Vorsorge auf Zeitbasis 1
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- Harald Schmitt
- vor 8 Jahren
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1 Vorschlag für eine Vorsorge auf Zeitbasis 1 ( E N T W U R F ) Inhalt Ziel...2 Hintergrund...2 Analyse...3 Schlussfolgerungen...5 Empfehlungen...6 Aktionsplan...6 Anhang...8 Entgegnungen zu potentiellen Einwänden In Ergänzung zu der bestehenden gesetzlichen Altersrente und zur Grundsicherung auf Geldbasis. Seite 1 von 11
2 Ziel Verbesserung der Vorsorge 2 und der Lebensumstände älterer hilfsbedürftiger Menschen mit geringem Einkommen 3 durch eine bundesweite Vorsorge-Zeit-Bank (AVZB) für ehrenamtliche soziale Dienstleistungen. Hintergrund Alte Menschen möchten meist so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Die menschenwürdige Versorgung ist für die hilfsbedürftigen alten Menschen, die nicht über genügend Mittel verfügen, um sich die notwendigen Dienstleistungen einkaufen zu können, dann ein Problem, wenn sie alleine leben. Wegen der demografischen Entwicklung wird sich dies vermehrt zu einem gesellschaftlichen Problem ausweiten, weil zum einen der Anteil an hilfsbedürftigen Senioren dramatisch zunehmen wird und immer weniger Kinder da sind, die sich um ihre Eltern kümmern könnten. Dazu kommt eine strukturelle Zunahme der Altersarmut. Gründe hierfür sind zum einen die Stagnation der Reallöhne und die Zunahme von prekären Beschäftigungsverhältnissen 4 in der vergangenen Dekade, wodurch das für die Rente maßgebliche Durchschnittseinkommen nicht mit der Wirtschaftskraft gewachsen ist. Zum anderen werden die Leistungen der gesetzlichen Rente über den demographischen Faktor in der Rentenformel relativ 5 immer geringer werden. Es wird also eine wachsende Zahl von Alten von der Grundsicherung leben müssen, denn die mit der Riesterrente eingeführte kapitalbasierte private Vorsorge (2. Säule der Altersvorsorge) können sich gerade solche Geringverdiener gar nicht leisten 6 und Betriebsrenten (3. Säule der Altersvorsorge) werden immer seltener. Es geht aber nicht nur um die Alten in unserer Gesellschaft, sondern es gibt viele in jüngeren Jahren, die durch schicksalhafte Umstände in die Notlage geraten, ihr bis dahin erworbenes Vermögen aufbrauchen und dann Grundsicherung beantragen zu müssen. Das kann z.b. länger anhaltende Arbeitslosigkeit oder eine schwere Erkrankung sein. Dagegen haben die Menschen nach ihrer Pensionierung viel Zeit, um sich sozial zu engagieren, besonders in den ersten zehn Jahren, wo die meisten noch rüstig und aktiv sind, was sie auch zahlreich tun. Aber auch vorher gibt es Zeiten, in denen sich Menschen ehrenamtlich in sozialen Bereichen einsetzten, beispielsweise nach der Schule im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) oder neuerdings auch nach der Berufsausbildung im Bundesfreiwilligendienst (BFD). Insgesamt engagieren sich über 20 Millionen erwachsene Bundesbürger ehrenamtlich und davon ein nicht unerheblicher Teil im sozialen Bereich. Viele Bundesbürger sind also 2 Alle bestehenden Einrichtungen zur Altersvorsorge bleiben unberührt und werden nur ergänzt. 3 Hier sind nicht nur Rentner gemeint, sondern alle, die Hilfsbedürftig geworden sind. 4 Dazu gehören 1-Euro-Jobs, 400-Euro-Jobs (geringfügige Beschäftigung), systematische Zunahme der schlechter bezahlten Leiharbeit und bei Akademikern die vermehrte Vergabe von Praktika anstelle fester Anstellungen. 5 Relativ gemessen an der Kaufkraft und durch die wachsenden Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung. 6 In der Sendung betrifft - Das Riester-Dilemma - Porträt einer Jahrhundertreform im SWR am wurde dies erneut klar belegt. Seite 2 von 11
