nichtigkeit ex tunc gem. 142 I BGB 1. Anfechtungsgrund 2. Anfechtungserklärung ggü. dem Anfechtungsgegner, 143 I BGB a) Tatbestand 133, 157 BGB b) Wirksamwerden c) Adressat, 143 II Alt. 1 BGB der andere Teil = Vertragspartner d) Zwischenergebnis 3. Anfechtungsfrist, 121 I 1 BGB 4. Zwischenergebnis WE von J ist ex tunc nichtig gem. 142 I BGB III. Ergebnis: Zwischen J und K liegt kein wirksamer Kaufvertrag vor 8

9 Einheit 8 Frage 2 II. Fall 15 Der günstige Ring 2. Kann Jonas (J) von Karl (K) die Herausgabe des Rings verlangen? Anspruchsgrundlagen gerichtet auf Herausgabe 985 BGB Herausgabeanspruch des Eigentümers ggü. dem nichtberechtigten Besitzer Vindikation 812 I 1 Alt. 1 BGB Herausgabeanspruch bei ungerechtfertigter Bereicherung Kondiktion 9

10 Einheit 8 Frage 2 A. Anspruch J K auf Herausgabe des Ringes aus 985 BGB I. Besitz des K tatsächliche Sachherrschaft, 854 I BGB II. Eigentum des J Ursprünglich (+), vgl I 1 BGB Verlust des Eigentums durch Übereignung an K, 929 S. 1 BGB? 1. Wirksame dingliche Einigung a) Einigung i. Angebot, vgl. 145 BGB ii. Annahme, vgl. 147 BGB b) Unwirksamkeit der Einigung infolge Anfechtung, 142 I BGB i. Anfechtungsgrund (-) ii. Ergebnis 2. Übergabe 3. Einigsein bei Übergabe 4. Verfügungsberechtigung des J 5. Zwischenergebnis: K ist Eigentümer. III. Ergebnis: Kein Anspruch aus 985 BGB. Anfechtung des Kaufvertrags führt nicht zur Unwirksamkeit der dinglichen Einigung: Abstraktionsprinzip 10

11 Einheit 8 Frage 2 B. Anspruch J K auf Rückübereignung und Herausgabe des Ringes aus 812 I S. 1 Alt. 1 BGB I. Etwas erlangt Eigentum und Besitz am Ring II. Durch Leistung Leistung ist die bewusste zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens (+), Übereignung erfolgte zum Zwecke der Erfüllung der Leistungspflicht aus dem Kaufvertrag III. Ohne Rechtsgrund (+), Kaufvertrag ist nichtig nach 142 I BGB. IV. Ergebnis: Anspruch aus 812 I S. 1 Alt. 1 BGB (+) 10

12 Einheit 8 Frage 3 (Variante) Kann Karl (K) den Ring gegen Zahlung von insgesamt 2000, behalten? I. Kaufvertrag über KV über den Ring gegen Zahlung von wurde nicht geschlossen Anfechtung vernichtet urspr. Vertrag, führt aber nicht zum Entstehen eines neuen Vertrags II. Ausnahme, 242 BGB Ziel der Anfechtung? Anfechtung ist i.d.r. ausgeschlossen, wenn Anfechtungsgegner bereit ist, den Vertrag so gelten zu lassen, wie ihn der Irrende ursprünglich gewollt hat: Anfechtungsrecht ist kein Reuerecht 14