Strukturelle Benachteiligungen inhaftierter Frauen in Deutschland vom Unsinn des Gleichbehandlungsgrundsatzes
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- Annika Fischer
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1 Strukturelle Benachteiligungen inhaftierter Frauen in Deutschland vom Unsinn des Gleichbehandlungsgrundsatzes Gabriele Kux (gekürzte Fassung eines auf der Fachtagung der SkF Frauen in Haft am in Dortmund gehaltenen Vortrages) Der Frauenvollzug ist in der Wahrnehmung der politisch Verantwortlichen und der Öffentlichkeit sowohl quantitativ, als auch qualitativ bedeutungslos. In kriminalpolitischen Überlegungen werden straffällige Frauen systematisch vernachlässigt. Hier bestimmen ausschließlich spektakuläre Vorkommnisse im Zusammenhang mit männlichen Straftätern bzw. dem Männervollzug die nächsten Schritte (z. B. Speicheltest/DNA-Analyse, Gefährlichkeitsprognose gem. 57 StGB). Straffällige Frauen und der Frauenvollzug bekommen der Einfachheit halber einen sachlich und fachlich völlig unbegründeten Gleichbehandlungsgrundsatz übergestülpt. Etwaige geschlechtsspezifische Besonderheiten oder Auswirkungen bleiben unberücksichtigt. Die Klientel im Frauenstrafvollzug charakterisiert sich u. a. durch eine geringe Ich-Stärke und damit einhergehenden Abhängigkeiten, sowohl im Beziehungskontext als auch im Suchtbereich. Ein erschreckend hoher Anteil der inhaftierten Frauen (über 70 %) hat im Vorfeld der Inhaftierung massive Gewalt erfahren, dazu zählen in erster Linie sexueller Missbrauch und Vergewaltigung durch Männer aus dem sozialen Nahfeld. Der Frauenvollzug selbst charakterisiert sich u. a. durch eine erheblich geringere Sicherheitsproblematik als der Männervollzug. Fluchtversuche, Geiselnahmen, Meuterei oder Angriffe auf Bedienstete kommen höchst selten vor. Abweichungen liegen hier eher im Bereich von Vereinbarungsbrüchen (z. B. verspätete Rückkehr aus Lockerungen, Alkohol- und Rauschmittelkonsum). Hinter den kriminellen Handlungen verbergen sich oftmals völlig untaugliche Lösungsversuche für subjektive Überlastungssituationen mit langen 1
2 Vorgeschichten. Dies soll keineswegs der Entschuldigung oder Bagatellisierung der von Frauen begangenen Delikte dienen, sondern lediglich dem Versuch ihrer Erklärung, um daraus Anknüpfungspunkte für die Arbeit mit straffälligen bzw. inhaftierten Frauen abzuleiten. Wie sehen die Bedingungen und damit letztlich auch die auf der Hand liegenden Benachteiligungen inhaftierter Frauen in Deutschland aus? Befragt man die Ergebnisse einer Länderumfrage des sächsischen Ministeriums der Justiz vom November , erfährt man folgende Sachverhalte: Vollzugseinrichtungen für Frauen, Haftplätze im offenen und geschlossenen Vollzug Am befanden sich weibliche Inhaftierte in den Justizvollzugsanstalten von 14 Bundesländern. Die Frauen stellten 4,8 % der Haftbevölkerung (76.000). Die weiblichen Inhaftierten verteilten sich bundesweit auf insgesamt 57 Vollzugsanstalten, Teilanstalten bzw. Abteilungen mit insgesamt Plätzen für Frauen. Von den 57 Vollzugseinrichtungen waren trotz 140 Abs. 2 Satz 1 lediglich 5 ausschließlich für Frauen zuständig. Hier waren ca Frauen untergebracht. Ca weibliche Inhaftierte waren in 52 Teilanstalten bzw. Abteilungen im Männervollzug untergebracht. Über 70 % der Frauen verbüßen ihre Strafe also nicht in einer selbstständigen Frauenhaftanstalt 2. Aus dieser Situation ergibt sich eine Reihe von Problemen: Die Sicherheitsprobleme des Männervollzuges bestimmen das Bewusstsein von Leitung und Verwaltung, Sonderregelungen für den Frauenbereich, sind nur äußerst mühsam oder gar nicht zu realisieren. Es gibt folglich 1 Sächsisches Staatsministerium der Justiz, Dresden Länderumfrage: Justizvollzug an weiblichen Gefangenen, November Für die 210 weiblichen Jugendlichen gibt es bundesweit nicht eine einzige eigenständige Einrichtung. Sie sind in aller Regel in Kleinstabteilungen im Frauenbereich untergebracht. 2