3 bereit einen Teil ihrer verfügbaren Zeit für freiwillige Sozialarbeit einzusetzen. Die Bereitschaft für solche solidarischen Tätigkeiten ist sogar noch größer aber oft bedarf es eines hilfreichen Anstoßes, um sich ehrenamtlich zu betätigen. Analyse Heute schon arbeiten in Deutschland etwa 23 Millionen Menschen ehrenamtlich, wobei die innerfamiliäre Unterstützung und Hilfeleistung hier noch nicht mit eingerechnet ist. Das sind etwa 1/3 der arbeitsfähigen Bevölkerung. Aber ein Teil dieser, in allen Fällen wertvollen, ehrenamtlichen Tätigkeiten dient nicht der Unterstützung älterer Menschen, wie beispielsweise die freiwillige Feuerwehr oder das Technische Hilfswerk (THW). Das bedeutet, dass es bereits heute viel ehrenamtliche Hilfe und Unterstützung gibt, die das beschriebene Problem lindern. Vereine wie Seniorenbüros, Nachbarschaftshilfen oder Tauschringe, die u. a. auch ehrenamtliche soziale Dienstleistungen vermitteln, organisieren dies. Im Wesentlichen handelt es sich hier um einen zeitgleichen Tausch, d. h. Angebot und Nachfrage von ehrenamtlichen Dienstleistungen müssen zeitlich zusammenfallen. Einige wenige dieser Organisationen 7 verwenden aber bereits eine ZeitBank, in der geleistete ehrenamtliche Tätigkeiten mit Zeitpunkten gutgeschrieben wird die zu einem späteren Zeitpunkt für eine gewünschte Dienstleistung in Anspruch genommen werden kann, sofern diese dann auch angeboten wird. Unter anderem kann sich hier jemand Zeitpunkte 8 erwerben solange er jung (z. B. freiwilliges Jahr) oder rüstiger Rentner ist und später stark zeitversetzt, auch noch nach vielen Jahren, wenn er selbst Hilfe benötigt, sein Guthaben auf dem Zeitkonto gegen eine benötigte Dienstleistung eintauschen kann. Man erwirbt also mit geleisteter ehrenamtlicher Tätigkeit ein Anrecht auf Inanspruchnahme ehrenamtlicher Tätigkeit. Während für all die Alten, deren Gesamteinkommen bei oder über der Durchschnittsrente liegt, bedeutet ein solches Zeitguthaben quasi eine willkommene Aufbesserung der Rente. Für all die aber, deren Rente nur etwa bei der Grundsicherung 9 oder sogar darunter liegt, können sie eine sehr notwendige Aufbesserung sein, weil sie Altersarmut verhindern und nicht der Zwang besteht, das gesamte Vermögen aufzubrauchen, bevor die Aufstockung bis zur Grundsicherung beantragt werden kann. In 2009 haben bereits Rentner eine Aufstockung bis zur Grundsicherung erhalten 10. das sind bei etwa 8,15 Mio Rentnern etwa 5%. Für Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, aber schließlich nicht mehr als die Grundsicherung als Gesamteinkommen haben, ist dies kein menschenwürdiges Leben. Vorsorge auf Zeitbasis würde deren Situation dramatisch verbessern. 7 Beispiele sind das Münchener ZeitBank-Netzwerk ( ), die Zeitbank Vorpommern ( ), die Nachbarschaftshilfe Walsrode und Zeitbankvereine in Baden- Württemberg, die über die SPES und Zeitbank55+ organisiert sind ( ). 8 Manche Tauschringe verbuchen statt Zeitpunkten Talentpunkte. 9 Zum 1. Januar 2012 stieg der Regelsatz für Alleinstehende bzw. den Haushaltsvorstand auf 374,--, für Haushaltsangehörige auf 262,--. Hinzukommen die Übernahme von Miet- und Heizkosten. 10 Nullmeier, Ruland, Schmähl: Alterssicherung im Umbruch, ZeS-Arbeitspapier Nr.2/2008 (Uni Bremen). Seite 3 von 11
4 Die Idee einer solchen ZeitBank für ehrenamtliche Tätigkeiten ist also nicht neu. Im März 2011 wurde sie von Herbert Henzler 11 und Lothar Späth 12 in ihrem Buch Der Generationen-Pakt: warum die Alten nicht das Problem, sondern die Lösung sind aufgegriffen und im Fernsehen dafür geworben. Diese Vereine arbeiten regional begrenzt und sind nur lose mit Dachverbänden, wie Arbeitsgemeinschaften oder auch nur Bundesarbeitstreffen. Bei der heutigen Mobilität der Gesellschaft, wo man als Jugendlicher in einem Ort aufwächst, dann möglicherweise an einem anderen Ort ausgebildet wird, an weiteren Orten arbeitet und sich später wieder an einem anderen Ort zur Ruhe setzt, haben die regionalen ZeitBanken einen entscheidenden Nachteil, weil dadurch bereits erworbene Zeitguthaben verloren gehen, was die Akzeptanz regionaler ZeitBanken verringert. Bei einer sind die erworbenen Guthaben aber vom Wohn- bzw. Wirkungsort unabhängig. Es ist das Wesen ehrenamtlicher Tätigkeit, dass sie unentgeltlich 13 geleistet wird. Dafür bekommen die ehrenamtlich Tätigen außer einem Dankeschön bislang nichts. Vielen Menschen aber ist dies keine angemessene Anerkennung. Hier ist der Erwerb von Anspruch auf ehrenamtliche Unterstützung fürs eigene Alter eine sehr starke Motivation sich selbst auch ehrenamtlich einzubringen im Sinne eines solidarischen Miteinanders der Generationen. Es kommt nicht das Gefühl auf, gegen ein Dankeschön ausgenutzt zu werden, sondern als Belohnung etwas zurück zu bekommen. Der Mehraufwand für die bestehenden Organisationen, die ehrenamtliche Arbeit brauchen oder vermitteln ist denkbar gering, da das ZeitBank-System so aufgebaut werden kann, dass der Anbieter und der Nachfrager gemeinsam selbst die ehrenamtlich geleistete Zeit ins System eingeben, wie es bereits bei bestehenden ZeitBanken funktioniert. Die Organisationen müssen die Beteiligten lediglich auf die Möglichkeit einer solchen ZeitBank hinweisen und Hilfestellung für die Benutzung zu geben. Für eine solche AVZB können alle bisherigen Organisationen, die mit ehrenamtlichen Tätigkeiten zu tun haben, genauso weiter bestehen, wie bisher, inklusive der bisher bestehenden regionalen ZeitBanken. Das ist ein ganz entscheidender Umstand für die einfache Realisierbarkeit. Die Eröffnung eines Zeitkontos bei der bundesweiten ZeitBank ist freiwillig und stellt deshalb keine Konkurrenz zu den regionalen dar. Bei Verlassen der Region müssen die regional erworbenen Zeitguthaben in die AVZB übertragen werden können, sofern die Kriterien erfüllt werden. Die Kosten für diese AVZB sind nicht besonders hoch, weil es sich im Wesentlichen um die Leasingkosten für ein Computersystem inklusive Vernetzung und Wartung, Leasing der Datenbanksoftware mit Pflege, Raummiete und Reinigung handelt. Die Kosten für personelle Ressourcen, die für den Betrieb der ZeitBank nötig sind, können durch den Einsatz von ehrenamtlichen Kräften klein gehalten werden. Wenn die teilnehmenden Ehrenamtlichen die Eingaben weitgehend selbst machen, braucht es außer dem Systemadministrator nur wenige zusätzliche ehrenamtliche Mitarbeiter, die helfen, wenn Teilnehmer keinen Onlinezugang haben. 11 Prof. Dr. Herbert Henzler war u. a. Chef der Unternehmensberatung McKinsey.in Europa, berät heute das Bayrische Forschungsministerium und die Credit Swiss. 12 Lothar Späth war Ministerpräsident von Baden-Württemberg und später erfolgreicher Geschäftsführer der Jenoptik GmbH in Jena. 13 Unentgeltlich bedeutet nicht, dass man den mit der ehrenamtlichen Tätigkeit verbundenen finanziellen Aufwand nicht erstattet bekommt, z.b. Fahrkosten. Seite 4 von 11