3 wenig Spielraum für angemessene (frauenspezifische) Behandlungsangebote. Es gibt kaum Plätze in einer offenen Vollzugsform 3. Viele Frauen sind deshalb über die gesamte Haftdauer den Einschränkungen des geschlossenen Vollzuges unterworfen. Häufig werden nur quantitativ und qualitativ schlechte Arbeitsplätze, schulische und berufliche Bildungsmaßnahmen angeboten, so dass die berufliche Integration nach der Haft nicht gelingt oder nur wenig tragfähig ist. Dort, wo zentral in einer großen Frauenhaftanstalt untergebracht wird, sind die Aufrechterhaltung der sozialen Bindungen und die Entlassungsvorbereitungen besonders erschwert. Mutter-Kind-Einrichtungen In den 14 Bundesländern die über Einrichtungen für den Frauenvollzug verfügen, gibt es bei der Gesamthaftplatzzahl von genau 78 Haftplätze, welche die Aufnahme von Mutter und Kind gem. 80 StVollzG ermöglichen. Diese besonderen Haftplätze verteilen sich auf sieben Bundesländer; 34 Haftplätze sind im geschlossenen Vollzug und 44 im offenen Vollzug angesiedelt. Auch wenn der Ansatz, Mutter und Kind gemeinsam in Haft unterzubringen, nicht unkritisch zu bewerten ist, selbst als ultima ratio, ist die vorgehaltenen Haftplatzkapazität angesichts der Vielzahl inhaftierter Mütter doch mehr als dürftig. Alternative Hausfrauenfreigang Dieser wird in zehn von 14 Bundesländern angeboten, kommt aber vermehrt nur in den Städten zum Tragen. In nahezu allen 3 Der Frauenvollzug verfügte im Januar 2001 über 754 Plätze im offenen Vollzug, dies entspricht knapp über 21 % der Gesamthaftplätze für Frauen. Eingedenk der gesetzlichen Vorgabe, dass der offene Vollzug der Regelvollzug sein soll, der Tatsache, dass Frauen in der Regel nur kurze Zeiten ( 9 12 Monate) in Haft verbringen und von ihnen nur selten ein reales Sicherheitsrisiko ausgeht, erscheint diese Anzahl doch relativ gering. Zudem sind regional erhebliche Unterschiede festzustellen. So bietet unter den neuen Bundesländern nur Sachsen offenen Vollzug für Frauen an (10 %). In den alten Bundesländern sieht es wie folgt aus: Baden-Würtemberg und Bayern je 2 %, Hessen 20 %, Nordrhein- Westfalen 25 %, Berlin 30 % und Hamburg 39 %. 3
4 Bundesländern werden Sonderbesuchsregelungen für Kinder und Familien angeboten. Sozialtherapeutische Abteilungen Nach 9 Abs. 1 sollen Inhaftierte mit zeitigen Freiheitsstrafen über zwei Jahren wegen Sexual- und Gewaltdelikten bei indizierter Therapienotwendigkeit in eine sozialtherapeutische Abteilung verlegt werden. Andere Inhaftierte können nach Abs. 2 dorthin verlegt werden, wenn dies zu ihrer Resozialisierung beiträgt. Im gesamten Bundesgebiet stehen in nur drei Bundesländern genau 38 Plätze für Frauen in der Sozialtherapie zur Verfügung. Die größte Abteilung und zugleich angesiedelt im offenen Vollzug ist in Berlin mit 18 (+ 3) Haftplätzen. In 11 von 14 Bundesländern mit Frauenvollzug gibt es weder die für die eine noch für die andere Inhaftiertengruppe die Möglichkeit zur Aufnahme einer Sozialtherapie, obgleich gerade die in der Sozialtherapie angewandten Interventionsformen, für einen Großteil der Frauen den geeigneten Rahmen darstellen würde, sich in adäquater Weise mit ihrer Lebensperspektive auseinander zu setzen. Bildungsniveau Ein hoher Anteil der inhaftierten Frauen ist ohne abgeschlossene Schulausbildung. Dieses Bildungsdefizit setzt sich im Bereich der beruflichen Bildung fort. Über 50 % der Frauen haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Wenn doch, dann handelt es sich bis auf wenige Fälle um eine Lehre zumeist in sogenannten typischen Frauenberufen, die nach der Haft oft keine selbstständige ökonomische Basis bieten. Schulische und berufliche Bildungsmaßnahmen in den Anstalten Intern wird in sieben Bundesländern der Hauptschulabschluss angeboten. Das Erreichen eines höheren Abschlusses ist über die Teilnahme an Fernkursen oder den Besuch von Kursen externer 4