5 Derzeit werden solche ZeitBanken in der Deutschen Öffentlichkeit als Möglichkeit zur Vorsorge kaum diskutiert. Zum einen begreifen sich die Tauschringe mit ZeitBanken bislang als Alternative zur Geldwirtschaft (Komplementärwährung, Regionalwährung 14 ). Zum anderen findet das Thema Vorsorge von den Medien wenig Beachtung, wenn nicht irgendein Skandal 15 oder Bedrohungsszenario 16 hierzu negativen Anlass geben, was wiederum dazu führt, dass das Thema Vorsorge in Deutschland negativ besetzt ist und kein kreativer öffentlicher Diskurs zustande kommt. Erst durch das oben zitierte Buch von Henzler und Späth ist die Notwendigkeit einer vierten Säule in der Altersvorsorge auf Zeitbasis in die breitere Öffentlichkeit gelangt. Die 23 Millionen Freiwilligen und Ehrenamtliche müssen über die Organisationen, in denen sie Arbeiten, dies Thema in den Medien am Leben halten und vorantreiben, sonst geht es wieder unter. In der Deutschen Politik wird bislang solchen ZeitBanken deshalb auch kaum Beachtung geschenkt. So findet sich im letzten (6.) Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland 17 zwar ein Hinweis auf Tauschringe und Genossenschaften (Seite 73) aber nicht auf die bereits bei etlichen Tauschringen erfolgreich eingesetzten ZeitBanken (manchmal auch Talentbank genannt). Es gibt sogar Organisationen, die Zeitguthaben von einer ZeitBank eines Tauschrings zu der eines anderen Tauschrings übertragen (VeSTa = Verrechnungsstelle für Tauschringe, RTR = Ressourcen-Tauschring). Ein Ersatz für die AV-Zeit- Bank ist das aber nicht, weil es solche Tauschringe mit ZeitBank in Deutschland nicht flächendeckend gibt. Einige Aussagen, die man im Internet findet, deuten darauf hin, dass die Politik dies Thema scheut, weil hier die Versteuerung eines Geldwerten Vorteils von ehrenamtlichen Dienstleistungen und Abgrenzung von Nachbarschaftshilfe zur Schwarzarbeit angesprochen sind. Ohne öffentlichen Druck wird sich da auch wenig bewegen und freiwillige sowie ehrenamtliche gemeinnützige Arbeit zwar gewünscht, gelobt und ausgepreist aber nicht zu einer echten Erweiterung der allgemeinen Vorsorge (inklusive Altersvorsorge) ausgebaut wird. Schlussfolgerungen Es wird eine vierte Säule 18 für die Altersvorsorge und Sozialhilfe benötigt, die durch ehrenamt-liche Hilfeleistungen von rüstigen Jungen und Alten erbracht werden ganz wie das solidarische Umlagesystem der Altersrente, nur dass statt Geld hier Zeit umver-teilt wird, die für freiwillige Sozialarbeit erworben wird (geben) und als freiwillige Sozialarbeit entgegengenommen wird (nehmen). Praktisch kann dies durch die Implementierung einer bundesweiten ZeitBank (AV-Zeit-Bank) für ehrenamtliche und gemeinnützige Dienstleistungen erfolgen, 14 Lietäer, Bernard a.: Das Geld der Zukunft Über die zerstörerische Wirkung unseres Geldsystems und Alternativen hierzu, Riemann Verlag, 2002 sowie Kennedy, Margrit und Lietaer, Bernard A.: Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, Riemann Verlag 15 Z. B. Abzocke etlicher Versicherungsgesellschaften mit Riesterrentenvertägen oder Anrechnung der Riesterrente auf die Grundversorgung bei kleinene Renten 16 Z. B. Rentenabbau durch die demographische Entwicklung oder Verschiebung des Rentenalters auf 67, 70 oder noch höheres Alter. 17 Sechster Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland Altersbilder in der Gesellschsft und Stellungnahme der Bundesregierung, Drucksache 17/3815 vom des Deutschen Bundestages, 18 Neben (1) der umlagebasierten gesetzlichen Rente (Generationenvertrag), der (2) betrieblichen Rente (immer seltener gegeben) und (3) privaten Rente (z.b. Riester-Rente). Seite 5 von 11
6 die die hilfsbedürftigen älteren Menschen kostenlos mit den benötigten Unterstützungen versorgt, unabhängig davon wann und wo sie sich die Ansprüche mal erworben haben. Es gibt eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten für eine vierte Säule der Altersvorsorge und Sozialhilfe. Aber die verursachen allesamt Kosten, die von der Gesellschaft zu tragen sind und deshalb politisch in Zeiten leerer Kassen 19 kaum Chancen auf Realisierung haben. Eine AVZB hat jedoch den ungeheuren Vorteil, dass sie den Staat (Gemeinde, Land, Bund) praktisch kein Geld kostet, und daher gute Chancen hat, politisch umgesetzt zu werden. Für die ZeitBank-Nutzer ist die absolute Unabhängigkeit von Inflation ein wesentlicher Vorteil. Empfehlungen Implementierung einer ZeitBank für ehrenamtliche und gemeinnützige Tätigkeiten, die bundesweit zur Verfügung steht. Diese ZeitBank muss juristisch so abgesichert sein, dass die Zeitguthaben lebenslang erhalten bleiben, z. B. in Form einer organisationsunabhängigen Stiftung. Die Politik muss sich partei- und länderübergreifend hinter dies Projekt stellen und, falls notwendig, die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. So wie jetzt bereits der Bundespräsident Schirmherr der Bundesarbeitsgemeinschaft für Freiwilligenagenturen (bagfa) ist, sollte er auch die Schirmherrschaft für die damit im engen Sinnzusammenhang stehenden bundesweiten ZeitBank übernehmen. Aktionsplan 1. Bei den für Renten und Senioren zuständigen MinisternInnen nachfragen, wie diese Idee einer Vorsorge-auf-Zeitbasis (AVaZ) in die Realität umgesetzt werden soll es könnte ja sein, dass nur offene Türen eingerannt werden brauchen 20 ; kennen müssten sie diese Idee wegen des Buches von Henzler und Späth ja bereits. Es ist aber eher nicht damit zu rechnen, weil die AVaZ weder in den Altenberichten noch in den Freiwilligensurveys 21 der Regierung auftaucht und weil noch kein öffentlicher Druck da ist. 2. Deshalb wird wohl eine Kampagne (oder Bürgerinitiative?) Vorsorge-auf-Zeitbasis oder Vorsorge-ZeitBank vorbereitet und durchgeführt werden müssen. Ziel 19 Wenn der Deutsche Staat den riesigen Berg von Staatsschulden nicht durch Inflation auf Kosten der Bevölkerung, insbesondere der armen, abbauen will, ist dies alleine schon Grund genug. 20 Tatsächlich berichtet Frau Martina Steguweit-Behrenbek vom Verein Daheim statt Heim in Westerstede mit Vorsorge-ZeitBank von einem Treffen im Juni 2012 in Berlin mit Politikern zu diesem Thema, dass die Politik derzeit kaum Lösungen für die Herausforderungen durch die demografische Entwicklung hat und deshalb für die Idee einer Vorsorge-ZeitBank ein offenes Ohr besitzt. 21 Thomas Gensicke, Sabine Geiss: Hauptbericht des Freiwilligensurveys Zivilgesellschaft, soziales Kapital und freiwilliges Engagement in Deutschland Seite 6 von 11
7 ist es, die AVaZ bei den Freiwilligen & Ehrenamtlichen und in der Bevölkerung bekannt zu machen, besonders bei denen, die nur eine kleine Rente zu erwarten haben: 3. Zur Erprobung der Machbarkeit und Praktikabilität wird eine regionale Zeit- Bank 22 durch eine große Freiwilligenagentur betrieben, weil hier ehrenamtliche Tätigkeiten zu unterschiedlichsten Organisationen und Privatpersonen vermittelt werden und dabei auch die Jungendlichen mit ihrem Freiwilligenjahr erfasst werden. Dies sollte bereits parallel zur Kampagne erfolgen, damit Erkenntnisse aus der Kampagne einfließen können und umgekehrt diese ZeitBank zur Demonstration für die Überzeugungsarbeit verwendet werden kann. 4. Entwicklung von Kriterien für ehrenamtlichen Tätigkeiten, die als gemeinnützig im Sinne eines solidarischen Miteinanders der Generationen in Frage kommen und dadurch die ZeitBank nicht zu einem allgemeinen Bazar zweckentfremdet würde 23. Die Unterscheidung von Nachbarschaftshilfe und Schwarzarbeit sowie Zeitguthaben und steuerpflichtiger Entlohnung muss dabei ebenfalls klar erfolgen. Die Kriterien hierfür können dann in die entsprechende Gesetzgebungsdebatte eingebracht werden bzw. in ihr entwickelt werden. 