5 Bildungsträger vereinzelt möglich. Alphabetisierungskurse, Deutsch für Ausländerinnen, Fremdsprachenkurse, Kurse zum Allgemeinwissen und PC-Grundlagenkurse gehören in einigen Anstalten zum Angebot. Fünf von 14 Bundesländern bieten keine internen Berufsabschlüsse an. Berufsausbildungen finden dort, bei Eignung, im Rahmendes Freiganges statt. Interne Ausbildungsberufe sind z. B. Modeschneiderin, Textilreinigerin, Friseurin, Gärtnerin, Floristin, Köchin, Elektroinstalateurin und Phonotypistin. Qualifizierungsmaßnamen (z. T.. mit Zertifikat) sind z. B. Berufsfindungslehrgänge im Bereich Holz/Metall, Küchenhelferin, Gaststättengehilfin, Verkaufsschulung und PC-Schulung. Externe Berufsbildungsmaßnahmen sind z. B. Konditorin, Altenpflegerin, Glaserin, Speditionskauffrau, Hauswirtschaftsleiterin, Technische Zeichnerin, Buchbinderin, Energieelektronikerin (viele Angebote im koedukativen Ansatz mit Männern). Die Beschäftigungsmöglichkeiten der Anstalten sollen bei % liegen. Diese Zahl erscheint hat jedoch eher wenig Aussagekraft, da es sich bei einer Vielzahl der Tätigkeiten lediglich um Reinigungsarbeiten ohne berufsqualifizierenden Hintergrund handelt. Behandlungsangebote Bei der Ausstattung mit Fachdiensten gibt es ein deutliches Gefälle zwischen Einrichtungen der neuen Bundesländer und der alten Bundesländer. In den neuen Bundesländern ist die Zuständigkeit für bis zu 80 Inhaftierte und mehr keine Seltenheit. Oftmals gibt es in den an Männeranstalten dranhängenden Frauenbereichen gar kein eigenes Fachpersonal. In den alten Bundesländern gibt es regionale Unterschiede, die Fallbelastung liegt im Schnitt bei Inhaftierten. Acht von 14 Bundesländern gaben an, keine besonderen Behandlungsangebote für inhaftierte Frauen vorzuhalten. Hier wurde auf ein gut funktionierendes Netzwerk mit diversen externen Stellen der Straffälligen- oder Suchtkrankenhilfe verwiesen. 4 4 Bayern bietet den Frauen Paargespräche für Ehe und Lebensfragen, Therapieangebote (d. Externe) für Sexualstraftäterinnen und eine Therapiegruppe für sexuell missbrauchte Frauen. Berlin bringt ausschließlich in Wohngruppen (überwiegend offene) unter, hält diverse Gruppenangebote vor, verfügt über eine eigene Sozialtherapie, bietet Drogenabhängigen eine Aussteigerinnen-Station 5
6 Entlassungsvorbereitung Sechs von 14 Bundesländern halten nach ihren Angaben in diesem Zusammenhang keine besonderen Angebote vor. In den übrigen Bundesländern gibt es neben speziellen Entlassungstrainings eine enge Vernetzung mit behördlichen und freien Trägern der Straffälligenhilfe. Besondere Schwierigkeiten treten immer dann auf, wenn der Heimatort weit von der Haftanstalt entfernt ist. Gabriele Kux JVA F Berlin / Mai 03 unter therapieähnlichen Bedingungen an, verlegt zum frühstmöglichen Zeitpunkt (4 Jahre bis VEZ) in den Offenen Vollzug, bietet ausländischen Frauen (in 7 Sprachen) muttersprachliche Betreuung durch Externe an, praktiziert das Spritzenvergabeprojekt in Zusammenarbeit mit der Berliner Aids-Hilfe. Bremen deckt besondere Behandlungserfordernisse nahezu vollständig über Externe ab. Hamburg hält Plätze in einer Sozialtherapie vor. Hessen/Frankfurt bietet psychotherapeutische Behandlung durch interne und externe Fachkräfte, soziales Training, psychosoziale Betreuung für Gefangene mit besonderer Gesundheitsproblematik, spezielle Ausländerinnen-Beratung, Wohngruppenbereich mit sozialtherapeutischer Ausrichtung, therapeutische Angebote für Frauen mit Missbrauchs-/Gewalterfahrung an. Niedersachsen organisiert Eheseminare, patoral-psychologische Wochenendseminare und erlebnispädagogische orientierte Veranstaltungen. Schleswig-Holstein bietet Einzelpsychotherapie an. 6
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