5. Alle Organisationen, die Ehrenamtliche beschäftigen (z.b. Rotes Kreuz, Caritas, Diakonie, etc) oder solche vermitteln (wie z. B. Freiwilligenagenturen, Seniorenbüros, Nachbarschaftshilfen, Tauschringe, etc) werden mit der Idee der bundesweiten ZeitBank vertraut gemacht werden, sodass sie ihre Ehrenamtlichen entsprechend informieren und beraten können. 6. Ein Träger für den Betrieb dieser bundesweiten Zeitbank wird gewonnen und vertraglich zum nachhaltigen Betrieb der bundesweiten ZeitBank verpflichtet bestehende große Organisation oder zweckgebundene Stiftung). 7. Die AVZB wird nach dem Vorbild der in 1. erprobten ZeitBank nun implementiert und in Betrieb genommen. Köln, 24. Januar 2012 Karl-Heinz Kock Ehrenamtlicher Senior-Experte für Management (Projekte, Unternehmen, Schule und Qualität). bei 22 Die Verwendung der existierenden Software Cyclos des Münchener ZeutBank-Netzwerks bietet sich an, weil sie von der Struktur her geeignet scheint und schon einige Jahre erprobt ist. 23 Hilfreich sind hierfür die Listen für Pflegeleistungen für ambulante und häusliche Pflege und hieraus praktisch alle Leistungen für die hauswirtschaftliche Versorgung, Privatleistungen und einige Dienstleistungen auf Vermittlung, die nicht mit professionellen Pflegediensten oder Dienstleistern in Konkurrenz treten (z. B. ) Seite 7 von 11
8 Anhang Entgegnungen zu potentiellen Einwänden Die Idee einer solchen ZeitBank widerspricht dem Geist ehrenamtlicher Tätigkeit, weil dadurch ein geldwerter Vorteil erworben und in Anspruch genommen werden kann. Es findet ja keine monetäre Vergütung von ehrenamtlicher Tätigkeit statt, sondern sie wird lediglich getauscht. Auf regionaler Basis werden solche Zeit- Banken bereits heute erfolgreich betrieben (z. B. in München, Vorpommern oder einige in Baden-Württemberg). Eine solche AVZB wird von den vielen Organisationen und Privatpersonen, die ehrenamtliche Tätigkeiten anbieten, nachfragen oder vermitteln, nicht akzeptiert werden, denn viele dieser Organisationen und Vereine arbeiten regional und wollen ihre Eigenständigkeit bewahren. Die AVZB wird daher als Konkurrenz angesehen werden. Die AVZB ist ein zusätzliches und freiwilliges Angebot an die Ehrenamtlichen, völlig unabhängig von den regionalen Strukturen. Die Ehrenamtlichen müssen lediglich auf diese Möglichkeit hingewiesen werden. Der zusätzliche Verwaltungsaufwand ist viel zu hoch und kann von den Vereinen nicht getragen werden. Da für die AVZB lediglich Zeiten ohne Unterscheidung der Wertigkeit einer sozialen Dienstleistung eingegeben werden, ist das System wesentlich einfacher, als bei der gesetzlichen Altersrente, wo rentenwirksame Zeiten nachgewiesen werden müssen und mit einer komplizierten Rentenformel, die sich im Laufe der Zeit auch noch durch die Politik verändert, in Rentenansprüche umgerechnet werden müssen. Hier muss lediglich durch den Auftraggeber Art und Dauer der Hilfsleistung bestätigt werden. Eine AVZB ist viel zu kompliziert. Die ZeitBank ist eine einfache Datenbank, die über Internet allen online oder über den Administrator brieflich zugänglich ist. An den bestehenden Strukturen für ehrenamtliche Tätigkeiten ändert sich überhaupt nichts, weil die AVZB ein selbstständiges System ist, was von den Ehrenamtlichen verwendet werden kann, aber nicht muss. Wenn er dies will, dann muss lediglich durch den Auftraggeber Art und Dauer der Hilfsleistung bestätigt werden. Das ist aber auch das Mindeste, was für eine kostenlose Dienstleistung billigerweise erwartet werden darf. Eine AVZB ist viel zu teuer. Seite 8 von 11
9 Es handelt sich lediglich um einen geleasten sicheren Computer, auf der von ehrenamtlichen Mitarbeitern eine geleaste Datenbank betrieben wird, die über Internet bundesweit von den registrierten ehrenamtlich Tätigen benutzt wird. Die monatlichen Betriebskosten sind deshalb in der Größenordnung von wenigen tausend Euro. Die Entwicklung wird ebenfalls nicht viel kosten, weil es bereits funktionierende regionale Vorbilder gibt (z. B. in München) und für die bundesweite Verwendung lediglich allen die Registrierung unabhängig vom Wohnort erlaubt werden würde. Die Idee einer AVZB wird von der Politik zerredet werden in strategischem Parteieninteressen und in föderativen Streitigkeiten zwischen den Bundesländern. Die Gründung einer AVZB bedarf prinzipiell keiner politischen Zustimmung, weil sie ein rein bürgerliches Projekt ist und nicht zuletzt auch, weil sie keine öffentlichen Gelder benötigt. Allerdings wäre es sehr förderlich, wenn die einschlägigen Ministerien sich hinter ein solches Projekt als Förderung ehrenamtlicher Tätigkeiten und Linderung der Altersarmut stellen würden. Freiwillige bzw. Ehrenamtliche motiviert man mit Steuervorteilen besser als mit ZeitBanken. Erstens kosten Steuervorteile den Staat Geld, was er zunehmend nicht mehr hat. Aber zweitens haben nur diejenigen etwas von Steuervorteilen, die Steuern zahlen, d.h. einer bezahlten Beschäftigung nachgehen und insbesondere hier die Besserverdienenden. Die Zielgruppe für ZeitBanken sind aber gerade diejenigen, die kein oder nur ein geringes zu versteuerndes Einkommen haben. Deshalb können für diese Menschen nur Zeitguthaben motivierend wirken. Es kann doch nicht garantiert werden, dass die erworbenen Zeitguthaben mir auch noch nach Jahrzehnten garantiert zur Verfügung stehen. Das jetzige System der gesetzlichen Altersrente auf der Basis von Umverteilung arbeitet ja genau so, nur nicht mit Zeit, sondern mit Geld. Eine Bestandsgarantie der Zeitguthaben ist also möglich und kann durch eine geeignete juristische Konstruktion des AVZB-Betreibers auch garantiert werden. Da es für die Zeitkonten aber keine komplizierte Rentenformel benötigt wird, ist auch der Verwaltungsaufwand viel geringer. Viele werden sich Zeitguthaben durch Manipulation erschleichen. So wie bei der derzeitigen gesetzlichen Altersrente müssen erbrachte Zeiten für freiwilligen bzw. ehrenamtlichen sozialen Einsatz natürlich von dem bestätigt werden, der die freiwillige Dienstleistung in Anspruch nimmt. Geber und Nehmer der Dienstleistung haben beide die Verantwortung für die Richtigkeit der Angaben, so wie bei der gesetzlichen Rente auch. Viele gemeinnützige Arbeiten haben nicht den Charakter von sozialen Dienstleistungen (Feuerwehr, THD, etc) und sind deshalb nicht zum Erwerb von Zeitguthaben für eigene Hilfestellungen geeignet. Seite 9 von 11
10 Altersvorsorge auf Zeitbasis Das ist richtig und deshalb müssen scharfe Kriterien für die gemeinnützigen Tätigkeiten entwickelt werden, die einer sozialen Dienstleistung im Sinne der Versorgung hilfsbedürftiger Menschen entsprechen. Nur für solche Tätigkeiten dürfen dann die Zeiten in der ZeitBank gutgeschrieben werden. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Realisierung einer AVZB. Die getauschten Dienstleistungen sind ein geldwerter Vorteil, der versteuert werden muss. Vom Charakter her entsprechen die Zeitguthaben für eine ehrenamtliche Dienstleitung der Nachbarschaftshilfe. In der AVZB sollen keine Tätigkeiten erfasst werden, die von Handwerksbetrieben oder professionellen Pflegediensten angeboten werden. Hier gibt es eine Grauzone, die vom Gesetzgeber noch klar geregelt werden muss. Ohne Druck durch die Freiwilligen & Ehrenamtlichen und ihre Organisationen wird die Politik dies aber nicht machen. Bei den über die AVZB getauschten Dienstleistungen handelt es sich um Schwarzarbeit. Auch hier ist Regelungsbedarf durch den Gesetzgeber, denn kleinere handwerkliche Arbeiten werden von Handwerksbetrieben nicht gerne übernommen, weil sie unrentabel sind. Es gibt Pflegeleistungen, für die keine Ausbildung als Pfleger erforderlich ist. Wenn diese Hilfestellungen von Freiwilligen übernommen werden, nimmt das niemandem die Erwerbsarbeit weg, sondern füllt eine Lücke, die der Markt nicht bedienen kann. Welche Dienstleistungen hier noch als Nachbarschaftshilfe angesehen werden dürfen, muss klar geregelt werden. Ohne Druck durch die Freiwilligen & Ehrenamtlichen und ihre Organisationen wird die Politik dies aber auch nicht machen. Eine bedingungslose Grundrente (erst recht ein bedingungsloses Grundeinkommen bzw. Bürgergeld 24 ) anstelle der jetzigen Altersrente auf Umlagebasis ist besser, als diese mit einer Rente auf Zeitbasis auszubauen. Das ist sicher richtig. Nur gibt es eine starke Kontroverse darüber, ob sie mit der menschlichen Psyche vereinbar und vor allem, ob sie finanzierbar ist. Deshalb ist die zeitnahe Einführung einer Grundrente nicht realistisch. Die AVZB kostet aber die Gesellschaft (fast) nichts und lässt sich daher schnell einführen. Die Lobby der Versicherungswirtschaft wird eine Konkurrenz durch ein solches Umlagesystem auf Zeitbasis nicht zulassen, weil die Riester- und anderen kapitalbasierten Rentenverträge für sie einen Markt über Zig-Milliarden Euro darstellen. o Entgegnung 24 Die Angestelltengewerkschaft ver-di beschließt 2011 die Annahme des Antrags B104 Mindestlohn statt Kombilohn! Bedarfsgerechte Existenzsicherung in unterschiedlichen Lebenslagen statt Pauschalisierung!. In ihr werden sowohl Kombilöhne, als auch ein bedingungsloses Grundeinkommen oder Bürgergeld klar abgelehnt. Seite 10 von 11
11 Die Riesterrente hat als Altersvorsorge für finanzschwache Menschen nachweislich versagt. Dies ist aber erklärtermaßen die Zielgruppe für AVaZ und deshalb gibt es faktisch keine Konkurrenz nicht. Natürlich können auch finanziell besser gestellte Menschen von der AVaZ Gebrauch machen, wenn sie es für sich als sinnvoll ansehen, sich sozial zu engagieren und könnten ihre Zeitguthaben sogar an Bedürftige spenden. Tauschringe können einwenden, dass langfristige Zeitguthaben für soziale Dienstleistungen dem aktuellen Tauschkreislauf entzogen werden und eine Hortung von Talenten 25 ja gerade vermieden werden soll. Was spräche dagegen, wenn der Eintrag in eine Vorsorge-Zeitbank zusätzlich zum kurzfristigen Tausch erfolgen würde, wenn es sich denn um eine Dienstleistung handelt, die die (noch zu erstellenden) Kriterien für soziale Hilfsdienste erfüllt, und zwar völlig freiwillig. (weitere Einwände) 25 Talente hier synonym gebraucht für alle Arten der von Tauschringen verwendeten Regionalwährung. Seite 11 von 11
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